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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : organische Ursachen für Psychose



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DianeC
14.07.2007, 17:47
Wir haben eine 62jährige Patientin mit einer ganz plötzlich aufgetretenen paranoid-psychotischen Symptomatik. Mein Oberarzt wird mich nicht in Ruhe lassen, bevor ich ALLE möglichen organische Ursachen ausgeschlossen habe.
Fällt euch was ein?

Die hat nicht sonst fast nichts, hatte mal supraventrikuläre Tachykardien vor Jahren, weswegen sie seit 15 Jahren Propafenon einnimmt. Bis vor 1 Jahr lange Opipramol wegen depressiver Verstimmung eingenommen. Keine anderen Medikamente. MRT war unauffällig, CRP ist 5 (seit 4 Wochen), TSH war in einem Labor hoch, im letzten normal, dafür war T3 niedrig. Lumbalpunktion lehnt sie ab. Kein Alkohol, keine Benzos usw. Kein Hinweis auf Demenz.

Was hat die bloß? Hilfe!

Lava
14.07.2007, 17:53
Nimmt sie Steroide?

DianeC
14.07.2007, 17:56
Wirklich KEINE anderen Medis, jemals in ihrem Leben. Die Dame ist da heikel.

Hellequin
14.07.2007, 18:08
ZNS-Virusinfektion? Muss ja nicht zwangsläufig einen CRP-Anstieg machen.

schwarzwald
14.07.2007, 18:25
Oder auch ein Tumorgeschehen ?

(auf der Station für endogenen Psychosen hatten wir auch mal ´nen Patienten mit Frontallappentumor, relativ klein, aufgefallen nur durch die akuten Psychose...)

Muriel
14.07.2007, 18:27
der hätte aber doch im MRT sichtbar sein sollen, oder?

schwarzwald
14.07.2007, 18:31
:-blush das MRT hatte ich übersehen, sorry :-nix

DianeC
14.07.2007, 18:32
Ich glaube langsam nicht mehr ernsthaft an die Enzephalitis, weil die inzwischen seit 6 Wochen psychotisch und seit 4 Wochen stationär ist. Wenn es eine Virusenzephalitis ist, wäre es dann nicht langsam mal Zeit, dass die sich durch irgendein anderes Symptom zeigt?

Und Tumore, die man im MRT nicht sieht, gibt es hoffentlich nur bei Dr. House... ;-)

Hellequin
14.07.2007, 18:38
Wir hatten mal einen Patienten mit Psychose bei dem man den Bornavirus nachgewiesen hat. Hab das damals interessehalber nachgelesen, und anscheinend macht der beim Menschen eher selten körperliche Symptome.

Tombow
14.07.2007, 18:40
Hmmm....welche Sequenzen sind beim MRT gelaufen? Falls noch nicht gemacht, TSE, T2* und FLAIR ggf. nachholen. Es gibt eine seltene Erkrankung, die manchmal sich so manifestieren mag und mit einer idiopathischen Leptomeningeosis eingeht....ist aber so selten, daß die MRT-Befundung eher eine Sache für erfahrene Neuroradiologen ist. Habe bisher zwei Fälle gesehen und einer davon manifestierte sich fast mit der gleichen Symptomatik (akut einsetzendes HOPS ohne erkennbare Ursache).

Das ganze hat akut eingesetzt...nach einer chronischen Vergiftung klingt es nicht gerade. Keine Schlafmittel eingenommen in der Zeit? (besonders neuere Benzodiazepin-ähnliche Präparate wie Zolpidem, Zopiclon, etc.?).

Könnte natürlich sein, daß da irgendwas einfach akut dekompensiert ist. Mein Verdacht wären Vergiftungen (Kupfer/Quecksilber), Lymphome mit sekundären Herden im Gehirn oder ein MDS mit sekundärer Verlagerung der Hämatopoese extramedullär. Also:

Irgendwelche weiteren Auffälligkeiten im Labor? (bes. erhöhtes Krea oder so?). Elektrolytenentgleisungen? (bes. erhöhtes Calcium). Großes Blutbild unauffällig?

Weitere Diagnostik: Coeruloplasmin, Kupfer im 24 Std-Sammelurin, PCR zum Ausschluß von Chorea Major, Abdomensono (Niere auffällig?). Im CT/MRT Zeichen eines Hirnödems?

Bei der Therapie dürfte es schwierig sein...von Benzos würde ich primär absehen (nicht daß die Dame was heimlich eingenommen hat und darauf paradox reagiert)...Atosil oder niedrigdosiertes Haldol wären da eher angesagt. Im Hinblick auf eine mögliche idiopathische Leptomeningeosis würde ich es mit einem Kortisonstoß versuchen, aber das ganze noch mit dem Oberarzt absprechen. Einfach so Kortison zu geben bei fehlenden LP-Befunden ist eine heikle Sache. Gibt es bei euch im Haus (oder in der näheren Umgebung) eine gute Neuroradiologie, wo man sich eine zweite Meinung und Empfehlung zur weiteren Diagnostik holen könnte? Dann würde ich das machen.

Hoffe, das hilft.

Linda.1001
14.07.2007, 18:44
Hashimoto Thyreoiditis? Ach nee, das TSH war ja nachher wieder normal.

Upps :-blush

Flemingulus
14.07.2007, 18:46
Könnte natürlich sein, daß da irgendwas einfach akut dekompensiert ist. Mein Verdacht wären Vergiftungen (Kupfer/Quecksilber)

Hatte ich mir auch so überlegt. Tremor vorhanden? (typisches Feature z. B. bei Quecksilbervergiftungen)

Ansonsten halt evtl. infektiös?
Neurosyphilis, -borreliose, -zystizerkose, HIV, Whipple?

edit: Und ansonstenansonsten ist "Psychose" auch als mögliche UAW von Propafenon aufgeführt (allerdings unwahrscheinlich nach so langer Therapiezeit zugegeben). Trotzdem ist das - jetzt so aus der Ferne beobachtet - eher eine komische Medikation, die nach konsiliarischer Überprüfung schreit.

Sebastian1
14.07.2007, 19:11
Weitere Diagnostik: ...PCR zum Ausschluß von Chorea Major...

Setzen bei der Chorea major nicht die Dyskinesien obligat vor den dementiellen Veränderungen ein? Weiss ich grade wirklich nicht, meine aber das irgendwo im Hinterkopf zu haben. Hab bisher erst 2 Patienten damit gesehen, gehört ja glücklicherweise zu den eher seltenen Syndromen.

Ex-PJ
14.07.2007, 19:46
Wir haben eine 62jährige Patientin mit einer ganz plötzlich aufgetretenen paranoid-psychotischen Symptomatik. Mein Oberarzt wird mich nicht in Ruhe lassen, bevor ich ALLE möglichen organische Ursachen ausgeschlossen habe.
Fällt euch was ein?

Die hat nicht sonst fast nichts, hatte mal supraventrikuläre Tachykardien vor Jahren, weswegen sie seit 15 Jahren Propafenon einnimmt. Bis vor 1 Jahr lange Opipramol wegen depressiver Verstimmung eingenommen. Keine anderen Medikamente. MRT war unauffällig, CRP ist 5 (seit 4 Wochen), TSH war in einem Labor hoch, im letzten normal, dafür war T3 niedrig. Lumbalpunktion lehnt sie ab. Kein Alkohol, keine Benzos usw. Kein Hinweis auf Demenz.

Was hat die bloß? Hilfe!


Frage: Ist das MRT wirklich komplett unauffällig? Im Alter > 60 Jahre hat man häufig eine sog. periventrikuläre Marklagergliose (= im CT sog. Leukoenzephalopathie), dieses kann schon mal mit zusammen mit anderen Urasachen wie Infektionen (z.B. Pneumonie, Harnwegsinfekt), Elektrolytverschiebungen oder Blutzuckerschwankungen zu akuten psychischen Veränderungen führen.
Ist schon ein Langzeit-EKG gemacht worden? Nicht daß die Dame zwar einen Sinusrhythmus hat, aber zumindest zeitweilig deutlich (z.B. 36 Schläge/min) zu langsam ist oder Pausen hat, so daß in Verbindung z.B. mit geringer Atheromatose der hirnversorgenden Gefäße im Cerebrum zeitweilig zuwenig Blut/O2 ankommt?

He-Man
15.07.2007, 16:05
Neurosarkoidose, Autoimmunerkrankungen (prim. Vaskulitis des ZNS, SLE usw), Vitamin B12-Mangel, Folsäuremangel fallen mir noch ein.

derAnda
15.07.2007, 16:11
Ist ein TPHA Test gemacht worden ?

Zoidberg
16.07.2007, 13:34
Levy Body Demenz: fluktiert die Symptomatik? Halluzinationen? paradoxe Neuroleptika Reaktion? Kann auch anfängliche ohne starke Gedächtnisstörungen auftreten

Limbische Enzephalitis: als paraneoplastisches Syndrom

DianeC
17.07.2007, 22:19
Danke! Ihr seid Helden! Da waren wirklich ein paar neue Anregungen dabei.
Wir wissen aber immer noch nicht, was die Patientin hat.

Wen es interessiert: die psychotische Symptomatik (paranoider Wahn, optische Halluzinationen, keine Ich-Störungen) verschwindet unter Neuroleptika vollständig innerhalb von ca. 3 Tagen. Jedes Mal wenn wir was reduzieren oder umstellen wird sie sofort wieder komplett verrückt, und ein paar Tage später wieder normal.

Ansonsten: MRT ist wirklich völlig unauffällig, LZ-EKG auch, Krea ist jetzt grenzwertig erhöht, steigt aber komischerweise seit der Aufnahme ganz langsam. Im Diffblutbild waren Leukos erhöht, CRP ist auf 30 gestiegen, auf Nachfrage hatte sie wohl seit einigen Tagen eine Erkältung. Schilddrüse normal, Hormone soweit bestimmt alle normal, nur Prolaktin etwas erhöht. B12, Folsäure normal. Propafenon wurde kardiologisch gesehen und bestätigt. Nach Gesprächen mit verschiedenen Familienmitgliedern und Hausarzt immer noch nicht der geringste Anhalt für Benzos, Alkohol oder irgendeine andere Substanz. Danke für eure Hilfe und immer her mit den Ideen, NICHTS ist zu abwegig! :-))

Rumpelstilzchen
17.07.2007, 22:40
Ist da mal ein EEG gelaufen?

Flemingulus
17.07.2007, 22:56
Tja... wenn es ein Übungsfall gewesen wäre, hätten wir jetzt in der Mitte angefangen. Eigentlich müsst man ja jetzt nochma Anamnese u. köperl. Untersuchung aufdrösen :-oopss

Wenn die Anamnese irgendwas gebracht hätte, wärs ja einfach und Deinen Post gäbs garnicht :-)) von daher nur nochmal kurz zum Abhaken: Andere nennenswerte physische Beschwerden beklagt sie nicht, sie hatte sowas früher noch nie, SHT oder ZNS-Infekte gibt es keine, irgendwelche erwähnenswerten Vorerkrankungen hat sie nicht, keine besonderen kardiovaskulären RF, Beruflich macht sie nix, was einen Hinweis geben könnte (Schwermetall-Expo), Sozialanamnese erbringt nichts Auffälliges, die Familienanamnese ist leer => Nichtzuftreffendes bitte hervorheben :-)

Medikamentenanamnese hatten wir ja schon.

Wie ist es jetzt mit der körperlichen Untersuchung?

Neben dem üblichen insbes. Carotiden frei? Pulse unauffällig? Cor irgendwas besonderes? Und natürlich v. a. neurologisch irgendetwas auffällig? Ein unbehandeltes aber schon sehr fortgeschrittenes Parkinsonsyndrom hat sie nicht zufällig? :-D *sorry kleiner Scherz*

Ist jetzt alles nur der Vollständigkeit halber, da Du etwaiges ja erwähnt hättest... nur damit wir jetzt in der Ordnung bleiben... :-angel

Was ist ansonsten an Untersuchungen außer Labor, Bildgebung und dem erwähnten kardiol. Konsil gelaufen?

=> Augendoks?
Visus unauffällig?
Gibts ne Funduskopie? Papillen o. B.?

Ist hinsichtlich der ansonsten die erwähnten gängigeren Sachen, Wilson, Syphilis & co. und Vaskulitis labormäßig schon was gelaufen?

Außer CRP noch andere Entzündungsparameter erhöht?

Und habt Ihr mal eine Krea-Clearance bzw. Schätzclearance. Welches Ausmaß hat denn die Nierenfunktionsminderung, von der Du gesprochen hast?