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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Eure Erfahrungen mit Medizincontrolling?



Tombow
19.01.2008, 14:42
Wenn man in jedem BWL- oder Management-Lehrbuch nachschlagen kann, ist Controlling eine Kernkompetenz, die sich mit Performance-Messungen und Optimierung der internen Abläufe beschäftigt und dessen Aufgabe ist es, Performance-, Kosten-, und Ablaufabweichungen festzustellen, dessen Grund zu finden und festzustellen, ob und wie anvisierte Ziele überhaupt erreichbar sind und wie sie erreicht werden können.

Nur, meine Erfahrungen mit dem Medizincontrolling sind, daß sich die zuständigen Controller mit allem beschäftigen, nur nicht mit dem oben genannten. Es wird stattdessen vielzuviel Zeit und Ressourcen auf andere Aufgaben verschwendet, z.B. das Überprüfen von Codierungen oder das Gezanke, wieso z.B. beim Patienten X ein Dekubitus nicht dokumentiert wurde, usw. Diese Aufgaben mögen wichtig sein, aber das ist nie im Leben Controlling. Höchstens Qualitätssicherung. Was an sich eigentlich separat vom Controlling und stattdessen Daten dahinspeisen sollte.

Die Aussagen/Datenberichte, die eigentlich vom Controlling kommen sollten (Fallzahlüber- oder Unterschreitung, Entwicklung von Parametern, wie Liegedauer, Fallzahl, Erlös und die Gründe dafür, wieso sie sich so entwickeln), werden leider nicht vom Controlling sondern meistens von einem CA oder OA überwacht und berichtet. Auch die Diskussionsbereitschaft und die Arbeit vom Controlling, um Abweichungen von einem Plan auf dem Grund zu gehen und evtl. an einer Optimierung zu arbeiten, habe ich kaum im Krhs erlebt.

Ein Freund (Upper-Management Position in der Airline-Branche) hat bei meiner Erfahrungsschilderung eine vernichtende Aussage getroffen: "Das ist genau die Art, wie man Controlling NICHT macht."

Nun, wie sind eure Erfahrungen mit Medizincontrolling? Gibt es doch Krankenhäuser/Krankenhausträger, wo Controlling wirklich funktioniert und seine Aufgaben auch erfüllt? Wie wäre eurer Meinung nach ein funktionierendes Controlling zu schaffen?

Meiner Meinung nach gehören eindeutig dazu die richtigen Fachkräfte eingestellt, und das möglichst ausgebildete Controller OHNE medizinischen Hintergrund. Soweit ich sehen konnte, tummeln sich im Medizincontrolling momentan vielzuviele ehemalige Ärzte und Krankenschwestern, die einfach die entsprechenden Lehrgänge absolviert, ihr Zeugnis erhalten und in die Position aufgestiegen sind, aber beim Aufstieg wohl Sinn und Zweck der Arbeit verfehlt haben. Damit klappt es zumindest in meiner Erfahrung nicht. Wenn es eine Optimierung bringen würde, wäre ich sogar dafür, das Controlling (obwohl Kernkompetenz) an externe Berater/Managementfirmen zu delegiern.

Und nun, wie sind eure Erfahrungen?

Frau Betty Land
19.01.2008, 14:59
Toller Impulsbeitrag (wie das Allermeiste von t., dem Helden in der Neuro !) !

Ein paar kl. Gedanken dazu:
a) Ein vernünftiger Controller geht NIE ins Krankenhaus, nicht nur der Bezahlung wegen......

b) Medizincontroller, die einigermaßen ehrlich und vernünftig arbeiten, sind vielfach schlicht nicht erwünscht. Denn entweder sind sie "zu" transparent in ihren Ergebnissen. Und das ist wider die Geheimhaltungskultur in den Kliniken. Und/oder sie "greifen" wohlerworbene Rechte/"Reputationen" diverser Chefärzte, Pflegedienstleitungen, Verwaltungsheinis etc. mit ihrem "Controlling" an. Fühlen sich ergo früher oder später sinnlos und werden auch schon mal gegangen.

c)Medizincontroller können, tut mir leid, meistens nicht einmal das DRG-Qualitätsmanagement.....

d)Wie t. schon sagt: Wenn man nur Betriebsblinde zu Controllern macht, wird Nichts daraus. Ist aber billiger - und Geiz ist ja bekanntlich geil im Deutschen Krankenhaus. Wir sind billig, aber auch so richtig schlecht. Und deswegen wollen, nein, müssen wir geliebt werden.

e) Ein Bekannter hat von einem kommunalen Klinikum zu einem börsennotierten gewechselt und verdient jetzt nicht nur etwas mehr, sondern hat auch eine deutl. bessere Arzt-Patienten-Struktur sowie deutl. effizientere Abläufe.
Muß nicht sein, kann aber.
In seiner Ex-Klinik hingegen werkelt immer noch eine Ewigverwaltungsleitung (aus der DDR mitgenommen...) am Hinüberretten in die eigene Berentung. Und daran, daß der Stadt nicht der größte (städtische) Betrieb wegprivatisiert wird.
Wie das "klappen" soll, kann man sich leicht denken.

Tombow
19.01.2008, 15:19
Denn entweder sind sie "zu" transparent in ihren Ergebnissen.
Aber das ist doch Sinn und Zweck der Sache...die Ergebnisse zu präsentieren und zu diskutieren und der Sache auf dem Grund zu gehen um die Haltbarkeit von Plänen zu überprüfen und überhaupt festzustellen, ob da Handlungsbedarf besteht oder es um eine nicht selbstverschuldete Abweichung handelt. Meiner Meinung nach geht Controlling mit Transparenz und Diskussionsbereitschaft einher, das eine vom anderen kann man (und sollte auch nicht) trennen. Sonst arbeiten alle "jeder gegen jeden".


Und/oder sie "greifen" wohlerworbene Rechte/"Reputationen" diverser Chefärzte, Pflegedienstleitungen, Verwaltungsheinis etc. mit ihrem "Controlling" an.
Würde ich nicht sagen. Kenne Chefs, die durchaus sich Gedanken um die Ergebnisse des Controllings machen. Nur, mangels funktionierenden Controllings wird alles das intern gemacht. Was mit Arbeitsmehrbelastung einhergeht. Wozu hat man denn Controlling?


Medizincontroller können, tut mir leid, meistens nicht einmal das DRG-Qualitätsmanagement.....
Meine Erfahrung ist dieselbe. Das ist leider die traurige Wahrheit.


Wenn man nur Betriebsblinde zu Controllern macht, wird Nichts daraus. Ist aber billiger - und Geiz ist ja bekanntlich geil im Deutschen Krankenhaus. Wir sind billig, aber auch so richtig schlecht.
Nur daß diese Milchmädchenrechnung dann meistens in das Finanzergebnis der Krankenhäuser (und ergo auch auf die Gehälter) aufgeschlagen wird.

Persönlich würde ich mich freuen auf vernünftige Controllingergebnisse. Wenn es denn welche gäbe. Es könnte zum Beispiel so aussehen:

"Für den Monat X liegt in Ihrer Klinik eine nach Saison- und Diagnosenbereinigung statistisch signifikante Fallzahlunterschreitung vor, die durch erhöhte durchschnittliche Liegedauer verursacht wird. Die Erhöhung der Liegedauer wird hauptsächlich von Patienten der DRG XYZ verursacht (Diagnose Klartext). Es liegt keine signifikante Steigerung der Fallzahl dieser DRG vor. Durch Mehrleistungen liegt das Erlös im erwarteten Normbereich. Insgesamt läßt sich für den Zeitraum bis XYZ eine Fallzahlunterschreitung von ca. XYZ Fällen voraussagen mit einem Erlös in erwarteter Höhe oder einer leichten Erlösunterschreitung."

Damit wüßte auch der letzte Assi in der Klinik (zum Beispiel), daß die Liegedauer durch die Schlaganfallpatienten verursacht wird, von denen es in diesem Zeitraum nicht mehr als sonst gab. Und somit hätte man leicht herausfinden können, daß diese Liegedauererhöhung dadurch verursacht wird, daß Patienten überdurchschnittlich auf gewisse Untersuchungen warten müssen (wenn das Controlling nicht sogar diese Info fertig präsentiert). Womit man eine brauchbare Information hätte und wüßte, wo Optimierungsbedarf besteht.

Frau Betty Land
19.01.2008, 15:33
Du glaubst an den Weihnachtsmann !

"Rational" ist in dieser Krankenhauslandschaft wenig, verändern will kaum einer etwas und bekanntermaßen sind Kostensteigerungen / Mindereinnahmen wahlweise der Gesundheitspolitik, der Bundesregierung, dem Wetter, dem Marburger Bund (Verdi), "kurzfristigen, unvorhersehbaren Personalengpässen" usw. zu schulden.

Aber NIE : Einer unfähigen (Personal)Verwaltung, einem oder mehreren Psychopathen im Chefarztsessel (z.B. die Strahlenklinik im Märkischen), mehreren OÄ mit Dauerkrankenstand, demotivierter Pflege, einer katastrophalen Öffentlichkeitsarbeit, fehlendem Marketing, fehlender Planung, fehlender Zuweiserbetreuung...

Und Controlling würde bedeuten: Keine ewigen Ausreden mehr, sondern: Klares Verbesserungsmanagement, welches aber das Controlling (und nicht der CA....) vorgibt.

Die meisten CÄ sind einfach falsch imprägniert- insoferne liegt das Problem bei ihnen , nicht beim Controlling.

Tombow
19.01.2008, 15:49
"Rational" ist in dieser Krankenhauslandschaft wenig, verändern will kaum einer etwas und bekanntermaßen sind Kostensteigerungen / Mindereinnahmen wahlweise der ...(...)... usw. zu schulden.

Aber NIE : ...(...)...

Leider.


Und Controlling würde bedeuten: Keine ewigen Ausreden mehr, sondern: Klares Verbesserungsmanagement
Entwickeln wir mein hypothetisches Beispiel weiter. Das Controlling stellt fest, diese Untersuchung, die den Engpass verursacht, wird von einer anderen Klinik durchgeführt und der Engpass dadurch verursacht, daß sie auch statistisch signifikant öfter von ebendieser Klinik angefordert wurde (z.B. LZ-EKGs von den Kardiologen) und sieht, daß die Anzahl gemachter LZ-EKGs seit XYZ Monaten am steigen ist. Damit würde sich klipp und klar ergeben, daß entweder die Indikation überprüft werden muß oder daß man einfach mehr dieser Geräte braucht. Womit auch der CA der Kardiologie was davon hätte. Oder daß es bei der Mehrzahl dieser Untersuchungen (und dem Stau) um eine nicht vorhersehbare Fluktuation handelt und somit man nichts tun müßte. ODER es würden dann die Mehr/Mindererlöse der Neurologie und der Inneren und die festgestellte Abweichung durch die veränderte Liegedauer gegeneinander gerechnet, um festzustellen, welche Fachabteilung die Prioritäten bei dieser Untersuchung erhalten sollte. Was im Sinne des gesamten Krankenhauses wäre.


Die meisten CÄ sind einfach falsch imprägniert- insoferne liegt das Problem bei ihnen , nicht beim Controlling.
Zum Glück nicht alle. Hoffen wir, daß sich hier in Zukunft was tut. Bin zwar nur Assistent, aber einen Chefarztposten sehe ich durchaus mindestens soviel mit Management behaftet als mit medizinischen Aufgaben. Und dazu gehört auch Mitarbeit bei der Planung, Kommunikation mit dem Controlling und die Ausführung des geplanten (bzw. die Schaffung der Voraussetzungen dafür).

Frau Betty Land
19.01.2008, 16:01
Zum Glück nicht alle. Hoffen wir, daß sich hier in Zukunft was tut. Bin zwar nur Assistent, aber einen Chefarztposten sehe ich durchaus mindestens soviel mit Management behaftet als mit medizinischen Aufgaben. Und dazu gehört auch Mitarbeit bei der Planung, Kommunikation mit dem Controlling und die Ausführung des geplanten (bzw. die Schaffung der Voraussetzungen dafür).

Dein Wort in Buddhas Ohr.

Aber die Tatsache, DASS es seit Jahrzehnten so schlimm ist und immer schlimmer wird, spricht nicht unbedingt für die Anpassungsfähigkeit der Chefarztkaste, die zwar überall mitverdienen möchte, aber niemals Mitverantwortung trägt.

Sind einfach vielfach unfähige Manager, tut mir leid.

Wer ständig im dreckigen Grabenkampf sich nach oben gewühlt hat, wird nicht von heute auf morgen General.

Kenne einen Chefarzt, der so "toll" fürs "Strategische" seiner Miniabteilung zuständig war, daß er jetzt wieder nachgeordneter Arzt am anderen Ende der Republik ist. Und das nicht deshalb, weil er die Sinnkrise hatte....

Janny
20.01.2008, 12:41
Zitat:
Tombow:
Zum Glück nicht alle. Hoffen wir, daß sich hier in Zukunft was tut. Bin zwar nur Assistent, aber einen Chefarztposten sehe ich durchaus mindestens soviel mit Management behaftet als mit medizinischen Aufgaben. Und dazu gehört auch Mitarbeit bei der Planung, Kommunikation mit dem Controlling und die Ausführung des geplanten (bzw. die Schaffung der Voraussetzungen dafür).

Frau Betty Land:

Dein Wort in Buddhas Ohr.

Aber die Tatsache, DASS es seit Jahrzehnten so schlimm ist und immer schlimmer wird, spricht nicht unbedingt für die Anpassungsfähigkeit der Chefarztkaste, die zwar überall mitverdienen möchte, aber niemals Mitverantwortung trägt.

Sind einfach vielfach unfähige Manager, tut mir leid.



Bin zwar (noch) Studentin, kenne mich in der Thematik aber ein bissl aus....(Aber ich bin KEIN Chefarztkind :-peng )

@Tombow: Ich kann Dir nur zustimmen.

@ Frau Betty Land
Die Aussage, insbesondere der Ausdruck "Chefarztkaste" ist mir zu pauschal. Es gibt sicherlich noch die CÄs "vom alten Schlag", aber die neuen CÄs ticken da vielfach anders, denen ist bewusst, dass sie eigentlich mehr Manager denn Arzt sind.
Und ja, vielleicht sind einige unfähige Manager. Die ideale Besetzung für den CA-Posten muss/soll heute aber ja fast schon eine eierlegende Wollmilchsau sein. Klinisch gut, ist ja immernoch ein Arzt. Gute Managementkompetenzen und die auch noch im Gesundheitsmarkt, der wesentlich komplexer und vertrackter ist als der "normale" Markt. Und erfolgreich in der Forschung, CA-Posten gehen zunehmend an habilitierte (Wobei mir als Patient persönlich ein guter Operateur dreimal lieber wäre als einer, der gut in der Grundlagenforschung ist....ich bin nun mal keine Zelllinie :-)) )

Und richtig "gute" BWLer werden bei derzeitigem Stand NIE im Krankenhaus arbeiten, dafür ist dort weder das Umfeld, noch die Bezahlung attraktiv genug. (Und BWLer ticken salopp gesagt nun mal grundsätzlich anders als Ärzte) Ergo hocken wie von euch gesagt auf den Posten im Controlling (oder auch QM) eben hauptsächlich Krankenschwestern und Ärzte, die keinen Bock mehr auf Patienten hatten, nur einen Halbtagsjob wollten, CA-Gattinnen etc.....

Last but not least, um Tombow`s Kritik aufzugreifen, dass das Controlling Daten liefert, mit denen die "ausführenden Organe", also die Ärzte/Pflege letztlich nix anfangen kann, Daten die zu keiner Konsequenz führen.
Da wäre m.E. mal Zusammenarbeit zwischen Controlling und Ärzten angesagt, um klar zu machen, in welcher Form die Daten auch einen Nutzen bringen etc. Aber so lange eine derartige Aufgabe von Ärzten nur als lästig weil nicht honoriert (weder finanziell noch sonstwie) gesehen wird (vgl. Lehre!!!), wird auch von seiten der Ärzte da nur selten eine vernünftige, geschweige denn engagierte Zusammenarbeit kommen -- nicht ganz unverständlich. Ich würd das auch nicht machen wollen....

So, ehe ich hier einen Roman schreibe, beende ich mal mein Wort zum Sonntag. :-))

Gruß

Janny