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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Hat sich die (Warte-)Mentalität verändert?



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Meridion
27.10.2006, 14:14
Ich frag mich so langsam, ob sich die Mentalität der Medi-Bewerber die letzten Jahre hinweg geändert hat möchte das hier auch mal zur Diskussion stellen.

Noch vor 6,7 Jahren war die ZVS und die Wartegeschichte eine ziemlich entschärfte Angelegenheit. Mit DN 2,5 hat man eben seinen (12)-Monatszivi abgeleistet und n halbes Jahr gefeiert und gut war, so hab ich das zumindest damals mitbekommen.
Dann kam diese Boom-Zeit, was weiss ich, 2002-2005 wo jedes Wintersemester bei der Wartezeit 2 Semester drauf und bei der DN 2 Zehntel runter drin war. In den Jahren war die Mentalität ähnlich wie davor, nur mussten größere Zeiträume überbrückt werden (je nachdem welches Jahrgang eben)...

...und seit neuestem liest sich die geneigte Bewerberschaft entweder wie ein Marathon-Fanclub "Mach ne Ausbildung und schau, ob Du danach noch willst" oder wie der Rechtsschutz-Kampfclub "Schlupfloch", der von Unsummen in Ungarn oder vorm Amtsgericht bis zum Quereinstieg über Molecular Biotechnology gar nix scheut.

Wo sind sie eigentlich geblieben, die Gediegenen, die Planlosen, die "immer geschmeidig bleiben" Fraktion? Die Speerspitze der "erstmal n Jahr nach Peru"-Fans... hinweggefegt von den Drohnen der Leistungsgesellschaft und erstickt vom Kapital der Rechtshilfe-Nehmer?

Mittlerweile finden sich hier am Forum ja sogar Gymnasial-Mittelstufler ein, die ihre "Zukunft" besprechen, die in 3 oder 4 jahren aktuell wird....

Was mich mit einem süß-sauren Beigeschmack daran erinnert, dass ich in der neunten Klasse Interesse für Allesmögliche hatte, vom Alkohol bis zum Wohnwagen meiner Clique, aber ganz sicher nicht für meine Zukunft.

Und wo ich euch schon so nett soziologisch penetriere, ist dieser Wandel weg vom "Einfach Leben" hin zum "ich bin 8 Jahre alt und muß mir Sorgen um meine Altersvorsorge machen" generell? Ist die Elite-Zelle der 1.0er Medizinaspiranten vielleicht nur ein Indikator, der die letzten wenigen Jahre umgeschlagen ist und anzeigt, dass das Zeitalter des "entspannten Lebens" langsam aber (ungeheuer) sicher zusammen mit staatlicher Rente und politischem Breiteninteresse in seinen letzten Zügen liegt? Platz macht für die Flut der Ellbogen, für Zitate wie "Tja, das Leben ist eben nicht fair, darauf kann ich keine Rücksicht nehmen..."....

...eine traurige Aussicht...

Meridion

Arman
27.10.2006, 14:33
Hallo Meridion,

du hättest deinen Beitrag nicht mit Fragesätzen, sondern mit Aussagesätzen füllen sollen.
Das was du ansprichst ist haargenau so wie du es beschrieben hast. Da gibt es meiner Meinung nach nichts zu fragen. SO ist es, GENAU so !

und das hat nicht unbedingt was mit veränderten Persönlichkeiten zutun, sondern mehr mit der heutigen Situation, in der Schule, in der Gesellschaft und in der Berufswelt.
alles andere wäre wohl paradox und unlogisch.

roger rekless
27.10.2006, 14:37
Tja das unterschreibe ich sofort zu 100%. Vielleicht liegts auch eher daran dass ich laid-back bin...
Aber irgendwie merkt man schon, dass die Leute die Nachkommen (alle so 1,1er Abi usw) schon anders sind als die Leute, mit denen ich Anfing. Lustig dass du das Wort Drohnen benutzt, das ist bei uns ein gängiger Ausdruck für diese neue Medizinergeneration. Nicht dass es schlimm ist, ein Super-Abi zu machen. Im Gegenteil, ich hab auch Freunde mit solchen Abis. Aber die stammen halt auch aus nem gemischten Umfeld... die studieren auch mit Leuten zusammen die ein 2,7er Abi haben usw. Klar, bei den neuen gibts auch coole Leute, aber auch viele extrem karrierefixierte Leute mit Ellenbogenmentalität. Teilweise gibts da echt Leute, bei denen man weiss: Ok, die machen nen tollen Abschluss, aber BITTE BITTE geht in die Forschung. Das soll kein Rundumschlag sein, aber ich bin nicht der einzige der so denkt. Und ich hab auch nette und coole Erstis kennengelernt, aber irgendwie musste ich da länger suchen als in meiner "Generation".

ledoell
27.10.2006, 14:47
richtig, traurig aber nichts neues....und solange die bestimmenden quarkhirne hierzulande alles daran setzen, dass die obige situation immer schlimmer und stumpfer wird, wird sich daran nichts ändern....

ich kann mich nur immer wieder wiederholen: studieren und dann nix wie weg :)...

merowinger81
27.10.2006, 15:16
So um mal hier auch dazuzusenfen:

Mit Lay-Back und gucken was läuft kommt man heute nicht mehr weit...
Sind halt keine gesicherten Verhältnisse wie vor 20-30 Jahren.

Nicht umsonst kursiert bei den McKinsey-Oberen folgender Witz(gelesen im Spiegel):

2 Afrikaner rennen vor einem Löwen davon. Der Löwe kommt immer näher...plötzlich bleibt der eine kurz stehen und zieht sich Turnschuhe an.
Der andere fragt: "Warum das denn jetzt?! Denkste dadurch wirst du schneller als der Löwe??" Darauf antwortet der andere mit den jetzt angezogenen Schuhen:" Nee, aber schneller als du!" Und läuf weiter..

Das erklärt meiner Meinung nach die Mentalität vieler recht passend.

Scienceman
27.10.2006, 15:19
Tja, ich kann dir zumindest in dem Punkt zustimmen, dass immer mehr Gymnasiasten sich hier melden, obwohl das Abi an sich 2,3 Jahre entfernt ist.
Ich selbst häng schon seit 11.2 hier rum, aktiv poste und frag ich hier im Forum seit ca. 12.1 und bin ehrlich gesagt froh, dass ich das gemacht habe.
Der Grund? Ganz einfach, den Medizinstudiumplatz zu bekommen ist an sich schon ne heikle Angelegenheit. Man muss praktisch perfekt informiert sein, seine eigene Strategie je nach Abi-Durchschnitt entwickeln, um möglichst die besten Bedingungen für nen Medizinplatz zu schaffen - natürlich gehört dazu auch ne Menge glück, aber so ist das nunmal. Dazu gehört auch, dass man sich intensiv mit dem ZVS-Verfahren beschäftigt, denn die entscheiden nunmal deine Zukunft. Auch zieh ich mir die NC-Werte der letzen Jahre rein, wo hat sich die Situation verschelchtert? Wo kann man mit guten Chancen rechnen, OBWOHL ich noch gar nicht mal weiß, was mein ABI-DN sein wird.
Anders kann man eigentlich nen Medizinstudiumplatz (fast) vergessen, es sei denn man hat nen verdammt gutes Abitur.

MfG
Firezz

Autolyse
27.10.2006, 15:28
Das sehe ich allerdings ein klein wenig anders. Es hat bei mir zumindest gereicht sich anzugucken in welchem AdH ich a)eine Chance habe vorausgewählt zu werden(anhand des DN) und b)eine Chance auf einen Studienplatz habe, dies kann man schon alleine durch ein paar Überlegungen und eventuell etwas Spekulation klären, anschließend erfolgt die Synthese mit den Wünschen für den Studienort, woraus sich im Optimalfall, wie bei mir geschehen, eine Zulassung ergibt, insofern ist es bei weitem nicht zwingend nötig...

roger rekless
27.10.2006, 15:36
So um mal hier auch dazuzusenfen:

Mit Lay-Back und gucken was läuft kommt man heute nicht mehr weit...
Sind halt keine gesicherten Verhältnisse wie vor 20-30 Jahren.

Nicht umsonst kursiert bei den McKinsey-Oberen folgender Witz(gelesen im Spiegel):

2 Afrikaner rennen vor einem Löwen davon. Der Löwe kommt immer näher...plötzlich bleibt der eine kurz stehen und zieht sich Turnschuhe an.
Der andere fragt: "Warum das denn jetzt?! Denkste dadurch wirst du schneller als der Löwe??" Darauf antwortet der andere mit den jetzt angezogenen Schuhen:" Nee, aber schneller als du!" Und läuf weiter..

Das erklärt meiner Meinung nach die Mentalität vieler recht passend.

ja in der wirtschaft muss es so laufen. schade dass die medizin auch immer mehr zum wettbewerb wird... in der medizin gehts immerhin um menschen, und ich find da sollten auch studenten und ärzte untereinander dementsprechend umgehen. irgendwann ists hier so wie in frankreich, wo sich medizinstudenten gegenseitig verpetzen wenn einer in einer klausur spickt o.ä. und warum? jeder der exmatrikuliert wird, ist ein konkurrent weniger. so traurig.

merowinger81
27.10.2006, 15:45
ja in der wirtschaft muss es so laufen. schade dass die medizin auch immer mehr zum wettbewerb wird... in der medizin gehts immerhin um menschen, und ich find da sollten auch studenten und ärzte untereinander dementsprechend umgehen. irgendwann ists hier so wie in frankreich, wo sich medizinstudenten gegenseitig verpetzen wenn einer in einer klausur spickt o.ä. und warum? jeder der exmatrikuliert wird, ist ein konkurrent weniger. so traurig.


Wenn man hier jeden in der Klausur verpetzen würde, der in der Klausur spickt,
würde man was länger auf dem Klinikgelände bleiben..auf der Intensivstation!
Wenn die verpetzten das mitkriegen natürlich :-)) Fast jeder spickt doch n bissel...
Natürlich gibt es auch einen nicht unerheblichen Anteil an Leuten, die auf andere Art und weise nicht nur den Ellebogen raushalten, sondern wild mit den Armen fuchteln. Das ist aber eher ein generelles Problem der Menschheit, und nicht nur das der Mediziner. Bei uns wirkt das nur anrüchiger, weil wir sollen alle möglichst altruistisch daherkommen und ja nicht auf die Idee kommen an uns zu denken. :-))

Meridion
27.10.2006, 16:06
Ich kann mir ja ein schmunzeln bei den ersten Beiträgen nicht verkneifen; Auch wenns ein bitteres Schmunzeln ist. Es geht doch (wie schon offensichtlich bemerkt) gar nicht drum, ob die Verhältnisse so sind oder ob nicht....

Es geht drum, dass sie immer weiter in die Unveränderlichkeit entrückt werden, das "heutzutage ist es eben" herrscht als letzte, mit der Peitsche Pragmatismus einfordernde Instanz über die kümmerlichen Reste des Humanismus, die in dem Minimum an Moral. dass uns noch zugestanden wird vor sich hin vegetieren...

Ob das die kleine fahrerflucht beim Parkrempler ist, die sich verzigfacht hat in den letzten Jahren oder die Mentalität, dass man die Einkommenssteuererklärung immer so frisiert, dass man möglichst am allerwenigsten bezahlt. Man passt sich an, verändern, jaa, verändern kann man ja doch nix, und wenn, dann kostet das nur Zeit und Energie, die man besser dafür benützt, andere auszustechen. Und das nicht mehr in den Chefetagen der Wirtschaftsunternehmen...

nein, HIER, in den Abijahrgängen, den Berufsschulen, den Unis, da werden engagierte Leute gesucht, aber doch bitte nur in den Kreisläufen des Systems. Es könnte ja sein, dass es "politisch" wird; Das böse Unwort, politisch, das heisst linksaußen, langhaarig, lebensfern, jemand, der sein Leben nicht in den Griff kriegt und seine Komplexe auf Demonstrationen auslebt... nee, politisch, das wollen wir lieber nicht sein, man kann ja doch nix ändern, an den Leuten, der Gesellschaft, und so... Setz Dich lieber hin und mach was anständiges, was, wo Du glänzen kannst, und besser sein als Andere, vor allem besser sein, immer besser....

*g* Und nein, ich hab selbst kurze Haare, sitz selbst hier und hau mir in meinem biederen Arbeitsraum Immunzellen um die Ohren, um nächsten Sommer mein Physikum gut zu bestehen. Ich will nur eins nicht, den Blick verlieren... und das passiert viel zu leicht, besonders als medi, und besonders hier...

Meridion

fubi
27.10.2006, 16:07
sehe ich genauso. wir leben in ner leistungsgesellschaft, das ist aber schon lange so. was sich geändert hat, ist, denke ich, dass unsere generation extrem spießig ist. den jungen leuten ist es am wichtigsten möglichst schnell eine abgesicherte zukunft zu haben. jugendliche träumereien, in-den-tag-hinein-leben, dafür bleibt einfach kein platz. vielleicht werden unsere kinder ja wieder lockerer :-nix

merowinger81
27.10.2006, 16:15
*g* Und nein, ich hab selbst kurze Haare, sitz selbst hier und hau mir in meinem biederen Arbeitsraum Immunzellen um die Ohren, um nächsten Sommer mein Physikum gut zu bestehen. Ich will nur eins nicht, den Blick verlieren... und das passiert viel zu leicht, besonders als medi, und besonders hier...

Meridion

Kurz gesagt Wasser pedigen und Wein trinken! :-party

Meridion
27.10.2006, 16:23
nee, Wein predigen und Wasser trinken... leider :-party

Adrenalino
27.10.2006, 16:31
Sehr interessante Beiträge!!
Leider sehe auch ich die "Gleichschaltung" der Leistungsgesellschaft. Der Mensch wird immer mehr zur "Funktion" umgebaut. Ellenbogenmentalität als Werkzeug...

ledoell
27.10.2006, 16:46
"extrem spießig" finde ich eher noch untertrieben...die jungen leute hier (und in vielen anderen ländern leider auch) finde ich jedes jahr mehr zum kotzen, mit einer jährlich exponentiellen steigerung....

mein haus, mein auto, mein boot....wer sich das mal leisten können will, sollte lieber früh anfangen, sich anzupassen und präventiv jedem in den arsch zu kriechen, der wichtig aussieht....und wenn man schon dabei ist, kann man gleich noch über die faulen arbeitslosen, die veräterischen sozis und alle anderen minderwertigen lebensformen motzen, die nie verstehen werden, dass es im leben nunmal ums geld und die eigene karriere und um nichts anderes geht....

naja, was solls, dazu könnte man ganze bibliotheken schreiben...

wir brauchen ne neue RAF, aber diesmal die großversion.

MarkusM
27.10.2006, 17:22
wir brauchen ne neue RAF, aber diesmal die großversion.
Könntest Du das mal n bisschen näher erläutern? Willst ne neue Terrororganisation gründen?

ledoell
27.10.2006, 17:25
könntest du das näher erläutern?

nö. keine lust auf diskussion. :peace

MarkusM
27.10.2006, 17:26
lol... Dann hättest es auch weglassen können. Nun gut...

ledoell
27.10.2006, 17:27
nope.

dumbo
27.10.2006, 17:34
:-)) :-)) :-)) :-top :-top :-top

Super Thema ! Ist genau meine Meinung würde ich sagen. Das mit dem einen Jahr nach Peru fand ich lustig, hab ich nämlich in meiner Wartezeit wirklich gemacht :-)) außerdem noch durch Südamerika gereist, gearbeitet und Rettungssani gemacht. Nein, ich habe KEINE Ausbildung gemacht und mich auch nicht "möglichst frühzeitig" (am besten schon in der Grundschule :-)) ) informiert was ich machen muss um Medizin zu studieren. Ich habe mich aber auch erst nach dem Abi entschieden Medizin zu studieren und da stand die Note schon fest :-nix Trotzdem bereue ich diese nach diesen beschriebenen Maßstäben "verschwendete" Zeit keineswegs, ich fand sie sehr lehrreich und glaube eher, daß ich mit einer Ausbildung weniger gelernt hätte. Manchmal würde ich zwar schon jetzt gerne mein eigenes Geld verdienen und nicht mehr von meinen Eltern schnorren, aber ich denke das ist Schicksal. Was hier allgemein fehlt ist mehr Lässigkeit im Umgang mit dem Leben, es scheint als habe eine allgemeine Hysterie um sich gegriffen - die jungen Leute haben zu viel Zukunftsangst (das wird ihnen aber auch oft von den Medien eingetrichtert, insbesondere von der BLÖD-Zeitung), der sie nur glauben können zu entrinnen wenn sie ihr Leben auf dem Reißbrett planen (was de facto aber Irrwitz ist, das erkennt man leider erst, wenn man älter wird...).
In meinem Jahr in Peru habe ich aber eins gelernt: Es gibt Menschen, die sind viel ärmer als wir, aber genießen trotzdem mehr ihr Leben - paradox, nicht ?