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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fall 3/2007 - Verdacht auf Apoplex



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Tombow
10.03.2007, 15:41
Wieder einmal eins dieser Dienste, wo die Notaufnahme schon um 10 Uhr abends leer ist. Zeit, ein Paar Briefe zu diktieren, zu verschlüsseln und ab ins Bett. Bis halb zwei morgens, als das Handy klingelt: "Patient kommt mit Notarzt, Verdacht auf Apoplex"...nix mit Schlafen also...runter in die Notaufnahme, Patient ist schon da. Kurze Übergabe der Notärztin, das wesentliche davon: "Patient zuhause vor anderthalb Stunden auf der Toilette plötzlich bewußtlos geworden, als wir eingetroffen sind immer noch bewußtlos, nicht erweckbar, gerade hat er aber zu mir 'guten abend' gesagt. Blutdruck 130/70, Puls 70, keine Verletzungszeichen, kein Fieber. Ehefrau und Sohn warten draußen".

Fürs erste genug Infos. Labor ist schon abgenommen worden (Notlabor - Gerinnung, kleines BB, Transaminasen, CK, LDH, Krea, Harnstoff, E-Lyte, CRP), die Pfleger haben auch schon ein EKG geschrieben.

Was als nächstes?

Flemingulus
10.03.2007, 16:06
Erstmal - da die Angaben etwas unklar sind - nochmal selbst die Bewusstseinslage checken: Pat. ansprechbar? Orientiert? Und derweil die offenbar bisher versäumte (???) BZ-Messung nachholen.

Tombow
10.03.2007, 16:26
Erstmal - da die Angaben etwas unklar sind - nochmal selbst die Bewusstseinslage checken: Pat. ansprechbar? Orientiert?
Gute Idee, habe ich genauso gemacht. Patient somnolent, psychomotorisch verlangsamt aber gut erweckbar. Spontanes Augenöffnen, Motorische Reaktion auf Aufforderung, zur Person orientiert. Muskeleigenreflexe mittellebhaft, seitengleich, keine pathologischen Reflexe, bei der Untersuchung auf die Schnelle auch kein Anhalt für Parese oder Plegie.


Und derweil die offenbar bisher versäumte (???) BZ-Messung nachholen.
War nicht versäumt, ich habe es vergessen. 115 laut NA-Einsatzprotokoll.

Weiter?

hypnotel
10.03.2007, 16:40
Wie alt ist der Patient denn, sind (fremd)anamnestisch Vorerkrankungen bekannt?
C2, evtl. tox-screening?
War das EKG unauffällig? Auskultationsbefund?

Tombow
10.03.2007, 17:02
78-jähriger Patient, laut Fremdanamnese von Sohn und Ehefrau seit 10 Jahren bekannte CLL, vom niedergelassenen Onkologen auf Chlorambuzil eingestellt, aktuell aber wegen Myelosuppression abgesetzt(Patient ist vor einer Woche sogar deswegen mit EK und TK auftransfundiert worden). Transfusion hat er gut vertragen. Bekannte KHK, Z.n. MI vor >10 Jahren, Z.n. SM-Implantation, Hypertonus, NIDDM, Depression. Internistisch bis auf einen reduzierten AZ und EZ unauffällig - keine Ödeme, keine Verletzungszeichen, nicht exsikiert, vesikuläres Atemgeräusch, keine Rasselgeräusche. Kein C2 oder Nikotin in der Fremdanamnese. EKG hat schon der NA geschrieben, noch eins wurde in der Notaufnahme gemacht - Schrittmacher-EKG mit überwiegend atrialer Stimulation.

Damit wäre auch etwas geklärt, was schon geklärt werden müßte - aufgrund der CLL, etc. kommt der Patient nicht für eine was Lyse in Frage. Jetzt haben wir also einen Patienten, der außer einer Somnolenz nicht viel greifbares in der klinischen Untersuchung hat und und bisher laut Angabe der Ehefrau trotz seiner vielen Vorerkrankungen ganz fit gewesen sei. Die Frage ist, was wir nur mit ihm weitermachen.

abcd
10.03.2007, 17:29
Aufgrund des kardiovaskulären Risikoprofils auch mit MI in der Vorgeschichte, würden wir bei uns noch nen Troponin nachmelden und den Pat. zum Ausschluss Blutung, Ischämie ins CT schicken.

O² Sättigung?

In Richtung Krampfgeschen vielleicht auch mal auf die CK und das Prolaktin schaun. Pat. ist ja vigilanzgemindert. Zungenbiss? Einnässen?

Würd ja gern das Labor sehen *G

Lava
10.03.2007, 17:59
Ihr habt doch bestimmt ein CT bei euch rumzustehen. :-D Da würd ich den Mann mal reinfahren. Je nach Nierenfunktion vielleicht auch mit KM. Fragestellung nach Ischämien (OK, dafür bräuchte man bei einem so kurzen Zeitfenster ein MRT mit Diffusion, aber das können wir ja immer noch nachholen), Blutungen (Kopfschmerzen?), cSDH, Raumforderung.

Bei CLL fällt mir was ein, was ich neulich gelesen habe... Hyperviskositätssyndrom. Ich weiß aber nix darüber, außer dass es einen Apoplex imitieren kann. :-blush Ach nee, das war ja nicht CLL sondern Plasmocytom *glaub* aber die beiden Sachen kommen ja durchaus mal gleichzeitig vor.

Tombow
10.03.2007, 20:54
Ob man die HI-Marker allesamt braucht in dem Fall, darüber kann man sich streiten...jedenfalls fehlt noch die Fremdanamnese der Ehefrau dazu.

Kein Zungenbiss, O2-Sättigung normwertig.

MRT wurde nicht gemacht - Schrittmacher-Patient. Ins CT haben wir ihn geschickt, das dauert ein bißchen. Was aber in der Zeit machen, bis CT gelaufen ist? Ehefrau und Sohn sind immer noch da. Labor läßt sich auch noch Zeit mit den Ergebnissen.

abcd
10.03.2007, 22:12
Na dann unterhalten wir uns halt nochmal mit der Ehefrau. Sie soll den Vorfall schildern.
Geschehen aus dem Schlaf heraus? Hat sie mitbekommen, wie ihr Mann auf die Toilette gegangen ist? War da noch alles ok? Schwindel? Schmerzen (Kopf, thorakal)? Konnte er da noch gut Laufen? Wie hat sie ihn gefunden? Zufällig weil er nicht wieder kam, hat sie etwas gehört? Hängender Mundwinkel beim Auffinden? hmm viele Fragen ergeben sich aus dem Gespräch und den Antworten.
(Warum hat es eigentlich 1,5h gedauert bis er in der NA war?)

Tombow
10.03.2007, 22:28
Na dann unterhalten wir uns halt nochmal mit der Ehefrau. Sie soll den Vorfall schildern.

GENAU!!! Die gute alte Anamnese. Was wir erfahren:
Ihr mann sei bis vor kurzem schon weitestgehend selbstständig gewesen, aber in letzter Zeit einfach körperlich sehr schwach. Der niedergelassene Onkologe habe auch neulich eine LP veranlaßt, die Ergebnisse seien (soweit sie mir darüber berichten könnte) "normal" gewesen. Hier habe ich mich gewundert. Ausschluß einer Meningeosis leukaemica? Naja, zurück zum eigentlichen Ereignis: Sie habe ihn auf Toilette gebracht, dann, als sie ihm dann beim Aufstehen helfen wollte, habe er kurze Zeit (durch genaueres Fragen geschätzt weniger als 10 Sekunden) "fürchterlich gezittert" und sei dann auf einmal nicht erweckbar zusammengesackt. Zuvor habe sie nichts ungewöhnliches beobachten können, ihr Mann habe auch nichts von Schmerzen Schwindel, etc. gesagt und auch nicht so einen Eindruck gemacht. Situationsbedingt (Toilette) könnte sie nicht sagen, ob dabei auch Urin abgegangen sei. Alleine habe sie ihn nicht da wegbekommen, daher zuerst den Sohn gerufen, der seinerseits zu der Wohnung seiner Eltern gefahren und erst dann den Notarzt verständigt hat. Womit auch die Verzögerung zu erklären wäre.

Mittlerweile ist CT gelaufen, Laborergebnisse sind auch da. Im CT altersentsprechender Normalbefund, im Labor ca. 19000 Leukos, 220000 Thrombos, 3,5 Mio Erys und Hb 12, Erytrozytenindices im Normbereich, CK und Transaminasen normwertig, LDH geringgradig erhöht, CRP grenzwertig erhöht, Krea und Harnstoff normwertig.

Was nun? Nehmen wir den Patienten auf und falls ja, mit welcher Verdachtsdiagnose? Falls Aufnahme, was für Anordnungen treffen wir dann? Weitere Diagnostik? Was interessiert uns noch im Falle einer Aufnahme?

Lava
11.03.2007, 17:23
Hmm... das mit dem Zittern und der anschließenden leichten Bewusstseinstrübung klingt nach einem Krampfanfall für mich. Bleibt also die Frage nach der Ursache. Das CT schließt eine Blutung oder einen Tumor ja schonmal weitestgehend aus.

Der Leukozytose ist wahrscheinlich bei CLL nicht so richtig zu trauen (ein Leuk Diff würde helfen), aber was Infektiöses würde ich trotzdem noch nicht ausschließen wollen.

Ich übergebe somit an den nächsten :-))

abcd
11.03.2007, 21:50
Ich würd ihn mit der Verdachtsdiagnose Krampfanfall DD Synkope aufnehmen.

Interessieren würde mich wie der Onkologe auf die Idee der LP kam. Ob dem irgendein Ereignis zu Grunde lag. Wenn damals keine Malignität vorlag, muss das ja nciht zwingend so geblieben sein. Ne Meningeosis würd auch nen Krampfanfall erklären.
LP: Meningeosis , entzündliches Geschehen?
Ist Chlorambucil neurotoxisch und kann es nach dem Absetzen auch zu Muskelzuckungen kommen? Vielleicht hat jem. dazu eine Idee.
Falls nur ein Nativ-CT gelaufen ist, könnte man cerebrale Filiae auch übersehen, oder?

Läuse und Flöhe?? Altersepilepsie?

Sebastian1
11.03.2007, 22:17
Mh, auch herzvorerkrankt und innerhalb von Sekunden usammengeklappt offenbar. Ich will kontiniuerliches EKG-Monitoring mit Transportmonitor, auch im CT. Sowas kann ja auch mal ne selbstlimitierende VT (DD: Schrittmacherinduzierte Tachkardie) sein. wenn wir den Transportmoni eh schon dran haben: SpO2 und RR werden natürlich mit aufgezeichnet (RR via Manschette alle 5 min, SpO2 per Finger/Ohrsensor kontinuierlich).

Zoidberg
12.03.2007, 13:20
Ich würde ihn auch aufnehmen, LP mit Liquor an Patho, Mibi und Standard Labor (Zellzahl...), dazu ein EEG (Herdbefunde) und wenn das CT nicht mit KM war noch eins mit KM nachholen.
Chlorambucil kann laut Roter Liste auch als NW Krampfanfälle auslösen, aber war ja abgesetzt vorher schon.

Wenn ein MRT wegen SM nicht möglich, wie sieht es mit einer PET-CT/Spect-CT Untersuchung aus bezüglich Absiedelungen bei CLL /DD Zweitmalignom unter Chlorambuciltherapie? Aber erstmal CT mit KM abwarten.

nanni83
12.03.2007, 19:15
Vielleicht eine Schrittmacherkontrolle um die Funktion des Schrittmachers zu überprüfen? Wenn sonst alle Parameter soweit eigentlich in Ordnung sind ?

Flemingulus
19.03.2007, 17:35
*reanimier*

Klingt ja initial wie eine simple vasovagale Synkope (Miktionssynkope) nur isser dann leider nicht richtig wach geworden, also nix damit... das spricht m. E. auch etwas gegen eine rhythmogene Synkope (VT) und vielleicht hätte man dabei auch eine Zyanose erwarten sollen (danach müsste man die Angehörigen nochmal explizit gefragt haben).

Also wären was Ischämisches, was Toxisches (welche Medis nimmt er nochmal aktuell genau ein?), was Neoplastisches oder eine infektiöse -itis bei fehlendem CRP-Anstieg wg. Immunsuppression so meine persönlichen Kandidaten. Diagnostisch surf ich also mal bei Zoidberg mit.

Leelaacoo
24.03.2007, 12:40
Hmm...klingt zunächst wie ein Krampfanfall, die Vigilanzminderung ist allerdings auch für einen postiktalen Zustand eher ungewöhnlich. Bin für CT mit KM (TSH schon bestimmt?) und neuerliche LP, ebenso EEG (für einen nonkonvulsiven Status spricht aber eher nichts, oder?) und erst mal am Monitor lassen (evetuell auf ITS/IMC, peripher ist doch zu unsicher). Wie waren die E'lyte eigentlich (v.a. Na, Ca?)? Wohl normal, wenn du sie nicht explizit erwähnt hast.
Habe erst vor kurzem eine Patientin mit ähnlicher Symptomatik gehabt, war delirant, exsikkiert...CT nativ zunächst opB befundet, nach Flüssigkeit i.v. und blind Antibiose bei V.a. Infiltrat im RöThorax am nächsten Tag ganz munter...bis zum CT mit KM...große Metastase a.e. eines Melanoms, das vor einiger Zeit wohl kurativ behandelt wurde...hat man im Nativ-CT erst mit dieser Info erahnen können (perifokales Ödem, aber nicht sehr ausgeprägt).

Wie gings denn weiter???

LG Lee

abcd
27.03.2007, 18:58
Wie ging das denn nu weiter??

nanni83
27.03.2007, 19:16
Ja würd mich jetzt auch mal interessieren. Ich bin schon ganz neugierig
Ich glaub es gibt bereits zwei neue Fälle

Tombow
21.04.2007, 12:38
Tut mir leid für die Verzögerung...habe dummerweise am Tag nach der Entlassung das Brief diktiert, jetzt warte ich immer noch auf die Akte und unser Schreibdienst braucht leider ewig und drei Tage dafür......