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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Blutsenkungsgeschwindigkt (BSG)



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Roxane
22.03.2007, 23:06
Kann mir jemand differenziert die Referenzwerte für die BSG nach einer und nach zwei Stunden nennen? Warum misst man die BSG überhaupt noch, wenn das CRP viel präziser ist?


Danke im Voraus

Relaxometrie
23.03.2007, 00:43
Hallo Roxane,

der 2h-Wert bringt keine Zusatzinformationen, so daß nur noch der 1h-Wert abgelesen wird.

Die Referenzwerte: Frauen bis 20mm und Männer bis 15mm
Frauen haben einen geringeren Hämatokrit, also können die Erys in dem nicht ganz so zähflüssigen Blut etwas schneller sedimentieren.

Warum die BSG noch gemacht wird, kann ich Dir auch nicht so genau sagen.
Mir ist die Untersuchung aber sehr sympathisch, weil sie nicht von hochkomplizierten Apparaten ausgeführt wird, sondern man auf der Station einfach die Westergren-Pipette mit Blut füllt, das Röhrchen dann hinstellt und nach einer Stunde den Wert abliest.
Meine Vermutungen, warum die BSG noch gemacht wird:

1)
Diese Untersuchung kann man also ohne das Klinikslabor machen (keine Kritik am Labor, aber man muß vielleicht auch mal ohne leben).

2)
Es gibt ein paar Krankheiten, bei denen eine Sturzsenkung wegweisend ist. Z.B. das Plasmozytom (1h-Wert > 100mm) oder die Arteriitis temporalis Horton (1h-Wert > 40mm). Natürlich stellt man diese Diagnosen nicht alleine anhand einer erhöhten BSG. Aber die BSG gilt als unspezifischer Suchtest, der einfach und billig ist. Wenn einen die BSG in eine bestimmte Richtung weist, kann man mit den teureren Untersuchungen weitermachen.

Aber hier sind ja auch Labormediziner im Forum. Mal hören, was die dazu sagen :-)

Studmed1
23.03.2007, 09:40
Und die HNOler in einer Uni-Klinik machen keine invasiven Untersuchungen, wenn die BSG über 100 liegt - aus welchem grund auch immer :-)

luckyscrub
23.03.2007, 09:47
die BSG kostet nur cents und ist wie unten genannt bei bestimmten Krankheiten noch gut aussagekräftig. Und wenn das CRP nicht erhöht ist, man dennoch eine Entzündung oder stattgehabte Entzündung vermutet, macht man eine BSG.....so hab ichs zumindest mal gelernt ;-)(in grauer Vorzeit)

Relaxometrie
23.03.2007, 09:54
oder stattgehabte Entzündung vermutet
Die BSG steigt und fällt viel langsamer als das CRP. Nach Ende der Krankheit normalisiert sich das CRP innerhalb von 2 Wochen, die BSG innerhalb von 4 Wochen.
Eine stattgehabte Entzündung ist also mit der BSG noch länger zu erkennen.

nanni83
23.03.2007, 12:57
Kann das sein das, man auch ganz gerne im Zusammenhang mit Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn, nach akuten Schub wegen der Dauer von Cortison und sonstiger Akut-Therapie eine BSG macht gerade wegen Ihrer Aussagekraft? Da ein gut therapierter Crohn nicht so oft akute Schübe entwickelt.

alley_cat75
23.03.2007, 14:49
Warum misst man die BSG überhaupt noch, wenn das CRP viel präziser ist?

Der einzig wahre Grund dürfte wohl die Tatsache sein, dass die BSG leicht und kostengünstig zu bestimmen ist. Ansonsten ist CRP-Bestimmung schon das moderne Verfahren - keine Beeinflussung durch erythrozytäre Faktoren, geringere Blutmenge (wichtig bei Kindern!) notwendig. Ein BSG-Röhrchen kostet ein paar Cent vs. CRP-Bestimmung 4,95 Euro!

Lava
23.03.2007, 17:09
In der Rheumatologie bestimmt man stets beide Werte gleichzeitig. Das Zusammenspiel zwischen beidem kann sehr interessant sein. ausserdem gibt es Erkrankungen, bei dem beide Werte nicht korrellieren. Beim Lupus beispielsweise ist das CRP in der Regel nicht erhöht, die BSG kann aber durchaus erhöht sein. Ebenso beim Bechterew. Wenn's aber nur um entzündliche Fragestellungen bei Infekten geht, genügt das CRP. Das ist sicher auch etwas... "feiner" als die BSG, die ja von Mensch zu Mensch recht unterschiedlich sein kann. Wenn sie mal leicht erhöht ist, reisst einen das noch nicht vom Hocker, ein erhöhtes CRP hat aber in aller Regel was zu bedeuten.

altalena
06.12.2010, 20:34
*hochzerr*

sorry, dass ich diesen thread jetzt wiederbelebe :-blush
lerne gerade für meine physio-klasur :-kotz und hänge an den BSG-Normwerten fest....
ich weiß, dass man den 2-h-wert nicht mehr bestimmt, aber das interessiert die physiologen herzlich wenig :-))
habe im internet u in diversen physiobüchern mal recherchiert, aber getreu dem motto "10 quellen, 10 angaben" finde ich alles, aber keine einheitlichen angaben zu dem 2-h-wert ....
wär also nett, wenn mir jemand helfen könnte :-nix

Relaxometrie
06.12.2010, 20:50
Im Herold 2009 steht kein 2h-Wert mehr in der Normwerttabelle.
Sag Deinen Physiologen, daß der Wert out ist :-D Oder sie sollen Dir erklären, wofür er gut sein soll.

Muriel
06.12.2010, 20:54
Zu den von Relaxo weiter oben mal angeführten Normwerten des 1h-Wertes: Auf einer Fortbildung gab es mal folgendes Pi-mal-Daumen-Schema an die Hand, das ich zumindest in meinem Gebiet, wo ja alleine die Diagnose eines Horton mit der BSG zu untermauern ist, sehr hilfreich und gut bestätigt finde: Lebensalter/2 -10. Passt wirklich gut. Eine gesunde 80jährige mit BSG unter 20 habe ich selten gesehen.

John Silver
07.12.2010, 18:42
Hab noch nie die BSG bestimmt, und noch nie vermisst. Wenn der Physiologe etwas anderes meint - naja, dafür ist er halt auch Physiologe, er hat von klinischer Medizin keine Ahnung. Insgesamt ist die BSG ein überlebter, weil zu unspezifischer, Test, der eben nur gemacht wird, weil's fast nix kostet. Auch wenn es bei einigen Erkrankungen wegweisend sein kann: wie oft kommt es schon vor, dass die BSG eine diagnostische oder therapeutische Konsequenz hat? Eben.

Rico
07.12.2010, 20:46
Insgesamt ist die BSG ein überlebter, weil zu unspezifischer, Test, der eben nur gemacht wird, weil's fast nix kostet. Auch wenn es bei einigen Erkrankungen wegweisend sein kann: wie oft kommt es schon vor, dass die BSG eine diagnostische oder therapeutische Konsequenz hat? Eben.Da muss ich mal energisch wiedersprechen.
Neben dem schon genannten M. Horton, bei dem die BSG auch in aktuellen Leitlinien diagnostisches Kriterium ist (und nicht das CRP!:-notify) hat die BSG eine Berechtigung im gesamten Feld der Vaskulitiden und in der Rheumatologie.
Und eine neu aufgetretene Sturzsenkung hat in diesem Formenkreis natürlich auch therapeutische Konsequenz (z.B. wenn beim Ausschleichen eine Immunsuppression die BSG wieder steigt, dann hat man zu schnell reduziert und muss nochmal höher rein).
Und bei bekannten Autoimmunerkrankungen fällt der Haupt-"Makel" - die geringe Spezifität - der BSG auch weg, denn wenn der Vaskulitispatient mit der Senkung hochgeht, dann ist das aufgrund der Klinik bis zum Beweis des Gegenteils doch hochverdächtig auf eine Zunahme der Krankheitsaktivität.

Evil
07.12.2010, 20:46
Auch wenn es bei einigen Erkrankungen wegweisend sein kann: wie oft kommt es schon vor, dass die BSG eine diagnostische oder therapeutische Konsequenz hat?
In der Rheumatologie und bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ziemlich oft, Herr Unfallchirurg. ;-)

John Silver
08.12.2010, 18:11
Noch nie Unfallchirurgie gemacht. Dafür schon Dutzende Crohn- und Colitis-Patienten betreut. Noch nie die BSG vermisst, und noch nie gesehen, dass die mitbetreuenden Gastroenterologen die BSG bestimmt hätten.

Gut, die Vaskulitiden und rheumatologischer Formenkreis sind ein Anwendungsgebiet. Aber ich habe nicht bestritten, dass die BSG bei einigen Erkrankungen nützlich und sogar wegweisend sein kann. Doch was sind schon einige Erkrankungen, zumal sie alle aus einem sehr speziellen Sub der Inneren kommen? Die Rede war von allgemeinem Gebrauch der BSG, und der ist obsolet; die BSG wird nur bestimmt, weil's billig ist, nicht weil man sich davon irgendwelche wirklich nützlichen Erkenntnisse erhofft, und zwar bei 99 von 100 Patienten.

Evil
08.12.2010, 19:33
Die Rede war von allgemeinem Gebrauch der BSG, und der ist obsolet; die BSG wird nur bestimmt, weil's billig ist, nicht weil man sich davon irgendwelche wirklich nützlichen Erkenntnisse erhofft, und zwar bei 99 von 100 Patienten.
Wiederum falsch.
Die Spezifität der BSG kann man getrost in die Tonne kloppen, die Sensitivität ist aber überraschend hoch.
Bei Patienten mit normaler Senkung kannst Du eine ernsthafte Entzündung, egal ob infektiös oder rheumatologisch, nahezu ausschließen. Gleichzeitig ist der Test billig und schnell verfügbar, vor allem im niedergelassenen Bereich.
Und Aufgabe vonAllgemeinmedzinern ist ja nun, herauszufinden, welche 5 von den 100 Patienten im Wartezimmer wirklich ernsthaft erkrankt sind, da erscheint die BSG (im Rahmen ihrer Beschränkungen wohlgemerkt) doch recht nützlich.

Vergiß nicht, daß Du in der Klinik selektiertes Patientengut hast; die allermeisten von denen haben ja wirklich was, und dann hilft Dir die BSG tatsächlich nicht weiter, denn mehr sagt die ja auch nicht.
Aber das schaut "draußen" ein bissl anders aus; da hast Du nicht innerhalb von einer halben Stunde ein komplettes Routinelabor und Sono und gleich noch CT zur Verfügung.

John Silver
09.12.2010, 11:24
Ich will jetzt nicht gegen Niedergelassene stänkern, aber wenn man keine gescheite Anamnese und körperliche Untersuchung kann, dann macht man die BSG, sieht einen erhöhten Wert und überweist zum Internisten, oder wie? Eine hohe Sensitivität ohne jegliche Spezifität ist vollkommen nutzlos. Bei den meisten Patienten sind Anamnese und körperliche Untersuchung wegweisend; und in den restlichen Fällen hilft einem eine evtl. erhöhte BSG auch nicht.

Die Sache mit dem "selektierten" Patientengut stimmt so nicht, da mittlerweile immer mehr Menschen unsere (und nicht nur unsere) ZNA mit einem 24 Stunden offenen Hausarztvertreter verwechseln. Immer noch wird die BSG nicht vermisst.

Evil
09.12.2010, 14:16
Eine hohe Sensitivität ohne jegliche Spezifität ist vollkommen nutzlos. Bei den meisten Patienten sind Anamnese und körperliche Untersuchung wegweisend; und in den restlichen Fällen hilft einem eine evtl. erhöhte BSG auch nicht.
So pauschal, wie Du das hier darstellst, ist die Sache nicht, denn immerhin muß in Zeiten von Budgets die Entscheidung erfolgen, ob weitere Diagnostik angeleiert wird oder nicht. In der Klinik ist Dir das als Assi wurscht, da machste routinemäßig ein komplettes Labor, am besten noch CT und Sono, und hast damit alles erschlagen. Und erzähl mir nix von gescheiter Anamnese und Untersuchung, ich kenne einige viszeralchirurgische Abteilungen, in denen die Fragen nicht über Dauer und Ausdehnung von Bauchschmerzen hinausgehen und der Patient dann gleich ins CT geschoben wird. Oder andere, wo dem Patienten als Eingangsuntersuchung wahlweise erstmal Appendix oder Gallenblase entfernt werden. Also blas Dich ned so über Niedergelassene auf.

Aber es gibt tatsächlich gar nicht so wenige Patienten, bei denen man nicht weiß, ob die Beschwerden nun supranasaler Genese sind oder nicht doch noch etwas anderes eine Rolle spielt.
Da kann die BSG tatsächlich eine Rolle spielen, selbstverständlich im Rahmen ihrer Grenzen.
Ich habe nicht gesagt, dies wäre eine geeignete Screeninguntersuchung für alles mögliche.

Feuerblick
09.12.2010, 14:20
Die Sache mit dem "selektierten" Patientengut stimmt so nicht, da mittlerweile immer mehr Menschen unsere (und nicht nur unsere) ZNA mit einem 24 Stunden offenen Hausarztvertreter verwechseln. Immer noch wird die BSG nicht vermisst.Tja, aber du hast in der Klinik die Möglichkeit, in kürzester Zeit (also deutlich < 24 Stunden) ein komplettes Labor vorliegen zu haben... incl. Leukos, CRP und sonstigen Späßen. Das hat ein normaler Niedergelassener eben NICHT. Und dann kann eine BSG durchaus schon mal Aufschluss darüber geben, ob der Patient wirklich irgendwas Entzündliches hat oder eben nicht...:-nix

Feuerblick

P.S: Auch Klinikärzte haben die Weisheit nicht gepachtet. Nur weil ihr die BSG bisher nicht vermisst habt, heisst es nicht, dass sie nicht vielleicht doch manchmal sinnvoll gewesen wäre... ;-)

John Silver
10.12.2010, 11:14
Ist ja alles toll, aber es klingt jetzt so, als würdet ihr ernsthaft die Entscheidung, ob ein Patient etwas hat oder nicht, von der BSG abhängig machen.