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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Management-Kultur(losigkeit) in deutschen Krankenhäusern



Tombow
27.01.2007, 15:28
Sicher gibt es fähige Manager auf der Welt. Welche, die große Firmen vor einer drohenden Pleite mit beispiellosen Maßnahmen gerettet haben, zum Beispiel Gordon Bethune (Continental Airlines, 1994-1995), Glenn Tilton (UAL, 2002-2004) oder Jan Carlzon (Vingresor, Linjeflyg, SAS). Und einige davon haben Bücher geschrieben, wo sie auch ihr Erfolgsrezept dargelegt haben, wie Bethune's "From Worst to First" oder "Moments of Truth" von Jan Carlzon.

Meine Frage - zweifelsohne brauchen deutsche Krankenhäuser momentan auch fähige Manager an der Spitze, aber wieso wird dort so ziemlich alles falschgemacht? Anstatt daß in Kommunikation mit dem echten Kapital des Unternehmens (also die Basis, die dafür sorgt, daß das Geschäft Geld einbringt) umsetzungsfähige Lösungen herausgearbeitet werden, wird von oben herab kommandiert und nicht diskutiert. Sowohl Ein- als auch Übersicht scheinen in der Führungsetage nicht vorhanden zu sein, stattdessen wird meistens auf feudale Art nach unten befohlen, die Führungsetage um weitere Managerposten aufgeblasen und alle anderen geschröpft bis zum gehtnichtmehr. Versucht man als Chefarzt sich einem (an den Haaren vorbeigezogenen und absolut unpraktikablen) Vorschlag der Verwaltung zu widersetzen oder auch nur eine praktikable Alternativlösung zu finden, kriegt man es als Entscheidung vorgesetzt, die umgesetzt sein muß. Oder es wird einfach an irgendwelchen Parametern herumgedoktert, die auf Papier das Unternehmen gut aussehen lassen, aber darunter mit teilweise schwer auszuhaltenden oder gar verheerenden Folgen verbunden sind.

Das schlimme daran ist, daß in deutschen Krankenhäusern nicht nur Quereinsteiger aus anderen Branchen sich diesen Führungsstil aneignen, sondern auch ehemalige Ärzte, die in die Management-Ebene gewechselt und dort aufgestiegen sind. Liegt es an der generell fehlenden Management-Kultur in Deutschland oder gedeiht dieses Gehabe im Gesundheitswesen einfach besonders gut? Und sollte letzteres der Fall sein, woran liegt das? Gibt es auch gute Gegenbeispiele dazu?

Momentan kommt es mir eher so vor, daß die "Manager" im Gesundheitswesen sich ihre Berufsbezeichnung schlichtweg nicht verdient haben. Weil sie sich meistens wie machtbetrunkene Kombinatsdirektoren aufführen.

PhineasGage
27.01.2007, 15:46
Sehr wahre Worte Tombow!

Was m.E. auch ziemlich schwierig ist, ist dieses System aus Chefärzten, Pflegedienstleistungen, der Verwaltung an sich und evtl. dem Träger (kirchlich, Kreis, Privat), die alle unterschiedliche Interessen haben und meist nur wenig gewillt sind Kompromisse zu finden.

Und der stärkste Kopf dieser Hydra - zumeist die Verwaltung - kann dann schlussendlich beschliessen was sie will, während die anderen sich gerne mal zuerst gegenseitig die augen aushacken....

Ein Krankenhaus ist eben keine Autofabrik , ich denke, das ist falsch gedacht- weswegen die tollsten McKinseyBerater nur mäßigen Nutzen bringen.
Vielleicht sollte man einfach mal die Mitarbeiter fragen wo sie Einsparpotential sehen ohne dass Arbeitsklima oder Patientenversorgung drunter leiden....

Tombow
27.01.2007, 19:15
dieses System aus Chefärzten, Pflegedienstleistungen, der Verwaltung an sich und evtl. dem Träger (kirchlich, Kreis, Privat), die alle unterschiedliche Interessen haben und meist nur wenig gewillt sind Kompromisse zu finden.
Aber genau das ist die Aufgabe eines guten Managements - die unterschiedlichen Zweigen eines Unternehmens an einem Tisch zu bekommen und dafür zu sorgen, daß alle am gleichen Strang ziehen. Und hier versagt in meinen Augen das Krankenhaus-Management kläglich.


Und der stärkste Kopf dieser Hydra - zumeist die Verwaltung - kann dann schlussendlich beschliessen was sie will, während die anderen sich gerne mal zuerst gegenseitig die augen aushacken....
Sehe ich nicht so. Viel eher habe ich den Eidnruck, daß der Druck von oben kommt, sprich, daß alle sich die Augen aushacken, weil sie irgendwelche irrwitzigen Vorgaben von oben erfüllen müssen. Die weder diskutiert worden sind noch (in der Mehrzahl der Fälle) praktikabel.

Interessanterweise hat sogar Jan Carlzon in seinem Buch genau dieses "Management"-Stil kritisiert, ausgelacht und sehr gut anhand eigener Erfahrungen dargelegt, wieso es absolut kontraproduktiv ist.


Ein Krankenhaus ist eben keine Autofabrik , ich denke, das ist falsch gedacht- weswegen die tollsten McKinseyBerater nur mäßigen Nutzen bringen.
Jain. Gute Konsultanten zeichnen sich dadurch aus, daß sie in jedem Fall auch die branchen- oder fachspezifische Problematik berücksichtigen. Aber die sind leider selten (und teuer). Und selbst der beste Gutachten muß auch kritisch hinterfragt werden. Übrigens, wesentlich zu dem Untergang der Swissair hat eine bei McKinsey angefertigte (und teuer bezahlte) Studie beigetragen, die dann mit aller Kraft in die Realität umgesetzt wurde.


Vielleicht sollte man einfach mal die Mitarbeiter fragen wo sie Einsparpotential sehen ohne dass Arbeitsklima oder Patientenversorgung drunter leiden....
Das wäre das Gegenbeispiel für gutes Management-Stil. Wie es Gordon Bethune bei Continental gemacht hat. In "From Worst to First" findet sich das ganze Kochbuch dazu, und zwar so geschrieben, daß es selbst der machtbetrunkenste Kombinatsdirektor es verstehen kann.

Oder lesen die keine Bücher? Würde mich nicht wundern.

San Pellegrino
28.01.2007, 15:10
Hochinteressant !


Aber genau das ist die Aufgabe eines guten Managements - die unterschiedlichen Zweigen eines Unternehmens an einem Tisch zu bekommen und dafür zu sorgen, daß alle am gleichen Strang ziehen. Und hier versagt in meinen Augen das Krankenhaus-Management kläglich.
Versagen bedeutet aber: Objektive Meßbarkeit.

Und wie soll man denn jenseits des Gewinns/Verlustes in Kliniken die Performance (also auch Versagen) messen ?

Selbst WENN es meßbar ist (siehe Siemens) - passiert etwas ?

Der Managementstil in deutschen Kliniken ist - schlicht gesagt - seit dem 19.Jhdt. gleich geblieben - außer Lügen und Betrügen keine Kreativität.

Das Outcome sieht man täglich nicht nur an den Krankenkassenneiträgen - das sind einfach Riesenarbeitsbeschaffungsmaßnahmen um jeden Preis.

Mehr nicht.

So wird auch gewirtschaftet - beschäftigungsorientiert.