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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Sinn des naturwissenschaftlichen Unterrichts im Gymnasium



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Pauker
04.01.2007, 23:55
Ich stelle hier mal einen Beitrag aus einer Diskussion über den naturwissenschaftlichen Unterricht in einem anderen Thread als neues Thema rein, weil es im anderen Thread etwas off topic ist.

Es geht um den Sinn des naturwissenschaftlichen Unterrichts im Gymnasium:

Ich halte das Vermittlen der Grundlagen naturwissenschaftlichen Denkens und Arbeitens für grundsätzlich wichtig, unabhängig davon, ob ein Schüler es später beruflich brauchen wird oder nicht. An welcher Naturwissenschaft diese Fähigkeiten vermittelt werden, ist IMHO weniger wichtig. Am leichtesten geht es nach meinen Erfahrungen in der Physik und der Chemie, am schwierigsten ist es in der Biologie, weil sie eigentlich angewandte Physuik und Chemie ist, wenn man nach naturwissenschaftlichen Prinzipien arbeitet.

Meiner Meinung nach liegt eine der Ursachen dafür, dass so viele Menschen auf fragwürdige technische Verfahren in der Medizin (=> Bioresonanz und Co.), auf Esoterik, Sekten, abstruse Vorstellungen zur Evolution (=> Kreationismus) usw.... hereinfallen, unter anderem auch darin, dass sie die Methoden wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung nicht kennen. Mir liegt mehr daran, meinen Schülern anhand von Materialien, am besten anhand selbst geplanter und durchgeführter Versuche, naturwissenschaftliches Arbeiten beizubringen als unverstandene Dinge auswendig lernen zu lassen.

Ich poste hier mal einen Auszug aus den Rahmenrichtlinien (http://www.nibis.de/nli1/gohrgs/rrl/rrlbio.pdf) für den Bio-Unterricht in der Sek. II, in denen die Wissenschaftspropädeutik als durchgängiges Unterrichtsprinzip gefordert wird. Es ist leider ein ziemlich langes Zitat, aber es drückt das, was mir am naturwissenschaftlichen Untericht besonders wichtig ist, sehr gut aus:


"Die Forderung nach Wissenschaftspropädeutik steht übergreifend über allen Themen des Biologieunterrichtes. Als durchgängiges Prinzip soll sie Denk- und Arbeitsweisen der Naturwissenschaften vermitteln. Diese ermöglichen eine rationale Überprüfung von Erkenntnissen und geben so eine gewisse Sicherheit bezüglich der Glaubwürdigkeit von Ergebnissen.

Die Schülerinnen und Schüler erfahren an Beispielen, dass am Anfang naturwissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Phänomenen die Bildung von Hypothesen steht. Sie werden durch Beobachtung, Vergleich und Experiment bestätigt oder widerlegt. Den Schülerinnen und Schülern muss deutlich werden, dass Hypothesen nicht als unumstößlich verifiziert werden können.

Es ist ein Merkmal der Naturwissenschaften, dass Ergebnisse immer wieder kritisch überprüft werden und zu neuen Fragen führen.

Vor diesem Hintergrund sind Voraussetzungen, Grenzen und Tragfähigkeit naturwissenschaftlicher Methoden und Aussagen zu reflektieren.

[......]

Wissenschaftspropädeutischer Unterricht verhindert so einerseits blinde Wissenschaftsgläubigkeit und andererseits Wissenschaftsverketzerung und ermöglicht eine fundierte Auseinandersetzung mit nicht- und pseudowissenschaftlichen Konzepten wie z.B. Kreationismus und Esoterik."

milz
05.01.2007, 01:04
Ich hätte auch lieber Bio anstatt Deutsch als LK gewählt, durfte aber nicht. Gebracht hatte mir das dann auch nichts, ohne Interesse ...

Carolin279
05.01.2007, 16:13
also bei uns ist es ja so, dass wir im wirtschaftszweig keine experimente selber machen, sondern nur der lehrer. doch wir haben nen echt coolen physiklehrer der uns alles sehr genau mit den experimenten macht und uns eben auch ans wissentschaftliche arbeiten heranführt. dagegen ist es eben in bio mit so nen uralten lehrer so, dass wir nur stoff pauken und nicht mal mitarbeiten können, auch wenn wir was wissen ist es sehr schwer. da ist es dannn schon sehr langweilig und anstrengen überhaupt noch aufzupassen, va wenn alle lappern.

lg caro

alley_cat75
05.01.2007, 16:33
[...] so viele Menschen auf fragwürdige technische Verfahren in der Medizin (=> Bioresonanz und Co.), auf Esoterik, Sekten, abstruse Vorstellungen zur Evolution (=> Kreationismus) usw.... hereinfallen, [...]


Sehr schön, dass Du das Thema noch mal richtig aufgegriffen hast. Ich finde es super wichtig, Schülern beizubringen, wie und warum man wissenschaftlich arbeitet. Meine Mama glaubt auch jedene Unfug, der in der Zeitung steht ohne die Dinge selbst zu hinterfragen (auf welchen Grundlagen basieren diese Erkenntnisse? wie kann man derartiges überprüfen?). Ich war zwei Jahre im Ausland in der Schule und dort haben wir auch in Bio tolle (wenn auch banale) Experimente gemacht. Mir ist während des Studiums aufgefallen, dass viele trotz Abi überhaupt nicht wissenschaftlich arbeiten können - sei es das Durchführen von Experimenten oder das einfache Erarbeiten eines Vortrages. Schon erschreckend. Da muss in jedem Fall mehr für getan werden. :-top

Schimmelschaf
05.01.2007, 17:01
Meine Schule hingegen ist sehr gut auf den wissenschaftlichen Unterricht vorbereitet. Wir besuchen (noch) häufiger Forschungszentren und führen in der Schule selber z. T. aufwändige Experimente durch, kann aber auch dran liegen, weil ich die Schwerpunktfächer Bio/ Chemie (und Mathe, aber das zählt ja nich zu Nat.wiss.) habe und uns deswegen mehr gezeigt wird. Wir haben mind. 1 Doppelstunde Bio- oder Chemiepraktika, wo wir ganz allein arbeiten (der Lehrer ist für Fragen immer in der Nähe). Dann noch eine Theoriestunde und noch eine zusätzliche, die so ein Mix aus Praktikum und Theorie ist.
In Physik führen wir ab übernächste Woche auch mind. 1 Doppelstunde lang selber Experimente durch.
Eigentlich ist mein jetzige Schule eher für den praktischen Unterricht.
Wobei ich noch hinzufügen muss, dass bei mir wohl die Lehrer stimmen, sie sind auch schön (etwas) älter, aber dafür wirklich gut drauf.

Meine Musiklehrerin sagte erst letztens, dass die Naturwissenschaften nicht genug gefördert werden und, dass es sehr schade ist.

roger rekless
05.01.2007, 17:09
also chemie und physik hab ich so schnell es geht abgewählt =) aber mein bio-lk war sehr gut, so dass ich für den bio-schein im studium eigentlich nur ein bisschen feinschliff nötig hatte.

Anna-Tomie
05.01.2007, 17:34
Wissenschaftspropädeutischer Unterricht verhindert so einerseits blinde Wissenschaftsgläubigkeit und andererseits Wissenschaftsverketzerung und ermöglicht eine fundierte Auseinandersetzung mit nicht- und pseudowissenschaftlichen Konzepten wie z.B. Kreationismus und Esoterik[/i]."

Zählt mein Feng-Shui-Brunnen für dich zu Esoterik? :-))

Pauker
05.01.2007, 19:17
Zählt mein Feng-Shui-Brunnen für dich zu Esoterik? :-))Nö. Der zählt als Kunst oder Kitsch - je nach Design :-))

Evil
05.01.2007, 20:00
Also, ich betrachte es ja als Armutszeugnis unserer Gesellschaft/ unseres Bildungssystems, wenn der Sinn naturwissenschaftlicher Ausbildung überhaupt in Frage gestellt wird... dann kommt der Strom bald wirklich nur noch aus der Steckdose!!!!
*kopfschüttel*
:-meinung

Pauker
01.07.2007, 11:51
Gott beweist: Darwin ist tot
An der Schwelle zum Mittelalter: Die Evolutionstheorie wird nicht nur in den USA bekämpft - der christlich-fundamentalistische Kreationismus breitet sich auch an deutschen Schulen aus.[.....] http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/251/121095/


An meiner Schule gibt es das zum Glück (noch) nicht und es widerspräche sogar dem Sinn unserer Rahmenrichtlinien, denn eines der wichtigsten Ziele des naturwissenschaftlichen Unterrichts ist bei uns das Vermitteln der Fähigkeit, solche Hypothesen beurteilen zu können.

Kunstpfuscher
01.07.2007, 12:21
Aber was soll man da denn noch sagen?

Bei uns kann man in der Vorklinik das Fach Homöopathie wählen.
Wenn das jetzt eine medizinhistorische Veranstaltung wäre, wäre das eine Sache. Aber das ging mehr in die Richtung Grundlagen der Homöopathie und angewandte Homöopathie.
Warum wird denn an deutschen Universitäten kein angewandter Vodoo unterrichtet?

Naja... Dahinter verbirgt sich einer der Gründe, weshalb ich ein Biomedizin- und kein Humanmedizinstudium begonnen habe.

Fino
01.07.2007, 12:36
Aha, fuer so einen Quatsch haben sie also Zeit und GELD :-???

Pauker
01.07.2007, 12:49
Aber was soll man da denn noch sagen?

Bei uns kann man in der Vorklinik das Fach Homöopathie wählen.
Wenn das jetzt eine medizinhistorische Veranstaltung wäre, wäre das eine Sache. Aber das ging mehr in die Richtung Grundlagen der Homöopathie und angewandte Homöopathie.....
Das klingt ja wie ein Aprilscherz. :-(

Plotin
01.07.2007, 13:09
@ Kunstpfuscher:

Habe gerade mal im Vorlesungsverzeichnis von der Uni Bonn gestöbert und finde dort keine Homöopathie in der Vorklinik (habe aber auch nicht so gründlich nachgeschaut). Kannst du mal einen Link nennen? Welcher Prof vertritt das Fach in der Vorklinik?

Kunstpfuscher
01.07.2007, 13:50
http://www.ukb.uni-bonn.de/42256BC8002B7FC1/vwLookupDownloads/Liste_Wahlfach_I_fuer_das_Sommersemester_2007.pdf/$FILE/Liste_Wahlfach_I_fuer_das_Sommersemester_2007.pdf

DeKl
01.07.2007, 13:52
ja, wahlfach und so, ne?

Kunstpfuscher
01.07.2007, 14:03
ja, wahlfach und so, ne?

Ja? Trotzdem soll das eine universitäre Lehrveranstaltung sein. Was ich davon gehört habe, war etwas wissenschaftlicher :-stud

Am erbärmlichsten finde ich ja die Politiker. Als die Hinwendung zum "Wissenschaftspluralismus in der Medizin" vom Bundestag verabschiedet wurde, hat er sich in meinen Augen lächerlich gemacht.
Nur weil viele dumme Wähler dran glauben macht man Politik dafür und spricht sich gegen Rationalität aus.
Ist es nicht Teil unserer so oft zitierten historischen Verantwortung, für Rationalität und Wahrhaftigkeit einzutreten, auch wenn die Menge oder zumindest eine riesige Zahl dagegen ins Feld zieht?
Entweder die Politiker glauben selbst an den humbug oder sind einfach Feiglinge mit kleinen pimmeln ;)

Derma
01.07.2007, 14:19
ja, wahlfach und so, ne?Es ist ein Angebot der Medizinischen Fakultät der Uni Bonn:


Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität
Medizinische Fakultät
Der Prodekan für Lehre und Studium
Prof. Dr. med. Th. Schläpfer

„Homöopathie – Einführung in Grundlagen und Praxis“
2-semestrige Vorlesung
Mi 19h c.t., HS Medizinhistorisches Institut
Medizinische Fakultät
Dr. K.-H. Gypser Und das ist der Dozent:

>Dr. med. Klaus-Henning Gypser ist Arzt mit eigener Praxis in Rheinland-Pfalz und ehemaliger Lehrbeauftragter für Homöopathie am Fachbereich Humanmedizin der Universität Gießen. Neben seiner umfangreichen nationalen und internationalen Lehrtätigkeit im Rahmen der ärztlichen Weiterbildung schuf er sich durch zahlreiche Buch- und Zeitschriftenpublikationen einen Namen.<

http://www.irl.de/oscshop/suchergebnisse/pid/293254/produkt/Homoeopathie-Grundlagen-und-Praxis.html

NiclaS
01.07.2007, 14:31
Warum wird denn an deutschen Universitäten kein angewandter Vodoo unterrichtet?
Ja, warum eigentlich nicht? ;-) :-dafür

Inelein
01.07.2007, 17:42
Jetzt mal ganz ehrlich:
Was ist denn so schlimm an Homöopathie? Damit sind doch dann auch Bachblüten und so gemeint? Also bei meinen Tieren nützt es 100% was, bei Menschen hab ich da gar keine Erfahrungen. Oder ist das dann bei Tieren auch so eine Art Placeboeffekt? Kann ich mir aber gar nicht vorstellen...

lg ine