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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Haldol - Teufelszeug oder Geschenk des Himmels?



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Roxane
25.03.2007, 19:11
Gerade bei präfinalen Patienten oder Demenzkranken wird ziemlich häufig Haldol angesetzt - zufällig hab ich mitgekriegt, wie die zwei Assis unserer Station darüber diskutiert haben, eine war davon begeistert, die andere hat gemeint, sie ordnet es in der Regel nicht an. Was haltet Ihr davon? Meine Recherchen im Internet haben bei mir eher gemischte Gefühle hinterlassen.

Nemesisthe2nd
25.03.2007, 19:39
bei psychosen hat haldol sicher seine daseinsberechtigung...

ich habs während meines pflegepraktikums auch erlebt, dass ein patient mit durchgangssyndrom haldol bekommen hat... (er musste allerdings auch fixiert werden, weil er noch katecholamin-pflichtig war... wenn er sich den ZVK gezogen hätte wäre er gleich mit dem kreislauf abgerauscht...) in dem zusammenhang fand ichs ok... vor allem weil es ja auch nur temporär war..

aber bei demenzkranken find ichs schwierig... auch die anderen neuroleptika, die teilweise gegeben werden... zB eunapan etc... damit die leute nachts keinen aufstand machen...

.... nur irgendwann schlägt das zeug halt nicht mehr an und dann kriegt man die leute überhaupt nicht mehr zur ruhe, also würde ich lieber eher spät zu solchen maßnahmen greifen...

und bei präfinalen...??? wofür denn? jemand der präfinal ist wird wohl kaum noch randale machen? und wenn er schmerzen hat kriegt er schmerzmittel... bzw. benzos wenn er den wunsch hat nichts mehr mitzubekommen...

hypnotel
25.03.2007, 19:48
Die Substanz selbst ist niemals böse sondern allenfalls diejenigen die sie in den Händen haben...

Außerhalb psychiatrischer Fälle sollte Haldol in neuroleptischer Dosis(!) ein Reservemittel sein, keine Standardmedikation.
Low-doses haben sich hingegen auch auf anderen Bereichen bewährt, z.B. bei Langzeitbeatmeten oder zur PONV-Prophylaxe.
Geriatrische Demenzpatienten systematisch mit Haldol 'abzuschirmen' halte ich jedenfalls für suboptimal als Therapieansatz.

Roxane
25.03.2007, 20:03
Auf den Rest gehe ich später noch einmal ein, aber hier noch mal kurz:


und bei präfinalen...??? wofür denn?

Wofür? Wofür pumpt man die mit MSI, Humanalbumin und dem ganzen Rest der Palette voll? Ich bin nicht der größte Fan von passiver Sterbehilfe, aber wenn jede Atmung, jede noch so leichte Berührung einem Patienten, der zudem so jung nicht mehr ist, mit dieser Medikation größte Schmerzen bereitet, dann führt das meiner Meinung nach zu weit. Aber lassen wir das, das würde zu weit führen.

catgut
25.03.2007, 20:09
Geriatrische Demenzpatienten systematisch mit Haldol 'abzuschirmen' halte ich jedenfalls für suboptimal als Therapieansatz.

Ist aber leider Praxis.

Und da muss ich noch dazu sagen, da müssen sich auch die Angehörigen den Schuh anziehen, die bei jedem Besuch monieren "Das ist ja IMMER noch nicht besser. Jetzt ist er schon so lange bei Ihnen!"
Ja, wenig dementer wird er auch nimmer!

Ich muss gestehen, dass das Thema an sich ein zweischneidiges Schwert ist. Wenn man den Arbeitsalltag auf der Gerontopsychiatrischen mitbekommt, kann man die Therapie zu einem gewissen Grad nachvollziehen (aus Sicht des Personals).

Allerdings, ob der Patient mehr davon hat, ich weiß es nicht. Es war sehr sehr schwer, in die Gefühlswelt und das Denken eines dementen Patienten einzusehen. Manche verhielten sich wirklich ruhiger, aber ich kann kaum beurteilen, ob das gut oder schlecht für sie war.
Bei manchen muss ich sagen, war es eher ein Primärgewinn für die Pfleger.

ehem-user-02-08-2021-1033
25.03.2007, 20:12
Geriatrische Demenzpatienten systematisch mit Haldol 'abzuschirmen' halte ich jedenfalls für suboptimal als Therapieansatz.

Und was ist ein guter Therapieansatz ? Außerhalb einer nebenwirkungsreichen Medikamentation ?
Maximal Fixieren ?

Irgendwie hat das ganze ethisch eine ziemlich unangenehme Seite.

Aber irgendwann hab ich einmal etwas über Cannabis Präparaten gelesen.
Vielleicht ein neuer Weg ? [-::-] :peace: :-party
:-D

hypnotel
25.03.2007, 20:18
Ist aber leider Praxis.

Eben. Praxis ist oft einfach, preiswert und bequem - und das genaue Gegenteil von Patienten-zentriert.
Ich habe selbst zwei Jahre (intensiv)Pflege gemacht und kann dennoch -oder gerade deswegen?- diese 'Abschießmentalität' nicht befürworten. Haldol ist schließlich ein schwerer Eingriff in die psychische Integrität.


@'Elite', einen guten Therapieansatz würden bereits menschenwürdige Pflegebedingungen in den Einrichtungen bedeuten, wenn wir schon von Geriatrie sprechen.

Cannabinoide sind in der Tat ein interessantes und weites Feld, leider ist die Forschung und Entwicklung hier enorm aufwändig, so dass sich die kommenden Präparate nur fraglich an breiter Front durchsetzen werden.

Flemingulus
25.03.2007, 20:26
Hm.
Agonie und Demenz zu einem Ragout verrührt und mit Neuroleptika, Opioiden und Humanalbumin fein abgeschmeckt. :-nix
Vielleicht eher was für den OFF-Topic-Bereich?

:-?

Edit: Ich vergaß... coole Schlagzeile!

Roxane
25.03.2007, 20:39
Hm.
Agonie und Demenz zu einem Ragout verrührt und mit Neuroleptika, Opioiden und Humanalbumin fein abgeschmeckt. :-nix
Vielleicht eher was für den OFF-Topic-Bereich?

:-?

Edit: Ich vergaß... coole Schlagzeile!

Sehr konstruktiver Beitrag, klasse. Das eine war tatsächlich Off Topic, ich bin da kurz auf Präfinalität und weitergeführte Maximaltherapie eingegangen, weil das gerade halt aufgekommen war. Aber schön, dass Du Dich hier so wertvoll beteiligt hast
:-top

Nemesisthe2nd
25.03.2007, 20:39
@roxane...

irgendwie durchblick ich die sache mit dem präfinalen nicht....? der ist präfinal kriegt aber noch albumin? für wen ist der denn präfinal? da scheint ja dann noch wer zu kämpfen...?

und MSI ist Morphin oder nicht...? also bekommt die person das ganze gegen schmerzen, ist doch völlig legitim und anscheinend noch nicht ausreichend...

aber was hat das dann alles mit haldol zu tun? ich wüsste nicht das haldol irgendwie aufs schmerzempfinden wirkt... außer das die person sich vielleicht nicht mehr so viel äußert bzw. bei reichlich haldol durch die nebenwirkungen in ihrer beweglichkeit eingeschränkt ist...

oder hat die person auch mit extremer übelkeit zu kämpfen? dann hätte es ja auch wieder einen sinn... siehe hypnothels anwendungsbeispiel für PONV

Roxane
25.03.2007, 20:47
Das durchblickt keiner hier. Die Person ist nach einhelliger Meinung in der Pflegeindeutig präfinal, aber die Therapie läuft neuerdings wieder auf maximal, deswegen habe ich Humanalbumin und ähnliches aufgeführt (sozusagen, um die Maximaltherapie konkret zu veranschaulichen). Und warum sie das Haldol kriegt - ich bin Vorklinikerin, keine Ahnung. Sie hat Erregungszustände, krampft auch ziemlich, laut Wikipedia wird Haldol übrigens durchaus als Kombinationspräparat in der Schmerztherapie gebraucht, aber keine Ahnung. Mir ging's auch nicht darum, jetzt den Fall dieser Patientin groß auszudiskutieren, sondern das war der Aufhänger für das kurze Gespräch zwischen den beiden Assis - wie geschildert. Ich hab mich halt dann in den Altenpflegeforen ein bisschen über das Haldol informieren, und wollte hier verschiedene Meinungen anhören.

Ist ein bisschen anstrengend, jede einzelne Frage genauestens noch einmal rechtfertigen zu müssen, dafür gibt es nämlich keinen Grund. Nicht an Dich gerichtet, sondern ganz allgemein: Wer keine Lust hat, eine bestimmte Frage zu diskutieren oder zu beantworten, soll einfach den betreffenden Thread ignorieren. So schwer kann das nicht sein.

Evil
25.03.2007, 22:45
Das durchblickt keiner hier. Die Person ist nach einhelliger Meinung in der Pflegeindeutig präfinalFrag doch mal die behandelnden Ärzte, vielleicht haben sie ja einen guten Grund, warum sie so therapieren....

Roxane
25.03.2007, 23:07
Frag doch mal die behandelnden Ärzte, vielleicht haben sie ja einen guten Grund, warum sie so therapieren....

Das hat der Oberarzt beschlossen - die Assis da zu fragen, bringt wahrscheinlich gar nichts. Das ist wirklich ganz fürchterlich, ich hab schon einige sterbende Patienten gesehen, aber das ist der Gipfel - gibt ja kaum eine Medikation, die die nicht hat. Erst wurde die Therapie reduziert, jetzt läuft Maximaltherapie. Auf meine Frage, warum sie nicht auf die Intensiv gelegt wird, kam nur ein 'ist ja präfinal' was tatsächlich so ist. Ich hab schon Leute gesehen, von denen einige Assis gesagt haben, die liegen im Sterben und die jetzt wieder einigermaßen quietschlebendig sind - aber bei der Frau ist nichts, absolut nichts mehr zu holen und die hält man nur am Leben, indem man absaugt, Perfusoren höherstellt und Infusomaten füllt. Ganz schrecklich, versteht auch niemand, weil es kein Sterben sondern ein einziges darben ist. Ich schätze oder vermute Mal, dass das Haldol gegen das Zittern und die körperliche Anspannung (die Arme sind immer zu einem L gebogen und Zittern) genommen wird, aber viel helfen tut's nicht, zudem ist die Atmung auch katastrophal, kannst eigentlich gleich einen Dauerabsauger verwenden (der Nikotinabusus hat wohl auch nicht unwesentlich dazu beigetragen). Der langen Rede kurzer Sinn: Die Frau liegt quasi irreversibel im Sterben, und ich hab so was echt noch nicht gesehen.

EDIT: Begründung sind einigermaßen akzeptable Laborwerte - aber wie heißt es so schön, man muss den Menschen ganzheitlich sehen und nicht nur sein Bein, seinen Blutwert oder seine Sinusitis. Ein Mamma CA hat sich auch gehabt übrigens, fällt mir grad ein. Wenn ich noch weiter überlege, fallen mir noch wahrscheinlich zig andere Dinge ein. Daran kannst Du schon sehen, wie schlimm das ist. Ich kann gar nicht mehr aufhören mit dem Kopfschütteln.

test
25.03.2007, 23:49
Naja, ich denke es ist schwierig hier ein Statement zu so einem Fall abzugeben, wenn man nicht alle Details kennt und auch eventuell nicht überschauen/nachvollziehen kann.

Allgemein ist es aber so, dass Neuroleptika in der Schmerztherapie eingesetzt werden können zur Wirkungsverbesserung von Opioden und damit Dosisreduktion der Opiode erzielt werden kann.

Rico
26.03.2007, 01:27
Das ist wirklich ganz fürchterlich, ich hab schon einige sterbende Patienten gesehen, aber das ist der Gipfel - gibt ja kaum eine Medikation, die die nicht hat. Erst wurde die Therapie reduziert, jetzt läuft Maximaltherapie. Auf meine Frage, warum sie nicht auf die Intensiv gelegt wird, kam nur ein 'ist ja präfinal' was tatsächlich so ist. Hat evt. die Patientin oder ihre Angehörigen den Behandlungswunsch geäußert?

Wir haben beispielsweise auch schon mit Patienten vereinbart, auf Normalstation "alles" zu machen, aber falls er/sie sich trotzdem weiter verschlechtert, dann keine Intensivverlegung mehr zu machen und den Dingen und normalstationären Bedingungen ihren Lauf zu lassen.

Ist wie ich finde kein schlechter "Kompromiss" zwischen Maximalmedizin und einer Limitierung des Leidens, wenn eine Hospizverlegung nicht möglich oder gewünscht ist - führt halt leider öfters zu häßlichen Szenen auf Station.

Tombow
26.03.2007, 02:14
Back 2 Haldol:

Im Chirurgie-Tertial meines PJ hatten wir folgenden Fall:

Patientin Mitte/Ende 60, dialysepflichtig, lag bei uns im Z.n. radikaler Kolektomie + Ileostoma-Anlage bei totaler Kolon-Nekrose. Den Eingriff hat sie körperlich gut überstanden, war aber in der Nachfolgezeit über 2 Wochen in einem andauernden verwirrt-agitierten Zustand. Laut Fremdanamnese vom Ehemann sei sie schon vorher leicht verwirrt gewesen. Wir dachten an ein länger andauerndes Durchgangssyndrom und ordneten psychiatrischen Konsil an. Da hatte ich Zeit, mich mit dem konsiliarisch hinzugezogenen Psychiater zu unterhalten bzw. ihm vor dem Konsil eine Fallvorstellung (inkl. Fragestellung) zu machen. Auf Vorschlag des Psychiaters bekam die Patientin Haldol.

Nachdem er die Patientin gesehen hat (er nahm sich wirklich die Zeit dafür) erklärte mir der Psychiater (ein Hoch auf dem Kollegen, der sich soviel Zeit für die Fragen eines kleinen dummen PJlers nahm), daß unsere Einschätzung im Grunde genommen richtig gewesen ist und die ganze Symptomatik zum größten Teil somatisch (mit)bedingt ist. Dann ging es um die Psychodynamik des Zustandes, da meinte er, es ginge darum, daß die Patientin rein vom organischen Hirnstatus her nicht mehr die kognitiven Ressourcen hätte, ihren aktuellen Zustand zu bewältigen, von der rein psychischen Seite eines solchen Ereignisses ganz abgesehen. So erklärte er mir, daß der aktuelle Zustand der Patientin (grob wiedergegeben, leider erinnere ich mich nicht mehr an die exakten Worte) als eine Art "Kurzschluß im Gehirn" bei extremster Reizüberflutung von allen Seiten. Für mich klang das schlüssig - ein nicht mehr so junges und gewiß vorgeschädigtes Gehirn arbeitet auf vollen Touren und da bricht was auseinander, dennoch setzt es seine Arbeit fort.

Die Begründung für die Haldol-Medikaton lag auch darin (hier erinnere ich mich an dem exakten Wortlaut): "die Behandlungsmöglichkeit ist, diesen Zustand einfach 'herunterzubremsen' und damit der Patientin die Möglichkeit geben, alles zu ordnen". Was zumindest für mich nach wie vor schlüssig klingt. Wie oft hört man schon im normalen Alltag die Worte: "schalt' mal nen Gang runter" oder "eins nach dem anderen", wenn man auf einmal wild am Rotieren und von allen Seiten mit irgendwas konfrontiert wird. Zum Nachdenken an die Neuroleptika-Verteufler - diese Tips sind im Alltag sicherlich oft richtig und gutgemeint, aber wie oft ist es so, daß diese Worte nicht einmal bei "normalen" Menschen nicht immer wirken bzw. befolgt werden? Was für Möglichkeiten hat mann denn sonst, die Aktivitäten eines dementen Patienten zu bremsen?

Persönlich denke ich, daß man Neuroleptika bei dementen Patienten in keinster Weise als "Abschießen" verteufeln kann. Sicherlich tut man nicht immer (oder nicht nur) gutes damit, aber solange wir keine detailierten oder firsthand-Erfahrungen über die Vorgänge in ein dementes Gehirn erhalten, bin ich eher dafür als dagegen.

Aenima-constructa
08.06.2007, 00:00
Haldol ist der letze Dreck! Ein Patient verfiel in totale Katatonie, Gelenkstarre setze ein. Es ist wiedermal einfach nur so einMittel, mit dem man die Patienten abschießt. Ähnlich lähmend wie Truxal, Faustan und andere Bulletts dieser Art.

Tombow
08.06.2007, 00:06
Haldol ist der letze Dreck! Ein Patient verfiel in totale Katatonie, Gelenkstarre setze ein. Es ist wiedermal einfach nur so einMittel, mit dem man die Patienten abschießt. Ähnlich lähmend wie Truxal, Faustan und andere Bulletts dieser Art.

Scheint so, als würdest du selber Haldol brauchen. Oder vielleicht DAS hier:
http://www.medi-learn.de/medizinstudium/foren/attachment.php?attachmentid=5029&stc=1

SidVicious
08.06.2007, 00:11
so weit ich mich erinnere haben auch viele Neuroleptika( bitte korrigiert mich, wenn ich irre) die eigentschaft einem Schemrz ruhiger entgegenzusehen.
Ist sehr einfach ausgedrückt, soweit ich mich an die beschreibung erinnere war es so eine Art dissozieren des Schmerzes.

Gruß

SidV

PS: Danke Tom für den Link

Aenima-constructa
08.06.2007, 00:33
Wie dem auch sei. Wirkung und Nebenwirkung dieses Neuroleptikums stehen in keinem Verhältnis zueinander. Jedenfalls in keinem ausgewogenem.
Patienten dienen deshalb nach wie vor als Versuchskaninchen.