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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Reanimieren trotz ethischer Bedenken



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ehemalige Userin 24092013
20.02.2008, 21:06
Die Verfügung wurde von den Eltern gebracht, Patient ist etwa 40 Jahre alt und mittlerweile 4 Wochen intubiert.
Atmet absolut nicht allein, braucht also die vollkontrollierte Beatmung, Hustet nicht beim Absaugen, hat immer noch ein GCS von 3 und aktuell einen paralytischen Ileus.

Kam ursprünglich mit einem Status Epilepticus, der erst mit einer Barbituratnarkose durchbrochen worden ist und seit über 2 Wochen ist der Pat. ohne jegliche Analgosedation bei uns.
Barbiturat gabs 3 Tage lang, Pat. ist etwas adipös, könnte ja schon noch was dauern, bis alles vom Medikament draussen ist. Aber über 2 Wochen? *hmmm*

Würde man extubieren, ist das Ergebnis klar. Nur ist das auch ok?

McBeal
21.02.2008, 05:14
Von wo taucht die Verfuegung auf? Wenn sie der Notar bringt steckt man in der Klemme, wenn sie sonst irgendwer bringt hats mich rein juristisch nicht zu interessieren, da man nicht verifizieren kann dass a) die Verfuegung wirklich vom Patienten stammt und b) der aktuelle Wille nicht bekannt ist.
Selbstverständlich hat sie Dich zu interessieren und wenn die Patientin bekannt ist, kann man wahrscheinlich schon (Unterschrift etc.) verifizieren, dass sie vom Patienten stammt (hier kommt sie von den Eltern, da würde ich auch davon ausgehen). Und bindend ist sie auch, solange nicht eine aktuellere auftaucht.

Ob ich jetzt extubieren würde? Hm, nach Patientenwille/Verfügung würde ich es eigentlich als richtig ansehen - würde es aber in keinem Fall allein entscheiden wollen (immer OA-Rücksprache). Ist niemand als Betreuer in der Verfügung eingesetzt, mit dem man das noch besprechen könnte? Sonst würde ich mit OA, CA und evtl. Ethikrat o.ä. sprechen, aber auf keinen Fall allein die Verantwortung übernehmen wollen.

LG,
Ally

Hypnos
21.02.2008, 08:50
Pat. wird intubiert, 2 Tage nach der Intubation taucht eine Patientverfügung auf: keine Rea, keine Intubation etc.
Was jetzt?


Pat. ist übrigens nicht in der Lage allein zu atmen, GCS 3 (ohne Analgosedation).
u.v.m.

Kommando zurück - habe gerade erst den Rest gelesen...

Dann würde ich die Patientin zügig tracheotomieren....und somit ggf. reha-fähig machen. Man darf sich da nie zu sicher sein. Habe persönlich schon schwerste SHT's gesehen, von denen niemand mehr was erwartet hätte, und nach 6 Wochen gabs dann doch wieder Spontanbewegungen...

Schwierig - wie das mit den Köppen halt so iss...

Hypnos
21.02.2008, 08:55
Ob ich jetzt extubieren würde? Hm, nach Patientenwille/Verfügung würde ich es eigentlich als richtig ansehen -
LG,
Ally

Das wäre aktive Sterbehilfe - und die ist nicht erlaubt..

Meint

Hypnos

ehemalige Userin 24092013
21.02.2008, 09:17
Tracheotomie ist sicher eine Option, aber selbst die nützt nix, wenn keine Spontanatmung vorhanden ist.

Hypnos
21.02.2008, 09:19
Tracheotomie ist sicher eine Option, aber selbst die nützt nix, wenn keine Spontanatmung vorhanden ist.

Stimmt, aber es gibt mittlerweile gute Heimbeatmungssysteme, die auch kontrolliert beatmen. Dann könnte man den/die Patienten/in zeitnah in eine Pflegeinrichtung entlassen...

Beste Grüße,


Hypnos

rate mal
21.02.2008, 09:30
Für eine Tracheotomie bräuchtest Du die Einwilligung des Bevollmächtigten Deines Patienten (falls der Patient jemandem eine Vollmacht für Gesundheitsfragen erteilt hatte) oder seines vom Gericht eingesetzten gesetzlichen Betreuers für Gesundheitsfragen.
Wenn der sich an die Patientenverfügung hält, wozu er verpflichtet ist, wird er nicht einwilligen.

Hypnos
21.02.2008, 09:37
Für eine Tracheotomie bräuchtest Du die Einwilligung des Bevollmächtigten Deines Patienten (falls der Patient jemandem eine Vollmacht für Gesundheitsfragen erteilt hatte) oder seines vom Gericht eingesetzten gesetzlichen Betreuers für Gesundheitsfragen.
Wenn der sich an die Patientenverfügung hält, wozu er verpflichtet ist, wird er nicht einwilligen.

HÄ? Wieso das? Ziel kann doch wohl nur sein, daß der Patient nicht auf einer Intensivstation stirbt. Und wenn man ihm das mittels Tracheotomie und Heimbeatmung ermöglichen kann, und die Bevollmächtigten auch in diese Richtung aufklärt, sehe ich nicht, was dagegen sprechen sollte... :-???

Hypnos

sodbrennen
21.02.2008, 09:52
Dann würde ich die Patientin zügig tracheotomieren....und somit ggf. reha-fähig machen.

Ist man davon nicht etwas weit entfernt? ;-)

rate mal
21.02.2008, 09:54
Die Verfügung wurde von den Eltern gebracht, Patient ist etwa 40 Jahre alt und mittlerweile 4 Wochen intubiert.
Atmet absolut nicht allein, braucht also die vollkontrollierte Beatmung, Hustet nicht beim Absaugen, hat immer noch ein GCS von 3 und aktuell einen paralytischen Ileus.
[...]
Würde man extubieren, ist das Ergebnis klar. Nur ist das auch ok?

Das wäre aktive Sterbehilfe - und die ist nicht erlaubt..


Dann würde ich die Patientin zügig tracheotomieren....und somit ggf. reha-fähig machen. [....]


Stimmt, aber es gibt mittlerweile gute Heimbeatmungssysteme, die auch kontrolliert beatmen. Dann könnte man den/die Patienten/in zeitnah in eine Pflegeinrichtung entlassen...

Ziel kann doch wohl nur sein, daß der Patient nicht auf einer Intensivstation stirbt. Und wenn man ihm das mittels Tracheotomie und Heimbeatmung ermöglichen kann, und die Bevollmächtigten auch in diese Richtung aufklärt, sehe ich nicht, was dagegen sprechen sollte... Ich hielte das Extubieren nicht für aktive Sterbehilfe. Das Intubieren und die Beatmung ist gegen den Patientenwillen vorgenommen worden, weil der Patientenwille den Behandelnden zu diesem Zeotpunkt nicht bekannt gewesen ist. (Zumindest gehe ich mal davon aus.) Das Fortsetzen der Beatmung verstößt aber gegen den Patientenwillen. Wenn die Beatmung auf Verlangen des Bevollmächtigten bzw. Betreuers abgestellt würde, wäre es imho keine aktive Sterbehilfe.

Wenn Du ihn tracheotomieren und beatmungspflichtig nach Hause entlassen würdest, würdest Du den Schwarzen Peter an seine Angehörigen weitergeben. Wenn Du das Einstellen der Beatmung auf der ITS als aktive Sterbehilfe betrachtest, wäre auch das Abstellen der Heimbeatmung aktive Sterbehilfe. Wie gesagt, imho wäre es in beiden Fällen keine aktive Sterbehilfe.

Xela
21.02.2008, 11:56
Ist man davon nicht etwas weit entfernt? ;-)

es gibt auch rehakliniken für beatmungspatienten! wie z.b. die rehanova (http://www.rehanova.de) in köln.

Hypnos
21.02.2008, 14:11
Ich hielte das Extubieren nicht für aktive Sterbehilfe. Das Intubieren und die Beatmung ist gegen den Patientenwillen vorgenommen worden, weil der Patientenwille den Behandelnden zu diesem Zeotpunkt nicht bekannt gewesen ist. (Zumindest gehe ich mal davon aus.) Das Fortsetzen der Beatmung verstößt aber gegen den Patientenwillen. Wenn die Beatmung auf Verlangen des Bevollmächtigten bzw. Betreuers abgestellt würde, wäre es imho keine aktive Sterbehilfe.

Wenn Du ihn tracheotomieren und beatmungspflichtig nach Hause entlassen würdest, würdest Du den Schwarzen Peter an seine Angehörigen weitergeben. Wenn Du das Einstellen der Beatmung auf der ITS als aktive Sterbehilfe betrachtest, wäre auch das Abstellen der Heimbeatmung aktive Sterbehilfe. Wie gesagt, imho wäre es in beiden Fällen keine aktive Sterbehilfe.

Es ist auch relativ egal, ob Du das für aktive Sterbehilfe hälst, da es sich juristisch um aktive Sterbehilfe handelt. Da kannst Du noch so viel daran herumdeuteln wie Du magst. Es steht ausser Frage, daß die Intubation gegen den Patientenwillen verstoßen hat, ABER zum Zeitpunkt der Intubationspflicht lag diese Information nun einmal eben nicht vor. Daher gilt hier, wie schon zig mal in diesem Thread beschrieben, der mutmaßliche Wille des Patienten, und der ist, so nicht anders hinterlegt, auf Weiterleben ausgelegt.
In der Patientenverfügung ist aber KEINE Rede von "Fortführen der Beatmung" als abgelehnte Maßnahme. Daher hat man jetzt vielleicht ein schlechtes Bauchgefühl, weil die INTUBATION zwar gegen den Patientenwillen verstieß, ein Abschalten der Beatmung bei nicht ausreichendem Atemantrieb ist und bleibt aber bei einem nicht für hirntot erklärten Patienten (und NUR DANN wäre es KEINE aktive Sterbehilfe, da der Patient in diesem Fall per definitionem schon tot IST) AKTIVE Sterbehilfe, egal ob auf der ITS oder in einem Pflegeheim oder in häuslicher Umgebung. Mal ganz davon abgesehen, daß es ethisch, juristisch und persönlich extrem schwierig sein wird, von einem Bevollmächtigten das Kommando "Beatmung ausstellen" zu bekommen.

Beste Grüße,

Hypnos

Hypnos
21.02.2008, 14:14
es gibt auch rehakliniken für beatmungspatienten! wie z.b. die rehanova (http://www.rehanova.de) in köln.


BTW:
Rehanova übernimmt keine Patienten ohne eigenen Atemantrieb bzw. mit dauerhafter Beatmungspflichtigkeit. Der Grund dafür ist, daß diese Patienten dauerhaft die Intensivstation "blockieren" würde, welche aber für "Notfälle" des eigenen "Reha-Patientengutes" bereitgestellt werden müssen.
Kein Problem hingegen sind tracheotomierte Patienten, die z.B. ein CPAP-Gerät zur Lungenprotektion besitzen....

Merkt

Hypnos


mal so an... :-)

rate mal
21.02.2008, 14:29
Daher gilt hier, wie schon zig mal in diesem Thread beschrieben, der mutmaßliche Wille des Patienten, und der ist, so nicht anders hinterlegt, auf Weiterleben ausgelegt.
In der Patientenverfügung ist aber KEINE Rede von "Fortführen der Beatmung" als abgelehnte Maßnahme.Ich war davon ausgegangen, dass dort eine entsprechende Formulierung enthalten ist.
Aber, okay, Kaddel hat nur geschrieben, es sei eine Patientenverfügung aufgetaucht. Also wissen wir nicht, was drin steht. Oder kennst Du die Patientenverfügung des Patienten, um den es hier geht?

O._Graf.
21.02.2008, 14:59
Tagesspiegel vom 21.2.2008: (http://www.tagesspiegel.de/berlin/Polizei-Justiz-Selbstmord-Polizei-Mitte;art126,2480867)


...."Er hat sich die Waffe an den Kopf gehalten und abgedrückt", so die Sprecherin. Eine Reanimation sowie eine anschließende Notoperation in einem Krankenhaus blieben erfolglos. Die Hintergründe liegen ersten Erkenntnissen nach im persönlichen Bereich. (imo) Diese Rea und diese OP haben ganz sicher gegen den Patientenwillen stattgefunden. Wobei ich mich frage, wieso nach einer angeblich erfolglosen Rea noch operiert worden sein soll.

Dr. Pschy
21.02.2008, 16:08
Tja, Angehoerige von Heilberufen stehen aber leider in einer juristischen Garantenpflicht und koennen rechtlich belangt werden, wenn sie nicht reanimieren und notoperieren. Stichwort Totschlag durch Unterlassen. Unterlassene Hilfeleistung gilt sowieso fuer alle, auch wenn klar war, dass hier ein Suizid vorliegt.

actin
21.02.2008, 16:27
Die Feigheit der Mediziner, die aus Angst vor dem Staatsanwalt den Willen von Patienten missachten, ist der Grund dafür, dass der Anteil der Bevölkerung, der die Zulässigkeit aktiver Sterbehilfe fordert, immer größer wird.

Vielleicht ist es aber keine Feigheit, sondern ganz einfach das Auskosten des Gefühls der Macht über Leben oder Tod eines anderen Menschen, die sich hinter der angeblichen Wahrnehmung einer Garantenpflicht versteckt.

rate mal
21.02.2008, 16:41
, ein Abschalten der Beatmung bei nicht ausreichendem Atemantrieb ist und bleibt aber bei einem nicht für hirntot erklärten Patienten (und NUR DANN wäre es KEINE aktive Sterbehilfe, da der Patient in diesem Fall per definitionem schon tot IST) AKTIVE Sterbehilfe,NEIN. Das Unterlassen einer lebensverlängernden Maßnahme ist KEINE aktive Sterbehilfe.
Und wenn diese Maßnahme gegen den Willen des Patienten vorgenommen wird, ist es sogar Körperverletzung.


Pat. wird intubiert, 2 Tage nach der Intubation taucht eine Patientverfügung auf: keine Rea, keine Intubation etc.
Was jetzt?Wenn sich der Patient eindeutig gegen Rea und Intubation ausgesprochen hatte, hatte er damit implizit auch die Beatmung abgelehnt. Die Intubation erfüllt schließlich keinen Selbstzweck, sonden dient der Beatmung.

Sebastian1
21.02.2008, 16:44
Doch, rate mal, es ist aktive Sterbehilfe. Denn du stellst die Beatmung ab. Passive Sterbehilfe wäre es, zB eine such unter der Beatmung entwickelnde Pneumonie nicht mehr zu behandeln und die Beatmung nicht anzupassen. Das Abstellen ist definitiv aktive Sterbehilfe.

Zu actin:
Der Post kann nicht dein Ernst sein, oder? Du glaubst doch selbst nicht, was du da schreibst?

rate mal
21.02.2008, 17:00
Doch, rate mal, es ist aktive Sterbehilfe. Juristen sehen das anders. Ich hab jetzt keine Zeit, lang nach Literatur zu suchen, deshalb nur kurz das hier:

http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=suche&id=53662


[....]So forderte der Juristentag, „im Strafgesetzbuch klarzustellen, dass das Unterlassen, Begrenzen oder Beenden lebenserhaltender Maßnahmen eine straflose Behandlungsbegrenzung ist (bisher sogenannte ,passive Sterbehilfe‘), wenn für solche Maßnahmen keine medizinische Indikation besteht, wenn dies vom Betroffenen ausdrücklich und ernstlich verlangt wird, wenn dies vom Betroffenen in einer Patientenverfügung für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit angeordnet wurde, wenn dies von einem Vertreter des Patienten – erforderlichenfalls mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts – verlangt wird und der erklärte oder mutmaßliche Wille des Betroffenen nicht erkennbar entgegensteht und wenn der Patient einwilligungsunfähig ist und aufgrund verlässlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass er diese Behandlung ablehnen würde (mutmaßlicher Wille)“. [.....]

Denn nach wie vor ist ärztliches Handeln am Lebensende auch von der Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen geprägt mit der Folge, dass im Zweifelsfall eher gegen den Patientenwillen gehandelt wird. [.....] =>Das gilt höchstens als PASSIVE Sterbehilfe.