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Sebastian1
09.02.2008, 21:39
Ich möchte dir gern ausfühgrlich darauf antworten, Alley:

Als mod/admin vertreten wir hier auch unsere Privatmeinung und sind eigentlich ganz normale User. Ich lese auch nicht jeden Thread komplett (das erlaubt meine Zeit auch gar nicht, und es gibt genug Leute). Zudem bin ich bemüht, jede Äusserung, die ich als Admin tätige, als solche zu kennzeichnen, zB indem ich sie mit [admin on] [/off] deutlich als solche tagge. Wenn so eine (oder ähnliche) Kennzeichnung fehlt, dann darfst du davon ausgehen, dass ich gerade einfach mit meiner bescheidenen Privatmeinung als stinknormaler User poste. Und meine Meinung ist nich mehr oder weniger wert als die eines jeden anderen Users hier.

Für das Modeteam gesprochen: Wir versuchen auch eigentlich immer, wenn es machbar ist, Moderationsentscheidungen auf Leute zu verlagern, die nicht selbst in eine Diskussion verstrickt sind, da das dann immer diesen "letztes Wort per ordre de Mufti"-Stil hat. Wenn eine Diskussion aus dem Rahmen fällt, an der Moderatoren beteiligt sind, dann werden nach Möglichkeit Moderatoren eingreifen (wenn denn nötig). die mit der eigentlichen Diskussion nichts zu tun haben.

Nun mag man ja das Argument hervorholen "Dann sagst du halt einem Mod Bescheid, dass er xyz tun soll" - das ist ein Totschlagargument und passiert so nicht. Wir diskutieren intern durchaus kontrovers, und gerade den von dir verklinkten Thread wollten wir eigentlich möglichst unbehelligt lassen. Leider haben das Spam und OT-Diskussionen unmöglich werden lassen.

Es gibt durchaus Foren, die sofort jedes OT-Posting löschen. Und wir hätten hier auch durchaus die Manpower dazu. Macht aber wenig Sinn, so dass hier lediglich "im Rahmen gehalten" wird. Das ist jedenfalls unser Anspruch. Wir grewifen da ein, wo beleidigt wird, wo allzu topicfern diskutiert wird und wo offenbar Leute anderen auf der Nase rumtanzen. Bisher hat das ganz gut funktioniert.

Schade wird es dann, wenn man aufgrund des Mod/Adminavatars angefeindet wird. Ich persönlich habe immer versucht, die Rollen als User und als Admin klar zu trennen. Und ich möchte mal behaupten, dass das auch für alle anderen Mods gilt.

Deine Argumentation (auf dein letztes Posting in diesem Thread bezogen), Alley, finde ich schade, weil Sie nichts mehr mit dem Thema, sondern mit meiner/unserer Rolle als Forenbetreuer zu tun hat.

Wenn ich als Admin hier meine Meinung nicht mehr genauso diskutieren könnte wie jeder andere auch, in diesem Moment würde ich diese Rolle, die ich seit 5 Jahren inne habe, an den Nagel hängen. Da ich eigentlich seit jeher mehr inhaltliche Diskussionen befürworte denn persönliche denke ich allerdings, dass das nicht notwendig sein wird.

Avalanche
10.02.2008, 04:39
Dieser Satz sagt nur, dass ich im Zustand des beginnenden Sterbens nicht mehr behandelt werden möchte.

Nee. So funktioniert das nicht. Ausserdem schiessen Sie da möglicherweise ein fatales Eigentor, das unerwünschte Konsequenzen für Sie haben kann.

Denn gerade weil der Zustand des beginnenden Sterbens in der Moderne zunehmend schwieriger eingrenzbar, bzw weil er aufhaltbar ist, haben Sie doch das Dilemma.

Was her muss, ist also eine Entscheidung, die entweder von diesem Zustand abgekoppelt ist: Im Einfachsten Falle: Ich will nicht mehr, lasst mich sterben.

Oder eine, bei der *Sie* definieren, was für *Sie* der "Zustand beginnenden Sterbens" ist und wann der eintritt. Denn den Ärzten *dürfen* Sie diese Entscheidung nicht überlassen, wenn Sie auf der - bzgl unerwünschter Rea - sicheren Seite bleiben wollen.
Diese Entscheidung können Sie aber nur für sich alleine treffen, ohne dass jene jeglichen normativen Anspruch für Andere erfüllt - und daher kommen die juristischen Fallstricke sowohl für den Verfügenden als auch für die, die als Sans oder Ärzte mit einer solchen Verfügung konfrontiert werden.
Sollten Ihre Auffassungen vom Zustand beginnenden Sterbens nämlich klar mit gesichertem Wissen und den daraus resultierenden verpflichtenden Vorgaben für die Retter/Ärzte kollidieren, bekommen alle Beteiligten ein Problem.

grüsse, Avalanche

ehemalige Userin 24092013
10.02.2008, 12:18
Also gut, ich habe lang überlegt, ob ich kurz mal schreibe, wie ich damit umgehe, in Momenten zu reanimieren, wos doch eigentlich hoffnungslos ist.
Bsp: Pat. wird irgendwo auf der Strasse Laienreanimiert, kommt zu mir auf die ITS, wird dort weiter reanimiert und stabilisiert, wird coronarangiographisch untersucht und 3 verschlossene Bypässe werden dilatiert.
Zur Entlastung gibts dann eine IABP und eine (bei uns nennt man das so) Impella.
Der Pat. ist noch nicht sehr alt, stand mitten im Leben und war noch recht aktiv (auch sportlich).
Der Zustand aber verschlechtert sich gewaltig.
Er blutet aus allen Körperöffnungen, Gerinnungsparameter sind teilweise nicht mehr messbar (DIG?), pH unter 7, pCO2 zahlentechnischer grösser als das pO2 ( bei einer 100% O2 Beatmung.
Über 200 mcg Noradrenalin und Adrenalin pro Minute und der MAP schafft es gerade sich bei 50mmHG zu halten.
uvm.
Der Endergebnis war uns allen eigentlich klar.

Die Rea war nicht gestrichen (verständlich, wenn man das Alter bedenkt und den Zustand vor dem Ereignis). Die Angehörigen wollten auch, dass man ALLES macht.
Intubiert war der Pat. bereits, an einer medikamentösen rea waren wir seit 12 Stunden quasi dran, fehlte also nur noch die mechanische.

Als es Blutdruck- und Frequenztechnisch dann eng wurde, drückten wir tatsächlich los.
Die Angehörigen waren derweil am Bett und jeder wusste genau, man drückt nur deswegen, um zu zeigen: wir tun alles.

Ich würde nicht wollen, dass man sowas mit mir macht. Wenn ich genauer drüber nachdenke, finde ich das für den Patienten auch eine rechte "Sauerrei" und ethisch einfach grausam.

Und da ist eben eine Abgrenzung ziemlich sinnvoll.
Das was ich da tue -und die eben beschriebene Situation war mit Sicherheit nicht die erste für mich- ist ein Job, den habe ich zu machen.
Und das was da vor mir liegt ist NATÜRLICH ein Menschenleben was gerettet werden muss....in dem Moment aber ist das was da vor mir liegt ein Arbeitsgerät, wie jedes andere Gerät auch.
Wichtig ist nur, dass man diesen Gedanken für sich behält und vor den Angehörigen und anschliessend auch vor dem verstorbenen ein einfühlsames und angepasstes Auftreten hat.

Viel bedenklicher finde ich es, wenn man wirklich " halbtote" wochenlang auf der ITS durchbringt und sie im Sinne der schnellen Weanings, weil Spontanatmung am Tubus ist ja immer noch ein wenig schöner als Wochen lang voll analgosediert und beatmet, nur um am Ende doch zu verlieren.
Man quält den Patienten und auch die Angörigen.
Denn meist ist der Anblick eines solchen Patienten längst nicht mehr der, den sie von besseren Zeiten gewohnt sind.
Sie sehen aus wie Monster - es müssen schreckliche Wochen für alle sein.
Hier darf meiner Meinung nach gern früher eine Entscheidung getroffen werden.

Kurz: und wenn die Situation aktuell noch so aussichtslos ist. Der Pat. hatte vorher eine sehr gute Lebensqualität. Und dann wird auch reanimiert.
Wenn die Angehörigen das wollen sowieso und wenn sie es nicht wollen auch.
Es gibt eben nicht nur desolate Langzeiterkrankungen.


Wer Rechtschreibfehler findet, der darf sie gern behalten.;-)

alley_cat75
10.02.2008, 13:29
Viel bedenklicher finde ich es, wenn man wirklich " halbtote" wochenlang auf der ITS durchbringt... , nur um am Ende doch zu verlieren.

Gibt es in der Intensivmedizin eigentlich eine Frist, nach der man sagt, okay, wir lassen den Patienten jetzt gehen? Oder hängt das individuell vom Ego der Oberärzte ab?

arwen_
10.02.2008, 18:41
gelöscht

Dr. Pschy
10.02.2008, 19:04
Wirft sich die Mutter das nicht so und so vor? Keine Ahnung was eine Show-Rea da aendern sollte?

Ich finde, es kann fuer Eltern (ich nehm den Vater nicht aus!) bei (Klein)Kindern belastender sein, wenn man kommt und nix tut. Aus diesem Grund kenn ich Notaerzte, die dann trotzdem eine Show-Rea machen und den Eltern zeigen, dass wirklich alles versucht wird. Wenn man schon ethische Bedenken anstellt, darf man diese nicht auf den Patienten konzentrieren sondern muss das Umfeld mit reinnehmen. Das Kind ist vielleicht so und so tot, aber wenn ich den Eltern psychischen Druck nehmen kann eine Show-Rea durchaus "indiziert" sein.

alive
10.02.2008, 20:46
Das Kind ist vielleicht so und so tot, aber wenn ich den Eltern psychischen Druck nehmen kann eine Show-Rea durchaus "indiziert" sein.
Meine Meinung zur Show-Rea hab ich ja schon mal kund gegeben, aber bei einem sicher toten Pat. (in diesem Fall Kind) noch ne Show ab zu ziehen ist einfach total daneben. Klar ist man bei Kindern immer versucht alles nur irgend mögliche zu machen aber das geht zu weit. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass das tote Kind reanimiert wird, weil sich das med. Personal in Aktionismus stürzt da es mit der Situation nicht umgehen kann oder will. Zumindest ging es mir einmal so. Wir wären damals auch fast der Versuchung verfallen ein 13 Monate altes Kind mit Totenflecken zu reanimieren. Ziemlich ähnliche Situation wie arwen_ sie beschrieben hat.
Lieber von vorne herein die Eltern richtig betreuen und sofort den NND / KIT dazu holen - Auch wenn es schwer fällt.

Nemesisthe2nd
10.02.2008, 21:38
hab ne weile mitgelesen, jetzt kommt auch noch mal was...

ich hab selber noch nicht viele reas erlebt (3 warens, 1 im zivi 2 im KH-Praktikum), aber durch den zivi im rettungsdienst, nen paar mal appaliker gefahren, da es ein entsprechendes pflegeheim im lokalen einzugsgebiet gab...

ich fand die leeren blicke dieser menschen ziemlich fürchterlich, zu nichts mehr fähig außer husten, spontanatmen und ab und zu spastiken...
auf der anderen seite hab ich während des pflegepraktikums auch patienten erlebt die teilweise 45 minuten reanimation inklusive präklinischer lyse ohne bleibende defizite überstanden haben...
von daher find ich es unglaublich schwer diese entscheidung zu treffen. aber ich denke im zweifelsfall sollte man eben doch lieber reanimieren.

spezieller auf rettung bezogen... auf der wache wo ich gefahren bin wurde eher zurückhaltend reanimiert, wenn klar war das der schon ne weile (zb länger als 15 mins) da liegt und keine elektrische aktivität vorhanden war, dann wurde nicht mehr reanimiert (Notarztentscheidung, versteht sich)

ehemalige Userin 24092013
10.02.2008, 22:19
Gibt es in der Intensivmedizin eigentlich eine Frist, nach der man sagt, okay, wir lassen den Patienten jetzt gehen? Oder hängt das individuell vom Ego der Oberärzte ab?


Es gibt keine Frist. Ausser es ist so hoffnungslos (ausgedehnte SAB und lange Vorgeschichte....z.B., dann wird auch gut mal wieder verlegt)
Im letzten Jahr hatten wir einen Pat. mit ALL in der Aplasie mit rez. GI - Blutungen.
Es gab 2 Monate Blutprodukte, massenhaft und täglich.
Es gab 2 Monate immer mal wieder so instabile Phasen, wo man (fast) sicher war, dieser Mensch stirbt jetzt.
Es gab unendliche viele Momente wo man sich fragte, was tun wir eigentlich, warum qäulen wir diesen Menschen und seine Angehörigen so.

Diese Geschichte wäre sicher auch 4 Monate so weiter gelaufen, wenn sich der Patient nicht nach diesen 2 Monaten langsam wieder erholt hätte und mittlerweile eine erfolgreiche Transplantation erhalten hat.


Auch wenn das der bisher einzige Fall (von weiss der Fuchs wievielen) von von einer so entgleisten ALL (oder AML) war, der bisher wieder lebend das Spital verlassen hat, lohnt es sich auch bei allen anderen so zu kämpfen.



Was es allerdings gibt: eine Verlegung von der ITS im günstigen Moment ohne Rückfahrschein.
Sprich: man stabilisiert und verlegt und nimmt einfach in der nächsten instabilen Phase nicht mehr auf.

Hypnos
11.02.2008, 01:03
Wirft sich die Mutter das nicht so und so vor? Keine Ahnung was eine Show-Rea da aendern sollte?

Ich finde, es kann fuer Eltern (ich nehm den Vater nicht aus!) bei (Klein)Kindern belastender sein, wenn man kommt und nix tut. Aus diesem Grund kenn ich Notaerzte, die dann trotzdem eine Show-Rea machen und den Eltern zeigen, dass wirklich alles versucht wird. Wenn man schon ethische Bedenken anstellt, darf man diese nicht auf den Patienten konzentrieren sondern muss das Umfeld mit reinnehmen. Das Kind ist vielleicht so und so tot, aber wenn ich den Eltern psychischen Druck nehmen kann eine Show-Rea durchaus "indiziert" sein.

Also, aus Sicht und langjähriger Erfahrung eines Notarztes und gleichzeitig auch eines Notfallbegleiters (gibt's anderswo auch, heißt da nur anders) möchte ich an dieser Stelle mal Folgendes sagen:
Es gibt absolut und ohne Ausnahme keinen aber wirklich auch überhaupt keinen Grund, einen augenscheinlich toten Menschen zu reanimieren. Dies ist nicht nur sinnlos, sondern auch in meinen Augen ethisch sehr bedenklich. Warum das aus medizinischer Sicht keinen Sinn macht, brauche ich hier wohl nicht näher zu erläutern. Die psychisch-soziale Komponente ist hier anscheinend aber wohl nicht jedem so klar. Eines vorweg: Jeder Laie (und damit meine ich auch die cerebral minderperfundierten Standard-nachmittags-vor-der-Talkshow hängenden Mitmenschen in diesem, unseren Lande) haben sehrwohl ein Gefühl oder sagen wir mal Gespür dafür, ob ein Mensch tot ist oder nicht. Sie können das vielleicht nicht exakt begründen oder für sich selbst sicher feststellen, aber das Gespür dafür ist da. Wenn ich dann mit dieser dunklen Vorahnung einen Notarzt rufe, dann ist das (unterbewußt) weniger, weil ich damit rechne, daß der den Toten wieder zu den Lebenden erweckt, als denn mehr, daß ich mir (vielleicht) in dieser Situation nicht mehr zu helfen weiß und daher zusätzliche Hilfe benötige. [Ich weiß, das klingt jetzt alles sehr abstrakt, es hat sich aber (und das ist das Fazit nach dem jahrelangen Besuch von Notfall-"Seelsorgerischen" Kongressen) anhand vieler Erfahrungsberichte von unzähligen in der Notfallbegleitung Tätigen herausgestellt, daß dem eben doch so zu sein schein. Ich formuliere das absichtlich so vorsichtig, da die menschliche Psyche sich eben nach wie vor der ansonsten so bildgebungs-verliebten Ärzteschaft entzieht.] Nun kommt also der Notarzt ins Spiel, der, vermutlich, da Kindernotfälle (und das beziehe ich jetzt mal auf das SIDS) auch nicht die Haupteinsatzmeldung im Rettungsdienst ist, ebenfalls mit der Situation überfordert ist, und beginnt zu reanimieren. In diesem Moment wecke ich in den Angehörigen, die sich (unterbewußt) schon mit dem Abschied-nehmen befassen, erneut die Hoffnung, es sei vielleicht doch noch nicht alles aus, wobei man ja als Arzt weiß, das dem doch so ist. Das ist meines Erachtens ethisch höchst verwerflich und in jedwederform strikt abzulehnen. Es führt zu nichts, ausser zu einer doppelten Traumatisierung der Angehörigen. Ziel des Notarztes sollte es sein, den Tod, so er denn eingetreten ist, festzustellen und, falls irgend möglich, die Angehörigen (Eltern) in diese Tatsache miteinzubinden. Das heißt nicht zwingend, daß die Leichenschau in Anwesenheit der Eltern zu erfolgen hat, kann aber sehr wohl bedeuten, daß man nach der Leichenschau (VOR welcher man den Eltern aber gesagt haben sollte, dass das Kind eben nun einmal verstorben ist)die Eltern mit zum verstorbenen Kind nimmt und ihnen erklärt, woran man eben genau dieses feststellen kann. Dann sollte man den Eltern die Möglichkeit geben, Abschied zu nehmen, und sie dazu auch auffordern, da die Möglichkeit danach (bedingt durch die Beschlagnahmung des Leichnahms durch die Polizei) deutlich eingeschränkt wird. Auch sollte man den Eltern die Verfahrensweise (staatsanwaltlich angeordnete Obduktion, Beschlagnahmung des Leichnahms etc.) erläutern und ggf. weitere Hilfe- bzw. Ansprechpartner mit dazu rufen.
Nähere auch sehr detaillierte Informationen zum Thema findet man auch unter:
www.geps.de
Dieses, und allein dieses Verhalten scheint für mich das einzig ärztlich und ethisch vertretbare. Sollte mir mal ein hypertropher Leichen-Reanimierer über den Weg laufen, so würde ich auch ihn freundlich aber bestimmt auf sein Fehlverhalten hinweisen. Für Anmerkungen oder Fragen zum Thema bitte gern pn an mich.

Es grüßt,

Hypnos (dem dieses Thema wirklich am Herzen liegt)

Dr. Pschy
11.02.2008, 10:46
Nur um eines klarzustellen:
Mein obiges statement spiegelt nicht zwangslaeufig meine Meinung wieder! Die Aussage, dass es fuer Eltern belastender sein kann wenn sie sehen, dass gar nix passiert, fusst auf meinem bisher - in diesen Notfaellen allerdings geringem - Erfahrungssachatz und fuehrt nicht zwangslaeufig zu der conclusio, dass jedes tote Kind reanimiert werden muss. Die ethische Bedenklichkeit kann hier auch gar nicht wegdiskutiert werden.

Deinen fett markierten Satz find ich aber linguistisch ungut, wenn wer vor meinen Augen wer umkippt ist er auch "augenscheinlich" tot, und ich reanimiere trotzdem. Ich denke du hast sicher "sicher tot" gemeint.

Einen klaren Fehler noch: Eine Leiche kann juristisch gesehen nur sichergestellt, aber nicht beschlagnahmt werden.

alley_cat75
12.02.2008, 15:57
Mir fällt zu dem Thread etwas aus der Rechtsmedizin ein... Der Professor hat uns davor gewarnt, eine Show-Rea durchzuführen (v. a. bei Kindern), ...

Show-Rea? :-wand Klingt nach einem regelrechten Armutszeugnis für unerfahrene und/oder hilflose Ersthelfer? Ob das wirklich ein bewußter Akt ist, wenn NA oder Sanitäter totenbefleckte Leute anfangen, zu reanimieren?

alley_cat75
19.02.2008, 09:29
Habe eine schöne Geschichte aus meinem letzten Dienst - passend zum Thema. Und damit wieder alle aufschreien können, oder auch nicht. :-nix 84jährige Patientin, pflegebedürftig, 3. Re-Apoplex, stationär wegen eitriger Bronchitis. Kann sich selbst nicht mehr artikulieren, versteht aber das meiste. Nahrungsverweigerung und Schluckstörungen. PEG vom Ehemann abgelehnt, da sie zu Hause noch etwas Nahrung abnehmen würde. Patientenverfügung vorhanden - so weit, so gut. Die Dame sollte heute nach Hause. Gestern abend aspiriert sie heftigst bei der Fütteraktion des Mannes, periphere Sättigung rutscht auf 78%, Husten und Zyanose, hochgradige Unruhe. Ich habe die Anästhesistin dazugeholt, um das weitere Prozedere nicht selbst entscheiden zu müssen. Fünf Minuten haben wir der Frau beim Ersticken zugeschaut und sie dann doch intubiert - gegen ihren eigentlichen Willen. Nur: was wäre die Alternative gewesen?!

Diskussion bitte!


P. S. für eine endoskopische Absaugung war die Sättigung zu schlecht.

alive
19.02.2008, 12:54
Hier mal eine andere Variante:
Ein OA der Anästhesie hat in einer ähnlichen Situation mal 5mg Midazolam gegeben und sich ans Bett gesetzt und dem Pat. die Hand gehalten...
Der Pat. hatte auch eine schriftl. Pat.-Verfügung in der die Intubation, PEG-Anlage und "andere lebensverlängernde Maßnahmen" explizit ausgeschlossen wurden. Dazu kommt noch, dass keine Angehörigen anwesend waren.
Bin mir aber nicht sicher, ob ich das auch so machen würde.
Ich denke ich hätte wohl auch intubiert. Zumahl der Ehemann wohl im Raum war und ich mir ernsthaft überlegen müsste nachher raus zu gehen und ihm klar zu machen, dass er seine Frau erstickt hat.

Avalanche
20.02.2008, 12:08
Zumahl der Ehemann wohl im Raum war und ich mir ernsthaft überlegen müsste nachher raus zu gehen und ihm klar zu machen, dass er seine Frau erstickt hat.

Na *das* brauchen Sie dem Mann ja *so* nicht verklickern und schon gar nicht "klarmachen"!

Selbst wenn er fragen sollte ob es an dem Verschlucken lag, gibt es da immer noch die "barmherzige Lüge" ihm zu erklären, dass das Verschlucken (und die Aspirationslunge unter der er sich sicher wenig konkretes Vorstellen kann) nicht daran "Schuld" waren, sondern das hohe Alter und die Krankheit und sie sich verschluckt habe weil es eben auf das Ende zuging.
Welchen Sinn würde es machen, dem Mann da noch im Detail reinen Wein einzuschenken? Damit er sich wegen eines Zustandes an dem nun zero noch zu ändern ist, Vorwürfe macht?
Ich bin sehr dafür, dass Patienten auch die "notwendigen Grausamkeiten" ehrlich mitgeteilt werden - weil nur so kann der Patient entscheiden und sich vorbereiten - in solchen aber nicht: Weil der Patient nämlich tot ist und der Angehörige damit genug an der Backe hat und zudem nichts "dafür" kann.

grüsse, Avalanche

Avalanche
20.02.2008, 12:23
Fünf Minuten haben wir der Frau beim Ersticken zugeschaut und sie dann doch intubiert - gegen ihren eigentlichen Willen. Nur: was wäre die Alternative gewesen?!

Offen und ehrlich: Ich hätte sie schlafen gelegt und abgewartet und sie sterben lassen. Nicht zuletzt weil eine Verfügung vorliegt. Allerdings mit vielen Bauchschmerzen.
Begründung: Was dem Mann da passiert ist, kann ihm jederzeit wiederpassieren, solange die PEG abgelehnt wird. Sagt man ihm mehr oder weniger brutal: "Ohne PEG bringst Du deine Frau im Zweifelsfall um", hat man zwar recht, den Mann aber auch massiv unter Druck gesetzt, diesen Gesamtzustand nun dank PEG noch zu verlängern.
Bin mir nicht sicher wieviel Forderung man auch an die Leidensfähigkeit der Angehörigen stellen kann, nur weil einem selbst die Entscheidung höllisch schwer fällt. Und vielleicht ist dies auch manchmal unsere Rolle, selbst wenn sie uns nicht gefällt: zu entscheiden.
Ungut wäre mir immer im Kopf geblieben: Da hast Du nun über einen alten, kranken Menschen entschieden, weil *DU* seinen Zustand so "beendenswert" erachtest. So ganz, hätte ich mich von diesem Selbstzweifel nicht freimachen können.

Läge keine Verfügung vor, hätte ich sie aber auch intubiert, weil ich dann annehmen *muss* (mangels anderslautender info), dass die Patientin will, dass man tut was möglich ist.

Obiges soll kein moralisches Urteil sein - die kann man in solchen Situationen eh in der Pfeife rauchen - es ist wirklich das, was ich vom "Gefühl" her getan hätte und es liegt mir fern zu sagen dies sei "das Richtige".

grüsse, Avalanche

ehemalige Userin 24092013
20.02.2008, 19:17
Pat. wird intubiert, 2 Tage nach der Intubation taucht eine Patientverfügung auf: keine Rea, keine Intubation etc.
Was jetzt?


Pat. ist übrigens nicht in der Lage allein zu atmen, GCS 3 (ohne Analgosedation).
u.v.m.

Dr. Pschy
20.02.2008, 19:27
Von wo taucht die Verfuegung auf? Wenn sie der Notar bringt steckt man in der Klemme, wenn sie sonst irgendwer bringt hats mich rein juristisch nicht zu interessieren, da man nicht verifizieren kann dass a) die Verfuegung wirklich vom Patienten stammt und b) der aktuelle Wille nicht bekannt ist.

Evil
20.02.2008, 19:40
Wenn zum Zeitpunkt der Intubation die Verfügung nicht vorhanden war, kann man den Helfern schlecht einen Vorwurf machen.

Und wo der Schlauch jetzt einmal drin ist, würde ich keine schnelle Entscheidung treffen, sondern mit den Angehörigen (und gegebenenfalls nach rechtlicher Beratung) in Ruhe entscheiden. Ob der Patient jetzt ein noch paar Tage länger beatmet wird oder nicht, macht den auch Kohl nicht mehr fett.

@ Alley: als relativer Jungassistent hätt ich genauso gehandelt wie Du, aber vielleicht versucht, den Hintergrund zu fragen. Noch bin ich nicht so abgebrüht, den Leutchen dann einfach Dormicum oder Mo zu geben.

Sebastian1
20.02.2008, 20:53
Evil: Bin ich auch nicht (zumal ich als Jungassistent solche Entscheidungen einfach mal nicht selbst treffen darf - zum Glück). Aber wenn, dann doch bitte Mo. Das macht dann wenigstens ein hyperkpanisches Ersticken durch Dämpfung des Atemantriebes auf zentraler Ebene angstfrei, wenn richtig dosiert. Dormicum sediert zwar schön und die Leute erscheinen friedlich, es mach aber in üblicher Dosierung keine solche Suppression des Atemantriebes, dass ich darunter allein jemandem den Sterbeprozess wirklich angstfrei gestalten könnte. Wobei ich einschränkend sagen muss, dass das nur eine subjektive Erfahrung ist. Wen mmir da jemand mit Daten zu- oder widersprechen könnte, dann wäre das hilfreich.