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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ethische Ausbildung im MedStudium



Dr.Dolor
25.07.2002, 08:10
Hallo zusammen,

die derzeitige Ausbildung von Medizinstudierenden ist vielfach unbestritten mangelhaft, mich interessiert in diesem Zusammenhang eure Meinung zur ethisch/moralischen Ausbildung während des Studiums.
Meiner Meinung nach gehört zu den wichtigen Aspekten des ärztlichen Handelns eine solide und gefestigte Einstellung zu gesellschaftlich-ethisch hochbrisanten Fragen wie beispielsweise "Abtreibung", "Sterbehilfe", "Organspende", "Gentechnologie" und "lebensverlängernde Massnahmen". Auch die Frage der ärztlichen Veranwortung und dem persönlichen Umgang mit dem Tod eigener Patienten (Schuld etc) sollte gegen Ende des Studiums irgendwie beantwortet sein.
Leider ist es eine traurige Tatsache, dass unsere Lehre uns kaum Hilfestellungen in diesen Aspekten und Fragen gibt; irgendwie muss also jeder seinen eigenen Weg durch diesen Dschungel der Unsicherheit gehen - wie also beurteilt ihr eure persönliche Fähigkeit, mit derartigen Konflikten zukünftig umzugehen?

(ich möchte jetzt natürlich keinen Seelen-Striptease, auch die persönliche Einstellung zu den o.g. Fragen muss hier nicht ausgetragen werden - ganz generell interessieren mich eure Wünsche, Vorstellungen und Meinungen zur Tatsache der massiven Vernachlässigung bei der medizinischen Ausbildung & Supervision in ethischen Grundfragen.)

Hoffe auf interessante Beiträge.
Gruss, Daniel.

Nico
25.07.2002, 10:43
Ich finde, jeder sollte sich selbst ein Bild in ethischen Fragen machen können. Intelligent genug sind wir doch wohl, oder?
Und wer hat nicht schon in geselliger Runde dagesessen und hitzig debattiert?
Und auch im Inet ist einiges zu finden.
Ganz zu schweigen von soooo vielen tollen Büchern, die es gibt.
(Ich verliere mich immer wieder bei amazon. :-)) )
Zur Zeit ist Alice Miller zusammen mit Otto Kernberg angesagt.

Im Auswahlgespräch habe ich mit einem Pathologen (der Chirurg hat sich weitestgehend rausgehalten) ein prima Sterbehilfe-Programm ausgearbeitet. Ähnlich, wie es in den Niederlanden gehandhabt wird.

Also, eigentlich sollte sich jeder von ganz alleine ab und an mal solche Fragen stellen. :-meinung


Liebe Grüsse
Nico

Lava
25.07.2002, 12:34
Ich kann nicht für das gesamte Studium sprechen, aber ich vermute, dass es später wohl weniger häufig erwähnt wird. Zumindest im ersten und zweiten Semester haben wir bei uns aber über ethische Fragestellungen geredet. Sogar in verschiedenen Vorlesungen und Kursen! Beispielsweise in Termi und in Psychologie. Leider kommt Psycho in Freiburg seeeeeehr sehr kurz und es blieb kaum Zeit, sich mit mehreren Themen zu beschäftigen. Ich halte Psycho für ein sehr wichtiges Fach und finde es überhaupt unsinnig, das gleich im ersten Jahr abzuhandeln!

Festus
26.07.2002, 21:05
Ich persönlich finde nicht, das eine "formelle" Bearbeitung dieses Themas der Problematik gerecht wird.

Das denk ich mal sollte jeder vor allem mit sich selbst ausmachen, wie er zu solchen Sachen steht.
Und dann nicht zu vergessen, endlose Diskussionen mit Freunden und Kommilitonen.

Also mich würde ein Fach "Ethik" eher abnerven

June
26.07.2002, 22:09
Wir hatten im ersten klinischen Semester einen Ethikkurs, an dem man teilnehmen konnte, aber nicht mußte. Bei mir flog er nach zwei Wochen raus aus dem Programm, weil das Semester eh schon sehr voll war, aber ich finde es nicht schlecht, daß es so einen Kurs gibt, und auch die Durchführung in Göttingen ist ganz gut: Das ganze fand als POL statt (klein genug dafür waren die Gruppen schnell...), keinem wurde irgendeine Meinung aufoktroyiert, aber der Kurs gab halt die Gelegenheit, die Grundlagen zu erarbeiten, die man braucht, um sich eine Meinung zu bilden, die nicht auf Hörensagen und Scheinwissen basiert. Naja, die Resonanz war aber nicht überwältigend, soweit ich das überhaupt beurteilen kann... :-blush
Die June

Lava
27.07.2002, 17:52
Ich hab auch gemerkt, dass die Diskussion in der Termi Vorleseung nicht viel gebracht hat. Wie in der Schule waren es immer dieselben 5 bis 10 Leute der anwesenden 150, die sich an der Diskussion beteiligt haben. Der Rest dachte sich wahrscheinlich auch, sowas gehöre in kleinere Gruppen oder ganz und gar weg aus den Pflichtveranstaltungen. Sehr gut lief aber das Thema Ethik in Psycho, weil die Gruppen da nur aus 10 bis 15 Personen bestanden. Anbieten würde sich für sowas sicherlich eine Art Seminar, wie wir es in Soziologie bei uns haben: man wählt ein Thema und fährt mit einer Gruppe von ca. 15 Personen zu einer Berghütte, wo man weit weg von der Zivilisation diskutieren kann. Oder noch besser: man macht Anschauungsunterricht, indem man Selbsthilfegruppen, Organisationen oder Psychotherapeuten besucht. Ein Gespräch im Freundeskreis mag offener sein, aber erst die Erfahrungsberichte eines Experten oder von Betroffenen bringen eine Meinung, die wirklich auf Tatsachen beruht.

Festus
27.07.2002, 18:24
Ich bin mir aber nicht sicher, was für einen Personenkreis man für so einen "Selbsterfahrengstrip" in eine Berghütte gewinnt.

ICh fürchte mal nur eine gewisse Klasse von Studenten wir sich für so was finden, was die Diskussion etwas einseitig machen wird.

Gespräche mit betroffenen mögen hilfreicher sein, doch glaube ich können auch die eie spätere -eigene- kritische Erfahrung mit ethischen "Extremsituationen" (z.B. Sterbehilfe) nicht ersetzen.

Heinz Wäscher
07.08.2002, 12:07
Also,hier in Lübeck gibts ja das tolle Ethiker-Diplom
Da kann man Diskussionsabende besuchen und es gibt hier sogar den "Ethiktag in der Medizin",der dann auch frei von ALLEN Vorlesungen,Kursen und Praktika ist!
Natürlich läuft das auf freiwilliger Basis und die Mitarbeiter v Institut f Med.-& Wissenschaftsgeschichte sind sehr engagiert
Da werden dann Themen entworfen und dazu gibts Lesungen und nen Film

Außerdem gibts hier noch nen begleitenden Soziologiekurs und die Psychologen bieten auch viel für die Vorkliniker
In meinem Termi-Kurs waren wir so ca 20 Leute und es war richtig interessant,zum Abschluß gabs dann die lat. Übersetzung für alle gängigen Schimpfwörter und Kraftausdrücke :-blush

Heinz Wäscher