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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fremdbelegungen



Tombow
27.01.2007, 11:30
Irgendein großes Krankenhaus, irgendwo in Deutschland, neurologische Klinik, Freitag. Mehr Entlassungen als sonst. Doch kein Grund zur Freude, denn es gehört fast zum Alltagsgeschäft, daß die kleinen OP-Fächer (allen voran Auge, HNO und Uro) uns schneller die im Laufe des Tages freiwerdenden Betten mit Kurzliegern fremdbelegen. So heftig, daß die fachfremden Patienten oft mehr als 1/3 aller Patienten auf Station ausmachen. Also nix da mit Betten freimachen für eventuelle Aufnahmen übers Wochenende. Pflegepersonal mächtig angenervt (fachfremde Patienten, eine Menge fachfremde Medikamente, die gestellt und oft (zB bei Glaukompatienten) nach einem ziemlich starren Schema verabreicht werden müssen. Und die es in ihrer ganzen Vielfalt auf einer Neuro-Station nicht im Medikamentenschrank vorrätig gibt. Allgemeine Versorgung von solchen Patienten oft nicht lückenlos (z.B. es steht nur "Voltaren" auf der Medikamentenliste, aber weder Form noch Dosierung sind mit angegeben). Und die Ärzte, die sich um all das kümmern müßten, erscheinen oft mit Stunden Verspätung bei solchen Nachfragen oder weisen jede Verantwortung von sich. UND - das Krankenhaus verfügt über eine Aufnahmestation, die genau für solche Fälle (eigene Klinik voll, Patient muß aufgenommen werden) geschaffen ist.

Dazu die Frage - wieso wird sowas getan? Wie sieht es in anderen Häusern mit Fremdbelegungen? Eure Erfahrungen damit, sowohl mit eigenen Patienten, die fachfremd untergebracht werden als auch mit Vermeidungstaktiken? Und wieso sind es fast immer die kleinen OP-Fächer und Patienten, die entweder zu einer tageschirurgischen OP kommen oder zu etwas (Beispiel Auge: CPK, Cat-OP), was ambulant gemacht werden könnte? Bessere Möglichkeit, all das zu regeln?

Muriel
27.01.2007, 11:38
Da fühle ich mich ja mal angesprochen :-) Also, nicht jede Cat-OP ist z.B. genauso gut ambulant zu machen. Patienten, die alleine leben und nicht versorgt sind, schickt man nicht am OP-Tag mal eben so nach Hause, schon gar nicht, wenn die OP in ITN war (es ist nun mal nicht jeder Patient für ne Tropfanästhesie geeignet). Dann da Argument, das viele als bescheuert ansehen, aber dennoch im Raume steht: GKV-Patienten mit stationärer P-Zusatzversicherung, das wollen die natürlich ausnutzen. Dann muss man sich nun mal überlegen, dass der OP zu 100% ausgelastet sein muss, sprich, die Planung kann nicht nach Betten erfolgen, sondern muss eben die OP-Auslastung berücksichtigen, das ist vollkommen klar. Bei einem Fach wie Auge, wo die längste OP (Standard, nicht irgendwelche komischen Spezialsachen bei ner Perfo oder so),nun mal 90min dauert, sind natürlich viele OPs an einem Tag durchzuführen. Außerdem gibt es in der Augenheilkunde, als nicht komplett chirurgisches Fach, auch genügend konservative Patienten, die so gut wie alle notfallmäßig kommen, so dass eine Planung dort überhaupt nicht funktioniert. Und wenn man schon seit fast zwei Jahren dabei ist, mehr Betten von der Verwaltung zu fordern, dann ist eine konsequente Überlegung nun mal das beste Argument ;-)

Relaxometrie
27.01.2007, 11:52
Bessere Möglichkeit, all das zu regeln?
Die Lösung: Mehr Personal im Krankenhaus. Sowohl auf pflegerischer, als auch auf ärztlicher Seite.
Nach meiner Beobachtung entstehen fast alle Streitigkeiten in der Stationsarbeit deswegen, weil die eine Fach- oder Berufsgruppe auf die anderen schimpft, und man sich gegenseitig für faul hält. Fakt ist aber, daß fast alle in der direkten Patientenversorgung tätigen Berufsgruppen sich den Allerwertesten abarbeiten. Von daher ist das Problem nicht einfach mit gegenseitigem Anmeckern zu lösen, sondern nur mir intensiver Verbesserung der Gesamtsituation
(sozusagen in Deutschland momentan nicht möglich :-(( ).

Evil
28.01.2007, 11:49
Die Internisten, Gynäkologen und Gefäßchirurgen schimpfen auch grad über unsere "ausgelagerten" chirurgischen Patienten, die auf deren Stationen liegen.
Aber was sollen wir machen? Unsere chirurgischen Stationen sind voll, und momentan kommen irgendwie haufenweise akute Bäuche, Blindwürmer, Schenkelhälse und Radiusfrakturen, dazu einige Kinder mit symptomatischer Schädelprellung.

Klar, man kann natürlich versuchen, die elektiven OPs von vorneherein so einzubestellen, daß sich das ganze entzerrt, aber irgendwie ist der OP-Plan trotzdem ruckzuck voll.

*grummel* Und wen rufen die "fremden" Stationen und mosern rum? Den Ambulanz-Doc... und dann dürfen wir die Belegungen durchgehen und kucken, wo man was umlegen ;-) kann... als ob die Bude unten nicht voll genug wäre...
Was bin ich froh, daß ich momentan eine Fachärztin mit unten in der Ambulanz hab, allein wär ich schon untergegangen. :-nix

San Pellegrino
28.01.2007, 14:58
Also bei einer sehr eindrücklichen Ost-Famulatur gabe es ein ähnliches Problem:
Die Strahlentherapeuten hatten (wegen unmöglichem, schwer pathologischem Chef) kein Personal mehr, mußten aber eigene Betten führen.

Die lagerten sie an andere Stationen (HNO, Innere..) aus und zunächst sollten das die jeweiligen Fachrichtungen (simultante Radiochemo und solche Sachen, also ziemlich viel Aufwand...) machen.

Die anderen Chefs aber verlangen dafür die volle DRG-Vergütung für ihre Abteilung, was dem Strahlentherapeuten stank und er wollte allen Ernstes, daß die Verwaltung aus dem jeweiligen DRG-Erlös die Strahlenleistung herausrechnet und seiner Abteilung zuschlägt.

Die Verwaltung zeigte dem Strahlentherapeuten natürlich den Vogel.

Irgendwie beschaffte der sich dann ein paar Leute aus Rumänen und so...., konnte für ein paar Wochen eigene Betten auf fremden Stationen tagsüber versorgen und dachte, daß es gut sei.

Weit gefehlt.

Die Rumänen durften eigentlich garnicht in D arbeiten und am WE und in der Nacht war die Strahlentherapei für ihre Patienten ohnehin nicht zuständig....

Fazit: der Strahlenchef ( ein Ossi) wurde irgendwann später (habe da noch Kontakt zu Assiarzt an der Inneren) hochkant hinausbefördert, weil er keine Performance erbrachte und nur in die eigene Tasche gewirtschaftet hat.

Nunmehr bekommen die anderen Fächer wieder die DRG-Kosten der Strahlentherapeuten für stationäre Versorgung deren Patienten VOLL vergütet und EIN Facharzt kann sich die Hacken mit den ambulanten Patienten blutig laufen.

Toll gelöst, nicht ?

Flauta
28.01.2007, 16:37
Meine Schwester hat erzählt, dass es in einer Klinik, wo sie neulich war auch solches gab:
Es gab einfach nicht genug Kinderpsychiatriebetten so dass man die Kid tagsüber auf der Kinderpsych. behielt und abends dann im Krankenhaus verteilt hat: die meisten "überschüssigen" mussten in die Erwachsenenpsych. teilweise in Zimmer mit Pat. deren psych. bedingtes Benehmen nicht unbedingt kindegerecht war und die Kinder grosse Angst vor der Nacht hatten. Andere, die da nicht untergebracht werden konnten wurden dann sonst irgendwohin "verkauft". Notfalls eben auch mal auf eine Erwachsenen-Onko......"nur für eine Nacht, wird ja wieder woanders was frei".
Die Verantwortung für die Übernachtung wollte ausdrücklich keiner übernehmen. Weder die Kinderpsych. da sie extern schlafende Kinder ja nich beaufsichtigen kann noch die Gaststationen, da die sich weder mit Kinderpsych. auskennen noch Zeit für diese Kinder haben.
Wenn man grausam ist kann man sagen, die Strategie ist wirtschafltich günstig: nachts werden die bereits psych. beanschlagten Kinder zusätzlich traumatisiert- längere Liegezeiten, bessere Kapazitätsauslastung.
Traurig, aber wahr.
Man hat jetzt auch festgestellt, dass es nicht sein kann, dann bei kinderpsych. Stationen im nahen Ausland mind. ein Drittel der Kinder aus unserem Land sind......man denkt jetzt daran, in ferner Zukunft vielleicht mal die Kinderpsych. auszubauen....
Ob das noch in diesem Jahrhundert passiert???

San Pellegrino
28.01.2007, 17:00
Naja, die Geburtenraten in D scheinen eine derartige "Großzügigkeit" ja zu ermöglichen - wäre ich Elternteil, ich würde das Kind sofort mitnehmen.

Daß kräftigere Jugendliche an geschlossenen Erwachsenenstationen landen, weil kein Kinderpsychiater im Dienst vor Ort ist, kommt defintiv vor. Da muß dann eben der Erwachsenenpsychiater "einspringen".....

Es soll übrigens auch auf Erwachsenenpsychiatrien vorkommen, daß zur Not akut schizophrene, junge Pat. schon mal auf der geschlossenen Geronto landen, weil man die ja sonst verlegen müßte und damit Belegungsverlust hätte.
Oder daß akut psychot. Patienten wegen irgendwelcher somatischer Kinkerlitzchen und völlig überforderter, alleingelassener Jungassis frisch von der Uni in die nächste Somatik transferiert werden, wo sich die Pflege dann schön bedankt.....

Meine selbst gesehene "Spitzenleistung" waren aber ELEKTIV frisch operierte Bauchpatienten, die an einer HNO-Abteilung gelandet sind, weil die Chirurgen das sonst nötige Umlegen der PP (mit Varizen und so) leid waren !

Flauta
28.01.2007, 18:03
Hier ist das grundsätzlich ein Problem dass man immer 10 Jahre zu spät feststellt, wieviele Kinder geboren wurden und sie sei es Schule oder KH nicht unterbringen kann.
In unserer haupstädtischen Kinderklinik war es zu meiner Praktikumszeit durchaus üblich bei Brennpunktzeiten bis zu 3 Kinder in sehr kleinen Einzelzimmern unterzubringen, manchmal samt Elternteil (Luftmatratze, Sofa...). Man musste fast über ein Bett klettern um an das 2. oder 3. ran zu kommen.
Man überlege mal, was da ein Notfall bedeuten könnte.....
Und ein Kind (das war vor einigen Jahren) das Tuberkulose hatte, man hat aber fast 2 Wochen zur richtigen Diagnose gebraucht lag dann mit einem anderen Kind die ganze Zeit über im Zimmer.....Isolierung geht nicht, wenn man in der Politik vergessen hat, dass wenn die Population innerhalb von 20 Jahren um das doppelte steigt man auch mehr Betten in de rPädiatrie braucht.....

alex1
28.01.2007, 23:27
Ich nehme keine fachfremden Patienten auf meine Station auf. Letztendlich bin ich in einem 1000 Betten Klinikum. Es wird sich schon jemand anders naiver finden der darauf eingeht. Ich aber ganz sicher nicht.
Patientenauslagern tue ich genauso selten.

Rico
29.01.2007, 05:44
Dazu die Frage - wieso wird sowas getan? Wie sieht es in anderen Häusern mit Fremdbelegungen? An der Uniklinik gibt's zwar fast keine Fremdbelegung, aber vom PJ her kenn ich das noch und fand es eigentlich nicht schlecht, weil es den Blick über den Tellerrand hinaus fördert. Ich find fast nichts schlimmer als Personal auf einer Station, das seit 30 Jahren nur Patienten der entsprechenden Fachrichtung gesehen hat und dort zugegebenermaßen auch fit ist, über alles andere aber ratzputz nichts mehr weiß.
In diesem Zusammenhang nenn ich als Beispiele immer gerne das chirirgische Konsil von Internisten zum "Fäden ex" oder den verwirrten Blick, den man erntet, wenn man auf chirurgischen Stationen ein (Notfall-)EKG schreiben will ("Ein Eh-Ka-Geeeeehhh????") :-nix
Von daher finde ich es ganz gut, wenn da mal hin und wieder frischer Wind reinkommt. Das ist natürlich auch mehr Arbeit als normal, von daher nicht populär, aber im Sinne des lebenslangen Lernens eigentlich nicht schlecht.

Und mal ganz ehrlich: Ist doch toll, wenn die Station über's Wochenende voll ist, dann muß man sich am Montag schon nicht in 5 neue Patienten einarbeiten, die der DA eingekauft und nur schlampig aufgearbeitet hat.

Doktor_No
29.01.2007, 16:40
im zeitalter der DRGs ist es inzwischen egal, wie viele betten eine abteilung hat, fallzahl und auslastung zählen. ergo verschwindet die trennung chirurgische/innere( was auch immer für eine station zusehends. und wenn irgendwo ein bett leer steht und die umstände passen (also eben kein stinkendes bein neben den frisch operierten augenpatienten usw.) dann habe ich kein problem damit, ein solches bett zu belegen bzw belegen zu lassen.

wenn aber die ausgelagerten dann "vergessen" werden und die pflege nicht genau gesagt bekommt, was zu beachten ist, sieht die sache relativ schnell unentspannt aus.

ich als assi meiner abteilung habe mit den aussenliegern bei mir nur sehr peripher zu tun (wir lagern auch mehr aus als ein ;-)), für die pflege sieht das gaaaaaaaaaaaaanz anders aus...

annekii
29.01.2007, 18:14
Hallo!

Wir haben auch manchmal fachfremde Patienten auf der Kinderstation, das ist immer etwas albern, aber manchmal geht es nicht anders. Die Schwestern kommen soweit gut damit zurecht, zumal die Stationen sie oft auch zurückholen, sobald es geht. Die Medikamente müssen aber von den Stationen meist gleich mitgegeben werden, weil wir das nun auch alles nicht haben. Die Ärzte betreuen auch völlig zuverlässig ihre Patienten bei uns, sodass wir uns da nicht kümmern müssen.

LG
Annekii

Werwolf
29.01.2007, 18:15
Bei uns kommt das auch relativ häufig vor. Über´s Wochenende waren alle 65 unfallchirurgischen Betten voll, und es ist mir auch am Samstag in der Visite nicht gelungen, jemanden rauszukicken (doch, einen...). Aber über´s Wochenende haben wir 9 unfallchirurgische Patienten aufgenommen. Also mußte ich heute morgen über 2 bauchchirurgische, 2 gefäßchirurgische und eine Gyn-Station dackeln, die ganzen Leute visitieren und das dortige Pflegepersonal beruhigen. Ebenso die ärztlichen Kollegen, die "ihre" Betten natürlich wiederhaben wollen. Und es ist gelungen, alle "heimzuholen" durch Entlassungen auf den Uch-Stationen und Wiedereröffnung der Kurzliegerstation, die am WE dicht ist.
Grundsätzlich ist das bei uns ganz gut geregelt: Meine Station (bzw. wir als Stationsärzte) sind zuständig für die "Außenlieger" und dackeln los, um die zu besuchen. Und "heimzuholen", wenn möglich.
Wenn auf meiner eigenen Station "Fremdlieger" sind, nervt mich das ein bißchen. A) kommt die Pflege dauernd an und will irgendwas wissen, man kennt den Patienten aber gar nicht
B) muß ich meine Aufnahmen auch unterkriegen. Und wenn ich die Uch Außenlieger produziert, weil auf meiner Station internistische Patienten rumliegen, krieg ich einen Hals! Dann bedrohe ich die zuständigen Internisten solange, bis die ihre Kundschaft woanders untergebracht haben... ;-)
Insgesamt glaube ich, daß in meiner Abteilung etwaige Außenlieger nicht schlechter wegkommen als die "Richtiglieger", weil bei uns ganz klar geregelt ist, wer zuständig ist und weil diese Zuständigkeit auch wahrgenommen wird.
Wenn bei uns "Fremde" liegen, kommt es aber schon vor, daß sich da längere Zeit mal kein Arzt blicken läßt.
:-nix

Muriel
29.01.2007, 21:51
i...also eben kein stinkendes bein neben den frisch operierten augenpatienten usw...
hihi, genau das war heute Morgen das Problem bei uns. Gestern als ich Dienst hatte, rief mich ein Internist an und bat mich um ein Bett, das ich ihm auch gewährt hatte mit der Auflage, dieses heute Morgen wieder zu räumen (15 geplante Aufnahmen bei uns). Das haben dann alle anderen als Einladung verstanden und haben ohne Rücksprache (!) einfach mal belegt. Heute Morgen ist Chef dann etwas ausgerastet, weil auf einmal irgendwelche infektiösen Gefäßchirurgischen Patienten dort lagen, wo 3h später frisch operierte liegen sollten, und hat bei den anderen CAs angerufen und verlangt, die Augenklinik wieder arbeitsbereit zu machen. 15 min später haben 5 Assis verschiedenster Fachabteilungen bei uns auf der Matte gestanden, um ihre Patienten zu holen. Das muss ein Schauspiel für die Götter gewesen sein :-))