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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ashley Treatment



Kedar
04.01.2007, 17:52
Habt ihr schon vom Ashley Treatment (http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,457787,00.html) gehørt? Was haltet ihr davon? Finde es grad schwierig mir darüber eine Meinung zu bilden..

Hier noch der Link (http://ashleytreatment.spaces.live.com/PersonalSpace.aspx?_c02_owner=1) zu der Seite für die Darstellung der Eltern.

Vee
04.01.2007, 20:15
Halte das für totalen Wahnsinn. Das ist im Prinzip nichts anderes, als eine Verstümmelung aus purer Bequemlichkeit. Einem jungen Mädchen das Brustgewebe und die Gebärmutter zu entfernen und es mit Hormonen vollzustopfen, nur weil die Eltern weiterhin ihr liebes, kleines, behindertes Kind behalten wollen, anstatt eine behinderte junge Frau zu versorgen, halte ich ich ethisch und moralisch für sehr bedenklich. Hab da keinerlei Verständnis...

Abgesehen davon, hätte man für das Geld, das eine derart komplexe Behandlung gekostet hat mit Sicherheit kompetentes Pflegepersonal finden können.

:-nix

annekii
04.01.2007, 21:30
Hallo!

Ich verstehe schon, worum es den Eltern geht, denn die große Angst, wie man ein Kind mit solch schwerer Behinderung versorgen soll, wenn es größer und schwerer wird, ist schon sehr viel. je größer das Kind, desto weniger kann man es mal eben mitnehmen und was unternehmen, dann muss man erst das Kind in den Rolli wuchten, gut fixieren, dass die Haltung stimmt, und dann erst raus. Man kann das Kind nicht mehr alleine baden, usw. Und um Hilfsmittel und Pflegedienst muss man sich monatelang in Widersprüchen streiten.

Aber trotz allem finde ich solche medizinisch nicht indizierten Operationen und Behandlungen nicht richtig. Das Risiko ist zu hoch für das Ergebnis, dass das Leben dann leichter ist, auch wenn das Leben wirklich schwer ist.

LG
annekii

Vee
04.01.2007, 23:17
Ich verstehe schon, worum es den Eltern geht, denn die große Angst, wie man ein Kind mit solch schwerer Behinderung versorgen soll, wenn es größer und schwerer wird, ist schon sehr viel. je größer das Kind, desto weniger kann man es mal eben mitnehmen und was unternehmen, dann muss man erst das Kind in den Rolli wuchten, gut fixieren, dass die Haltung stimmt, und dann erst raus. Man kann das Kind nicht mehr alleine baden, usw. Und um Hilfsmittel und Pflegedienst muss man sich monatelang in Widersprüchen streiten.


Kommt man aber genau damit nicht in ähnliche Bereiche, wie man sie mit der Stammzellendiskussion hat? Ein Mensch wächst nun einmal, Wachstum ist eines der Anzeichen von Leben. Wenn das nicht gewünscht wird, wäre es für das Mädchen vielleicht besser gewesen, garnicht erst geboren zu werden. Die Parallelen mit der Gentechnik sind erschreckend: Ich hätte gerne ein Kind, möglichst ein Mädchen, blond und es soll doch bitte auch ein Kind bleiben und nicht pubertieren. Ist das nicht ein Stück Gott spielen? Einen Menschen wie einen Haushaltsgegenstand an die Bedürfnisse anzupassen unter massivsten Eingriffen in seine Gesundheit, seinen Körper?

lg, Vee

Rico
05.01.2007, 01:04
Ich muß gestehen, ich bin mir letztlich auch noch nicht ganz sicher, ob ich es gut finde oder nicht, jedenfalls verwerflich finde ich es eigentlich nicht. Der Wunsch der Eltern ist verständlich, das eigene Kind weiter zu pflegen - die Mittel sind allerdings neu und unkonventionell.
Der Vergleich mit dem Wunschkind ist IMHO eher über's Ziel hinausgeschossen und unangebracht, wenn man die schwere der Behinderung betrachtet.

Grundsätzlich ist die Frage, was ein "Eingriff in die Natur" ist und was eine Behandlung ist schon beinahe philosophisch:
Ganz so leicht wie die Eltern kann man es sich nicht machen und einfach jedwedes Eingreifen in die Gesundheit glichstellen, einen Blinddarm mit einer Schönheits-OP oder eben der Ashley-Behandlung auf eine Stufe stellen halte ich für kritisch.
Allerdings befindet man sich mit der Fragestellung in einem Grenz- und Graubereich der Medizin, wo man nie so recht weiß, welche Normen man anlegen soll. In diesem bereich gibt es einfach kein klares "Das machen wir, das hilft mehr als es schadet, das ist richtig" mehr.
Warum also nicht die Maßstäbe der Palliativmedizin anlegen? Dort werden teilweise große, teilweise auch - ich sag mal provokativ - verstümmelnde Operationen durchgeführt, um das Leben mit einer Krankheit zu erleichtern, die Lebensqualität zu steigern, wenn an Heilung nicht mehr zu denken ist.
Dafür spräche, daß an Heilung bei Ashley auch kaum zu denken ist, dagegen wiederum, daß ihr Zustand nicht kontinuierlich schlechter wird, wie z.b. der eines Tumorpatienten.

Außerdem gibt es in der Medizin gar nicht so wenige Fälle, in denen Eingriffe um medizinisch nicht zwingend erforderliche Schritte erweitert werden, um für den Patienten eine bessere Lebensqualität zu erreichen. Hier sein z.b. die Neoblase erwähnt - provokativ gesagt könnte man selbstverständlich auch damit leben, wenn die Uretheren einfach irgendwo ausgeleitet werden. Oder eine Amputation, bei der man auch u.U. viel gesundes Gewebe mitentfernt, um nachher die prothetische Versorgung zu erleichtern.

Unter'm Strich weiß ich nicht, ob ich die Entscheidung in der Situation der Eltern ebenso getroffen hätte, aber ich kann sie aktzepieren. :-meinung

Kackbratze
05.01.2007, 10:10
In der Palliativsituation finden die OPs in Absprache mit dem Patienten statt.
Hier entscheidet der Patient ja nicht mit.

Und wer sagt denn, dass das am Ende "nur" bei geistig behinderten Pflegefällen gemacht wird?

Ich glaube, mit so einer Aktion wird die Dose der Pandora geöffnet werden und es wird (wenn nciht in den USA, dann in Nicaragua oder wo auch immer) Ärzte geben, die solche Operationen dann auch bei gesunden Kindern durchführen werden, wenn die Eltern geug bezahlen.

Die Argumentation ist schlüssig, aber das ist sie auch bei Euthanasie, wenn man sie aus dem richtigen Blickwinkel betrachtet.

Ich bin jedenfalls dagegen.

Rico
05.01.2007, 10:56
In der Palliativsituation finden die OPs in Absprache mit dem Patienten statt.
Hier entscheidet der Patient ja nicht mit.Weil er's nicht kann. Und deshalb entscheiden die gesetzlichen Vertreter.
Die Tatsache, daß ein Patient nicht selber miteintscheiden kann ist keine Kontraindikation gegen eine (palliative) OP.

Ich hätte zum Beispiel kein Problem damit bei einem dementen und bettlägrigen Patienten ohne dass dieser explitzit zustimmen kann, ein Bein zu amputieren, wenn die chronische Wunde dort (ohne Heilungstendenz und nach Ausreizung aller therapeutischen Optionen selbstverständlich) die häusliche Versorgung gefährdet, weil die betreunden Angehörigen mit dem aufwändigen Wundmanagement überfordert sind.

Die Argumentation ist schlüssig, aber das ist sie auch bei Euthanasie, wenn man sie aus dem richtigen Blickwinkel betrachtet.Nein, es kommt nicht auf die Argumentation an, sondern es ist immer eine Frage der Indikation! :-meinung
Mit der falschen Indikation ist auch der beste, ethisch unantastbarste Eingriff falsch.
Schau mal den Kaiserschnitt an: Der rettet jeden Tag tausenden Frauen und Neugeborenen das Leben, aber ein elektiver Kaiserschnitt ohne medizinische Indikation ist trotzdem - zurecht!! - umstritten.