PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Trainingscenter - kurze Fälle



Seiten : [1] 2 3 4

Sebastian1
21.04.2007, 20:56
Hoi,

viele von uns sehen sicher oft spannende Sachen oder eben Diagnosen, die man nicht so oft zu Gesicht bekommt. Oft sind die aber nicht als komplexer Trainingscenter-Fall darstellbar.
Wir haben zwar die Ambulanz-Threads, aber hier sollen mal ein paar Fallbeispiele rein, die kurz und trotzdem interessant sein sollen - jede Fachrichtung gewünscht.

Vorgehen: Anamnese, Klinik, Labor, erweiterte Diagnostik, Diagnose.
Bitte nicht gleich dazwischenrufen, wenn Ihr die Antwort zu kennen glaubt :)

Ich mach mal den Start:

65jährige Patientin wird vom Rettungsdienst in die Ambulanz gefahren. Der Ehemann hatte den RD gerufen, weil seine Frau "so komisch sei".
Ihr kommt rein und seht eine Frau im guten Allgemeinzustand, sehr gepflegt. Der RD ist schon wieder abgedampft und Ihr seid mit der Patientin und deren Ehemann zu Hause. Dann mal los :)

Ersa
22.04.2007, 08:31
Ja, was ist denn los? Warum hat er denn den RD gerufen? Was war denn "komisch"? Seit wann? usw.
Vorerkrankungen? Medis?

FataMorgana
22.04.2007, 08:58
Damit die Frau nicht bockig wird, würde ich mich erst ihr zuwenden. Fragen, ob sie Beschwerden hat. Bei der Gelegenheit gleich auf die Sprache und (unauffällig) auf die Orientierung achten. Nach Vorerkrankungen und Medis kann man sie auch selbst fragen. Den Ehemann würde ich primär erst einbeziehen, wenn ich den Eindruck habe, die Angaben der Frau seien nicht zuverlässig.

Sebastian1
22.04.2007, 15:24
Okay, also:

Ihr wendet euch der Frau zu. Schnell merkt ihr, dass sie gar nicht weiss, warum sie im Spital ist. Sie antwortet auf Fragen adäquat, scheint psychomotorisch aber eher verlangsamt zu sein. Sie kann euch weder das Datum nennen noch wie sie ins Krankenhaus gekommen ist. Fragen nach Ihrem Geburtsdatum oder ihrer Adresse aber beantwortet sie klar. Insgesamt freundlich zugewandt.

Der Ehemann berichtet, seine Frau sei morgens noch völlig normal gewesen. Er sei dann aus dem Haus gegangen und habe gegen mittag zu Hause angerufen. Da sei ihm seine Frau komisch vorgekommen, woraufhin er zurückgefahren ist. Als er auf dem Rückweg ca 10 Minuten nach dem ersten Anruf nochmals anrief, erinnerte sich seine Frau nicht mehr an den ersten Anruf. Daraufhin habe er noch von unterwegs den Rettungsdienst alarmiert und sei fast zeitgleich mit diesem zu Hause angekommen. Er ist dann dem RTW hinterhergefahren und ist jetzt ziemlich besorgt.

Nemesisthe2nd
22.04.2007, 18:42
Hmmm.... ok, da kommen ja ein paar Sachen in frage...

auf jeden fall hat die gute frau eine retrograde amnesie...

ich würde mal in den mund nach einem Zungenbiss schauen oder ob sie eingenässt hat bzw. dezent danach fragen (Krampfanfall)

dann noch bodycheck und nach sturzzeichen suchen (z.n. Sturz mit Comotio cerebri oder irgendein anderes Cerebrales ereigniss wie Blutung oder Ischämie)
wie siehts mit den Pupillen (anisokorie, lichtreaktion?) und den restlichen Hirnnerven?

und noch nach Medikamenten oder bekannten vorerkrankungen fragen (Epilepsie, Atherosklerose usw.)

Sebastian1
22.04.2007, 20:30
Kein Zungenbiss, kein Einnässen, keine vorbekannte Epilepsie, keine Traumazeichen.
Hirnnervenstatus komplett unauffällig.
An Vorerkrankungen ist nur eine art. hypertonie bekannt, behandelt mit Nifedipin.
Vitalparameter: RR 195/90, P 76/min, SpO2 98% bei Raumluft, afebril.

Fino
22.04.2007, 22:25
Blutzucker?

Sebastian1
22.04.2007, 22:39
132 mg/dl.

Zoidberg
22.04.2007, 23:20
jetzt ist ja schon ein wenig Zeit vergangen, ich würde sie nochmals fragen, ob sie sich an den RD erinnert, dann, ob sie sich an die erste Zeit in der Rettungsstelle erinnert und ob sie sich an uns erinnert. Fragt sie denn immer "Wo bin ich, was mach ich hier" ;-)

Sebastian1
22.04.2007, 23:43
Sie weiss nciht wie sie ins Krankenhaus gekommen ist, realisiert aber offenbar, das sie da ist. Was los ist versteht sie nicht.

hypnotel
23.04.2007, 00:02
Sonst neurologisch etwas auffällig beim groben Check? Asymmetrien in Kraft/Motorik? Typische Sprachveränderungen?
weiterhin, Hautturgor, Kolorit? Schweissigkeit?
(C2-Anamnese?)

ChillenMitBazillen
23.04.2007, 00:35
Hinweise für Medikamenten-Intox? Streit mit Ehemann? Psychose?

Wenn Intox, BZ-Entgleisung, E'lyt-Entgleisung, Infekt, Exsikkose und hypertensive Krise als Ursachen ausgeschlossen sind, würde ich in Anbetracht des relativ jungen Alters der Patientin recht fix ins cCT fahren.

Fino
23.04.2007, 01:27
Hinweise für Medikamenten-Intox? Streit mit Ehemann? Psychose?

Wenn Intox, BZ-Entgleisung, E'lyt-Entgleisung, Infekt, Exsikkose und hypertensive Krise als Ursachen ausgeschlossen sind, würde ich in Anbetracht des relativ jungen Alters der Patientin recht fix ins cCT fahren.

*zustimm*

Tombow
23.04.2007, 01:38
Patientin sei "komisch" gewesen, hat eine Amnesie für das Ereignis, ist aber anscheinend in der Zeit wach und soweit orientiert gewesen (bis auf die Episode mit dem Anruf)...soweit unauffällig und wie es aussieht, auch stabil, einzig und alleine scheint sie etwas psychomotorisch verlangsamt zu sein. Mit CCT und weiterer Diagnostik haben wir also vorerst Zeit, es sei denn, da ist was auffällig. Nützen wir die für eine genauere Anamnese...falls bis dato nicht gefragt wurde, was passiert ist, dann nachholen. Ist sowas ähnliches schon früher vorgekommen, falls ja nachfragen, wann, wie was. Bei ähnlichen Ereignissen in der Voranamnese genauer nachfragen, sind die Erinnerungen an die Zeit dann nach und nach gekommen? Anamnese auf banale Erkrankungen in letzter Zeit (grippale Infekte, etc.)? Bevor man mit der Patientin all das abzieht, könnte man auch Labor abnehmen (BB, CRP, E-Lyte, H'stoff, Krea, Transaminasen, LDH, CK/CK-MB, BGA), falls gerade auch ein Sättigungsmonitor greifbar, die O2-Sättigung auch kurz überprüfen ein EKG schreiben (soweit dies nicht schon durch NA gemacht worden) und die Gesprächszeit auch effektiv nutzen, gleichzeitig einen kompletten neurologischen und internistischen Status zu erheben. Dabei aufpassen, wirkt die Patientin irgendwie dysphorisch, fällt vielleicht eine Dysarthrie auf?...falls Angehörige anwesend, auch die danach (möglichst separat) befragen. Ist man sich nicht sicher, könnten wir die Lady immer noch danach ins CCT schicken. Aus dem erhöhten BZ würde ich mir vorerst nichts ausmachen, die liebe Frau hat bestimmt zu der Tageszeit nicht so lange vorher gegessen. Wobei, auch das gehört anamnestisch eindeutig abgeklärt - eine transiente Hypoglykämie wäre da nicht ganz ausgeschlossen...wie alt ist die Patientin eigentlich? Familienanamnese im Bezug auf Diabetes?

Soweit habe ich den Verdacht, es könnte sich um eine TGA (transitorische globale Amnesie) handeln (wobei, die psychomotorische Verlangsamung paßt da nicht 100%ig dazu) oder eine Absencen-Epilepsie (wo wiederum die vom Ehemann angegebene Ansprechbarkeit mit Amnesie während der Episode nicht so gut paßt). Internistisch verdächtige Sachen wären wie gesagt eine transiente Hypoglykämie oder (ich weiß, weit hergeholt) eine bisher nicht diagnostizierte COPD, die zu einer zeitweiligen CO2-Benommenheit/Narkose geführt hat. Eine ICB oder SAB stelle ich als Verdachtsdiagnosten zwar auf die Liste, aber nach den oben genannten.

Und FM hat einen sehr guten (und sehr wohl praktikablen) Tip - die Angaben der Frau immer gegenchecken, Ehemann ist ja anwesend.

Wenn man sich gerade im Dienst langweilt und noch genug freie Betten da sind, würde ich die Patientin auch vor Erheben/Eintreffen entsprechend auffälliger Befunde stationär aufnehmen. Ansonsten erst einmal CCT und Labor abwarten.

Sebastian1
23.04.2007, 13:47
Okay, ist ja recht viel fundiertes gekommen:

Die neurologische Untersuchung zeigt sich komplett unauffällig: Hirnnervenstatus, Motorik- und Kraftprüfungen, Sensibilität, Reflexstatus, Halte- und Zeigeversuche etc. Auch das befolgen komplexer Anweisungen klappt ohne jedes Problem.
Der Ehemann (der, soweit man das in der Situation beurteilen kann, einen feundlichen, aufgeschlossenen Eindruck macht) sagt, an Stress habe es höchstens die Renovierung eines Ferienhauses gegeben, aber das habe seiner Frau Spass gemacht. Probleme oder Streitigkeiten gäbe es auch im erweiterten Familen- und Freundeskreis keine akuten. Ebenso wird die Frage nach Suizidalität erschrocken zurückgewiesen, auch sind nach seinem Wissen keine Tabletten oder anderen Stoffe im Haus, die man versehentlich hätte (mit den an der Patientin zu sehenden Folgen) sehen können.

Die weitere apparative Diagnostik:
EKG: Sinusrhythmus, Indifferenztyp, keine ERBS, f 72/min.
CCT: altersentsprechender Normalbefund (die Frau ist übrigens 65, Tombow, stand irgendwo weiter oben schon).
Labor: bis auf die leicht erhöhte Blutglukose keine Auffälligkeiten, insb. Herzenzyme, Gerinnung inkl. D-Dimeren (falls jemand auf die Idee kommt zu fragen) und Entzündungsparameter unauffällig.

Keine positive Anamnese für Diabetes oder Epilepsien in der Familie.

Sebastian1
23.04.2007, 13:49
Soweit habe ich den Verdacht, es könnte sich um eine TGA (transitorische globale Amnesie) handeln.

Treffer, versenkt :-) (Aber heissts nicht transiente globale Amnesie oder ist das synonym zu verwenden?)

Fand ich einfach mal nett vorzustellen, weil man es ausserhalb der Neurologie nicht soo oft zu sehen bekommt und es einen ganz schön in die Irre führen kann, wenn man das Krankheitsbild noch nie gesehen hat :-)

Danke fürs mitmachen, will noch jemand einen kurzen Fall einfügen?
Ansonsten schau ich mal, was mir noch so einfällt oder über den Weg läuft :-)

Flemingulus
23.04.2007, 13:57
Wieder was dazugelernt! :-top

Sebastian1
23.04.2007, 14:43
Für weitere Infos zur TGA übrigens hier zum Nachlesen:
http://www.dgn.org/136.0.html

test
23.04.2007, 22:09
Hallo,

hier mal ein kurzer dermatologischer Fall, der sicher nicht einfach zu lösen ist ;).
Patient kommt zu euch in die Ambulanz einer Uniklinik mit seit 8 Monaten bestehendem, juckendem Hautausschlag am gesamten Körper. Er war bereits bei drei Dermatologen und hatte auch schon zwei Biopsien, eine zeigte epidermale Spongiose mit inflammatorischem Infiltrat an der DEJ Zone und die andere Nekrosen einzelner Keratinozyten und ein inflammatorisches Infiltrat der DEJ Zone.
Zwei Wochen vor Beginn des AUsschlags hat er einen ACE Hemmer neu begonnen, wurde dann gestoppt, was allerdings zu keiner BEsserung geführt hat, ansonsten keine neuen MEdikamente vor Beginn des Ausschlags.

Untersuchungsbefund:
Am gesamten Körper inkl. Handinnenfläche und Fußsohlen ca. 2-4mm große Papeln mit erythematöser Basis oft mit zentralen hämorrhagischen Krusten. Teils auch nur erythematöse Makeln und teils hyperpigmentierte Maculae an Stellen, die wohl bereits abgeheilt sind.

Vorschläge zur DD?
Weitere Fragen? :)

Flemingulus
24.04.2007, 10:00
Oweh.

Na vielleicht noch erst ein paar Fragen:
Wie alt ist der Patient?
Wie stark ausgeprägt ist der Juckreiz? Gibt es auch andere Sensationen, etwa Brennen, Spannungsgefühl etc.?
Jucken nur die Papeln oder auch die erythematösen Flecke?
Nahrungsunverträglichkeiten bekannt?
Andere Vorerkrankungen bekannt?

Inspektion:
Multiple Kratzeffekte vorhanden? Exkoriationen?
Symmetrische Verteilung der Effloreszenzen? Gruppierung?
Schleimhäute o. B.?
Kopfhaut o. B.?

EDIT: und natürlich: was wurde schon alles therapeutisch unternommen?