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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Atelektasen im Verhältniss zu FiO2



Rugger
11.11.2006, 08:56
Warum bilden sich mehr Atelektasen, wenn man Patienten bei der Beatmung einen hohen FiO2 anbietet?

R.

Studmed1
11.11.2006, 09:31
Es gibt verschiedene Arten von Atelektasen. U. a. die Absorprionsatelektasen.
Die O2-Atmung erleichtert die Absorbtionsatelektasenbildung, d. h. je weniger O2-Zugabe , desto weniger schnell bilden sich Atelektasen aus. Anders erklärt:
Je mehr Stickstoff in der Luft ist, desto weniger Atelektasen bilden sich. Aber da man bei der Beatmung keinen Stickstoff zusetzen kann/darf, erniedrigt man dann eben den O2 und somit indirekt N2. (Stickstoff wird auch als "Atelektasenbremse bezeichnet).

Ich denke mal, du kommst wegen Narkotika auf die Frage. Und um die Atelektasen und den pulmonalen Shunt während einer narkose zu verhindern, sollte man eher ein Anästhetikum verwenden, das die Aufrechterhaltung des Tonus der Atemmuskulatur ermöglicht. Ketamin hat keine Auswirkungen auf den
Muskeltonus und führt nicht zu Atelektase.

Ganz allgemein zum Verständnis hilft sicherlich auch das Ins-Bewusstsein-Rufen des Euler-Liljestrand-Mechanismus!

Rugger
11.11.2006, 09:39
Ganz allgemein zum Verständnis hilft sicherlich auch das Ins-Bewusstsein-Rufen des Euler-Liljestrand-Mechanismus!Ja, aber der wirkt ja nur auf Gefässseite (wenn ich mich jetzt recht entsinne...) Meine Frage ziehlt aber mehr darauf ab, was die Bronchioli jetzt tatsächlich auf pathomechanischer Ebene dazu bewegt, zu kollabieren, wenn man ihnen mehr Sauerstoff anbietet.

R.

Relaxometrie
11.11.2006, 09:58
Aber da man bei der Beatmung keinen Stickstoff zusetzen kann/darf
Das ist nicht ganz richtig, denn es gibt die Methode der inhalativen Gabe von Stickstoffmonoxid (NO), welches zu einer Gefäßerweiterung und somit zu einem verbesserten O2-Angebot, einem Abfall des pulmonalen Shunts und einer Senkung des pulmonalarteriellen Drucks führt.
Wie häufig die Methode angewendet wird, weiß ich nicht. Aber im Pädiatriekurs gab es ein Kind auf der Intensivstation, bei dem NO ins Beatmungsgemisch gegeben wurde. Mich an diese Situtation erinnernd, musste ich kurz widersprechen, als Du sagtest, daß man Stickstoff nicht geben darf.

Schädelspalter
11.11.2006, 10:51
Natürlich kann man bei einer Beatmung auch Stickstoff geben (N2, so wie er in der Luft ist), indem man halt nicht mit einem FiO2 von 1,0, also reinem Sauerstoff, beatmet, sondern Raumluft nimmt. Eigentlich verfügen alle Beatmungsgeräte über eine stufenlose Auswahl der Sauerstoffkonzentration von 0,21 - 1,0 (abgesehen einfachere Notfallrespiratoren, die jedoch über eine Mixfunktion verfügen, die aber ziemlich ungenau und nicht vorhersehbar arbeitet). Die meisten Narkosegeräte haben auch die Möglichkeit zu mischen (entweder Rotameter für Sauerstoff/Druckluft/(ggfl. Lachgas) oder neuere wie der Primus über stufenlose Wahlschalter wie bei Intensivrespiratoren.

Stickstoffmonooxid (NO) kann therapeutisch als NO-Donator zur Dilatation der Gefäßwände gegeben werden (wirkt ähnlich wie Nitro-Spray, nur dann halt auf die Lunge isoliert). Dieses hat aber nichts mit der Atelektasenprophylaxe zu tun.

Ich glaube du willst auf die Diffussionsatelektasen/Resorptionsatelektase hinaus.
Eigentlich recht einfach, wenn ein Verschluss eines kleineren Lungenabschnittes entsteht und die Räume sind mit 100% Sauerstoff (dementsprechend also auch ein sehr hoher Sauerstoffpartialdruck) gefüllt, diffundiert der Großteil hiervon auf die Blutseite und wird z.T. gegen CO2 getauscht, das Gasvolumen nimmt also in diesem Abschnitt ziemlich stark ab. Anders sieht es natürlich bei Füllung mit Raumluft aus. Hier kann nur ein deutlich geringeres Volumen hinüberdiffundieren, da vor allem N2 (zu 78 % in der Raumluft) in der Alveole verbleibt. Außerdem kommt hier ja noch der Euler-Liljestrand ins Spiel, bei einer Mischfüllung mit verschiedenen Gasen und teilweiser Herausdiffusion des Sauerstoffs wird die Durchblutung gedrosselt (hypoxische Vasokonstriktion), wenn sich zum Großteil noch Sauerstoff in diesem Bereich findet, läuft die Perfusion bis fast zur vollständigen Entleerung normal weiter. Eine solch starke Kollabierung wie bei Füllung mit Sauerstoff ist nicht möglich und dementsprechend ist das günstiger.

Leider sprechen viele Erkrankungen, die eine Beatmungstherapie erfordern, dagegen, dass mit Raumluft beatmet wird, daher sollte mit häufigen BGA-Kontrollen eine akzeptable Sauerstoffkonzentration gefunden werden.

In der Anästhesie ist es ja auch je nach Gerät möglich, mit geringen Sauerstoffkonzentrationen (z.B. 40 ) zu beatmen.

Studmed1
11.11.2006, 11:13
Mich an diese Situtation erinnernd, musste ich kurz widersprechen, als Du sagtest, daß man Stickstoff nicht geben darf.

Da hab ich mich auch etwas falsch ausgedrückt, zumal ja Stickstoff auch in der normalen Luft hochprozentig enthalten ist.

Evil
12.11.2006, 10:06
Wenn die Patienten nicht gerade schwer lungenkrank sind oder hochgradig anämisch, sollte man grundsätzlich nicht bei Narkose mit reinem Sauerstoff arbeiten.
Abgesehen von den Resorptionsatelektasen setzt Du die Lunge damit auch höherem oxidativen Streß aus, 30% FiO2 reichen normalerweise völlig aus.