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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Denkschrift an die, die das Studium noch vor sich haben



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actin
15.10.2006, 22:00
Hallo Professor,
das ist wirklich ein sehr eindrucksvoller Bericht über den Arztberuf aus verschiedenen Blickwinkeln.
Aber verrate uns doch bitte noch, wofür Du Dich nun entschieden hast.

Soll es trotz der gravierenden pekuniären Nachteile doch ein Medizinstudium sein, weil man durch die große Dankbarkeit und Verehrung der Patienten für alle Misslichkeiten, mit denen man in diesem Beruf täglich zu kämpfen hat, entschädigt wird?

professorbienlein
15.10.2006, 22:19
Hallo Actin!

Ich denke, dass die differenzierte Darstellung natürlich auch meine Berufswahl entscheidend beeinflussen wird. Wenn man Antworten zu solch einem Thema sucht, fängt man vor der eigenen Haustür an.
Der leicht ironische Unterton, dessen ich mir nicht erwehren kann, ist mir nicht entgangen. Du fragst Dich: "Was macht der auf dem Medi-Learn Forum, wenn er eh nichts damit zu tun haben will und nur ein negatives Berufsbil zeichnet?"
Natürlich bin ich nicht derart idealistisch verblendet, um zu behaupten, dass alle (nicht unbedingt nur pekuniären) Nachteile nur durch Dankbarkeit der Patienten entschädigt werden würden. Dass nur allein der "Ich-will-helfen"-Aspekt im Vordergrund steht oder dass alle Mediziner arme Schlucker sind. Das bei Leibe nicht!
Nur eins muss klar sein: Von einem Kofferraum voller Ethos kann ich mir beim Bäcker meine Brötchen nicht kaufen. Es geht um das Verhältnis: Aufwand-Erfolg/Entgeltung. Und zwar im ganzen Komplex gesehen: Angefangen bei der Einführungsveranstaltung im 1. Fachsemester und aufgehört bei der ersten Rentenauszahlung. Und das macht mich nachdenklich.
Obwohl ich zwar nicht weiss, was meine persönliche Entscheidung damit zu tun hat, aber wenn es gewünscht wird: Ich habe eine ZVS-Absage bekommen, mit 18 NC und 0 Wartesemester. Und stehe nun vor der Preisfrage: Gleich (etwas anderes) studieren oder doch warten, warten, warten?

Der Großteil meiner Familie rät mir ab. Ich habe noch nie einen (fertigen, im Arbeitsverhältnis stehenden) Humanmediziner getroffen, der zu mir gesagt hat: "Ich kann es Dir empfehlen!"

Herzliche Grüsse

actin
15.10.2006, 22:29
Hallo Professor!

Wie ist denn Deine Tante, die Kinderärztin, die nun als Lehrerin arbeitet, mit ihrem Beruf zufrieden? Vielleicht wäre das auch für Dich die bessere Alternative zur kurativen Tätigkeit?

Gruß, Actin

Alucituc
15.10.2006, 22:33
Also das, dass ein fertiger Mediziner sagt "das is toll, mach das!" hab ich auch noch nie erlebt, aber wenn man sie dann fragt, ob sie persönlich dann nochmal was anderes studieren würden, wenn sie wieder vor der Wahl stünden, sagt doch der Großteil "nein auf keinen Fall"... :-notify

professorbienlein
15.10.2006, 23:02
@ actin: Ich denke zwar nicht, dass es Dir wirklich um eine aktive Unterstützung meiner Berufswahl geht, aber um deine beiden Fragen zu beantworten: Ja, ihr macht es Spass. Was eventuell auch daran liegt, dass sie vorher 2 Semester Bio/Chemie auf Lehramt studiert hat. Und: Nein, das wäre nichts für mich. Zum Lehren bin ich wirklich nicht geschaffen. Außerdem habe ich nie gesagt, nicht kurativ arbeiten zu wollen. Ich wollte nur zeigen, dass der eine als auch der andere Bereich so seine Schattenseiten hat - was natürlich nicht heisst, dass man deshalb das Sonnenlicht nicht mehr sehen kann! :-)
Für mich stellt sich die Frage: Warten, evtl. Berufsausbildung oder doch eher nur Praktika, hartes Studium, der "Schweiss", die Tränen bei einem nicht bestandenem Physikum (bei meiner Schwester war das der Fall), etc - ist es das wert?!

@ Alucituc: Guter Ansatz, soweit habe ich bis dato nicht gedacht. Ich habe mich immer nur auf die "Empfehlungsfrage" beschränkt. Die Frage nach dem Studium an sich habe ich nie gestellt.

Lg, professorbienlein

Adrenalino
15.10.2006, 23:38
Also das, dass ein fertiger Mediziner sagt "das is toll, mach das!" hab ich auch noch nie erlebt, aber wenn man sie dann fragt, ob sie persönlich dann nochmal was anderes studieren würden, wenn sie wieder vor der Wahl stünden, sagt doch der Großteil "nein auf keinen Fall"... :-notify

Daraus hab ich mir schon ein "Hobby" gemacht im Krankenhaus. Fast die Hälfte hat oft kein Bock auf das "Arztsein". (D.h. über die Häflte ist gerne Arzt!)
Wenn ich sie aber nach einer Alternative frage, seufzen sie und zucken mit den Schultern. Sie wüssten nicht, was sie sonst machen sollten.
Ob sie in anderen Berufen glücklicher wären..?
Ich denke, viele nicht.

actin
15.10.2006, 23:39
Außerdem habe ich nie gesagt, nicht kurativ arbeiten zu wollen.
Ich wollte nur zeigen, dass der eine als auch der andere Bereich so seine Schattenseiten hat - was natürlich nicht heisst, dass man deshalb das Sonnenlicht nicht mehr sehen kann! :-)

Hallo Professor, das hast Du wirklich schön gesagt. :-top Da hatte ich Dich wohl missverstanden. Deine Schilderungen hatten auf mich so gewirkt, als sähest Du überwiegend Schattenseiten im Beruf als Arzt.



Für mich stellt sich die Frage: Warten, evtl. Berufsausbildung oder doch eher nur Praktika, hartes Studium, der "Schweiss", die Tränen bei einem nicht bestandenem Physikum (bei meiner Schwester war das der Fall), etc - ist es das wert?! Diese Fragen sind schwer zu beantworten. Du solltest Dir zuerst darüber klar werden, wie groß Dein Interesse an der Medizin ist und ob es noch ein anderes Fach gibt, das Dich interessiert. Wenn Dein Interesse für Medizin sehr viel größer ist als für alle anderen Fächer, könntest Du ein Jahr mit Praktika überbrücken, denn mit 1,8 solltest Du bald einen Studienplatz bekommen (kenne mich da aber nicht so gut aus).

Wenn ich sehr großes Interesse am Medizinstudium hätte, würde ich es machen. Wie es in diesem Beruf finanziell aussehen wird, wenn Du fertig wärst, kann man heute noch nicht sagen. Aber das gilt auch für andere Studiengänge.

Das Studium aus Angst vor dem Versagen im Physikum nicht zu beginnen, wäre Unsinn. Prüfungen wirst Du in jedem Studium und jeder Berufsausbildung machen müssen, und wenn Du das Abi mit 1,8 geschafft hast, schaffst Du auch das Physikum.

Gruß und triff die richtige Entscheidung, Actin:-)

Möchtegern_sophia
16.10.2006, 15:23
Ich mag es jetzt nicht so genau aufzählen, aber ich habe auch viele nahe Verwandte (fast die komplette Familie) die Humanmediziner sind.

Klar beschweren die sich auch rund um die Uhr- aber sie lieben ihren Beruf trotzdem sehr und sind vielleicht mehr oder weniger mit den Bedingungen unzufrieden.
Es fanden zwar nicht alle am Anfang toll- aber mittlerweile sagen mir eigentlich alle: das ist toll, mach das!

Wollte das nur mal loswerden.

Ist ja komisch, dass dein Onkel "so wenig" verdient. Kenne nämlich viele Ärzte die in die Schweiz gegangen sind, weil das Gehalt dort viel besser ist.
Das die Lebenshaltungskosten besonders in Zürich höher sind ist klar- aber die meinten zu mir es würde sich trotzdem extrem lohnen!
:-nix

bENE_aBI07
16.10.2006, 15:24
hm...

1. bekannter von mir - chefarzt der urulogie im naheligenden krankenhaus - liebt seinen job und arbeitet sehr hart. verdient dabei auch sehr gutes geld und hat sogar ne menge freizeit (der mann haut im akkord die OPs durch am tag damit der abends und am wochenende (wenn er net gerade dienst hat) zeit für die familie etc hat)

2. bekannter von mir - assistenzarzt der neurochirugie in einem der 10 größten krankenhäuser in deutschland - fähret jeden tag 1-2h hin und zurück zur arbeit/von der arbeit. arbeitet dort auch sehr viel, hat aber einen tag die woche und das wochenende frei, ist abends meistens gegen 19.00 zu hause, dafür aber einma dienst die woche. der is damit super zufrieden, verdient auch gut geld.

3. sämtliche niedergelassenen die ich kenne (4 allgemeinmediziner, 2 hautärzte, 1 röntgenarzt...) - haben alle sehr gut laufende praxen. unter deren autos sind von s-klasse und porsche (natürlich die dermatologen :D ) bis e-klasse etc alles dabei :D soll heißen, verdienen auch gut

4. bekannter von mir - chefarzt der unfallchirurgie in deutschland - über das genaue arbeitszeit/entlohnungs verhältnis habe ich keine angaben, aber immer wenn ich ihn sehe rät er mir medizin zu studieren. für den gibts einfach nichts schöneres.


so
das sind teile meiner erfahrung mit medizinern, könnte da auch noch massen ergänzen
habe jetzt keine genaueren angaben wie namen etc gemacht weil das einfach keinen hier was angeht :D

wollte damit nur sagen das es auch positive beispiele gibt

also nich immer auf die miesepeter hören ;) (net bös gemeint :D )

Möchtegern_sophia
16.10.2006, 15:47
Dann füge ich noch hinzu, dass die die niedergelassen sind, extrem wenig Zeit für irgendwas haben und deren Verdienst im Vergleich zum Arbeitsaufwand schon leicht lausig ist. Die arbeiten echt wahnsinnig hart- und können sich leider keine dicken Autos leisten. Das ist ja das tolle- die Praxen laufen extrem gut- man kommt eigentlich kaum nach, aber mehr Geld bringen tut´s trotzdem net...

Die in Kliniken angestellt sind, maulen über den enormen Verwaltungsaufwand und die ständigen Nachtdienste.
Die Chefärzte über die Verwaltung.. Und dass sie dadurch zu nix kommen..

Und da kenn ich auch keinen (ausser ein paae Ausnahmen) die das Riesengeöd machen.
Die Zeiten wo der Arzt die riesen Kohle gemacht hat sind vorbei. Ich denke und denke auch ich weiss, dass viele noch von ihren enormen Polstern aus den 70ern und 80ern leben...

professorbienlein
16.10.2006, 21:29
Hallo!
Also erstmal Danke an Actin. Meine ich ernst. War ne gute Antwort. :-)

Mein Onkel verdient nicht wenig, das nun wirklich nicht. Er sagt nur, dass es eben ein Teufelskreis sei: Du dozierst und machst deine Kohle. Dozierst du, hast du keine Zeit zum Forschen. Wenn du nicht mehr forscht, kannst du nicht mehr dozieren. Also mal überspitzt ausgedrückt.

Das Problem bei der Niederlassung ist Folgendes: Patient X kommt das erste Mal im Quartal. Die KV zahlt. X kommt wegen dringender Schmerzen nocheinmal zu dir - im selben Quartal. Du behandelst, aber: die KV zahlt nur für eine Behandlung im Quartal. Es gibt Ausnahmen dieser Regel - nur ist das das Problem, dass mir zumindest die Niedergelassenen immer wieder so schildern. Effekt: Viel Arbeit, "weniger" Geld.

Wie Möchtegern_Sophia sagte: Der Arzt zählt nicht mehr unbedingt zu den Topverdienern. Aber: Es ist gutes Geld bei einem sehr sicheren Job. Vielleicht müsste man (und auch ich ;) ) es mal so betrachten... Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum es bei meiner Schwester (vor 10 Jahren) noch 15000 Studienbewerber waren - und es heute 30000 sind. Was ich übrigens sehr interessant fand bzgl Prognosen: Meiner Schwester hat man damals zu Studienbeginn gesagt, dass sie eh alle keine Jobs kriegen würden, wenn sie mal fertig sind. Tja, das wird wohl nicht der Fall sein.

Grüsse, profbienlein

P.S.: Tschuldigung, wollte kein Miesepeter sein. :-blush

bENE_aBI07
16.10.2006, 22:23
hehe ach wollt ich hier auch niemandem vorwerfen

@diese unterschiedlichen schilderungen: ich glaube das das evtl darauf zurückzuführen ist, das ich hier in einem etwas ländlicheren gebiet wohne. das hat vllt auch was mit dem gehalt zu tun.


naja bei den niedergelassenen kommts auch immer auf die fachrichtungen an. die arbeit die n dermatologe macht is ganz anders als die eines allgemeinmediziners. zum allgemeinm. rennen einfach erstma viel mehr leute hin die dann verteilt werden...

supergirl17
16.10.2006, 22:26
Ich kenn beide:

die Unfallchirurgen, die sagen nie wieder, nicht einmal chirurgie

und die Unfallchirurgen, die sagen, sie liebten ihren Job und jedem zu dieser Fachrichtung raten

:-nix also selber rausfinden, welcher Typ man ist

San Pellegrino
17.10.2006, 06:16
Kennst Du das Gesicht eines Klinik-Unfallchirurgen, der 60 geworden ist ? :-music

professorbienlein
17.10.2006, 22:18
Hallo!

Also - wider Erwarten - hatte ich Riesenglück. Meine Wenigkeit hat nen Teilstudienplatz in Würzburg.
Tja, so schnell kanns gehen: Gestern noch gemault, heute selbst mit im Boot ;)!
Also, ich werd mich dann mal reinstürzen ins Studium. Wenn jd an Lagebericht interessiert ist, nur Bescheid sagen - ich klage dann mein (beruflich sozusagen veranlagtes) Leid und werde um euer aller Mitgefühl buhlen. Ich werde halt dann mal in 10 Jahren meine Kontodaten veröffentlichen, damit ihr mir dann was spenden könnt. ;-)

Grüsse

WaWa
17.10.2006, 22:29
Glückwunsch!!!!
Auf dass es dir mehr Freude, als Sorgen bereitet.... :-party

actin
17.10.2006, 22:38
Also - wider Erwarten - hatte ich Riesenglück. Meine Wenigkeit hat nen Teilstudienplatz in Würzburg.
Tja, so schnell kanns gehen: Gestern noch gemault, heute selbst mit im Boot ;)!
Also, ich werd mich dann mal reinstürzen ins Studium.
GrüsseHallo!

Ich wünsch' Dir auch viel Erfolg und vor allem viel Spaß! beim Studium. :-):-top

professorbienlein
18.10.2006, 17:43
Vielen, vielen Dank.
Mal schauen wie weit ich komme...

Scienceman
18.10.2006, 17:49
Kennst Du das Gesicht eines Klinik-Unfallchirurgen, der 60 geworden ist ? :-music

Was willst du damit sagen?

ledoell
18.10.2006, 17:51
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