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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Strahlentherapie- wie ist das so ?



San Pellegrino
14.10.2006, 17:36
Hat jemand von Euch eine Ahnung, wie a)die Personalsituation in der Strahlentherapie ist,

b)die Ausbildung so abläuft, insbesondere was die Plausibilität des Gegenfaches Diagnostische Radiologie angeht ?

c) man gute Ausbildungskliniken findet ?

Man stößt ja auf so einiges bei diversen Anzeigen aus West wie Ost, sodaß man sich schon fragen muß, was da personell los ist oder ob die einfach Leistungsausweitungen betreiben und deshalb suchen ?


Danke.

alex1
29.10.2006, 22:30
Hallo!

Also ich bin in der Strahlentherapie tätig und kann Folgendes dazu berichten...

a) Personalsituation zur Zeit noch gut. Obwohl es ein relativ kleines Fach ist werden oft Assistenten gesucht, es zählt wohl kaum zu den Lieblingsfächern eines Studenten der gerade sein 3. STEX hinter sich hat.

b) Nach der neuen Facharztweiterbildungsordnung ist das 1 Jahr Diagnostische Radiologie nicht mehr für den Facharzt Strahlentherapie erforderlich. Trotzdem ist Radiologie sehr wichtig in den Alltag und man "lernt" als Strahlentherapieassistent den Röntgenbefund erst zu lesen, nachdem man das Bild alleine befundet hat (was zum Beispiel in der Inneren nie so ist).
Ausbildung läuft per Rotation, man braucht klinische Erfahrung auf Station um mit Chemos, Supportivtherapie, Palliativmedizin sich auszukennen und letztendlich die internistische Routine nochmal zu lernen. Man lernt dabei allerdings eher aufs Wesentliche zu gucken, letztendlich sind Strahlentherapiepatienten die stationär behandelt werden, meisten sehr krank. Insofern sieht man die Innere aus einem anderen Blickwinkel.
Ein systolischer Blutdruck von 160 ist ein guter Blutdruck für mich und ein Zucker von 250 auch in Ordnung, die Spätfolgen von beiden wird der Patient sowieso nicht erleben. Dann hat man noch Zeit in der Planung/Simulation, wo die "richtige" Strahlentherapie gelernt wird. Dazu kommen Zeiten am Bestrahlungsgerät, wo man sich vor allem um supportive Therapie kümmert und diejenigen Strahlentherapiepatienten (und ihre Probleme) kennenlernt, die zu gesund sind um stationär zu sein. Zur Konzepterstellung verbringt man Zeit in der Poliklinik, wo auch die Nachsorgen laufen.

c) Gute Ausbildungskliniken sind letzendlich Unikliniken. Städtische Häuser haben zwar auch oft sehr gute Strahlentherapieabteilungen, aber die großen Abteilungen mit den speziellen Therapieschemata sind letztendlich Unikliniken. Dort hat man auch die Gelegenheit auch Sachen wie Stereotaxie kennenzulernen.


Strahlentherapie ist ein Fach das sich ausweitet, wo neue Standorte entstehen, je mehr multimodale Konzepte angewendet werden.
Wir haben Wartezeiten von 2 Monaten in unserer Klinik und vermitteln ein Großteil der Patienten an andere Praxen, Krankenhäuser, etc. Würden wir dies nicht tun, hätten wir wohl Wartezeiten von mehreren Monaten mittlerweile, was unverantwortlich wäre.
Darüberhinaus ist Strahlentherapie kein Fach voller Freude. Es ist ein Fach wo du Patienten hast, die sehr ernsthaft krank sind meistens und wo der Therapieerfolg oft lange auf sich warten läßt.
Die größte Freude die man als Strahlentherapeut hat, ist wenn Patienten mit Knochenmetastasen noch während der Behandlungsserien einen Rückgang ihrer Symptome bemerken.
Darüberhinaus dauert es bei den kurativ behandelten Patienten (zB HNO, Cervix, Ösophagus) Wochen bis Monate bis man einen Rückgang an Tumorgröße sieht.
Zum Schluss sollte man auch erwähnen, daß einige der Strahlentherapiepatienten ziemlich am Ende ihres Lebens sind und oft im miserablen Zustand, da kommt ab und zu einem auch die Verzweiflung hoch; wenn man denen nicht wirklich helfen kann, wenn man zusehen muß wie die Hautmetastasen von Tag zu Tag zunehmen, die Schmerzen trotz Unmengen an Opiaten heftiger werden oder wenn eher dramatischere Sachen passieren (neulich ist ein BC-Patient in meinen Armen verblutet). Einigen Kollegen wird das alles zu viel, ich kann das verstehen und habe absoluten Respekt davon.
Da macht man doch was Fröhlicheres wie Orthopädie (und kriegt Schokolade von der Oma die wieder ohne Schmerzen laufen kann), Gynäkologie (und freut sich über die meist unkomplizierten Geburten), Kinderheilkunde (und spielt mit den Kindern).
Wie sollen meine Patienten fröhlich sein? Die haben doch alle Krebs!

:-meinung