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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Mindestlöhne für alle Berufsgruppen?



Pünktchen
17.12.2007, 11:09
Hi :-)

Da hier nur medizinbezogenen Themen diskutiert werden, möchte ich einmal eine andere Diskussion anregen.
Was haltet ihr von der Mindestlohndebatte? Seid ihr eher der Meinung das Mindestlöhne der Wirtschaftschaden oder haltet ihr sie für gut, da dann der einzelne mehr Geld in der Tasche hat, ein würdigeres Leben führen kann udn sich mehr leisten kann? Was schadet wohl dem Land mehr? die hohe Arbeitslosigkeit oder die vielen Menschen die unter der Armutsgrenze leben?

Da haben die Politiker es geschafft der Postbranche einen Mindestlohn aufzudrücken (was ich persönlich gut finde) und die Unternehmen, die ihren Angestellten nur 3,50 Euro die Stunde brutto zahlen, versuchen alles dadran zu setzen dies zu umgehen. Mit der Begründung, sie seien dann nicht mehr wirtschaftlich. Mal überlegen ein Unternehmen, das nur wirtschaftlich ist, weil es ihren Angestellten keinen Lohn zahlen kann der über Armutsgrenze liegt, hat doch eine falsche Unternehmensstrategie oder nicht?


(Armutsgrenze ist ein von mir freigewählter Begriff für ein monatliches Einkommen unter der staatlichen Sozialhilfe)

Mir geht es nicht wirklich darum, wie hoch solche oder andere Löhne sein müssten. Mir geht es eher darum zu überlegen, ob es sich überhaupt wirtschaftlich lohnt einen Mindestlohn in die Branchen einzuführen? Bringt es der Wirtschaft in Deutschland etwas? Bringt es den Menschen in Deutschland etwas?


Bis denn
Pünktchen mit der dicken Backe ;-)

Lava
17.12.2007, 17:28
Also ich habe dazu heute morgen im Morgenmagazin eine interessante Meinung gehört, der ich mich endlich mal anschließen würde.

Diese ewige Debatte nervt mich JETZT schon, wie so ziemlich alles in der Politik in letzter Zeit. Ewig wird alles durch die Presse gezogen und taktiert ohne Ende, als ob morgen schon Bundestagswahl wäre. :-kotz

Zurück zum Thema. Der Interviewpartner heute morgen war einer von den Wirtschaftstypen vom IfO. Der vertrat - natürlich - die Meinung, Mindestlöhne seien schädlich für die Wirtschaft. ABER er hat eine ganz gute Alternative angeboten: nicht Mindestlohn sondern staatliche Sicherung eines Mindesteinkommens (oder so ähnlich hat er es genannt). Danach schlägt er vor, keine Mindestlöhne vorzuschreiben, sondern denen, deren Lohn nicht zur Erhaltung der Existenz ausreicht, durch Zuschüsse vom Staat aufzubessern. Das belastet die Wirtschaft nicht und kostet keine Arbeitsplätze. Für mich sehr einleuchtend. Man könnte jetzt argumentieren, dass die Firmen das ausnutzen werden um die Kosten weiter zu drosseln, aber das glaube ich eigentlich nicht. Qualifizierte Arbeiter werden sie sich weiterhin was kosten lassen. Und der Staat spart insofern, dass die Zuschüsse ihn sicher billiger kommen als ein komplettes ALG I oder II.

So sozial und gerecht es auch ist, einen Mindestlohn zu haben, finde ich den bei der Post schon etwas hoch angesetzt. Ich verstehe das Argument, dass die kleineren Firmen da jetzt einen eindeutigen Wettbewerbsnachteil haben... wenn es wirklich nur darum ginge, den Menschen das Einkommen zu sichern, wären die staatlichen Zuschüsse gegenüber dem Mindestlohn die bessere Lösung gewesen. Was jetzt erreicht wurde, ist nur eine Zementierung des Monopols Post.

habichnicht
17.12.2007, 18:01
Zitat=Lava: ABER er hat eine ganz gute Alternative angeboten: nicht Mindestlohn sondern staatliche Sicherung eines Mindesteinkommens (oder so ähnlich hat er es genannt). Danach schlägt er vor, keine Mindestlöhne vorzuschreiben, sondern denen, deren Lohn nicht zur Erhaltung der Existenz ausreicht, durch Zuschüsse vom Staat aufzubessern. So etwas gibt es bereits. Es soll etwa eine halbe Million Leute geben, die mitVollzeitarbeit ! weniger verdienen, als sie mit Hartz4 hätten, und deshalb zusätzlich zu ihrem Lohn Hartz4 beziehen. Das ist ja einer der Gründe, weshalb manche die Einführung eines generellen Mindestlohns fordern.

Ich hab mich nicht näher damit beschäftigt, das ist aber schon mehrmals im TV gezeigt worden. Darunter waren auch Leute mit einer Ausbildung, z. B. Friseurinnen im Osten.

Hier ist auch noch einiges dazu:
http://www.welt.de/politik/article1114194/Immer_mehr_Beschaeftigte_bekommen_Hartz_IV.html?pa ge=16


Zitat=Lava: So sozial und gerecht es auch ist, einen Mindestlohn zu haben, finde ich den bei der Post schon etwas hoch angesetzt.Darin liegt für mich auch ein Problem.

Ich meine: Jeder, der in Vollzeit einer 'normalen' Arbeit (also keiner Beschäftigungstherapie etc.) nachgeht, sollte dafür mindestens !!! einen solchen Lohn bekommen, dass er nicht zusätzlich noch Leistungen nach Hartz4 beantragen muss.

Andererseits müssen auch die Relationen zwischen den Stundenlöhnen der einzelnen Tätigkeiten stimmen. Wenn man einen Mindeststundenlohn von etwa brutto 10 Euro für eine Tätigkeit ansetzt, für die eine kurze Anlernzeit ausreicht, darf der Stundenlohn eines Berufseinsteigers in einem Beruf, für den man ein abgeschlossnes Hochschulstudium braucht, nicht nur bei brutto 20 Euro liegen.

hennessy
17.12.2007, 18:21
man sollte endlich mal die Sozialschmarotzer effektiv rausfiltern. Damit könnte man immens Kosten sparen, die dann anderen zur Verfügung stünden, die wirklich arbeiten wollen.

Evil
17.12.2007, 19:06
So ganz habe ich immer noch nicht verstanden, wieso ein Mindestlohn schädlich für den Wirtschaftsstandort ist. Kann mir das mal jemand erklären?
So sehe ich jedenfalls nix, was dagegen spricht...



nicht Mindestlohn sondern staatliche Sicherung eines Mindesteinkommens (oder so ähnlich hat er es genannt). Danach schlägt er vor, keine Mindestlöhne vorzuschreiben, sondern denen, deren Lohn nicht zur Erhaltung der Existenz ausreicht, durch Zuschüsse vom Staat aufzubessern. Das belastet die Wirtschaft nicht und kostet keine Arbeitsplätze.
Na, das ist ja mal eine ganz tolle Idee und wird genauso laufen wie damals bei der Frühberentung und Altersteilzeit: die Firmen schrumpfen sich auf Staatskosten gesund :-(

Es belastet nämlich sehr wohl die Wirtschaft, denn der Staat, das sind DEINE und MEINE Steuergelder, und ich sehe überhaupt nicht ein, warum ich damit irgendwelche renditegeilen Konzerne sponsern soll!!

Kackbratze
17.12.2007, 19:46
Der Mindestlohn verhindert im Endeffekt Lohndumping durch ausländische Arbeiter (bzw im Umkehrschluss auch Ausbeuterlöhne für zugezogene Arbeiter!) und sicher damit Arbeitsplätze, auch wenn es am Anfang eine gewisse "Flurbereinigung" geben wird.

Im Endeffekt sind alle Länder mit gesetzlichen Mindestlöhnen damit sehr zufrieden!

Giant0777
17.12.2007, 23:02
So ganz habe ich immer noch nicht verstanden, wieso ein Mindestlohn schädlich für den Wirtschaftsstandort ist. Kann mir das mal jemand erklären?


Wenn der Mindestlohn zu niedrig angesetzt, bringt er nichts. Ist er dagegen zu hoch angesetzt, schadet er dem Unternehmen, dass ihn nicht zahlen kann oder will!

Letztlich bleibt es also eine entweder überflüssige oder arg limitierende Regelung ! Ich finde, ganz schön wenig Ergebnis für das ganze Geschrei ! :-peng

Sebastian1
17.12.2007, 23:09
Nunja, auch in diesem Polittheater spielen alle Beteiligten Ihre Rollen: Die Parteien tun, was die Parteioberen verlangen, nämlich einhellig dafür oder dagegen sein, die Arbeitgeberverbände beschwören die Arbeitslosenzahlen und die Arbeitgeberfeindliche Wirkung und die Gewerkschaften lobpreisen die Mindestlöhne. *gähn* Im Westen nichts neues also.

Umgekehrt mag man aber auch mal daran denken, dass Mindestlöhne sich nicht nur dazu benutzen lassen, unterbezahlte Arbeitnehmer auf einen Mindeststandard zu hieven, sondern eben auch dazu, bisher besserbezahlte Arbeitnehmer auf das Mindestlohnniveau herabzutarifieren.

Der Mindestlohn könnte mE nach im Schnitt sinnvoll sein, aber es ist eine zweiseitige Medaille, bei der es, wenn Sie denn kommt, Gewinner und Verlierer geben dürfte.

Hoppla-Daisy
17.12.2007, 23:12
Klar, Mindestlöhne werden abgelehnt mit Hinweis auf Gefährdung des Wirtschaftsstandortes, aber Abfindungsgrenzen nach "oben" sollen auch nicht limitiert werden.

Solange von Seiten der Wirtschaft nicht eingesehen wird, dass der Stundenlohn für Manager (die Abfindungssumme inbegriffen) eine klatschende Ohrfeige für das weiter unten arbeitende Volk ist, habe ich keine Hoffnung, dass jemand die Notwendigkeit von Mindestlöhnen einsieht.

Dass die Mindestlöhne allgemein der Aufrechterhaltung bzw. Steigerung der eigenen Würde dienlich sein werden, ist glaube ich unbestritten. Und wo die Zufriedenheit im Volk steigt, haben Extreme auch weniger Chancen. :-meinung

Giant0777
17.12.2007, 23:21
Dass die Mindestlöhne allgemein der Aufrechterhaltung bzw. Steigerung der eigenen Würde dienlich sein werden, ist glaube ich unbestritten. Und wo die Zufriedenheit im Volk steigt, haben Extreme auch weniger Chancen. :-meinung

Es geht eigentlich mehr um die Finanzierung des Lebensstandards, als um die persönliche Würde ( davon kann meiner Meinung nach keiner satt werden ).

Zum Thema Extreme: Ich glaube Zufriedenheit im Volke allein ist kein Garant für ein weniger an Extremen (egal in welche Richtung). Denn mit der Zufriedenheit/Wohlstand ergeben sich auch wieder neue Möglichkeiten des Unzufriedenseins. Im übrigen folgen Extreme nicht den Gesetzmässigkeiten von "mir gehts gut, also bin ich lieb"! Leider!

Es ist und bleibt derzeit ein Politikum; bei denen, um die es eigentlich geht, kommt eh nichts an!

Grüsse,Giant

Hoppla-Daisy
17.12.2007, 23:23
Neeee, ich meinte schon, dass die Würde des Einzelnen dann steigt, wenn man sich selbst satt bekommt :-). Hab ich wohl vergessen, das so zu präzisieren.

Giant0777
17.12.2007, 23:26
@Hoppla-Daisy: Nein, ich bin einfach nur kleinlich :-))

Hoppla-Daisy
17.12.2007, 23:30
Aber um das Thema mit den Extremen nochmal aufzugreifen. Man sieht es doch an sich selbst. Wenn man mit sich und seiner Situation im Reinen ist und im großen und ganze zufrieden ist mit der finanziellen Lage, neigt man doch eher dazu, die Dinge gelassener zu sehen. Da könnte jemand kommen und mir Gottweißwas erzählen, dass mir andere Arbeitsplätze/Geld etc. wegnehmen. Dieser Jemand würde gegen die Wand laufen.

Meinste nicht?

Neamtz
18.12.2007, 15:20
Eine Frage, die ich gerne einwerfen möchte, lautet in welcher Relation die Mindestlöhne denn stehen sollen. Dem, was teilweise als allgemeiner Mindestlohn gefordert wurde zu folge, hätte ein ungelernter Arbeiter bald einen höheren Stundenlohn, als ein Assistensarzt. Wenn man die reale Arbeitszeit zu grunde legt...
Außerdem: Man stelle sich vor, der Betrag, der einem Assistensarzt praktisch pro Stunde bezahlt wird bleibe gleich. Jetzt arbeitet er aber nur die Stundenzahl einer regulären Vollzeitstelle. Ob sein Gehalt dann so weit über dem ALG II liegt, wage ich zu bezweifeln... Trotz langen Studiums. Möglicherweise trotz Promotion. Garantiert trotz imenser Verantwortung und einer psychischen Belastung die nichtsdestotrotz über der eine Büroangestellten oder, um zum aktuellen Thema zurück zu kommen, eines Briefträgers liegen dürfte.

LG
Neamtz

Hellequin
18.12.2007, 15:32
Außerdem: Man stelle sich vor, der Betrag, der einem Assistensarzt praktisch pro Stunde bezahlt wird bleibe gleich. Jetzt arbeitet er aber nur die Stundenzahl einer regulären Vollzeitstelle. Ob sein Gehalt dann so weit über dem ALG II liegt, wage ich zu bezweifeln...
Das Bruttogehalt eines Arztes liegt bei einer 42h Woche bei ca. 3400€. Da ist noch ein bißchen Luft bis zum ALG2.;-)

wanci
23.12.2007, 03:59
Kann es sein, dass so einige den Mindestlohn nur deshalb ablehnen, weil sie fürchten, dann nicht mehr so viel mehr zu verdienen als ein Unqualifizierter?

Den sog. Kombilohn, der hier auch schon erwähnt wurde, finde ich vor allem aus einem Grund indiskutabel: Er entlässt Unternehmen völlig aus ihrer sozialen Verantwortung und ist zudem wirklich unwürdig. Bevor ich für meine Arbeit weniger als Hartz4 bekomme und der Staat aufstocken muss, arbeite ich lieber gar nicht.

Hellequin
26.12.2007, 16:53
Ich muss den Thread jetzt nochmal rauskramen, weil ich auf der Fahrt nach Hause einen recht guten Artikel (http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/1596783) zu dem Thema in der Stuttgarter Zeitung gelesen habe. Der Autor weist darin darauf hin, das ein Mindestlohn alleine nicht zwangsläufig zu einem höherem Einkommen führt, solange es keine vorgeschriebene objektive Arbeitszeiterfassung gibt. Und das ist ja auch ein Thema, was abseits der Mindestlohndebatte einen Großteil der klinisch tätigen Ärzte betrifft.

habichnicht
26.12.2007, 17:55
Die objektive Arbeitszeiterfassung war ja auch eines der Hauptthemen während der Streiks.
Ich mach gleich mal eine Umfrage dazu.

Edit.:

So, da ist die Umfrage zur Arbeitszeiterfassung im Krankenhaus:

http://www.medi-learn.de/medizinstudium/foren/showthread.php?t=42223