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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Nachteile des Arbeitszeitgesetzes



Lava
28.11.2006, 09:48
Ich hatte gestern eine ganz interessante Unterhaltung mit einer Assistenzärztin im 3. Jahr aus der Neurochirurgie.
Und zwar soll bei uns in der Klinik ab dem 1.1.07 endlich das Arbeitszeitgesetzt umgesetzt werden. Konkret heißt das, dass man nach dem Dienst nachhause gehen muss und dass wir als letzte Intensivstation der Klinik auch einen Schichtdienst einführen müssen. Wie der aussieht, weiß noch keiner, aber 3x8h werden es sicher nicht werden, weil wir dazu defintiv zu wenig Ärzte haben.

Wie auch immer, nach dem Dienst nachhause gehen ist ja gut und schön, ABER das bringt auch erhebliche Nachteile mit sich. Es sieht dann nämlich so aus, dass man pro Woche mindestens einen Tag, wenn nicht sogar 2 Tage weniger im OP steht und dass aufgrund des höheren Bedarfs mehr Ärzte eingestellt werden und man so mit mehr Assis um die begehrten Ausbildungs OPs konkurriert. Bisher war es durchaus möglich, den OP Katalog der Neurochirurgie in den vorgeschriebenen 6 Jahren zu erfüllen. Mit dem neuen Arbeitszeitgesetz scheint mir das so gut wie unmöglich. Hat da eigentlich mal jemand dran gedacht, als das beschlossen wurde? Bzw. was kann man besser machen, um die Ausbildungszeit nicht um 2 oder noch mehr Jahre zu verlängern?? 6 Jahre sind ohnehin schon eine lange Zeit und selbst wenn man den OP Katalog voll hat, heißt das noch lange nicht, dass man auch wirklich alles KANN. Wird die praktische Ausbildung in den operativen Fächern in Zukunft noch mehr leiden? Ich hab keinen Bock jahrelang den Stationsdeppen zu spielen und vielleicht mit Ende 30 meinen Facharzt zu haben. :-((

Altruist
28.11.2006, 09:53
wie wär´s mit ´nem anderen Fachgebiet?
Oder - noch besser - gleich nen komplett neuen Job?! :-?

Lava
28.11.2006, 16:01
Das Problem ist, dass ich nunmal furchtbar gern Neurochirurgin werden möchte... vielleicht auch Chirurgin in einem anderen Gebiet, aber die sind ja von dem plötzlichen Zeitmagel auch betroffen. :-nix

Evil
28.11.2006, 16:10
wie wär´s mit ´nem anderen Fachgebiet?
Oder - noch besser - gleich nen komplett neuen Job?! :-?
Janine hat da einen wahren Punkt angesprochen, das neue AZG löst teilweise Probleme, schafft aber neue.
Wenn man keine Ahnung hat, sollte man vielleicht einfach mal den Mund halten, BEVOR man sich blamiert.

Lava
28.11.2006, 16:11
Jo, ich würd mich über Meinungen von Leuten freuen, die schon irgendwelche Auswirkungen gespürt haben bzw. sich auch so ihre Gedanken machen.

Doktor_No
28.11.2006, 18:34
ich finde schichten völlig daneben. es hat eben keiner daran gedacht, dass sich die ausbildungszeiten verlängern, wenn man as umsetzt, von der schlechteren bezahlung mal abgesehen. außerdem kennst du deine patienten nicht mehr so, denn wenn du meinetwegen 3 tage spät hast, ist die fluktuation immens, wenn man dann noch davon ausgeht, dass bei jeder übergabe 30% informationen verloren gehen...

ich präferiere opt/out, da hat man "normale" arbeitszeiten und geht nur nach den diensten für den rest des tages. ist auch gesetzeskonform, muss aber jeder betroffene schriftlich zustimmen.

turinep
28.11.2006, 19:07
Musstet ihr tatsächlich bisher nach dem Dienst im Haus bleiben? Ich habe es seit meinem Berufseinstig nur so kennengelernt, dass man nach einem Nachtdienst nach der Frühbesprechung geht. Die einzige Ausnahme war da der Dienst von So auf Mo, da der in der Nacht bisher keiner Arbeitszeit folgte.

Evil
28.11.2006, 19:36
In der Anä bleib ich nach dem Dienst fast immer... allerdings habbich dann auch meist 6 h geschlafen.

Hellequin
28.11.2006, 22:50
außerdem kennst du deine patienten nicht mehr so, denn wenn du meinetwegen 3 tage spät hast, ist die fluktuation immens, wenn man dann noch davon ausgeht, dass bei jeder übergabe 30% informationen verloren gehen...

Das ist in meinen Augen kein Argument. Habe eine meiner Famulaturen auf der internistischen Notaufnahme der Uniklinik gemacht, wo bereits im 3 Schicht System gearbeitet wird. Da gab es öfters nicht stabile Patienten, die mehrere Tage dort lagen und ich konnte bei den Übergaben keinen Informationsverlust feststellen. Wenn das ordentlich strukturiert wird, sehe ich da nur geringe Probleme.

Muriel
28.11.2006, 23:35
ich bin absolut für Schichtmodelle. Bei uns funktioniert es hervorragend, ich will nichts Anderes haben, auch wenn Nachtdienstwochen natürlich Kacke sind, dafür hat man aber auch nicht jede Woche andauernd die Abende kaputt.

Christoph_A
29.11.2006, 07:45
Wir schichteln seit 1.10. mit dem unverändert niedrigem Personal, das wir schon davor hatten, da ein schlauer Consultant ausgerechnet hat, daß wir so gut über die Runden kämen. Alle Allgemeinstationen sind auf dem Papier mit 4 Stationsärzten besetzt, von denen 2 morgens umd 7.45 Uhr kommen, einer um 11.45 zum Spätdienst und einer immer als Nachtdienst, Urlaub, krank, etc. gehandelt werden kann. Soweit, so gut. In der Realität muß man sagen, daß wir unterbesetzt sind - Kollegen, die in der Aufnahme oder Funktion sind ( Echo, O´Sono, Schrittmacherambulanz ) wurden frech einfach Stationen zugeteilt, sind dort aber nicht verfügbar, schwangere Kolleginnen und grade gewordene Mütter laufen als Karteileichen mit,etc.
Das hat zur Folge, daß halt statt 4 meist nur 1-2 Kollegen real auf 40 Betten Stationen mit Monitorplätzen sind. Einer früh, einer spät ist die Regel, nicht die Ausnahme-die Arbeitsbelastung ist extrem, die Patientenversorgung leidet und bei den Übergaben geht die Hälfte stressbedingt unter.
Wir haben jetzt auf massiven Druck unsererseits für Januar drei neue Stellen bewilligt bekommen, ist zwar nicht viel, aber wenigstens ein Anfang.
In dieser Form pervertiert sich das Schichtmodell von selbst, hab noch mehr Überstunden als vorher und versauer hier im Stationsdienst.

hiddl
29.11.2006, 09:16
Man muß sich natürlich auch fragen, wie hochwertig denn noch eine Weiterbildung ist, die nach 24 h Arbeit stattfindet.
Wir sind nach Diensten immer schon nach Hause gegangen, aber der Gedanke, nach ein oder zwei fraktionierten Stunden Schlaf noch ordentliche Arbeit zu leisten, ist doch absurd :-( .
Natürlich bin ich als Neurologin, die ja keinen OP-Katalog o.ä.hat, im Vorteil, aber ich halte Schichten von mehr als 13 h einfach für gefährlich und das sollten auch gerade Ärzte einsehen.

Gruß, Ute

actin
29.11.2006, 10:48
Wir haben jetzt auf massiven Druck unsererseits für Januar drei neue Stellen bewilligt bekommen, ist zwar nicht viel, aber wenigstens ein Anfang. Aber ein guter Anfang. :-top


In dieser Form pervertiert sich das Schichtmodell von selbst, hab noch mehr Überstunden als vorher und versauer hier im Stationsdienst.Wenn ihr euch einig wärt, z. B.beim Verweigern von noch mehr Überstunden, müsstet ihr doch noch mehr zusätzliche Stellen bewirken können.


Man muß sich natürlich auch fragen, wie hochwertig denn noch eine Weiterbildung ist, die nach 24 h Arbeit stattfindet.....vor allem in einem chirurgischen Fach.

Christoph_A
29.11.2006, 12:06
@actin: Wir sind ein Akutkrankenhaus-da ist es ethisch irgendwie schwer vertretbar zu einem frischen Infarkt zu sagen, "schönes Leben noch, aber ich mach jetzt keine Überstunde mehr, da ich schon drei habe" und ihn sterben lassen, aber Danke für den Hinweis auf unsere Einigkeit, ohne die hätten wir die Stellen nicht durchgedrückt. Haben nämlich damit gedroht, alle unsere Überstunden gleichzeitig einzuklagen, was das Haus in massivste Finanznöte getrieben hätte. Was die drei neuen Stellen betrifft, so sind die nur das, was aufm Papier unsere Minimalbesetzung wäre, damit ist immer noch kein adäquater Schichtdienst möglich, nur eine Minimierung der massiven Überstunden.
Prinzipiell bin ich jedoch ein großer Befürworter eines Schichtsystems, da insbesondere 24h Dienste nicht vertretbar sind.

actin
29.11.2006, 12:13
...aber Danke für den Hinweis auf unsere Einigkeit, ohne die hätten wir die Stellen nicht durchgedrückt. Haben nämlich damit gedroht, alle unsere Überstunden gleichzeitig einzuklagen, was das Haus in massivste Finanznöte getrieben hätte.
Vielleicht ist das der richtige Ansatz. Wenn ihr eure angeordneten (!) Überstunden sehr sorgfältig dokumentiert und auf vollständige Bezahlung achtet, kommt das KH (dieVerw.) vielleicht zu der Einsicht, dass man mit diesem Geld auch neue Stellen finanzieren könnte.

Lava
29.11.2006, 14:45
So einfach wie sich das immer anhört, ist es leider nicht mit der Machtausübung gegenüber den Vorgesetzten. Ich hab das in meinem PJ Tertial jetzt zwei Monate lang mit ansehen müssen, wie der Chef immer und immer wieder seine Meinung durchgesetzt hat. Da gab es Versammlungen der Assistenten, eine Umfrage vom Assistentensprecher und viele lange Diskussionen - mit dem Ergebnis, dass die Dienstahabenden zwar nachhause gehen DÜRFEN, es doch aber nett wäre, wenn sie, sofern notwendig, noch "zwei oder drei Stunden" da blieben. Damit wollte der Chef sagen, dass gefälligst jeder dazubleiben hat, bis die Arbeit erledigt ist und das ist in 2 bis 3 Stunden leider nicht getan.

So viel dazu.

24h Schichten wird es auch weiterhin auf den Normalstationen geben. Jedenfalls bei uns. Wir haben schon nicht genug Personal, um auf der Inetnsiv einen Schichtdienst einzuführen, da wird das auf Normalstation erst recht nicht klappen. Im Januar kommen wohl 3 neue, aber die müssen erstmal eingearbeitet werden etc. und wollen natürlich auch alle operieren... also in meinen Augen passt das hinten und vorne nicht :-?

Thomas24
29.11.2006, 18:45
ich bin absolut für Schichtmodelle. Bei uns funktioniert es hervorragend, ich will nichts Anderes haben, auch wenn Nachtdienstwochen natürlich Kacke sind, dafür hat man aber auch nicht jede Woche andauernd die Abende kaputt.

Wie funktioniert denn euer Schichtmodell? Bei uns soll ab 01.01.06 auf Anordnung der obersten Heeresleitung ein Schichtmodell eingeführt werden. Wie das aber de facto aussehen soll, weiss noch niemand.

Habt ihr eine Woche früh, eine Woche Spät, eine Woche Nacht, und dann eine Woche frei? Wie ist euer Stellenschlüssel?

Die Vorstellung anstelle von zwei Leuten wie bisher das WE jetzt vier Leuten (oder an zwei Tagen hintereinander) zu versauen, begeistert uns eher wenig. Und das allergrößte Manko: Kein zusätzliches Geld mehr durch Dienste- nicht dass die ca 35 Euro netto extra (!) für einen Wochentagsnachtdienst die Welt gewesen wären. Aber haben ist besser als nicht haben, oder?

LG!