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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wieviel schlechtes Gewissen kann man ertragen?



Pünktchen
20.01.2008, 18:55
Moin...

ich hab da mal was zu diskutieren...

wenn ihr die Entscheidung eures Chefs als Hintergrunddienstes für lebensgefährlich und falsch haltet (ihr aber aus rechtlichen Umständen auf diese Person angewiesen seid), wie geht ihr in einem Nachtdienst am Wochenende (also keine oberärztliche Unterstützung, kein Geschäftsführer, kein Ärztlicher Leiter im Hause) damit um? Ihr selber seit aktuell die nächste fachliche Instanz...

Arbeitsverweigerung?
Arbeitsanweisung komplett widersetzen?
und hoffen das alles gut geht bis man das unter mehreren klären kann?

Ich stell das mal zur Diskussion...Fallbespiele kennt ihr vielleicht aus der eigenen Praxis.


Gruß
pünktchen

Medimatze
20.01.2008, 19:10
Ich weise den Chef darauf hin und sage ihm, dass ich nicht seiner Meinung bin. Wenn er es trotzdem anders will als ich, dann entscheide ich im Sinne des Patienten und treffe meine eigene Entscheidung. In der Chirurgie ist das oft das Problem. Bin in der Septischen. Hier ist oft die Frage: Bein ab, oder nicht. Bespreche nach der Entscheidung des Chefs die Situation mit dem Patienten. Wenn ich anderer Meinung bin werde ich das auch gegen die Meinung des Chefs sagen. Man muss sich allerdings 100%ig sicher sein, sonst kann man (zurecht) seine Koffer packen. Im Zweifel IMMER die Meinung des Chefs akzeptieren. Wenn er unrecht hat, sagt man das eben. Sehe da kein Problem. Das ist keine Gewissensfrage. Wenn der Chef etwas falsch macht, ist es meine Aufgabe ihm das zu sagen und es anders zu machen. Das kann nicht falsch sein.

ada
20.01.2008, 19:14
ich sage dem hintergrunddienst, daß ich anderer meinung bin, dokumentiere in der kurve meine meinung und die ansage des hintergrunddienstes, handle nach der meinung des hintergrunddienstes und hoffe, daß alles gut geht!
ada

Pünktchen
20.01.2008, 19:16
Mit Gewissen meinte ich nur: er trägt die Verantwortung für seine Entscheidung meistens ohne Gewissen.
Das schlechte Gewissen hätte ICH, wenn ich mir nicht sicher wäre alles für den Patienten getan zu haben, bzw mich trotz Widersetzens nicht ans Ziel gekommen zu sein.

lala
21.01.2008, 18:16
Mit Gewissen meinte ich nur: er trägt die Verantwortung für seine Entscheidung meistens ohne Gewissen.
Das schlechte Gewissen hätte ICH, wenn ich mir nicht sicher wäre alles für den Patienten getan zu haben, bzw mich trotz Widersetzens nicht ans Ziel gekommen zu sein.

Kann das gut verstehen...hatte ähnliche Situationen mehrmals mit einer OÄ (typisch Neuro halt die Frage Lyse - ja oder nein)....als Anfänger wird man auf den Hintergrund hören, später habe ich diskutiert und geredet und wenn das obligatorische "Ich ordne Ihnen hiermit an das sounso zu tun" kam hab ich`s auch gemacht -mich aber definitiv (ihr gegenüber und in der Übergabe) von der Entscheidung distanziert. Mit noch viel mehr Erfahrung habe ich dann eins gemacht: den Hintergund praktisch gar nicht mehr angerufen.Das spart Stress/schlechtes Gewissen
:-meinung

Kackbratze
22.01.2008, 14:51
Alles schriftlich niederlegen, wer welche Entscheidung gefällt hat und dann so umsetzen.

Anders geht es (leider) nicht. :-nix

Werwolf
22.01.2008, 18:18
Schriftlicher Eintrag: "Chef dixit". :-nix

Frau Betty Land
22.01.2008, 18:23
Schriftliche Dienstanweisung geben lassen - geht auch per Fax !

Und Zeugen (so möglich) für den Unsinn des Hintergrunds haben bzw. dafür, daß sich der Hintergrund standhaft weigert, persönlich zu erscheinen !

Mutwillige Körperverletzung DARF man nicht machen, da kann man sich auch nicht auf den Hintergrund ausreden.

Im Zweifelsfall: Immer Tonbandgerät (Diktiergerät) dabeihaben und aufnehmen (bei bekannt Unfähigen im Hintergrund) - dann kann man dann wenigstens ein minutiöses Protokoll erstellen !

Tombow
22.01.2008, 18:31
@FBL:

Aufnehmen von Telefongesprächen (selbst wenn man der eine Gesprächspartner ist) ohne Zustimmung ALLER am Gespräch teilnehmenden kann im Zweifelsfall einen auch in Teufels Küche bringen.

alley_cat75
22.01.2008, 18:33
Was habt ihr für OÄ? Lebensgefährliche Entscheidungen wurden mir bisher noch nicht kundgetan - wohl zum Glück. Meinungsverschiedenheiten kommen oft vor, gerade bei OA- oder Chefvisite. Bisher konnte ich mich immer durchsetzen, wenn ich meine Meinung/Empfehlung schwarz auf weiß darlegen konnte. Dann gibt der Chef nach und erklärt mir, ihre Patienten, ihre Therapie. Sie sind volljährig und approbiert. Nur zu. :-love

Kackbratze
22.01.2008, 18:33
Chef dixit reicht aus.
Und mutwillige Körperverletzung ist alles, was man in der Medizin macht, sofern nicht eine einverständniserklärung oder ein Notfall vorliegt.

Frau Betty Land
22.01.2008, 18:57
Nein, Körperverletzung kann strafrechtlich durchaus auch eine Unterlassung sein, die in weiterer Folge zu (vermeidbaren) körperlichen Schäden führt.

@tombow: Wo kein Kläger, da kein Richter. Zunächst ist das Tonband ja reine Privatsache, aber lediglich der Hinweis auf eine mögliche Aufzeichnung hat hinterher schon so manchem Assi Gröbere Retourkutschen ersparen können.

Konkret: Die regelm., unmöglichen Standpauken eines CA "unter 4 Augen", auf Tonband aufgezeichnet, haben in einem mir persönlich bekannten Falle (auch) zu seiner Kündigung geführt - er hatte nämlich sogar behauptet, daß ER von Untergebenen beschimpft worden sei.....Die Verwaltung hat sich die Tonaufzeichnungen "inoffiziell" sehr wohl angehört....

Chari
22.01.2008, 22:17
Was der Chef sagt gilt. Im Zweifel nochmal anrufen und den Fall sowie Bedenken schildern. Bei Verschlechterung des Patientenzustandes auf jeden Fall nochmal anrufen. Meistens lassen sich so viele Differenzen klären.
Die Dokumentation nicht vergessen.

Sebastian1
22.01.2008, 22:44
Was der Chef sagt gilt.

Kann man so nicht stehen lassen. Ich bin nun selbst allerfrischester Jungassistent, aber das ändert nix daran, dass man auch als solcher rein rechtlich eben approbierter Arzt ist. Nun bin ich kein Jurist, aber es gibt auch Übernahmeverschulden, wo, falls es zu einem Prozess käme, bewertet werden würde, ob du nach deinem Ausbildungsstand dich nicht einer Anordnung des Chefs hättest verweigern können oder gar müssen. Dementsprechend wärest du selbstverständlich mit dran, wenn du die (natürlich fiktive) Anweisung "Und jetzt heben sie mal den Kaliumspiegel des Patienten durch i.v.-Bolusinjektionen auf 500 mmol/l an" tatsächlich ausführen würdest. Der Arbeitsalltag ist natürlich viel subtiler - sagen wir mal, der Chef will mit einer antibiotischen Therapie noch abwarten währen du dir sicher bist, eine fulminante Meningitis vor dir zu haben - da wird's dann sicher schwierig. Aber, und auch das hast du ja gesagt - eine verdammt gute Dokumentation unter Zeugen ist da Pflicht. Ob das dann letztendlich das eigene Gewissen zu beruhigen vermag, steht auf einem anderen Blatt. Aber in der Juristerei wird's mal eher nicht schaden.

Chari
22.01.2008, 23:11
aber es gibt auch Übernahmeverschulden, wo, falls es zu einem Prozess käme, bewertet werden würde, ob du nach deinem Ausbildungsstand dich nicht einer Anordnung des Chefs hättest verweigern können oder gar müssen.


Richtig. Dies muß man dir aber erst nachweisen. Sich ohne Rücksprache mit dem Hintergrund einfach über dessen Anweisung hinwegsetzen halte ich jedoch für problematisch. Für einen kurzen Rückruf ist fast immer Zeit und erspart einem schlechte Stimmung. Ausserdem fühlt sich der Hintergrund auch nicht verarsch... wenn man anruft, weil man selbst keine Entscheidung treffen konnte oder wollte und dann doch nicht drauf gehört wurde.

Ansonsten gilt: Viel klinische Erfahrung sammeln (auch wie man es nicht machen sollte), Facharztprüfung machen, Ober- oder Chefarzt werden und es selber natürlich viel besser machen ;-) .

alex1
23.01.2008, 20:23
Wie wär's damit dem Chef oder OA machen lassen was er will, aber nur er darf das selber machen.

"Ich bin nicht Ihrer Meinung, wenn Sie aber das so machen möchten, kommen Sie bitte vorbei schauen sich den Patienten an und entscheiden Sie dann erneut. Wenn Sie immer noch der gleichen Meinung sind, dann helfe ich Ihnen auch gerne dabei."
Ein Problem kann nämlich später sein, dass der Chef sagen kann:
"Der Assistent hat mir die ganz Situation nicht so geschildert wie sie war, ich hatte einen anderen Eindruck."
oder
"Dies wurde vom Assistenten nicht erkannt."

Wenn es euch zu heiss wird dann lasst doch den Chef oder OA kommen, die werden letztendlich auch dafür bezahlt bei Rufbereitschaft reinzukommen.

anba
23.01.2008, 20:40
Wenn es euch zu heiss wird dann lasst doch den Chef oder OA kommen, die werden letztendlich auch dafür bezahlt bei Rufbereitschaft reinzukommen.
So sehe ich das auch.

Sebastian1
23.01.2008, 20:42
Ok, das standing muss man als (Jung)assistent aber auch erst mal haben....

Kackbratze
24.01.2008, 05:09
Ok, das standing muss man als (Jung)assistent aber auch erst mal haben....

Been there, done that, got the T-Shirt...

Zitat am nächsten Morgen:
"ich hätte gern mal wieder Hintergrund, wenn ein FA Dienst hat, dann hat man mehr Ruhe"

Soll mich nicht jucken, meine Entscheidungen waren korrekt, sie wurden vom OA nur bestätigt. Ausserdem soll er mal ruhig sowas sagen, im September gehen nämlich 2 FAs, dann kommen noch mehr Frischlinge...am Ende isser dann froh, wenn schon ein sog. "Altassi" wie ich Dienst schiebt.