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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Erst nicht geglaubt, aber dann doch richtig



Relaxometrie
06.04.2008, 18:48
Hallo :-)

in meinem Nachtdienst vor 2 Tagen habe ich eine alte Dame aufgenommen, die halluzinierend, in Begleitung der Tochter, mit dem Rettungsdienst gebracht wurde. Die Tochter hat die somatische Anamnese hilfreich unterstützt und sagte, daß ihre Mutter nahezu blind sei. Auf meine Frage, warum und seit wann die Mutter blind sei, erzählte mir die Tochter etwas von "Tapeto-retinaler Degeneration".
Aha---dachte ich, das hast Du ja noch nie gehört (die Augenprofis unter den Foris werden es mir evtl. verzeihen :-? ). Aber im Nachtdienst war mir das erstmal egal, und ob ich mich durch das Aufschreiben dieser Diagnose auf den Untersuchungsbogen zum Affen mache, war mir auch egal. Also völlig ahnungslos "fremdanamnestisch wird als Ursache für die Erblindung eine tapetoretinale Degeneration angegeben" aufgeschrieben.
Als ich mich jetzt auf die Suche gemacht habe, war ich doch erleichtert, daß es diese Erkrankung wirklich gibt.

Ist es Euch auch schonmal so ergangen, daß Ihr dachtet "Was erzählt mir der Patient / der Angehörige / die Krankenschwester / der Kollege da für einen Blödsinn", und hinterher war doch alles richtig?

alley_cat75
06.04.2008, 19:10
1. Tag eines Praktikums in der geschlossenen Psychiatrie (Sexualstraftäter): lebenswichtigste Dienstanweisung = immer die Tür der Schwesternkanzel geschlossen halten und niemanden rauslassen. An diesem besagten 1. Tag war nachmittags eine Teambesprechung und ich sollte die Stellung halten, als ein zersauster Mitte Vierziger im Woll-Pulli-Knitterlook gegen die Glastür kloppt und brüllt, ich solle mal aufmachen, er sei der Chefarzt. :-) :-) :-) Na, klar, mein Guter, klopp mal schön weiter. Beeindruckt mich nicht. :-sleppy Dumm nur und das fand ich 30 Minuten später heraus: er war in der Tat der Chefarzt und sprach die restlichen Wochen kein einziges Wort mehr zu mir. :-blush

Meuli
06.04.2008, 19:30
1. Tag eines Praktikums in der geschlossenen Psychiatrie (Sexualstraftäter): lebenswichtigste Dienstanweisung = immer die Tür der Schwesternkanzel geschlossen halten und niemanden rauslassen. An diesem besagten 1. Tag war nachmittags eine Teambesprechung und ich sollte die Stellung halten, als ein zersauster Mitte Vierziger im Woll-Pulli-Knitterlook gegen die Glastür kloppt und brüllt, ich solle mal aufmachen, er sei der Chefarzt. :-) :-) :-) Na, klar, mein Guter, klopp mal schön weiter. Beeindruckt mich nicht. :-sleppy Dumm nur und das fand ich 30 Minuten später heraus: er war in der Tat der Chefarzt und sprach die restlichen Wochen kein einziges Wort mehr zu mir. :-blush

hehe, so ähnlich auch meiner Freundin im Psychiatrie-Einsatz passiert, nur dass es der Oberarzt war (auch ein zerzauster Mittvierziger im Knitterlook^^). Der fand das aber gut, dass sie da so gewissenhaft war :-D

Tombow
06.04.2008, 21:22
Ein Dienst, was mehr eine Valpurgisnacht ähnelte - jedesmal, wenn ich mich Stations/Verwaltungskram oder ähnliches wenden wollte (oder mich hinlegen), klang das Handy und es war ein neuer Patient in der Aufnahme oder ein (sinnloses) Konsil. Um halb sechs morgens das neueste Knaller - Patientin mit bekannter Demenz, Restless-Legs-Syndrom und chronischem Schmerzsyndrom. Da erzählt mir der Sohn der Patientin, sie hätte neulich eine "Rückenmarkspumpe mit Schneckengift" gegen ihre Schmerzen bekommen. Habe es fürs erste nur registriert und "jaja" gedacht. Sohn hatte Arztbriefe von den letzten Krhs-Aufenthalten dabei und in einem wurde eine "Prialt-Pumpe mit Intrathekalkatheter" erwähnt. Nachgeschlagen - Prialt ist der Handelsname für Ziconotid, eine Substanz, die tatsächlich aus Conotoxin (ein N-Typ-Kalziumkanalblocker), was aus dem Gift von Tiefseeschnecken isoliert wurde.

Nemesisthe2nd
08.04.2008, 23:00
der hausmeister bei uns in der anatomie erzählte mal seine frau näme jetzt echsenspeichel gegen ihren zucker...

hab ich auch erstmal gedacht: jaja ist klar... garantiert irgendwas halbseiden-alternativmedizinisches...

aber siehe da, exenatide (Byetta), abgeleitet aus exendin-4 aus dem speichel/toxin der glia-krustenechse wurde im april 2005 in den usa und im april 2007 in deutschland als diabetes-therapeutikum zugelassen...

es ähnelt dem glucagon-like-peptide1 und erhöht die freisetzung von insulin aus den beta-zellen und vermindert die glucagon sekretion...

Relaxometrie
01.09.2008, 20:17
Vergangene Woche saß ich im Aufnahmedienst und es kam ein ca. 40jähriger Mann in Begleitung seiner Mutter.
Erst habe ich mir den Patienten alleine ins Zimmer geholt und mit dem Gespräch begonnen:
ich: "Warum kommen Sie, worum geht es?"
er: "Ich höre Stimmen."
ich: "Seit wann? Was sagen Ihnen diese Stimmen?"
er: "Seit 2 Wochen. Die Stimmen sagen mir, daß ich mir die Hoden abschneiden soll."
ich:" Das haben Sie aber doch nicht gemacht, oder?"
er: "Doch."
ich: "Wann?"
er: "Vor 2 Wochen."
ich: "Wie haben Sie das gemacht?"
er: "Mit einer Schere."
ich: "Haben Sie das chirurgisch versorgen lassen?"
er: "Nein."

Kurzum: ich habe nicht geglaubt, daß er sich wirklich mit einer Schere die Hoden weggeschnitten hat. Ein Blick auf den Hodensack zeigte: großes Skrotalhämatom, riesige Hämatome in beiden Leisten, eine ca. 5cm lange alte Schnitt-/Rißwunden am unteren Skrotum.
Überweisung in die Urologie / Ultraschall / operative Revision / Hb von 8 mg/dl und die Gewissheit, daß der Patient in seiner kokain-induzierten Psychose ganze Arbeit geleistet hat :-nix

Muriel
01.09.2008, 20:19
:-)) Das gibt es doch nur bei ER :-))

Relaxometrie
01.09.2008, 20:21
:-)) Das gibt es doch nur bei ER :-))
Und in der Psychiatrie :-((

Meuli
01.09.2008, 20:22
Merke: es gibt nichts, was es nicht gibt :-))

lore
01.09.2008, 20:31
neulich in der ambulanz: mutte eines kleinen patienten erzählt neben einer langen vorgeschichte auch, er habe wasser hinter dem ohr. als anfängerin gibt es natürlich ne menge dinge, die ich einfach noch nicht kenne, also ohr betrachtet, befühlt.... nix dahinter gefunden.
nächsten tag kollegin befragt: es handelt sich um ein serotympanon. :-lesen

papiertiger
01.09.2008, 20:32
Allerdings. :-))


War patientenbegleitdienstlicherweise vor nicht allzu langer Zeit mit einer Patientin im Krankenhaus, die im Wachsaal ihr Bett außeinandergeschraubt und die Schrauben geschluckt hatte. Hielt das zunächst auch fuer einen Scherz, bis mir jemand die Röntgenbilder ihrer letzten diesbezüglichen Eskapaden gezeigt hat: Löffel. Gabel. Matchboxauto. ..

Scienceman
01.09.2008, 21:24
verrückt und irgendwie krass !

papiertiger
01.09.2008, 21:40
verrückt.. ja. deshalb sind die Leute dort.


ist jedenfalls auch eine Möglichkeit, gegebenenfalls an ein paar hübsche Narben zu kommen. Besagtes Mädel hat dann auch nach mehreren Ärzten und Schwestern getreten, wollte auf keinen Fall, dass das Zeug endoskopisch entfernt wird sondern chirurgisch. Heftig.. frage mich immernoch, was ihr passiert sein muss, dass sie in eine Vorstellungswelt rutschen konnte in der sowas erstrebenswert ist.

Nemesisthe2nd
01.09.2008, 22:23
münchhausen-syndrom? oder passt das noch nicht ganz in die kategorie...?

in der psychosomatik-vorlesung kam bei uns eine patientin vor, die sich immer wieder eine Platzbauch-narbe aufgekratzt hat...

papiertiger
01.09.2008, 22:44
Wuerde das jetzt mal eher als eine (extremere) Spielart von selbstverletzendem Verhalten deuten, die Patientin hatte auch sehr viele Schnitt- und Brandwunden von eigener Hand. Jemand mit Münchhausen wuerde, denke ich, ja eher versuchen, das Ganze wie eine nicht selbstzugefuegte Krankheit aussehen zu lassen - aber das ist alles nur Halbwissen bei mir und gehoert nicht wirklich hierher, denke ich ; )

Kam leider nicht dazu, nachzuforschen, was bei ihr in der Richtung diagnostiziert wurde, hätte mich auch mal interessiert.

PhineasGage
03.09.2008, 05:37
Ich würde mal ganz einfach ein Borderline-Syndrom vermuten.....

Nemesisthe2nd
03.09.2008, 07:43
das zu vermuten, ist ungefähr so als würde wegen einer nicht-eitrigen pleuritis auf systemischen lupus erythrematodes tippen...

borderline braucht noch nen paar mehr kriterien außer selbstverletzendes verhalten...