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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fall 1/2008 - Gesichtsschmerz und Mundastschwäche



Tombow
26.01.2008, 12:07
Sonntagabend, 22.30 irgendwo in Deutschland. Ein KTW bringt eine Patientin mit "Verdacht auf Apoplex"...und so steht es auch auf der Einweisung. Auf dem ersten Blick fällt eine isolierte Mundastschwäche links auf, Patientin wirkt sichtlich schmerzgeplagt. Name der Patientin selbst klingt bekannt, KTW-Besatzung ist noch da. Nix mit Schlafengehen also. Aber was machen wir?

Hellequin
26.01.2008, 13:08
Anamnese (Insbesondere seit wann die Beschwerden aufgetreten sind? Erstmaliges Auftreten? Schmerzqualität? Schmerz provozierbar? Sonstige neurologische Erkrankungen? In letzter Zeit krank gewesen? Aphasie feststellbar?)
körperliche Untersuchung(Hemi? Hirnnerven. Wie zeigt sich die Mundastschwäche?)
Wenn Pat. bekannt erscheint, vielleicht gibt es Zugriff auf einen alten Brief?

Lava
26.01.2008, 13:51
Wie alt ist sie? Wo kommt sie her (zuhause, Pflegeheim)? Wer hat den KTW (RTW?) gerufen? Ist sie wach, orientiert, adäquat? An die KTW Besatzung: Wie ist der Blutdruck (Puls, Atmung, Temperatur, Blutzucker)? Hat sie gekrampft?

Helle hat ja schon nach Erkrankungen gefragt... war in ihrer Umgebung jemand krank, erkältet oder so? Pneumokokken geimpft?

Ach ja: wo genau tut es ihr eigentlich weh? :-D Falls im Gesicht: geht es bis zum Haaransatz oder darüber hinaus? Eventuell vereinbar mit dem Versorgungsgebiet eines Trigeminusastes? Fällt was Vegetatives auf wie Schwitzen, Tränenfluss, Augenrötung?

FataMorgana
27.01.2008, 11:08
Bitte auch eine Varizellenanamnese erheben. Sieht man irgendwo Bläschen (auch mal in den äußeren Gehörgang schauen)? Immunsuppressive Medikamente oder Vorerkrankungen?

Tombow
27.01.2008, 11:50
Anamnese (Insbesondere seit wann die Beschwerden aufgetreten sind
Die gute alte Anamnese. Kommt nie aus der Mode :-))
Patientin ist aus dem Schlaf heraus mit einem eher dumpfen, teilweise brennenden Schmerz in der linken Wange aufgewacht, VAS 8. Die erste Episode habe ca. 2 Minuten gedauert, danach habe sich die linke Wange taub angefühlt, dem (inzwischen hinzugekommenen) Ehemann sei auch ein hängender Mundwinkel links aufgefallen. Ein weiterer Schmerzanfall habe sich durch Berührung der linken Wange provozieren lassen.


körperliche Untersuchung(Hemi? Hirnnerven. Wie zeigt sich die Mundastschwäche?
Mitte 70-jährige Patientin, guter AZ und EZ, wach, orientiert, adäquat, keine Aphasie, Apraxie oder Agnosie. Hängender Mundwinkel und verstrichene Nasolabial- und Mentobukkalfalte links, Taubheitsgefühl im Versorgungsgebiet des linken N. buccalis. Beim festeren drücken oder bestreichen der Region Schmerz provozierbar, Dauer der Anfälle >30 Sekunden, fragliches Chvostek-Zeichen links. Übriger Hirnnervenstatus regelrecht. Kein Meningismus, Lasegue links positiv bei 85 Grad. Leichte Bradydiadochokinese links, FNV und KHV zielsicher, seitengleich, BHR seitengleich erhalten, BSR, TSR, RPR mittellebhaft, seitengleich, PSR abgeschwächt seitengleich, ASR bds. nicht auslösbar, keine pathologischen Reflexe, AHV und BHV seitengleich ohne Absinken. leichte Fußheberschwäche links (KG 4,5/5), keine weiteren Sensibilitätstörungen. Stand und Gang sicher, frei.

Internistisch-orientierend adipöser EZ bei gutem AZ, kein Strömungsgeräusch über den Karotiden, vesikuläres Atemgeräusch, keine Rasselgeräusche, Herztöne rein, rhythmisch, keine grob auffälligen Geräusche, Z.n. Schrittmacherimplantation, Aggregat rechtsthorakal tastbar, kein Schmerz, keine Verschieblichkeit, reizlose alte OP-Narbe. Bauchdecke weich, adipös, spärliche Peristaltikgeräusche, kein Druckschmerz, keine tastbaren Resistenzen. Periphere Pulse tastbar, seitengleich, keine weiteren Anzeichen einer kardialen Dekompensation oder peripheren Gefäßinsuffizienz.


Wenn Pat. bekannt erscheint, vielleicht gibt es Zugriff auf einen alten Brief?
Ja, den gibt es. Patientin mit bekannter lumbaler Spinalkanalstenose, unter Schmerztherapie beschwerdefrei. Während des letzten stationären Aufenthaltes rechtshirniger kardioembolischer Mediainfarkt (lat altem Brief und TEE-Befund mehrere flottierende Vorhofthrombi), daher marcumarisiert (INR bei Aufnahme 2,86), vor 3 Wochen aus der Reha entlassen. Hypertonus, Hyperlipidämie, insulinpflichtiger Diabetes, Z.n. Herzschrittmacherimplantation bei schwerem AV-Block (tut mir leid, so hat es der Kollege geschrieben, der sie zuletzt betreut hat), keine weiteren relevanten Erkrankungen.


Wie alt ist sie? Wo kommt sie her (zuhause, Pflegeheim)? Wer hat den KTW (RTW?) gerufen?
Mitte 70. Wohnt zuhause, kein Pflegedienst, keine Hilfebedürftigkeit. Patientin hat zuerst den HA angerufen, der ihr dann geraten hat, sofort ins Krankenhaus zu gehen.


Wie ist der Blutdruck (Puls, Atmung, Temperatur, Blutzucker)? Hat sie gekrampft?

Genaue Werte habe ich nicht im Kopf, war aber unauffällig. Gekrampft hat sie nicht. Auch keine Erkältungen oder so. Keine Pneumokokkenimpfung.


Eventuell vereinbar mit dem Versorgungsgebiet eines Trigeminusastes? Fällt was Vegetatives auf wie Schwitzen, Tränenfluss, Augenrötung?
S. o. Paßt gut zum Buccalis und teilweise zum zygomaticus. Kein Vegetativum.


Bitte auch eine Varizellenanamnese erheben. Sieht man irgendwo Bläschen (auch mal in den äußeren Gehörgang schauen)? Immunsuppressive Medikamente oder Vorerkrankungen?
Blande. Keine Bläßchen, keine Immunsupressiva.

Und nun?

Lava
27.01.2008, 12:09
So, jetzt kommen wir an den Punkt, wo mich meine Neurokenntnisse verlassen :-))

Die Fußheberschwäche und den Lasegue würde ich jetzt erstmal als weniger wichtig einstufen. Behalten wir aber auch mal im Hinterkopf, weil es ja links ist. Ebenso wie die Bradydiadochokinese.

Chovostek-Zeichen... das war das Zucken bei Beklopfen der mimischen Muskulatur, aber frag mich nicht, bei was das vorkommt. Gleixner/Müller sagt: Tetanie, Hyperthyreose. Also machen wir doch mal ein Labor mit Blutbild, E-lyte (mit Calcium), fT3/fT4, TSH und wenn wir schon dabei sind CRP.

Ein provozierbarer, kurzer, starker Schmerz wäre ja typisch für eine Trigeminusneuralgie.

Tja, wie gehen wir weiter vor.... Neurologen machen ja immer gern Bildgebung, aber ehrlich gesagt wüsste ich jetzt nicht, wonach ich in einem CT oder MRT suchen sollte. Wäre natürlich eine Möglichkeit, um einen Infarkt auszuschließen.

Lumbalpunktionen macht ihr doch auch bei alles und jedem. Machen wir doch mal das und suchen nach Zellen, Eiweiß, Laktat, Glucose und vielleicht eine isoelektrische Fokussierung. Warum? Äh, nur so :-))

psycho1899
27.01.2008, 12:28
Ist die Mundwinkelschwäche links neu oder ein Residualzustand bei Z.n. Mediateilinfarkt rechts? Würde diesbezüglich noch mal in der Anamnese bei Pat. und Angehörigen nachfragen.

Das sensible Defizit im trigeminalen Versorgungsgebiet spricht eher gegen eine klassische Trigeminusneuralgie und eher für eine symptomatische Affektion des N.V.

Zoidberg
02.02.2008, 07:26
als Ort der Läsion würde ich auch eher an eine periphere Pathologie denken, die ja den Faszialis und Trigeminus dort zusammen betreffen müßte. Eine Nervenkompression wäre am wahrscheinlichsten bei den Beschwerden (neuropathische Schmerzen), DD Raumforderung, Entzündungsödem?

psycho1899
03.02.2008, 19:15
als Ort der Läsion würde ich auch eher an eine periphere Pathologie denken, die ja den Faszialis und Trigeminus dort zusammen betreffen müßte. Eine Nervenkompression wäre am wahrscheinlichsten bei den Beschwerden (neuropathische Schmerzen), DD Raumforderung, Entzündungsödem?

Da der Pat. nur über eine Mundwinkelschwäche klagt und der Lidschluß als auch die Innervation der Stirn offensichtlich erhalten sind, glaube ich nicht an eine periphere Fazialisparese.

Leider scheint der Fall nicht fortgeführt zu werden. Schade ;-)

Sebastian1
03.02.2008, 20:28
Tombow wird den sicher fortführen, wenn grade auch etwas schleppend. Aber insgesamt hört sich die Pathologie eher nach einer peripheren denn einer zentralen Läsion an. Bei hier bekannten Risikofaktoren (stattgehabte Insulte bei Vorhofthromben und daraus resultierender OAK) wird man aber sicherlich um eine Bildgebung nicht herumkommen.
Momentan würd ich aber eher an eine infektiöse oder irritative (Gefäß<->Nerv) Affektion denken...