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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Hirntoddiagnostik



Relaxometrie
20.04.2007, 21:57
Wann wendet man die Hirntoddiagnostik an? Gibt es noch andere Gründe, als die Hirntod-Feststellung vor Organentnahme eines Organspenders?
Darüber habe ich mich mit einer Kommilitonin unterhalten und bin unsicher geworden.
Ich dachte, daß die Methode der Hirntoddiagnostik deswegen entstanden ist, weil man einen Organspender eben nicht einfach sterben lässt, weil die Organe ja möglichst lange perfundiert werden sollen. Deswegen wird der Patient noch beatmet und damit wird die Sauerstoffversorgung sichergestellt.
Aber ohne die Möglichkeit der Organtransplantation bräuchte man das Instrument des Hirntodes doch eigentlich nicht, denn man würde irgendwann die Apparate abschalten (um das jetzt mal ganz einfach auszudrücken) und die althergebrachten sicheren Todeszeichen (Flecken, Starre, Fäulnis) wären Beweis genug, daß der Patient tot ist.
Jetzt, während ich das hier schreibe, denke ich, daß der Hirntod ein Produkt der gesamten Intensivmedizin und unabhängig von möglicherweise stattfindenden Organtransplantationen ist.
Ich habe die Durchführung der Hirntoddiagnostik nie direkt mitbekommen und kenne deswegen keine Beispiele.
Bei welchen Krankheitsverläufen habt Ihr die Hirntoddiagnostik schonmal erlebt?

Yash
20.04.2007, 23:34
Gibt es noch andere Gründe, als die Hirntod-Feststellung vor Organentnahme eines Organspenders? ...
Aber ohne die Möglichkeit der Organtransplantation bräuchte man das Instrument des Hirntodes doch eigentlich nicht, denn man würde irgendwann die Apparate abschalten (um das jetzt mal ganz einfach auszudrücken) und die althergebrachten sicheren Todeszeichen (Flecken, Starre, Fäulnis) wären Beweis genug, daß der Patient tot ist.


Sie stellt den Tod fest!
Dies ist eine sichere Entscheidungsgrundlage
für einen Therapieabbruch!

Bevor man irgendwelche Apparate abschaltet (mal ganz einfach ausgedrückt) sollte man Intoxikationen,
dämpfende Wirkung von Medikamenten,
Relaxation, primäre Hypothermie,
Kreislaufschock, Koma bei metabolischer,
endokriner oder entzündlicher Erkrankungen unbedingt ausschließen. Deshalb sind die Untersucher zwei Ärzte mit mehrjähriger Erfahrung
in der Intensivbehandlung von Patienten
mit schweren Hirnschädigungen
(unabhängig voneinander, nicht an
Entnahme oder Übertragung beteiligt).


Klinische Symptome sind:
Koma!
Ausfall der Hirnstammreflexe
(beidseits erloschener Pupillen-Lichtreflex,
beidseits erloschener Cornealreflex,
Trigeminus-Schmerzreaktion fehlt,
fehlender Pharyngeal- und Trachealreflex,
okulozephaler Reflex fehlt (Puppenkopf-Phänomen),
Ausfall der Spontanatmung ( Apnoe-Test )

Die Irreversibilität muss zusätzlich mit apparativer
Diagnostik nachgewiesen werden.
Nachweis des Ausfalls der hirneigenen
elektrischen Aktivität,
Nachweis des progredienten, konsekutiven Verlustes
oder Ausfalls der evozierten Potentiale (AEP/SEP)
Nachweis des cerebralen Perfusionsstillstandes
(Transkranielle Dopplersonographie,
Perfusionsszintigraphie).

Vietcong
21.04.2007, 00:44
Die Irreversibilität muss zusätzlich mit apparativer
Diagnostik nachgewiesen werden.

Das hängt vom jeweiligen Land ab, da gibt es unterschiedliche Regelungen.

Relaxometrie
21.04.2007, 00:59
Mit dem genauen Procedere der Hirntoddiagnostik habe ich mich auseinandergesetzt und ich kenne den Ablauf, der laut Transplantationsgesetz von der Bundesärztekammer bestimmt wird.
Die Vorgehensweise "Voraussetzungen, klinische Symptome und Nachweis der Irreversibilität" ist mir klar.

Meine Frage war nicht "Wie funktioniert die Hirntoddiagnosik?", sondern
"Wann wird sie, außer vor einer geplanten Organentnahme zwecks Transplantation noch angewendet?"

Yash
21.04.2007, 11:07
"Wann wird sie, außer vor einer geplanten Organentnahme zwecks Transplantation noch angewendet?"

Naja...vor jedem Therapieabbruch halt.
Also bevor man die kontrollierte Beatmung, die medikamentöse Therapie usw. aussetzt!

Mit dem Hirntod ist naturwissenschaftlich-medizinisch der
Tod des Menschen festgestellt!
Bei fortgeführter maschineller
Beatmung würde der Hirntote unausweichlich eine Asystolie entwickeln.
Also nochmal!!!! Hirntod = Tod!
Natürlich muss unabhängig vom Hirntodprotokoll die amtliche Todesbescheinigung ausgefüllt
werden. Datum und Uhrzeit des festgestellten Todes
sind mit den Angaben im Hirntodprotokoll identisch!

Bis zum nächsten mal....

:-music

Relaxometrie
21.04.2007, 11:41
Also nochmal!!!! Hirntod = Tod!

Entschuldige bitte, aber daß der Hirntod = Tod bedeutet, ist mir auch klar.
Das wollte ich nur mal kurz erwähnen, weil es hier irgendwie so aussieht, als ob ich weder das Hirntoddiagostikprocedere, noch den Zustand des Hirntodes begreifen würde.

Meine Frage war eine andere :-nix

Yash
22.04.2007, 14:30
Meine Frage war eine andere :-nix

Sorry, dann habe ich dich wohl nicht verstanden! :-peng

DocOliver
22.04.2007, 15:03
Wann wendet man die Hirntoddiagnostik an? Gibt es noch andere Gründe, als die Hirntod-Feststellung vor Organentnahme eines Organspenders?

Ja, in der Komadiagnostik.

McBeal
22.04.2007, 15:18
Während meiner ersten Famulatur in der Päd ist ein Kind an einer Meningitis gestorben (Hirnödem, keine Perfusion mehr im MRT/CT). Es war auch noch fünf Tage "an den Maschinen", obwohl eigentlich schon klar war, dass das leider nichts mehr wird und dann ist die Hirntoddiagnostik durchgeführt worden. Das Null-Linien-EEG habe ich noch irgendwo ausgedruckt, weil der Fall mich doch ziemlich bewegt hat...
Das war also ein Fall, wo diese Diagnostik angewendet wurde und es nicht um Organspende ging.

LG,
Ally

Skalpella
22.04.2007, 15:37
Zum EEG: ein Nullinien- EEG hat man auch in tiefer Vollnarkose. Es gehört auch nicht zu den Standardverfahren der Hirntoddiagnostik.

DocOliver
22.04.2007, 16:05
Ein Nullinien- EEG hat man auch in tiefer Vollnarkose.

Hhhm, interessant, weil nämlich falsch. Unter Vollnarkose verschiebt sich zwar der Frequenzgehalt des Wach-EEGs zu nieder frequenten Wellen, eine Null-Linie hat man jedoch nicht. Es sei denn, der Anästhesist hat nicht aufgepasst. Oder das Gerät ist defekt. :-))

Skalpella
22.04.2007, 16:10
Hab ich mal in einer Fortbildung zum Thema Organspnde gehört. Wurde von einer Ärztin von Eurotransplant gehalten. Hatte ich jetzt leider nicht mehr verifiziert... :-blush


Hhhm, interessant, weil nämlich falsch. Unter Vollnarkose verschiebt sich zwar der Frequenzgehalt des Wach-EEGs zu nieder frequenten Wellen, eine Null-Linie hat man jedoch nicht. Es sei denn, der Anästhesist hat nicht aufgepasst. Oder das Gerät ist defekt. :-))

hypnotel
22.04.2007, 17:35
Hhhm, interessant, weil nämlich falsch. Unter Vollnarkose verschiebt sich zwar der Frequenzgehalt des Wach-EEGs zu nieder frequenten Wellen, eine Null-Linie hat man jedoch nicht. Es sei denn, der Anästhesist hat nicht aufgepasst. Oder das Gerät ist defekt. :-))

Warum sollten dann Nullinien ableitbar sein, wenn der Anästhesist 'nicht aufpasst'? :-top

In der hiesigen Gasabteilung misst man die Hirnaktivität bei bestimmtem Patientengut mittels BIS (Bispektralindex; vgl auch 'Narcotrend'). Zweifellos auch Nullinien darunter; die Technik ist noch nicht ganz ausgereift, zudem werden die Elektroden oft nachlässig angebracht, oder man misst die Hirnaktivität des Springers ;-)

DocOliver
25.04.2007, 16:05
Warum sollten dann Nullinien ableitbar sein, wenn der Anästhesist 'nicht aufpasst'?

Bist Du mittlerweile selbst auf die Antwort gekommen? :-))



In der hiesigen Gasabteilung misst man die Hirnaktivität bei bestimmtem Patientengut mittels BIS (Bispektralindex; vgl auch 'Narcotrend'). Zweifellos auch Nullinien darunter; ...

Ich habe täglich mit Narcotrend zu tun. Sicher sind Nullinien dabei, aber nur vereinzelt. Ver-eeeeeeeein-zeeelt.

Relaxometrie
25.04.2007, 18:37
Schön, daß sich doch noch eine Diskussion entwickelt :-)
Da habe ich jetzt auch noch eine Frage:

Bei der Hirntoddiagnostik wird u.a. zwischen supra- und infratentoriellen Hirnschäden unterschieden.
Wenn der Hirntod aufgrund einer infratentoriellen Schädigung nachgewiesen werden soll, ist das Procedere strenger, denn man muß auf jeden Fall den Nachweis eines Null-Linien-EEGs oder eines zerebraler Zirkulationsstillstandes erbringen. Warum?
Trotz intensiven Nachdenkens bin ich nicht selbst auf die Lösung gekommen.
Wer kann helfen?

Doctöse
25.04.2007, 18:57
Bei einer primär infratentorielle Hirnschädigung ist ein EEG oder Nachweis des
zerebralen Zirkulationsstillstands obligatorisch, weil auch nach Ausfall des Hirnstammes noch kortikale Restaktivität möglich ist. Deswegen das strengere Procedere bei infratentoriellen Schädigungen.

Nemesisthe2nd
25.04.2007, 23:35
nimm jemanden der locked-in ist... die schädigung ist infratentoriell, aber das bewusstsein ist erhalten...

surfsmurf
26.04.2007, 08:39
@Relaxometrie: Eingeführt wurde das Konzept des Hirntodes 1968 von einem Kommittee der Harvard Medical School. Hintergrund war im Wortlaut des Kommittees folgender:

(1) Improvements in resuscitative and supportive measures have led to increased ef*forts to save those who are desperately injured. Somtimes these efforts have only pa*tial succes so that the result is an individual whose heart continues to beat but whose brain is irreversibly damaged. The burden is great on patients who suffer permanent loss of intellect, on their families, on the hospitals, and on those in need of hospital beds already occupied by these comatose patient. (2) Obsolete criteria for the defini*tion of death can lead to controversy in obtaining organs for transplantation.

Hoffe, es half :)
Smurf