PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Nach falscher Diagnose in die Psychiatrie: Eingesperrt in einen Albtraum



Frau Betty Land
04.03.2008, 19:59
http://www.sueddeutsche.de/panorama/artikel/26/161581/

Es ist die Geschichte eines gestohlenen Lebens. Eines Albtraums, der vor mehr als 30 Jahren begonnen hat und der vielleicht niemals enden wird. Dieser Albtraum ist allgegenwärtig im Leben von Waltraud Storck, und einzelne Teile davon tauchen immer wieder auf.

Da ist die Angst vor Ärzten. "Alles, was mit Ärzten oder Krankenhäusern zu tun hat, ist für mich der Horror", sagt sie. Und da sind die Erinnerungen. An die Freundin Brigitte zum Beispiel, ihre Zimmergenossin, die ihr, als sie sediert von Psychopharmaka im Bett vor sich hindämmerte, noch das Blutwurstbrot vom Abendessen brachte, ehe sie die Station verließ und sich vor einen Zug warf......

Logo
05.03.2008, 10:35
In erster Linie gehören die Eltern (insb. Der Vater) belangt, diese wollten primär (laut Artikel) ihre Tochter "abschieben".

... "Der Vater suchte quer durch Deutschland Klinken, wo er mich einsperren konnte", sagt sie. Schließlich wird er 1977 in Bremen fündig, in einer Privatklinik, die auf Alkoholkranke spezialisiert ist. "Die Klinik war bekannt dafür, unliebsame Angehörige wegzusperren", sagt Waltraud Storck....

Natürlich stellt sich auch die berechtigte Frage, wieso von der ärztlichen Seite niemals reevaluiert wurde und niemand es wagte eine Diagnose in Frage zu stellen - vllt. weil es so einfacher war :-nix
Trotzdem sollte man nicht Ursache und Wirkung verwechseln.
Plakativ: Die "Schützenhilfe" der Ärzteschaft für die Belange des Vaters, macht den "Helfer" noch nicht zum "Mörder"...

Diese Frau ist m. E. nicht mehr ernst zunehmen bzw. ordentlich "verballert" und projeziert/reduziert sämtliche Mißstände ihrer Familie, des damaligen Systems usw. allein auf die Ärzteschaft s.u. - bitter nur, daß sie dabei die wenigste Schuld für ihren Zustand trifft...
Immer mal wieder erscheint sie bei einer Talkshow/mit einem Buch aus der medialen Versenkung und erhebt mahnend den Zeigefinger, um der sensibleren Seele bei nächtlicher Lektüre einen kalten Schauer über den Rücken zu jagen und der ein oder andere Arzt denkt vllt. zweimal über Maßnahmen nach PsychKG nach... ;-)
Ist doch super - es scheint also allen geholfen zu sein. Bitte weiter nerven... :-keks

Zum Genießen:


"Meine Familie hätte mich zugrunde gehen lassen", sagt Storck. Trotzdem hat sie ihren Vater nie angezeigt. Warum nicht? "Der hat mich doch nicht eingesperrt, das waren die Ärzte, deswegen verklage ich die", sagt sie.

hat Waltraud Storck, neben ihren Büchern, den juristischen Kampf gegen die Ärzte zu ihrem Lebensinhalt gemacht. Jedes Detail ihrer Leidensgeschichte hat sie parat, und sie will es erzählen, es sprudelt geradezu aus ihr heraus.


"Darf ich auch etwas dazu sagen?", unterbricht sie ihren eigenen Anwalt. "Sie dürfen etwas fragen", entgegnet die Vorsitzende Richterin Ingelore König-Ouvrier mit leicht genervtem Unterton. Insgesamt 14 Gerichte haben sich durch die verschiedensten Instanzen mit ihrem Fall beschäftigt.

Frau Betty Land
05.03.2008, 15:46
Es ist aber auch die Geschichte der Psychiatrie in Deutschland, einer Disziplin, in der es noch äußerst rückständig zuging, als die Bundesrepublik längst ein modernes, weltoffenes Land war. Waltraud Storck ist ein Opfer dieser Psychiatrie.

Als Mädchen und junge Frau hat sie insgesamt vier Jahre in diversen psychiatrischen Kliniken verbracht. Ohne richterlichen Beschluss. Vollgepumpt mit einer Unmenge verschiedener Psychopharmaka. Wegen einer Diagnose, die mit großer Sicherheit von Anfang an falsch gewesen ist und die später nie mehr revidiert wurde, obwohl dazu genug Gelegenheit gewesen wäre.


Waltraud lehnt sich immer wieder heftig auf gegen die vielfältigen Verbote des Vaters, den Eltern wächst das widerspenstige Kind offenkundig über den Kopf. Sie wird zu einer Psychologin geschickt, die bei Waltraud Storck Hebephrenie diagnostiziert, jugendliches Irresein, eine Unterform der Schizophrenie.

Zwanzig Jahre später wird der emeritierte Psychiatrieprofessor Reinhart Lempp in einem Gutachten zu dem Schluss kommen: "Retrospektiv kann heute davon ausgegangen werden, dass bei Frau Storck zu keinem Zeitpunkt eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis vorgelegen hat."

Auch der Hannoveraner Psychiater Hinderk Emrich kommt in seinem Gutachten für das Oberlandesgericht Frankfurt zum gleichen Ergebnis. Dass Waltraud Storck ihre aggressiven Ausbrüche immer nur zu Hause gezeigt habe, während sie sich in der Schule völlig normal verhalten habe, "hätte einen sehr stutzig machen müssen", sagt Emrich vor Gericht. Mit "allergrößter Wahrscheinlichkeit" habe "keine Schizophrenie" vorgelegen, so der Gutachter.



Die Frau soll keinen Groll gegen Psychiater haben ?

Avalanche
06.03.2008, 14:47
Natürlich stellt sich auch die berechtigte Frage, wieso von der ärztlichen Seite niemals reevaluiert wurde und niemand es wagte eine Diagnose in Frage zu stellen - vllt. weil es so einfacher war :-nix

Eben. Wenn ich mal bedenke wie schwierig es sein kann ein "V.a xyz Ca - empfehle histologische Klärung" zu kippen, auch wenn der Befund auf dem der Verdacht beruht, das hundertmal nicht hergibt oder 'ne glatte Fehldiagnose ist.

Da brauchen Sie einen ganz breiten Rücken, oft ist es sinnlos und der Pat wandert unters Messer, insbesondere dann, wenn irgendein Trottel das dem Pat schon als Verdacht oder sogar als bare Münze so gesagt hat.

Wenn man das mal auf psych Erkrankungen überträgt, wo das Risiko der Suizids oder der Gefahr für andere besteht - mit allen Haftungsrechtlichen Konsequenzen ... meist ist dann allgemeines Schwanzeinziehen angesagt.
Dann braucht es schon hartnäckige, hinterfragende Docs und irgendeine Koryphäe mit ebenfalls breitem Rücken um das wieder zu biegen.

ciao, Avalanche

Medi85
06.03.2008, 18:34
Teilweise sind doch psychiatrische Erkrankungen einfach nicht einwandfrei nachweisbar. Es geht hier nunmal nicht wie mit Laborwerten zu, bei denen man ab einem bestimmten Wert sagen kann, "hier stimmt ganz sicher etwas nicht". Daher kann man sich ausgehend von so einem Artikel meiner Ansicht nach keine Meinung darüber bilden, wer wann was falsch diagnostiziert hat. Und klingt es dann nicht genauso wage, wenn jemand 20 Jahre später retrospektiv formuliert, jene Krankheiten hätten nie bestanden? Ich möchte damit das Leid der Frau nicht schmälern, ihre Geschichte klingt schrecklich, aber sie ist auch sehr subjektiv erzählt und dies als Anlass zu nehmen um Ängste vor unberechenbar entscheidenden Psychiatern zu schüren, die Unschuldige einfach so "wegsperren", wäre sicher sehr unpassend.

Frau Betty Land
06.03.2008, 19:48
Glaubt mir: Das Wegsperren aufgrund mehr als obskurer Befunde passiert wegen der Belegung (in der Psychiatrie wird nach wie vor ein Tagespflegesatz bezahlt, es gibt KEINE DRGs.....!) und auch lukrativer, in Folge des Wegsperrens nötiger Gutachten der diagnostizierenden (!!) Ärzte nach wie vor.

Habe da Bekannte als Psychiatrie-Assis, wenn DIE zu erzählen beginnen.....

Es gab auch schon vor 20 Jahren den ICD-9 und da waren die Kriterien für psychiatrische Erkrankungen schon recht genau definiert. Also kann man sehr wohl hinterher ein Gutachten nach den damaligen Kriterien erstellen....

"Hebephrene Schizophrenie" ist ohnehin DIE Verlegenheitsdiagnose par excellence der Psychiater, da stellt es einem geradezu die Haare auf, was alles unter dieser Diagnose läuft, bloß, damit man (meist wirkungslos) Psychopharmaka verabreichen kann.

Nein: Im besten Sinne Folklore in der Medizin, im schlechtesten eine Schande: Psychiatrie. :-meinung

Avalanche
07.03.2008, 07:12
Glaubt mir: Das Wegsperren aufgrund mehr als obskurer Befunde passiert wegen der Belegung (in der Psychiatrie wird nach wie vor ein Tagespflegesatz bezahlt, es gibt KEINE DRGs.....!) und auch lukrativer, in Folge des Wegsperrens nötiger Gutachten der diagnostizierenden (!!) Ärzte nach wie vor.
Rubbish. Genau das würde psychiatrische Kliniken heute in den Ruin treiben. Nicht zuletzt wegen der Effekte der Bundespflegesatzverordnung (BPflV § 6 Abs.2).

Habe da Bekannte als Psychiatrie-Assis, wenn DIE zu erzählen beginnen.....
Na dann erzhälen Sie doch mal. Möglichst ganz präzise, so als ob Sie dabeigewesen wären.

Es gab auch schon vor 20 Jahren den ICD-9 und da waren die Kriterien für psychiatrische Erkrankungen schon recht genau definiert. Also kann man sehr wohl hinterher ein Gutachten nach den damaligen Kriterien erstellen....
Sie haben leider keine Ahnung wie Gutachten funktionieren. Ich schon. Daher ist obiges nur halbwahr: Natürlich kann man das, es kommt aber darauf an welche Schlüsse sich dann daraus ziehen lassen und ob die justitiabel sind. Und noch viel mehr - und meist komplett übersehen - kommt es darauf an welche Ansprüche geltend gemacht werden.

"Hebephrene Schizophrenie" ist ohnehin DIE Verlegenheitsdiagnose par excellence der Psychiater, da stellt es einem geradezu die Haare auf, was alles unter dieser Diagnose läuft, bloß, damit man (meist wirkungslos) Psychopharmaka verabreichen kann.
Posten Sie mal bitte eine offizielle Diagnosenstatistik der SozVers Träger hier rein. Den Löwenanteil an Diagnosen an Grosszentren machen die psychiatrische Störungen durch Alk, Opiate und Polytoxicomanie und dies schon seit Jahren.
Nur mal ein Beispiel:http://209.85.135.104/search?q=cache:qsmxXJ4RWIAJ:www.kliniken.de/qualitaetsberichte/download/78479-Reichenau-Baden-Zentrum-fuer-Psychia-260831469-01-2004.pdf+Diagnosenstatistik+%2B+Psychiatrie&hl=de&ct=clnk&cd=5&gl=de&lr=lang_de
Pos 2 Paranoide Schizophrenie, steht zwar an 2. Stelle, aber man zähle mal 1+3+4 zusammen: Alles Abhängigkeitssyndrome. Weiter unten kleckern sich dann Alk und Dope Folgen weiter hoch. Allein schon 1,3,4 machen fast ein Drittel aller Fälle aus.
Auch die Depressiven Erkrankungen, bilden über alles eine ansehnliche Summe.

Also - Verkaufen Sie uns hier nicht für dumm. Hier lesen durchaus Leute mit, die solche Aussagen checken können. Aber vielleicht gehts ja auch gar nicht wirklich um den Wahrheitsgehalt ... scheint mir.

ciao, Avalanche

Nemesisthe2nd
07.03.2008, 15:12
klar die docs in der psychiatrie fangen die leute von der straße weg damit die station voll ist... sicherlich

auf der station auf der ich eine woche blockpraktikum gemacht habe, gabs eine elend lange warteliste und leute die mehrfach angerufen haben und unbedingt kommen wollten, weil sie nicht mehr zurande kamen...
die hatten die ganze zeit das haus voll...

und zum thema wirkungslose psyhopharmaka... natürlich ist die metaanalyse bezüglich der SSRI's aufgekommen...
aber die antipsychotische wirkung von haldol wird wohl niemand bezweifeln. Die habe ich auch schon live miterlebt...

Blondi
09.03.2008, 21:06
Schizophrenie ist schon eine Diagnose, die weitreichende Konsequenzen hat, anders als beispielsweise bei Depressionen, da man meines Wissens nach das Recht auf Selbstbestimmung verliert, als "unzurechnungsfähig" abgestempelt wird. Mich würde interessieren, wer sich überhaupt das Recht nimmt, so eine Diagnose zu stellen, und warum keine Zweit-und Drittmeinungen eingeholt wurden, die diese Sache doch eigentlich hätten klären sollen.

Glaubt ihr, dass die Gefahr besteht, dass man selbst in so eine Maschinerie gerät, ohne schuld zu sein? In dem vorliegenden Fall brauchte es ja auch einen ziemlich abartigen Vater für dieses Desaster...glaubt ihr, dass ein Hausarzt oder Ähnliches ebenso riesigen Schaden anrichten könnte?

Da denkt man ja an Orwell und "Einer flog übers Kuckucksnest"...bin selbst extrem psychiatriekritisch, obwohl ich mich selbst mit Depressionen herumschlage. Nur muss jeder sein Päckchen tragen, die Zeiten werden nicht einfacher, und geholfen wird einem von diesen Institutionen auch nicht...die können es eher nur noch schlimmer machen und die Persönlichkeit zerstören. Es handelt sich um eine Demoralisierung höchsten Grades, einfach menschenverachtend und -unwürdig.

Meiner Einschätzung nach werden künftige Generationen die Psychiatrie ähnlich verdammen wie wir einige andere Entgleisungen vergangener Epochen.

Nemesisthe2nd
10.03.2008, 18:23
wie sehen denn deiner meinung nach die alternativen aus?

soll man die leute einfach in ruhe lassen? und in kauf nehmen, dass sich dann eben ein teil der erkrankten suizidiert?