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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Medizinischer Fall mal so als Gedankenspiel- Eure Entscheidung?



jatina
20.07.2007, 20:44
Mich beschäftigt gerade folgende Frage (WARUM sag ich dann später.....), wollte mal hören, wie ihr entscheiden würdet bei diesem gegebenen Szenario:

sagen wir mal ihr seid Hausarzt. Oder so.
Bei einer Patientin, die aufgrund einer chronischen Polyarthritis seit zwei Monaten MTX und Cortison (7,5 mg) bekommt, sind vor einer Woche erstmals nächtliche Fieberschübe bis 39,5 aufgetreten (Fr., Sa., So.).
Die Patientin hatte vor Jahren mal einen Infekt, der ähnlich ablief- ausser dem nächtlichen Fieber bestehen keinerlei Symptome (Abgeschlagenheit wird als inclusive gesehen, sozusagen).
Sie ist dann Montag nicht zum Arzt gegangen, weil es ihr ja besser ging.
Mo. und Di. ist sie beschwerdefrei und aktiv.
Am Mittwoch ist sie aus Hamburg nach Kappeln gefahren- zu Verwandten.
Bekommt Mittwoch Nacht wieder Fieber- das dieses Mal auch tagsüber anhält.
Nimmt Paracetamol- das Fieber ebbt ab.
Am Freitag morgen hat sie 40 Fieber, fühlt sich schlecht. Sonst aber weiterhin keine Symptome.
Ruft an, was sie nun tun soll.

Rat: in Klinik in der Nähe fahren, abklären was die Ursache ist.

Eineinhalb Stunden später ruft Patientin wieder an, ist immer noch bei den Verwandten. Hat jetzt kein Fieber mehr, dank 2 Paracetamol, der AZ ist aber weiter nicht prall.
Die Klinik in die sie wollte hat- so stellte es sich bei Anruf heraus- keine Notaufnahme.
In der Umgebung (wenige Minuten bis halbe Stunde) sind mehrere Kliniken.
Die Verwandten halten von diesen Kliniken nicht viel und wollen mit der Patientin ohne vorherige Arztkonsultation zwei Stunden im Auto nach Hamburg gurken.
Keiner von ihnen hat medizinische Kenntnisse, falls die Patientin z.B. aufgrund ihres Zustandes im Auto Probleme bekommt (Kreislauf etc.), es ist ausserdem völlig unklar, woher die Beschwerden kommen (von HWI bis Endocarditis ist theoretisch alles drin......).

Würdet ihr sagen die Fahrt wäre okay, das Risiko ist tragbar (weil die Patientin zwar abgeschlagen wirkt aber momentan kein Fieber hat und das Fieber auch nicht erst seit dieser Nacht besteht) oder würdet ihr insistieren, das vor der Fahrt zumindest eine Basisabklärung in einer der umliegenden Kliniken stattfindet (Blutwerte, ev. Thorax Rö und Sono) unter dem Gesichtspunkt, das die Patientin eine Grunderkrankung hat und ausserdem Immunsupprimiert ist, ausserdem die Genese des Fiebers alles und nichts sein kann????

Würde mich mal interessieren, wie ihr entscheiden würdet????

Evil
20.07.2007, 22:05
Sie gehört in eine internistische Notaufnahme, bei 40° Fieberschüben würde ich damit nicht spaßen. Sicherheitshalber sollte man dafür aber einen Krankentransport mit Arztbegleitung organisieren... im Rettungsdienst wird soviel Tinnef durch die Gegend kutschiert, da kann hier auch ruhig mal Fachpersonal dabeisein.

Zoidberg
21.07.2007, 09:27
kann dabei nur zustimmen, vor allem bei MTX sollte man nicht spaßen

Lava
21.07.2007, 15:01
Rheumatische Erkrankung + Cortison + MTX mit 40°C Fieber ist nicht ohne! Ein Krankenwagen erscheint mir da nicht übertrieben. Das kann man empfehlen. Wenn die Verwandten aber partout 2h nach Hamburg fahren wollen, kann man sie auch nicht dran hindern...

Kackbratze
22.07.2007, 14:44
Das ist die einzig logische Lösung, alles andere ist doch einfach nur Zuwarten, bis jemand ins Gras beisst...

jatina
22.07.2007, 16:56
Danke- ihr habt genau meine Meinung bestätigt.

Nämlich das man genauso gut eine tickende Bombe ins Auto laden kann, von der man nicht weiß, wann sie los geht, wenn vorher keine Abklärung erfolgte, bzw. keine halbwegs kompetente medizinisch vorgebildete Person dabei ist.

Leider ist der Fall in meiner Familie am Freitag genau so abgelaufen- die Person von der ich sprach war meine Mutter.

Mittlerweile bin ich mit der unverantwortlichen buckligen Verwandschaft in totaler Fehde deswegen- DIE waren nämlich der Meinung Dummheit schützt und haben sie GEGEN meinen ausdrücklichen Rat (nicht das ich mich mit einem Hausarzt gleichsetze- aber mittlerweile habe ich insgesamt 9 Jahre in der Medizin auf dem Buckel, in verschiedenen Funktionen und höre dadurch wohl wenigstens ansatzweise hier und da mal den Schuß) ins Auto gepackt und sind mal lustig bei Bullenhitze zwei Stunden mit ihr herumgekarrt.
Kracher zum Ende war noch das ich betont hatte, das, wenn ich sie schon von der Sch.....nummer nicht abbringen kann (meine Ma war gar nicht mehr in der Lage zu entscheiden und Madame vor Ort war ja der Meinung sie hat den Schnall) sie sie bitte direkt in der Notaufnahme im KH, das direkt an der Autobahn ist, abliefern.
Nicht über Los gehen, keine Nachthemden zuhause einsammeln.

Was passiert? Nicht nur, das sie nach dem Parken meine Ma ALLEINE zu meinem Haus laufen ließen, damit sie hier klingelt und sagen kann das sie da sind (wußte gar nicht, das ich in der Notaufnahme wohne.....)- NEIN, der Grund warum sie nicht in der NA waren, war, das eine bucklige Verwandte ja kein öffentliches Klo benutzen mag..........da fiel mir dann alles aus dem Gesicht. Schön noch eine halbe Stunde verschossen, da man ja nicht überall pinkeln mag.


*Fauch*

Nunja- Ende vom Lied war das ich sie dann in die NA gekarrt habe...........locker sieben Stunden nach meiner ersten Ansage sie stat in eine NA zu bringen.

Fazit: maskierter komplizierter HWI mit Stauungsniere 1-2 Grades, evtl. Bakteriämie (Blutkultur lässt noch auf sich warten), Kalium von 2,9, BZ nü von 266, E-lyte völlig verquer und ein CRP von 160.................herzlichen Glückwunsch.

Seit heute geht es ihr langsam besser, wenigstens das.

Dafür, das die bucklige Verwandschaft sie trotz ausdrücklichem Rat meinerseits noch schön verantwortungslos durch die Gegend gekarrt hat, könnte ich jetzt noch einige Leute ein bis zwei Köpfe kürzer machen.

Zoidberg
22.07.2007, 17:03
Sei froh, dass es keine Agranulozytose war.
Warum hört deine Mutter nicht auf dich?

Fino
22.07.2007, 17:08
Ups, die Diagnose ist aber keine wirkliche Ueberraschung.
Ich frage mich nur, ob Deiner Mutter kein Arzt mal vernuenftig verklickert hat, was sie tun muss, wenn unter Immunsuppression solche Beschwerden auftreten bzw. was passieren kann, wenn sie nichts tut
Ansonsten: ja, die Verwandschaft hat einen Knall, aber Deine Mutter handelte trotzdem als eigenverantwortliche Erwachsene. :-?

jatina
22.07.2007, 17:37
Zoidberg- zu dem Thema hat sie auch schon von mir was zu hören bekommen (heute, wo sie überhaupt mal aufnahmefähig war und natürlich in gemäßigter Form....).
Problem ist, das sie schon im gesunden Zustand eher der lenkbare und ja-sagende Typ Mensch ist...........wenn man ihr nur mit genug Wucht kommt, dann sagt sie so schnell nicht nein.
Mit 40 Fieber hatte sie sowieso schon mal keinen Plan mehr- per se HAT sie auf mich gehört (nach unseren zwei Telefonaten wollte sie jeweils in die Klinik......), aber da vor Ort eine sehr dominante Madame am Start war (bei der sogar ich nach einer halben Stunde am Telefon die Waffen gestreckt habe, weil Hopfen und Malz verloren war..........habe ihr dann gesagt ich hätte ihr alles gesagt, was es von meiner Seite zu sagen gäbe- wenn sie sich nicht daran halten würde, hätten wir zwei in Zukunft ein Problem......was ja wahnsinnig viel gebracht hat, wie man sieht....) die ihr schön zugesetzt hat war mein Rat dann auch irgendwann Schnee von gestern.
Die üblichen Nachteile, wenn man nicht vor Ort ist eben.......
Dazu kommt, das sie nach über 30 Jahren kranksein eine deutliche Abneigung gegen Arztbesuche entwickelt hat und somit alles immer rauszögert....irgendwie verständlich.

Fino- zum Thema eigenverantwortliche Erwachsene: s.o..
Das sie hier in HH nicht zum Arzt ist, ist eine andere Baustelle- dazu hatte ich ihr nach dem WE geraten, aber da es ihr besser ging und sie wie gesagt sowas schon mal hatte, es damals nur ein undefinierbarer Virus war, hat sie es dann nicht getan......ist ja auch zwei Tage gutgegangen. *resigniert seufz*
Am WE war ich ja vor Ort- da haben wir noch die wait and see Taktik gefahren, mit der Ankündigung meinerseits wenn es nur ansatzweise schlimmer wird ODER sie auch tagsüber fiebert geht es in die NA.
Tagsüber war sie ja soweit fit, hatte keinerlei Symptome ausser der Abgeschlagenheit, auch kein Fieber.
Ich hatte ihr auch geraten wenn es Montag immer noch schwelen würde zum Arzt zu gehen- da es da nicht mehr schwelte war das dann mein Wort in Gottes Ohr, wie es aussieht.

Ihr Arzt hat es schon versäumt ihr da mal klarzumachen, was Immunsuppression bedeutet- ICH renne ihr schon seit zig Wochen mit der Ansage hinterher sie soll mal zur Kontrolle beim Augenarzt.......bei Cortison seit ewigen Zeiten plus hier und da Sehstörungen ja auch mal anzugehen- aber bisher rede ich da auch in den Wald.

Für mich habe ich- was solche Situationen angeht, wenn sie in HH ist, das Fazit gezogen sie in Zukunft höchstpersönlich zum Arzt zu schleifen.
Irgendwie werden ältere Leute (sie ist jetzt 67) wieder wie Kinder.......