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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Sonnenstich



Muriel
18.07.2007, 16:38
Hallo,
ich stell Euch mal eben kurz einen Fall vor, der mich letzte Nacht beschäftigt hat und bitte Euch um Eure Einschätzung.
Einer der Sanis, die unser Haus anfahren, klagte seit gestern Nachmittag über relativ plötzlich einsetzende Sehstörungen vor allem im Nahbereich "da verschwimmt mir alles" gepaart mit Kopfschmerzen, Übelkeit und nachher auch Erbrechen. Das Ganze fing in seinem Dienst irgendwann an, so dass sein Kollege ihn (natürlich gegen seinen Willen, Mediziner halt... ;-) ) zu uns schleppte. Von der Augenseite her keinerlei Vorgeschichte, nicht mal eine Fehlsichtigkeit bekannt. Er sah in der Ferne mit +1,0 1,0, in der Nähe mit einer Addition von +2,0 auch 1,0 allerdings mit Schwierigkeiten (er ist übrigens 30, ab diesem Punkt wurde ich dementsprechend stutzig). Ansonsten vollkommen unauffälliger Augenbefund bis auf extrem weite, nicht bzw kaum lichtreagible Pupillen (weder direkt noch indirekt oder bei Akkomodation). Die Neurologin, die sich den Kollegen angeschaut hatte, hat außer eben dieser Tatsache auch absolut nichts feststellen können. Substanzenabusus/-genuss verneinte er, kein Kontakt zu Pflanzen (z.B. Engelstrompete).
Jetzt meine Frage: Er hat, wie er sagte, vor dem Dienst etwas länger (ca 1,5h) in der Sonne gelegen, zwar mit Kopfbedeckung, jedoch nicht im Schatten. Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen kann ich gut damit übereinbringen, was mit dem Rest? Ich dachte immer, ein "Sonnenstich" sei letztendlich eine meningeale Reizung, die kann ich nicht so recht mit Störungen der Pupillomotorik zusammenbringen.
Hat irgendjemand eine Idee hierzu? Ich habe dem Patienten gesagt, er solle bei Persistenz der Beschwerden mal am nächsten Tag unsere Orthoptik aufsuchen, die da vielleicht auch noch was zu wüssten (ich habe in der Nacht jetzt nicht mit Pilo-Tropf-Versuchen etc angefangen).
Würd mich über Antworten freuen :-)

danke, Muriel

Feuerblick
18.07.2007, 19:24
Wie gerade eben schon gesagt:
Ich würde primär mal auf eine exogene Noxe tippen, denn eine beidseitige innere Okulomotoriusparese ist ja wie ein Sechser im Lotto und daher sehr unwahrscheinlich. Hatte er wirklich keinerlei Augentropfen? Oder vielleicht doch am Abend vorher irgendwas Leckeres eingenommen? Im Garten gearbeitet oder die Fingerchen irgendwo gehabt, wo entsprechende Substanzen sind? Im RD hat man da ja Möglichkeiten und denkt nicht mal dran.

Für die meningeale Reizung spricht die vegetative Reaktion, aber dazu eine beidseitige Mydriasis ist mir bisher nicht untergekommen...

Ich würde den Patienten tatsächlich für den nächsten Tag einbestellen, nochmal draufschauen und dann Pilo (0,1% und 1%) reinkippen. Mal schauen, was daraus wird.
Ach ja, an ne Pupillotonie würde ich nicht glauben, da zum einen selten schlagartig und dann beidseitig und außerdem beschreibst du ja, dass die Nahmiosis auch nicht funzt.

Halt mich mal auf dem Laufenden, ich bin interessiert!

Muriel
18.07.2007, 19:31
Also, nach Substanzen haben sowohl die Neurologin als auch ich so oft gefragt, dass er schon etwas sauer wurde ;-) und irgendwie glaub ich ihm das, warum auch immer, vielleicht bin ich auch zu naiv^^
sicher keine Augentropfen, nix mit Garten, er ist zusammen mit dem Kollegen noch mal den ganzen Tag durchgegangen on den Einsätzen her, da war gar nüscht. Und sich ganz gleichmäßig etwas in die Augen zu schmieren, fände ich schon recht ungewöhnlich. Seufz, bin mal gespannt, ob er sich so wie empfohlen in der Orthoptik vorgestellt hat, werde morgen mal nachfragen.
Weitere Ideen werde gerne entgegengenommen :-)

Feuerblick
18.07.2007, 19:35
*schmunzel* Ich hätte ihm wahrscheinlich aus reiner Neugierde (da nimmt die Orthi in mir das Ruder in die Hand) Pilo getropft. Nur, weils mich interessiert hätte. Wach wäre ich dann ja schon gewesen. Aber ich kann schon verstehen, dass man das nachts nicht macht ;-)

Muriel
18.07.2007, 19:38
Ich habe es überlegt, aber erstens war es 2h, zweitens wollte der nur noch nach Hause und pennen nach der Kotzerei und drittens, hm, für ne Auswertung des Ganzen hätte ich eh Hilfe gebraucht. Zumal ich dachte, dass es besser sei, wenn ich ihn unbeeinflusst am nächsten Morgen (waren ja nur 6h) den Kollegen vorstelle.

LAH_in_GAZ
18.07.2007, 19:51
Was wäre passiert bzw. zu erwarten gewesen an Möglichkeiten, wenn man "Pilo" getropft hätte?

Vielleicht kann das jmd. noch mal bitte ausführen für einen Nichtmediziner ...

danke

Feuerblick
18.07.2007, 19:58
Was wäre passiert bzw. zu erwarten gewesen an Möglichkeiten, wenn man "Pilo" getropft hätte?

Vielleicht kann das jmd. noch mal bitte ausführen für einen Nichtmediziner ...

dankeKurz gefasst:
Pilo 0,1%: Reaktion mit einer Miosis, wenn eine Pupillotonie vorliegt. Bei exogenen Noxen keine Reaktion.
Pilo 1%: Miosis, wenn eine zentrale Störung vorliegt, bei exogenen Noxen keine Reaktion.

McBeal
18.07.2007, 20:47
Kurz gefasst:
Pilo 0,1%: Reaktion mit einer Miosis, wenn eine Pupillotonie vorliegt. Bei exogenen Noxen keine Reaktion.
Pilo 1%: Miosis, wenn eine zentrale Störung vorliegt, bei exogenen Noxen keine Reaktion.
Und für den Nichtmediziner: Das Zeug heißt im ganzen "Pilocarpin" und Miosis bedeutet Engstellung der Pupille. :-)

LG,
Ally

Schimmelschaf
18.07.2007, 20:50
Nicht nur LAH_in_GAZ wird dir dankbar sein, Ally :-) ;-) (bevor man jedes zweite Wort ergooglen muss...)

Feuerblick
18.07.2007, 21:00
Und für den Nichtmediziner: Das Zeug heißt im ganzen "Pilocarpin" und Miosis bedeutet Engstellung der Pupille. :-)

LG,
Ally*grins* Danke! :-party Ich hatte das Wörtchen "Nichtmediziner" glatt überlesen. Bin heute nicht multi-tasking-fähig....:-))

Zoidberg
19.07.2007, 08:25
Ich würde da stark an eine Intox denken, auch wenn er es verneint hat. Eine beidseitige Ganglionitis ciliares durch Sonnenstich mit meningealer Reizung finde ich zu ungewöhnlich. Ein riesiges Aneurysma, das auf meinde N. III draufdrückt wäre auch merkwürdig. Vielleicht haben sich ja seine Sanifreunde nen spaß gemacht und ihm was beim schlafen in den Mund pipettiert ;-)

Muriel
19.07.2007, 09:31
So, ich habe heute mal bei der Kollegin aus der Orthoptik nachgefragt, ob der Patient da gestern noch aufgetaucht sei. Ist er nicht. Aber sie meinte, dass ein Akkomodationskrampf nach Sonneneinwirkung gar ned so ungewöhnlich sei, das habe sie schon 3 mal erlebt (sogar bei nem Kollegen von mir, was ich bisher nicht wusste :-)) ). Da ansonsten alles o.B. war, weder die Neurologin noch der Internist irgendetwas anderes sagen konnten, gehe ich nun also tatsächlich davon aus, dass ein Sonenstich Auslöser des Ganzen war. Man lernt nie aus :-)

Feuerblick
19.07.2007, 09:46
*hüstel* Ein Akkommodationsspasmus bedeutet aber, dass der Patient wegen zu starker Akkommodation in der Ferne schlecht sieht und sich in Miosis befinden und nicht Mydriasis und fehlende Akkommodation...:-lesen Entweder habt ihr euch da missverstanden oder die Orthi hat ein klein wenig wirr geredet...

Persephone
19.07.2007, 10:32
Hätt man da nicht auch an ne Vergiftung mit Botulinum denken müssen? Ist doch ne Lebensmittelvergiftung, also Ü+E nicht unwarscheinlich und ne Mydriasis und Akkomodationsschwäche ist häufig das erste Symptom.
Ein Kumpel hatte das mal und die Ärzte hättens fast übersehen bis er sich irgendwann nicht mehr richtig bewegen konnte und auf Intensiv kam.... :-nix Weils so selten ist.

Muriel
19.07.2007, 15:47
*hüstel* Ein Akkommodationsspasmus bedeutet aber, dass der Patient wegen zu starker Akkommodation in der Ferne schlecht sieht und sich in Miosis befinden und nicht Mydriasis und fehlende Akkommodation...:-lesen Entweder habt ihr euch da missverstanden oder die Orthi hat ein klein wenig wirr geredet...
äh ja, das stimmt wohl, ist mir ned aufgefallen :-blush, naja dann halt das Gegenteil :-D

Muriel
19.07.2007, 16:16
Zu der Botulinum-Sache:
Das passt irgendwie nicht. Er hat sich zwar übergeben, hat aber überhaupt keine Krämpfe gehabt, keine Diarrhoen, zudem traten keine Doppelbilder auf, die typisch wären. Als ich ihn gesehen habe, lag der Beginn der Symptome zudem schon ca 8 Stunden weg, da hätte doch motorisch eigentlich schon was sichtbar sein müssen, bzw irgendetwas anderes sein müssen, oder?

Feuerblick
19.07.2007, 16:18
Das war der Teil, aufgrund dessen ich diese kurze Überlegung auch gleich wieder in den Papierkorb geworfen habe. Außerdem ist das ja eigentlich eine progrediente Geschichte, die ihn ziemlich sicher dann am Folgetag nochmal in die Klinik geführt hätte, oder?

test
19.07.2007, 16:43
Das war der Teil, aufgrund dessen ich diese kurze Überlegung auch gleich wieder in den Papierkorb geworfen habe. Außerdem ist das ja eigentlich eine progrediente Geschichte, die ihn ziemlich sicher dann am Folgetag nochmal in die Klinik geführt hätte, oder?

Vielleicht hat er es auch einfach nicht mehr in die Klinik geschafft. :-))

Krämpfe und Diarrhoen müssen bei über Nahrungsmittel übertragenem Botulismus nich immer so ausgeprägt sein und beim Wundbotulismus fehlen sie immer.
Übelkeit und Erbrechen hatte er ja, die auch typischerweise vor der Lähmung durch Botulismus auftreten.
Trotz allem vermutlich nicht sehr wahrscheinlich als Auslöser seiner Symptome aber nicht undenkbar. :-nix

Persephone
20.07.2007, 09:42
Das ist das Problem am Studium, oder? Ich mein, daß man immer erst ans seltene denkt und dann an das Warscheinliche. Ein Sonnenstich ist wohl deutlich häufiger :-)) . Meine armen Patienten werden wohl alle mit den gruseligsten Diagnosen erstmal eingewiesen um dann am nächsten Tag vom OA wieder entlassen zu werden :-D

Muriel
20.07.2007, 09:44
Meine armen Patienten werden wohl alle mit den gruseligsten Diagnosen erstmal eingewiesen um dann am nächsten Tag vom OA wieder entlassen zu werden :-D
hihi, ich glaube, das Problem haben wir alle am Anfang :-D