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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Blut-Liquor-Schrankenstörung



Relaxometrie
03.08.2007, 09:51
Eine Frage bzw. Fallvorstellung an die Neurologen unter Euch :-)

Eine Freundin, die seit wenigen Tagen in der Inneren arbeitet, stellte mir den Fall eines ihrer Patienten vor:
Er kam mit Fieber um die 40°C, Schüttelfrost und starken Kopfschmerzen.
Aufgrund des Urinbefundes (hämorrhagischer E. coli) entschloß man sich zur Behandlung mit Ciprofloxacin, was zu Entfieberung und Zustandsverbesserung führte. Der Patient ist schon entlassen worden.

Wegen der anfänglichen starken Kopfschmerzen ist aber auch eine Liquoruntersuchung gemacht worden, deren Ergebnis ich gerne mal etwas diskutieren möchte:
Stark erhöhte IgG-Werte gegen HSV1, mäßiggradig erhöhte IgG-Werte gegen HSV2. Außerdem auch geringe Mengen anderer IgGs gegen alle möglichen viralen Erkrankungen (Masern, Röteln waren dabei, die anderen müsste ich nochmal erfragen).
Der Patient hat angegeben, vor 20 Jahren vielleicht mal eine Borreliose gehabt zu haben. Außerdem habe er seit einigen Jahren manchmal Kopfschmerz- und Fieberepisoden, die aber von alleine wieder verschwänden.
Weitere Daten habe ich jetzt gerade nicht parat.

Aus dem aktuellen Liquorbefund "hat man nichts gemacht", weil es sich ja um IgGs handelt. Bei IgMs wäre man natürlich hellhöriger geworden. Gerade eine Herpesenzephalitis ist ja verdammt gefährlich (ich weiß...die muß man schon bei dem leisesten Verdacht antiviral behandeln).
Aber woher kommen die IgGs im Liquor? Das muß doch eine Blut-Liquor-Schrankenstörung sein, oder? Woher kann die kommen? Von der fraglichen Borreliose?

P-DrageesBlau
03.08.2007, 10:55
Um eine chronische Enzephalitis auszuschliessen, muss man herausfinden, ob die im Liquor gefundenen IgG intrathekal produziert werden oder nicht. Dafür braucht man auch die Serum-IgGs, dann lässt sich der ASI (Antikörper-Spezifitäts-Index) berechnen, welcher darauf Rückschlüsse zulässt.

Bei normaler Liquor-Zellzahl und Liquor-Eiweiss (hattest das Ergebnis jetzt aber leider nicht geschrieben) ist es aber sehr unwahrscheinlich, dass der Liquorbefund mit den beschriebenen Symptomen (bei 40°C hätte ich wohl auch Kopfschmerzen) zusammenhängt.

Relaxometrie
03.08.2007, 11:30
Um eine chronische Enzephalitis auszuschliessen, muss man herausfinden, ob die im Liquor gefundenen IgG intrathekal produziert werden oder nicht. Dafür braucht man auch die Serum-IgGs, dann lässt sich der ASI (Antikörper-Spezifitäts-Index) berechnen, welcher darauf Rückschlüsse zulässt.
Ist das das gleiche wie der "Delpeche-Lichtblau-Eiweißquotient"?
Laut Neurobuch zeigt ein erhöhter Quotient (>0,8) eine intrathekale IgG-Produktion an. Aber es wird auch noch von einem Reiber-Schema gesprochen, anhand dessen man eine intrathekale Ig-Produktion von einer Schrankenstörung unterscheiden kann. Leider wird dieses Schema nicht weiter erläutert. Aber Google ist ja unser Freund.
Die für die oben genannte Formel benötigten Serumwerte (IgG und Albumin) kenne ich im vorliegenden Fall nicht.


Bei normaler Liquor-Zellzahl und Liquor-Eiweiss (hattest das Ergebnis jetzt aber leider nicht geschrieben) ist es aber sehr unwahrscheinlich, dass der Liquorbefund mit den beschriebenen Symptomen (bei 40°C hätte ich wohl auch Kopfschmerzen) zusammenhängt.
Die Zellzahl und das Albumin im Liquor waren erhöht.
Genaue Zahlen kann ich leider nicht liefern. Wir haben den Fall am Telefon eher zufällig besprochen. Besagte Kommilitonin hatte die harten Fakten (Laborergebnisse schwarz auf weiß) deswegen nicht parat und hat die ungefähren Werte aus dem Gedächtnis gekramt.

FataMorgana
05.08.2007, 23:35
Ist das das gleiche wie der "Delpeche-Lichtblau-Eiweißquotient"?

Nein. Der Delpech-Lichtblau-Quotient ist nicht erregerspezifisch, sondern bezieht sich auf Gesamt-IgG und Albumin. Genauer gesagt: IgG-Quotient durch Albuminquotient.

Der ASI hingegen ist das Verhältnis von spezifischem IgG-Quotient zu Gesamt-IgG-Quotient.

Der Delpech-Lichtblau-Quotient zielt darauf ab, eine intrathekale Gesamt-IgG-Synthese nachzuweisen. Das Reiberschema ist aber differenzierter und daher zu bevorzugen.

Der ASI hingegen erlaubt eine Aussage darüber, ob erregerspezifische Antikörper im Liquor autochthon produziert wurden oder passiv aus dem Blut in den Liquor diffundiert sind.

Der Nachweis von erregerspezifischen IgG-Antikörpern im Liquor an sich ist etwas Normales. Die Antikörper, die im Blut zirkulieren, gelangen nämlich über die Blut-Liquor-Schranke auch unter physiologischen Bedingungen zu einem gewissen Anteil in den Liquor. Man kann daraus weder auf eine Schrankenstörung noch auf einen entzündlichen Prozess im ZNS schließen.

Für eine differenzierte Beurteilung eines solchen Befundes benötigt man folgende Angaben:

Alter des Pat.
Klinik
Liquorzellzahl und -differenzierung
Albuminquotient
IgG-Quotient, wenn vorhanden auch IgA- und IgM-Quotient
Antikörper-Indizes (ASIs) für diejenigen Erreger, gegen die Antikörper im Liquor nachgewiesen wurden

FataMorgana
05.08.2007, 23:39
Gerade eine Herpesenzephalitis ist ja verdammt gefährlich (ich weiß...die muß man schon bei dem leisesten Verdacht antiviral behandeln).

Der Nachweis erfolgt durch HSV-PCR aus dem Liquor.


Aber woher kommen die IgGs im Liquor?

Entweder nur aus dem Blut oder zusätzlich autochthon im ZNS produziert. Die Unterscheidung erfolgt anhand des ASI.

FataMorgana
05.08.2007, 23:42
Die Zellzahl und das Albumin im Liquor waren erhöht.

Das spricht für einen entzündlichen Prozess im ZNS mit Störung der Blut-Liquor-Schranke. Unter diesen Bedingungen werden natürlich mehr IgG-Antikörper gegen alle möglichen Erreger im Liquor nachgewiesen als ohne Schrankenstörung.

Was für Zellen waren es denn?

Relaxometrie
08.08.2007, 00:13
Vielen Dank für Eure Antworten und Rückfragen :-)
Leider kann ich nicht mehr zu dem Fall sagen, da ich die diversen Laborwerte nicht vorliegen habe. Ich versuche aber, dranzukommen :-)