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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fall 16/2006 - Schwindel und Sehstörungen



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Tombow
30.12.2006, 08:14
Und los geht's:

Kurz vor Feierabend übernimmt Ihr auf Normalstation einen Patienten, der am Vorabend mit Rettungswagen und Notarzt ins Krankenhaus gebracht wurde und initial auf der Intensivstation gelegen hat. Aus dem schwer leserlichen Einsatzprotokoll und dem Aufnahmebogen ist herauszulesen, daß es ihm plötzlich schwindelig und schwarz vor den Augen geworden sei.

Und wie geht's weiter?

Eilika
30.12.2006, 08:18
Ist die Patientin denn auskunftsfähig? Dann würde mich interessieren:
Was war das für ein Schwindel? Dreh- oder Schwankschwindel, in welche Richtung?
Schwarz vor beiden Augen? Richtig komplett oder nur mit einer Einschränkung des Gesichtsfelds?
Hat beides zeitgleich angefangen? Und beides plötzlich?
Hat sie sowas oder was ähnliches schon einmal gehabt?
Andere Begleitsymptome? Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Hörminderung oder was ihr sonst noch wichtig erscheint?
Relevante Vorerkrankungen?
Ach ja, wie alt ist sie denn und wie wirkt sie so auf den ersten Blick?

McBeal
30.12.2006, 09:11
Gab es Zeugen, die den Vorfall beobachtet haben (Dauer) und die evtl. auch gesehen haben, ob es sich um eine Synkope gehandelt oder oder der Pat. evtl. gekrampft hat?
Zur DD Krampfanfall fällt mir sonst noch ein: Eingenässt? Eingekotet? Krampfanamnese?

Zu den Begleitsymptomen: auffallende Paresen?

Fieber?

abcd
30.12.2006, 10:26
Blutdruck bei Aufnahme bzw. aus dem Notarztprotokoll würd mich auch interessieren. sonstige Vitalzeichen.

Tombow
30.12.2006, 16:09
Ist die Patientin denn auskunftsfähig?
Es ist ein Patient. Naja, wie dem auch sei. Wach, allseits orientiert, adäquat. Zur Anamnese:

Keine Angaben über Art des Schwindels möglich, es sei ihm plötzlich und zeitgleich mit dem Schwindel vor beiden augen komplett schwarz geworden. Sowas ähnliches habe er schon vor etwa vier Wochen gehabt, meinte, damals auch kurz in der Klinik gewesen zu sein, kann aber keine näheren Angaben dazu machen. Jeweils keine Bewußtseinseintrübung oder Übelkeit. Übergeben müssen habe er sich aktuell nur im Notarztwagen, nachdem er Morphium bekommen habe.


Relevante Vorerkrankungen?
Ach ja, wie alt ist sie denn und wie wirkt sie so auf den ersten Blick?
65-jähriger Patient in gutem AZ bei adipösem EZ (90kg/174cm). Bekannte KHK, Zn. Myokardinfarkt 1987, damals auch wegen einer "Muskelbrücke am Herzen, die auf die Herzkranzgefäße gedrückt hat" (O-Ton des Patienten) einen ACVB bekommen. Seit 2 Jahren NIDDM, eingestellt auf Metformin (laut Patientenangabe und Labor von der Intensiv HBA1c bei 6%). Z.n. Hüft-TEP rechts vor 8 Monaten, damals im postoperativen Verlauf Lungenembolie, seitdem marcumarisiert (INR aktuell 2,6).


Gab es Zeugen, die den Vorfall beobachtet haben (Dauer) und die evtl. auch gesehen haben, ob es sich um eine Synkope gehandelt oder oder der Pat. evtl. gekrampft hat?
Ehefrau hat den Vorfall beobachtet, laut Anamnese des Aufnehmenden Kollegen keine Anzeichen für Krämpfe, Patient hat weder eingenäßt noch eingekotet, keine Krampfanfall-Anamnese (auch nicht in der Familie).


Blutdruck bei Aufnahme bzw. aus dem Notarztprotokoll würd mich auch interessieren. sonstige Vitalzeichen.
Patient leicht tachykard und leicht hyperton (genaue Werte habe ich nicht im Kopf), beim Eintreffen des Notarztes jedoch wieder voll orientiert. Während der Überwachung auf Intensiv RR, Puls und Atemfrequenz für die gesamte Zeit im Normbereich.

Falls jemand mehr wünscht bzw. Fragen unbeantwortet geblieben sind, hier die Untersuchungsbefunde:

Neurologischer Untersuchungsbefund:
Wach, orientiert, adäquat. Kein Meningismus, keine Wurzeldehnungszeichen, Rechtshändigkeit. Fraglich diskreter Blickrichtungsnystagmus nach rechts, sonstiger Hirnnervenstatus unauffällig, keine Aphasie oder Dysarthrie. Ziel- und Wechselmotorik der Extremitäten seitengleich, sicher. Kein Absinken im Arm- oder Beinhalteversuch. Kraftentwicklung in der Extremitäten seitengleich, überall 5/5. Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft, keine pathologischen Reflexe. Oberflächensensibilität erhalten, seitengleich. Tiefensensibilität überall 7-8/8. Stand und Gang sicher, frei, Einbeinstand links möglich, rechts (TEP-Bedingt) nicht geprüft.

Allgemeinkörperlicher Untersuchungsbefund:
65-jähriger Patient in gutem AZ bei adipösem EZ, am Thorax ca 15cm große reizlose Narbe episternal, sonores Atemgeräusch, keine Rasselgeräusche, Halsartherien ohne Strömungsgeräusch. Herztöne rein, rythmisch, keine pathologischen Geräusche. Bauchdecke adipös, kein Druckschmerz, keine Abwehrspannung, keine tastbaren Resistenzen, spärliche Peristaltikgeräusche. Periphäre Pulse bds. kräftig tastbar, keine Strömungsgeräusche in den Leistenarterien. An beiden Knien mehrere Reizlose Arthroskopienarben bei bekannter Gonarthrose. Keine periphären Ödeme, keine Zeichen einer venösen Insuffizienz.

Und was jetzt? Fehlen irgendwelche Details? Was machen als nächstes?

abcd
30.12.2006, 17:51
Welche Medikamente nimmt er außer Marcumar und Metformin?
In welcher Situation tritt der Schwindel auf? Lagewechsel, beim Aufstehen...
Seit wann besteht der Schwindel? Intermittierend oder andauernd?
Wurde ein Lagerungstest durchgeführt? Wenn ja Ergebnis?

schenky
30.12.2006, 21:03
War der Pat. komplett bewusstlos?
Was sagt das EKG?
BZ-Wert?
Medikation ausser Metformin ?

Tombow
30.12.2006, 23:09
Patient ist NICHT bewußtlos gewesen...hatte ja schon geschrieben - kein Bewußtseinsverlust und/oder -eintrübung.

Anamnestisch kein Auslöser für die Schwindelattacke zu finden, auch bei der vorausgegangenen Episode von vor vier Wochen, die sei aber nicht so wie die aktuelle. Es ist kein Lagerungstest durchgeführt worden, auch anamnestisch finden sich keine Ursachen für eine orthostatische Dysregulation, beide male sei es "aus heiterem Himmel" passiert.

BZ bei Aufnahme ca 140, im EKG bei Aufnahme (und während der gesamten Beobachtungszeit auf Intensiv) normofrequenter Sinusrythmus, grenzwertig vertiefte Q-Zacke.

Medikation:
Metformin 1000 mg 1-0-0
Corangin (Isosorbidmononitrat) 40 mg retard 1-0-0
Locol (Lovastatin) 80 mg 0-0-1
Marcumar nach INR (Zielbereich 2,5-3,5)

abcd
31.12.2006, 11:45
Bei uns in der Neuro würde der gute Mann nach einer Lagerungsprobe mit Frenzelbrille bei fraglich diskretem Blickrichtungsnystagmus nach rechts (beninger paroxysmaler Lagerungsschwindel?) jetzt wohl nen CCT bekommen zum Ausschluss Ischämie und Raumforderung, außerdem nen Doppler der extra- und intracraniellen Gefäße.

Außerdem frag ich mich die ganze Zeit, was ihr in der Aufnahme rausgefunden habt, dass ein Pat. mit kurzfristigem Schwarzwerden vor Augen und der zweiten Schwindelattacke auf der Intensivstation landet *grübel*............

abcd
31.12.2006, 12:08
hmm Morphin vom NA - doch nen Herzinfarkt?
Bestanden initital Schmerzen? Auffälliges EKG schon beim NA oder halt ein NSTEMI?
Nochmal zum Labor: Troponin, CK, Myoglobin?

Zoidberg
31.12.2006, 19:19
vielleicht hab ich es nicht gefunden, ist ihm denn immer noch schwarz vor Augen? Immer noch schwindlig?

meine DD bisher:

-Basilarisspitzensyndrom (Schwindel, kortikale Blindheit), Zeichen für Anosognosie (Anton?)? DD Hirnstamm-TIA?
-Hirnstammblutung unter OAK
-LAE - D-Dimere? Pos. FA?
-waren Kopfschmerzen dabei? Basilaris Migräne?
-wenn nur kurze Dauer - epilep. Anfall? im EEG epilepsietyp. Pot.?

meine Diagnostik: primär CCT zum Ausschluss Blutung, MRT mit Diff. (Ischämie? RF?, Doppler (Pathologien vor allem hintere Strombahn?), D-Dimere (LAE?) evtl. aBGA, TTE (EF? AS? zeichen der RV-Belastung (LAE?) WBS (ACS?+Trop?))
wenn nix rauskommt dazu Hallpike Lagerungsmanöver wenn Doppler ob

hat er bei nem Nitropräp noch Sildenafil genommen oder andere PDE-Hemmer?

abcd
31.12.2006, 19:25
Bin noch über kardialen Schwindel gestolpert.
vermindertes Herzzeitvolumen durch HRST bzw. durch strukturelle Herzerkrankung
bei eingeschränkter linksventrikulärer Funktion z.B. durch alten Herzinfarkt können wohl Tachycardien von schon 140/min ausreichen, dass der Ventrikel nicht gut gefüllt ist, bzw. der Auswurf so gering ist, dass es zur cerebralen Minderperfusion kommt.

da würde dann wohl nen TTE anstehen und zur Abklärung von herzrhythmusstörungen nen LZ-EKG

Tombow
31.12.2006, 19:41
Bei uns in der Neuro würde der gute Mann nach einer Lagerungsprobe mit Frenzelbrille bei fraglich diskretem Blickrichtungsnystagmus nach rechts (beninger paroxysmaler Lagerungsschwindel?) jetzt wohl nen CCT bekommen zum Ausschluss Ischämie und Raumforderung, außerdem nen Doppler der extra- und intracraniellen Gefäße.
Gute Idee :-)


Bestanden initital Schmerzen? Auffälliges EKG schon beim NA oder halt ein NSTEMI? Nochmal zum Labor: Troponin, CK, Myoglobin?
Keine initialen Schmerzen. Angesprochene Laborwerte allesamt im Normbereich.


vielleicht hab ich es nicht gefunden, ist ihm denn immer noch schwarz vor Augen? Immer noch schwindlig?
Weder noch. Symptomatik schon während der Beobachtungszeit auf ITS komplett rückläufig.


-Basilarisspitzensyndrom (Schwindel, kortikale Blindheit), Zeichen für Anosognosie (Anton?)
Keine


-Hirnstammblutung unter OAK
Durchaus einer Überlegung wert.


-LAE - D-Dimere? Pos. FA?
Wurden bei Aufnahme bestimmt, normwertig.


-waren Kopfschmerzen dabei? Basilaris Migräne?
Keine.


-wenn nur kurze Dauer - epilep. Anfall? im EEG epilepsietyp. Pot.?
Anamnese (auch Familienanamnese) in der Hinsicht absolut blande. Kein EEG gemacht worden.


meine Diagnostik: primär CCT zum Ausschluss Blutung, MRT mit Diff. (Ischämie? RF?, Doppler (Pathologien vor allem hintere Strombahn?),
hat er bei nem Nitropräp noch Sildenafil genommen oder andere PDE-Hemmer?
Keine Sildenafil- oder sonstige PDE-Einnahme. Die Arbeitsliste ist aber sehr gut.

Und jetzt zu etwas anderes - beim gezielterem Nachfragen erzählt der Patient, daß er vor etwa vier Wochen sehr wenig Schwindel, und (soweit anamnestisch herauszufinden) nicht blickrichtungsabhängige Doppebilder gesehen hat. Symptomatik habe spontan eingesetzt, "wenige Minuten" gedauert und sich zurückgebildet. Dabei kein Ohrensausen und keine Kopfschmerzen, auch keine Bewußtseinseintrübung gehabt.

Mit der Info ließe sich die Arbeitsliste für die weitere Diagnostik schon etwas einschränken. Wegen LZ-EKG - die Kollegen auf Intensiv haben da fleißig mitgeschrieben, keine Tachykardien oder Rythmusstörungen. Übrigens, wieso er auf Intensiv gelegen hat, darüber habe ich mich auch gewundert, ebenso über das Morphium, da die typische Myokardinfarkt/ACS-Symptomatik nirgends in der Anamnese herauszugraben war. Mit der Intensiv könnte man es sich wahrscheinlich damit erklären, daß zum Zeitpunkt der Aufnahme die Stroke Unit voll war und sich keiner der Stroke-Patienten auf Normalstation umlegen ließ.

CCT schon seitens der Intensiv gemeldet, Doppler ließe sich bei der Verlegung machen. Im CCT altersentsprechender Normalbefund ohne Anzeichen für Hirnatrophie, SAE oder Liquorabflußstörung. Keine Anzeichen einer Blutung. Bei artefaktbedingt eingeschränkter Beurteilbarkeit fragliche Infarktdemarkierung im Hirnstamm in Höhe der Felsenbeinoberkante.

Doppler: Aus Voruntersuchungen und dem CCT bekanntes Kinking und Elongation der A. carotis interna beidseits, keine Anzeichen einer Makroangiopathie oder hämodynamisch relevante Stenosen.

Was jetzt?

abcd
31.12.2006, 22:06
LP zum Ausschluss entzündlicher Ursachen, evt. auch MS

Tombow
31.12.2006, 22:13
Brauchen wir das wirklich?

Ehemaliger User 20130505
31.12.2006, 22:27
Bei artefaktbedingt eingeschränkter Beurteilbarkeit fragliche Infarktdemarkierung im Hirnstamm in Höhe der Felsenbeinoberkante.Sollte man dann nicht noch ein cMRT machen?

Tombow
01.01.2007, 09:22
Sollte man dann nicht noch ein cMRT machen?
Nicht unbedingt. Die Radiologen hatten vor kurzem eine neue Röhre gekriegt und es hat denen Spaß gemacht, damit zu spielen...also haben sie auch Angio-CT mit 3D-Rekonstruktion und Perfusions-CT gemacht, und dabei die fragliche Läsion bestätigt.

Ehemaliger User 20130505
01.01.2007, 10:15
Nicht unbedingt. Die Radiologen hatten vor kurzem eine neue Röhre gekriegt und es hat denen Spaß gemacht, damit zu spielen... ...und dabei den Patienten einer weiteren Strahlenbelastung ausgesetzt, um ein Ergebnis zu erhalten, das auch mit niedrigerer Strahlenbelastung möglich gewesen wäre?

abcd
01.01.2007, 10:17
Hups, hatte beim CCT nur altersentsprechender Normalbefund gelesen und das mit der fragl. Infarktdemarkierung überlesen.................

Tombow
01.01.2007, 10:27
Hups, hatte beim CCT nur altersentsprechender Normalbefund gelesen und das mit der fragl. Infarktdemarkierung überlesen.................
Kein Problem...paßt die Läsion zur Symptomatik und was hättest Du gerne für weitere Untersuchungen oder was würdest Du machen?