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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Sinnkrise, verdammt tief...



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WinterMensch
13.02.2007, 22:11
Hey Leute,

bin im 3. Semester Humanmedizin, fast fertig, bis jetzt alle Scheine ohne Probleme in der Tasche, Pflegepraktikum gemacht und nur noch 1 Semester bis zum Physikum.

Leider habe ich schon seit längerem sehr große Zweifel, ob ich wirklich als Arzt praktisch arbeiten möchte. Nachdem ich überall während des Pflegepraktikums nur total gestresste Assistenzärzte gesehen habe, die sich für das Gehalt eines Bandarbeiters abgearbeitet haben, ist meine Motivation für das Studium leider nicht mehr sehr groß.

Bevor jetzt die "nur wer sich für Menschen opfern und ihnen bedingungslos helfen will soll das Studium anfangen"-Geschichte losgeht: Von den Assistenzärzten, mit denen ich sprach, hat keiner mehr von Aufopferung für die armen Patienten gesprochen! Einige meinten zwar, die Einstellung hätten manche mal gehabt, aber die wären mittlerweile ausgestiegen bzw. hätten ihre Einstellung geändert. Denen ging es eher darum, sich bei all dem Stress nicht selbst aufzureiben...

Ich bin auch nicht der normale "Die Vorklinik ist so furchtbar"-Mediziner: Die Naturwissenschaften (Physik & Chemie) haben mir wirklich Spaß gemacht, auch Physio, also alles, wo man ein bisschen denken durfte. Das kalte Kotzen kriege ich bei Anatomie, Histo und Biologie, also den guten alten Auswendiglernfächern. Dann hab ich neulich den Fehler gemacht, mal in ein Chirurgie- und Innerebuch "reinzuschnuppern" - das ist ja fast noch mehr Faktenpaukerei als Histo! Oder vertue ich mich da?

Zunächst dachte ich, OK, mach halt was im Labor. Aber nachdem ich mit einer Medizinerin gesprochen habe, die seit 2 1/2 Jahren nur an der "Bench" (also im Labor) an Reagenzgläsern rumexperimentiert, habe ich gedacht: "Ne, das kann es auch nicht sein."

Also, der "Streß" im Studium ist wirklich kein Problem, habe wirklich alles gut geschafft und genug Freizeit bis jetzt. Was mir Sorgen macht, ist, dass ich absolut kein gutes Gefühl habe beim Gedanken an so Dinge wie PJ und praktisches Arbeiten im KH... Es ist wirklich nicht so, dass ich mir "zu Schade wäre", nein, aber ich glaube nicht, dass ich dort meine Fähigkeiten gut einbringen kann. Spaß machen mir wirklich eher arbeiten theoretischer Natur. Meine Fähigkeiten liegen eher im "schnellen Denken", im Umgang mit Menschen, im freien Reden, im Improvisieren. Ich könnte Brechen wenn meine Kommilitonen auswendiggelerntes Zeug rauskotzen und dann, um es mit House of God zu beschreiben, aussehen "wie nach einem sehr befriedigenden Stuhlgang". Das ist einfach total hohl. Bücher auswendiglernen kann jeder! Und wenn das meine späteren Kollegen werden... OK, das trifft natürlich nicht auf alle Mediziner zu!! Es gibt hier auch wirklich ein paar unglaublich charakterstarke, intelligente und schillernde Persönlichkeiten, die sicherlich unglaublich hervorragende Ärzte werden - aber leider wird diese Sorte Mensch tendenziell in der Vorklinik eher aussortiert. Aber das ist ein anderes Thema.

Desweiteren merke ich auch, dass mir praktisches Arbeiten nicht so viel Freude bereitet. Ich hab einfach keine Lust, in irgendeiner Unfallchirurgiestation morgens um 6.30h 124x Blut abzunehmen, Röntgenbefunde rumzuschleppen und mich von Krankenschwestern annölen zu lassen. Das ist wirklich nicht arrogant gemeint, aber ich fühle mich bei dem Gedanken einfach nicht wohl. Ich habe in den drei Pflegepraktika wirklich viel gegeben, aber da war mein rettender Gedanke immer "nach 30 Tagen ist alles vorbei". Klar gab es da schöne Momente. Mir wurde auch von mehreren Stellen gesagt, wie toll ich mit den Patienten umgegangen bin und das ich mit dem nötigen Know-How sicher ein guter Arzt wäre.

Andererseits bekomme ich auch Zweifel, wenn meine Kommis im Präpkurs an einem stuhlverschmierten Dünndarm stehen, sich gegenseitig die Birne einhauen, um daran rumfriemeln zu dürfen, und fast anfangen zu sabbern, weil sie es so "übelst geil" und "total faszinierend" finden. Sorry, aber ich find das eigentlich gar nicht so toll und fühle mich da irgendwie fehl am Platz.

Außerdem faszinieren mich Sachen wie Darm-OPs, Einläufe, Verbände und solche Dinge eher gar nicht. Wenn ich mir vorstelle, sowas den Rest meines Lebens zu machen, werde ich unglücklich.

Je mehr Dinge ich von der praktischen Seite der Medizin sehe, desto mehr Fachgebiete gibt es, die ich NICHT machen möchte: Von Innere und Chirurgie über Gynäkologie, Proktologie und Gastroenterologie zu Dermatologie und Nephrologie.

Um es auf den Punkt zu bringen: Ich glaube, tief in mir drin mag ich keine Krankenhäuser. Ist mir jetzt in den letzten Monaten immer klarer geworden. Ständig, wenn irgendeine Vorlesung mal in ner Klinik ist, wo arme alte Menschen hilflos auf Betten festgeschnallt sind, fühle ich mich schlecht und denke: "Du gehörst hier einfach nicht hin!"

Versteht mich nicht falsch: Das Studium ist irgendwo echt interessant, sonst wär ich nicht mehr dabei, aber diese Auswendiglernerei geht mir auf den Senkel. Und die Aussicht auf 80h-Wochen in einer Klinik...

Meine einzigen Auswege, die ich in der Medizin sehe, sind eigentlich entweder Wirtschaft (Pharmaindustrie), Sachen wie World Health Organization oder sowas wie Forschung mit Medizin und Informatik. Allerdings weiß ich nicht, ob ich mich dafür durch die nächsten 9 Semester kämpfen möchte... Inkl. 1 Jahr PJ.

Meine Frage ist zum Einen, wie Ihr diese Dinge für Euch so seht.

Zum Anderen, ob Ihr irgendwelche Ratschläge habt.

Glaubt Ihr, es bringt mir was, das Physikum zu machen, um "was in der Tasche zu haben"? Oder soll ich alles so schmeißen?

Bitte um Antworten, und darum, dies nicht falsch zu verstehen. Ich weiß, dass unter Euch viele großartige (zukünftige) Ärztinnen und Ärzte sind, die jeden Tag bewundernswerte Arbeit leisten (werden) und denen mein größter Respekt gilt!!

Vielen Dank,
Euer Wintermensch

die chondropathia
13.02.2007, 22:24
Wirklich spannend, was du da schreibst, weil ich mich selbst in vielen Passagen wiederentdecke...

Es ist eine gute Frage, ob es das Ziel sein kann, -vulgo- fern der Sonne in Exkrementen fremder Menschen zu wühlen, um damit zu tieferer Erkenntnis zu gelangen.

Insgesamt ist es jedoch wie mit dem "Blut sehen können": Zuerst kann man kein Blut sehen, dann gewöhnt man sich daran - hat aber berechtigte Angst vor Infektionskrankheiten und schließlich kümmern einen auch diese Dinge immer weniger, weil es einfach zu mühsam ist, sich täglich mit solchen Fragen auseinander zu setzen.

Im Ergebnis passiert etwas ganz faszinierendes: Man hat ein realistischeres Verhältnis zu der Natur des Menschen und beginnt seine außergewöhnliche Stellung zu begreifen - man versteht seinen Auftrag: als Arzt.

WinterMensch
13.02.2007, 22:49
Im Ergebnis passiert etwas ganz faszinierendes: Man hat ein realistischeres Verhältnis zu der Natur des Menschen und beginnt seine außergewöhnliche Stellung zu begreifen - man versteht seinen Auftrag: als Arzt.

Danke für Deine Antwort. Aber da ist genau mein Problem: Ich finde einfach nicht in diese Rolle. Und ich glaube nicht, dass sie meinen Fähigkeiten entspricht... Was sagen die anderen zu meinem Beitrag?

die chondropathia
13.02.2007, 22:54
Danke für Deine Antwort. Aber da ist genau mein Problem: Ich finde einfach nicht in diese Rolle. Und ich glaube nicht, dass sie meinen Fähigkeiten entspricht... Was sagen die anderen zu meinem Beitrag?

Nichts, darum nochmal ich: Du bist kein Arzt und es dauert auch so einige Zeit, bis man als Arzt nicht mehr schmunzeln muß, wenn einen Menschen, die die eigenen Eltern sein könnten, über den Stationskorridor mit "Herr Doktor, hätten Sie kurz Zeit für mich..." hofieren - das kannst du mir glauben!

WinterMensch
13.02.2007, 23:24
Ja, aber dafür zu studieren ist auch nicht richtig, oder?

Bille11
13.02.2007, 23:42
wieso nicht? du hast dir dafür das ganze wissen mehr oder weniger angeeignet und bemühst dich, bzw. kannst in deinem fachgebiet (nach einiger zeit) ziemlich sicher arbeiten... dann dürfen sie dich auch "hofieren"... (wobei ich sowas noch arg "seltsam" finde... kann halt noch nicht so viel.)...

Sidewinder
13.02.2007, 23:53
Hallo Wintermensch!
Tja, scheint eine ziemlich verfahrene Situation zu sein, in der du dich da grade befindest, und ich denke nicht, daß dir jemand hier so wirklich raushelfen kann - letztenendes wirst du die Entscheidung, wie weiter zu verfahren ist, selbst treffen müssen.
Ich denke jedoch, daß ich nicht nur für mich selbst spreche, wenn ich dir sage, daß so eine Sinnkrise keine seltenheit ist und sich wahrscheinlich jeder während des Studiums irgendwann mal mit solchen oder so ähnlichen Fragen auseinandersetzt, wie du es im Moment tust.
Einerseits kann ich dich und deine Zweifel sehr gut verstehen, es ist nicht jedermanns Sache, 40 oder noch mehr Jahre seines Lebens im Krankenhaus zwischen all den Patienten zu verbringen, es ist auch nicht jedermanns Sache, ewige Zeit in einem Labor zu versauern oder sich anderen medizinverwandten Fachgebieten zu widmen.
Andererseits ist die Medizin aber auch ein wirklich weites Feld und du hast noch nichtmal einen Bruchteil davon gesehen - vielleicht wäre die Entscheidung, abzubrechen damit doch etwas verfrüht!?
Ich persönlich habe mit den Perspektiven, welche mir das Medizinstudium bietet, keine Probleme, ich fühle mich hier wohl, auch in Erwartung der Aufgaben, mit denen ich mich später auseinandersetzen muß. Wenn es allerdings für dich so undenkbar erscheint, all diese Sachen zu machen, dann wäre natürlich schon zu erwägen, die Sache hinzuwerfen, wenn man das ganze mal von einem streng rationalen Standpunkt aus betrachtet. Die Frage, ob du das Physikum machst oder nicht, die stellt sich eigentlich gar nicht so wirklich, denn ob du es nun hast oder nicht, wenn du Medizin sowieso nicht weiter machst, dann wird das nicht unbedingt ausschlaggebend sein.
Wenn man aber bedenkt, daß du eigentlich noch nicht viel von der Medizin gesehen und mitbekommen hast, dann könnte man auch argumentieren, daß du dir die Sache mal noch ein paar Semester anschaust, in der Klinik dann mal eine Famulatur machst, vielleicht ändert sich deine Einstellung dann ja doch noch.
Das ist allerdings eine persönliche Entscheidung, die bei dir liegt, wieviel Zeit bist du noch zu investieren bereit, wie viele Semester würdest du "umsonst" studieren wollen, für den Fall, daß du doch abbrichst.
Das ist sicherlich keine leichte Entscheidung.
Mir machen Einläufe und aufgeschnittene Därme auch keinen Spaß, aber die Medizin ist meiner Meinung nach schon weit mehr als das, auch die Arbeit auf Station kann durchaus ansprechend sein und Spaß machen, pauschale Aussagen dazu sind allerdings unmöglich.
Und was das Lernen angeht: ja, es ist viel auswendig zu lernen, aber es gibt durchaus auch Bereiche, wo es erlaubt und sogar erwünscht ist, den Kopf anzustrengen, und derjenige, der das kann, der ist dann klar im Vorteil.
Im Grunde kommt es jetzt darauf an, wie sehr du an der Medizin hängst und wieviel du bereit bist zu investieren, um zu einer definitiven Entscheidung zu kommen - allerdings liegt das ganz bei dir. Ich würde das Physikum noch machen und mal in die Klinik reinschnuppern, wenn du aber sagst, es geht dir so gegen den Strich, dann ist die einzige Option, es bleiben zu lassen, und dann meiner Meinung nach eher früher, denn später.

Sebastian

Stromer
14.02.2007, 08:30
So, wie man zur Erkenntnis gelangen kann, dass das Medizinstudium doch etwas für einen ist (+Arztsein) --> MeinerEiner
So kann man auch entdecken, dass es nicht ok ist. Die meisten hier stellen sich dann immer ganz und gar in Frage - aber weshalb?
Du bist eben sehr idealistisch und auch mit großen Erwartungen herangegangen, die nicht ausreichend erfüllt wurden.

Ich hatte übrigens nach Fehlschlägen in der Berufswahl und völliger Orientierungslosigkeit eine Pause eingelegt- ohne Entscheidungszwänge. Rumreisen, Jobben, was vom Normalleben erleben- und habe so mein Ding gefunden. Wieso nimmst du dir nicht Zeit für dich und versuchst es so? Wenn man ganz viele unterschiedliche Menschen in jurzer Zeit kennenlernt ist das wie ein großer Bildungsbaustein "Leben" im Telekolleg. DerBlick auf die Dinge verändert sich völlig.

Überleg es dir- ist besser als sinnlos weiterzuirren und sich zu verrennen.
Urlaubssemester sind machbar- dann hast du nichts verloren, aber nicht zu Hause faulenzen und versauern- das bringt nichts.

alive
14.02.2007, 09:01
Hallo Wintermensch.
Mir ging es Ende des ersten Sem. (Anatomie) und durch das Zweite (hauptsächl. Biochemie & Histo) hindurch sehr ähnlich wie dir.

Ich habe mich dann mit einigen Kommilitonen zusammen getan denen es ähnlich ging, die also auf die Frage von Freunden und Bekannten: "Medizin?! Is bestimmt super interessant! Macht's dir denn Spaß?" entweder gelogen haben oder frei raus mit "Nein!" geantwortet haben. Wir haben dann einen "Abbrecher-Stammtisch" gegründet.
Willkommen sind hier alle mit "Sinnkriese," die die wirkliche Welt in der Klinik realistisch einschätzen oder die blöde Auswendiglernerei in der VK hassen (was dann beides oft in der genannten Sinnkriese mündet). Das sind dann überraschend oft Leute die vorher schon mal etwas anderes studiert haben, oder auf den Studienplatz warten mussten und so lange etwas anderes getrieben haben.

Mein Punkt ist folgender: Sich nur mit Kommilitonen zu umgeben für die alles "total faszinierend" ist und "super viel Spaß" bringt, während es einem selbst nunmal überhaupt nicht so geht, frustriert nur und hilft einem nicht wirklich bei der beantwortung dieser Fragen. Wenn dann noch welche dabei sind die dauernd erzählen was sie alles schön wissen und können steigts bei mir total aus. Versuch also mal dich mit ein paar anderen Sinngeplagten zusammen zu raufen. Muss ja nicht wie ne Selbsthilfegruppe aussehen :-)

die chondropathia
14.02.2007, 09:40
Sinnkrise, bitte. *klugscheiß* :-))

Flauta
14.02.2007, 09:57
Kennst Du niemanden, wo du einmal als eine Art vorgezogene-Famulatur-Praktikums-Dingsbum dir die Sache in einer Praxis/oder einer Station, deren Fachrichtung Du dir noch am besten vorstellen kannst mal ankuckst? Das KPP ist ja keine Referenz, und wenn dir das noch im Hinterkopf herumspuckt...
Weisst Du denn, wohin Du dich neuorientieren würdest?
Nutz die Gelegenheit und setz dich an der Uni doch mal in andere Veranstaltungen anderer Fakultäten rein um zu sehen, ob du dir andere Fächer (GErmanistik, Maschinenbau...weiss nicht, was dir Spass machen könnte) nicht anders vorgestellt hast als sie sind und dann doch ernüchtert wirst. (such dir am besten Seminare raus, keine VL's, die sind nicht sooo aussagend....)
Falls der der Fall sein sollte, und du hättest dich umgeschrieben, wäre der Beutz des Physikums schon nicht schlecht, wenn du wieder zurück willst.

Hast Du dir denn ALternativen erdacht?

Bradypus thorquatus
14.02.2007, 10:37
Um es auf den Punkt zu bringen: Ich glaube, tief in mir drin mag ich keine Krankenhäuser.

Nachdem ich überall während des Pflegepraktikums nur total gestresste Assistenzärzte gesehen habe, die sich für das Gehalt eines Bandarbeiters abgearbeitet haben, ist meine Motivation für das Studium leider nicht mehr sehr groß.

Die Naturwissenschaften (Physik & Chemie) haben mir wirklich Spaß gemacht.

Desweiteren merke ich auch, dass mir praktisches Arbeiten nicht so viel Freude bereitet.

Meine Fähigkeiten liegen eher im "schnellen Denken", im Umgang mit Menschen, im freien Reden, im Improvisieren.

Hey Kumpel,

das sind doch die idealen Eigenschaften, um Lehrer zu werden. Wie wärs mit Lehrer für Physik und Chemie?
Dann hast Du keine Krankenzimmer mit inkontinenten, sabbernden Alten, sondern Klassenzimmer mit 35 fröhlichen, pubertierenen Jugendlichen, und
keine stressigen 80-Stunden-Wochen für ein Bandarbeitergeahlt, sondern nur lockere 20h/Wochen für ein Gehalt, das doppelt so hoch ist wie das der Ärzte ist.

catgut
14.02.2007, 11:05
Hey Kumpel,

das sind doch die idealen Eigenschaften, um Lehrer zu werden. Wie wärs mit Lehrer für Physik und Chemie?
Dann hast Du keine Krankenzimmer mit inkontinenten, sabbernden Alten, sondern Klassenzimmer mit 35 fröhlichen, pubertierenen Jugendlichen, und
keine stressigen 80-Stunden-Wochen für ein Bandarbeitergeahlt, sondern nur lockere 20h/Wochen für ein Gehalt, das doppelt so hoch ist wie das der Ärzte ist.

... und Du weißt nicht, wo Du als Referendar hinkommst, ob Du überhaupt eine Stelle bekommst, verbeamtet wirst Du eh nicht mehr, eine Familie gründen geht auch erst mit einer festen Stelle und wenn Du alles hast, wird Dein Enthusiasmus frühestens vom Rektor und spätestens vom KuMi im Keim erstickt und die Eltern Deiner Schüler verklagen Dich seitenweise, weil Du ihrem Satansbraten einen Verweis wegen Brandstiftung geben wolltest...
und wenn Du dann mit 50 noch nicht ausgebrannt bist, bekommst Du eine Belobigung und eine Klasse mehr.
:-top

Duncan84
14.02.2007, 11:26
Den perfekten Beruf gibt es nicht. Der Trick an der Sache ist wohl, etwas zu finden, dass einen so fasziniert, dass man über die negativen Seiten hinwegsehen kann. Dass das nicht so einfach ist, zeigen die Herrscharen frustrierter Berufstätiger. Wieviel Leute kennt ihr, die bereits lange in ihrem Beruf arbeiten und immer noch zufrieden sind?
Was ich damit sagen will: die Sache ist nicht einfach und so gesehen ist es eher normal hier und da mal ne Sinnkrise zu bekommen.

Für mich hörts sich so an als hättest du dich bereits entschieden. Wenn es dir nichtmal Auftrieb gibt, dich in der Rolle des rettenden Arztes zu sehen (so überidealistisch das auch sein mag), dann denke ich auch eher, dass es nicht dein Ding ist.
Man sollte aber wirklich auch nicht vergessen, dass es viele Bereiche gibt, die fern der typischen Arzt-Patienten-Beziehung liegen. Radiologie (ok, wer Anatomie nicht mag, eher nicht so ideal), Klinische Chemie, evtl. auch Psychatrie. Eins dürfte dennoch klar sein: jeder Fachbereich enthält nen hohes Maß an Fakten, die gekonnt sein wollen. Das ist nunmal typisch für die Medizin und wird sich auch nicht umgehen lassen. Wenn du das wirklich so sehr verabscheust, wirst du nen Problem haben.
Fraglich ist halt, warum es dir so sehr abgeht. Ist es das Bild davon als nicht Intellektueller, der eher nem Affen gleicht? Dazu muss ich sagen: ich verstehe nicht, warum das Fakten pauken nen so schlechten Ruf hat. Es ist nämlich durchaus ne Leistung sich Wege zu erarbeiten, viele Fakten zu behalten und sie so zu verknüpfen, dass man sie auch auf Probleme anwenden kann und genau das musst du später in der Medizin tun. Man merkt immer wieder, wenn das Leute nicht gut können. Die haben zwar das nötige Faktenwissen, wie man durch gezieltes Nachfragen merkt, können es aber nicht auf das konkrete Problem anwenden.

Kann mich aber nur nem Vorredner anschließen: du wirst deinen Weg finden müssen, da kann dir im Endeffekt niemand wirklich helfen.

Roxane
14.02.2007, 11:44
Kannst ja drüberlesen, weil's ne Ersti-Meinung ist, aber ich denke mir dazu folgendes:

Faktenlernen ist nicht schlecht und in der Medizin kommt man nicht drumherum, denn wie der eine oder andere Knochen anatomisch heißt, muss man halt wissen - lässt sich leider schlecht herleiten.

Eine wirklich intellektuelle Leistung ist allerdings der Transfer, das Verknüpfen, der Bezug zur aktuellen Forschung. Kommt alles zu kurz - deswegen kann man schon mit einigem Recht sagen, dass Mediziner weniger Natur-oder Lebenswissenschaftler, sondern vor allem Telefonbuch-Auswendiglerner. Die intellektuelle Leistung, die ein Physiker erbringt, erbringt der Mediziner nicht, auch wenn hier gleich einige beleidigt aufschreiben.

Was mir auch auffällt ist, dass es unter Medizinern nur wenig Intellektuelle gibt. Warum das so ist, ob das nur bei uns so ist und damit nur Zufall ist, vermag ich nicht zu beantworten. Es fällt halt auf. In der Schule sind mir einige Leute begegnet, die echte 'Könner' waren - hier begegnen mir selten solche Genies, sondern vor allem Lerner. Das ist nichts Verwerfliches, aber wenn man entsprechend gemünzt ist, kann man das durchaus als störend empfinden.

Michael72
14.02.2007, 12:42
Hallo Wintermensch,

ich glaube, so verfahren, wie Dir die Situation vorkommt, ist sie eigentlich garnicht. Zum einen ist es ja nicht so, dass Du mit abgeschlossenem Medizinstudium zwangsläufig in einem deutschen Krankenhaus arbeiten musst. Von der eigenen Praxis auf den Fijis über den Pharmaberater und die Klinikleitung bis hin zur Verlagsarbeit oder ähnlichem bietet Dir das Studium ja eine enorm breite Basis der freien Entfaltung, die meiner Meinung nach kein anderer Studiengang so explizit bietet.

Ich glaube auch garnicht, dass Dir das ganze Studium keinen Spass macht, vielmehr hast Du vielleicht einfach einen Durchhänger, vielleicht auch Depressionen, wer weiss?

Prinzipiell ist doch der Rat, mal ein Urlaubssemester zu nehmen und das zur Neuorientierung und, viel wichtiger, zur persönlichen Psychohygiene zu nutzen garnicht so schlecht. Mach einfach was ganz anderes. Pilger den Jakobsweg lang, oder angel Fische im Atlantik, was auch immer.

Und wenn Du dann immer noch keinen Bock hast, weiter Medizin zu studieren, dann sei so konsequent und lass es, bevor es Dich kaputt macht.

Viel Erfolg wünscht

Michael

die chondropathia
14.02.2007, 12:46
Jep, aber die Phase der Orientierung würde ich nach das Physikum legen!!!

Vor dem P zu zaudern und einen langen Urlaub einzulegen ist lerntechnisch mehr als unratsam.

:-stud

KingLoui
14.02.2007, 13:54
Sehe ich genauso, vorm Physikum würde ich erstmal nicht aussetzen!

WinterMensch
14.02.2007, 15:26
Vielen Dank für Eure Antworten.

Ich glaube, ich werde wirklich erstmal das Physikum machen, einfach damit die vergangenen 3 Semester nicht komplett vertan waren. Immerhin habe ich damit einen Leistungsnachweis und kann belegen, dass ich nicht 2 Jahre lang rumgegammelt habe.


Was mir auch auffällt ist, dass es unter Medizinern nur wenig Intellektuelle gibt. Warum das so ist, ob das nur bei uns so ist und damit nur Zufall ist, vermag ich nicht zu beantworten. Es fällt halt auf. In der Schule sind mir einige Leute begegnet, die echte 'Könner' waren - hier begegnen mir selten solche Genies, sondern vor allem Lerner. Das ist nichts Verwerfliches, aber wenn man entsprechend gemünzt ist, kann man das durchaus als störend empfinden.

Das ist echt eine Sache, die mir sehr sehr negativ aufstößt. Bei dem NC hatte ich erwartet, hier ein paar richtig helle Köpfe zu finden - Ich stieß aber auch, wie mein Vorredner feststellt, auf eine große Masse von unreflektierten Lernmaschinen, die gern jede freie Stunde in der Bib zubringen, um nach vorgefertigtem Lehrplan Stoff einzupauken. Wenn sie dann dem Anatomiedozenten jeden 3. Ast von der x.ten Abzweigung der Carotis Interna aufsagen können, habe ich manchmal das Gefühl, dass diese Streber das körperlich erregt. Strange, oder?

Auch ein Grund, mich hier fehl am Platz zu fühlen!

Denn was mir etwas missfällt ist, dass ich denke, ich könne jederzeit durch einen dicken Pschyrembel ersetzt werden.

Abgesehen davon finde ich, dass es gut ist, so eine Sinnkrise auch zuzulassen, denn ich kenne einige andere, die erst im PJ gemerkt haben, dass die Medizin sie ankotzt. Dann lieber nach drei Semestern sehr gründlich drüber nachdenken, ob es das Richtige ist. Ich denke auch, dass man erst über seinen eigenen Wünsche und Träume klarwerden kann, wenn man sich zumindest etwas von den Eltern und alten Freunden gelöst hat (neue Stadt, neue Situation, neue Leute).

Natürlich ist der Gedanke daran, zwei Jahre seines Lebens "verschwendet" zu haben, nicht gerade rosig. Aber wenn ich so drüber nachdenke, kaputtgemacht hab ich mich in der Zeit echt nicht, habe verdammt viel gelernt (auch und gerade für´s Leben) und viel Spaß hatte ich auch...

Kennt Ihr Leute, die nach dem Physikum noch aufgehört haben?

KingLoui
14.02.2007, 15:37
Was mir auch auffällt ist, dass es unter Medizinern nur wenig Intellektuelle gibt.

Was für ein Blödsinn! Sicher gibt's einige die nicht so besonders helle rüberkommen, aber der Großteil ist schon zumindestens recht intelligent. Warum sollte das denn so sein? Ich habe allerdings während des Studiums auch recht wenig Lust mich mit Kants Theorien auseinanderzusetzen, falls ihr das mit intellektuell meint.