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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Psychiatrie / Unterbringung



lordxeen
04.05.2008, 14:30
Hallo!
Habe Psych als mündliches Fach und eine Frage bezüglich der Unterbringung von Patienten.

Eigentlich darf in den meisten Bundesländern nach Landesrecht nur das Ordnungsamt oder die Polizei eine vorläufige Unterbringung verfügen (meistens der §10 nach PsychKG).

Nun die Frage: was passiert, wenn ein Patient erst freiwillig (also ohne Beschluß) zur Aufnahme kommt und dann aber z.b. suizdal wird, aber gleichzeitig weglaufen will??

Kann dann das Personal (Ärzte) einen §10 selbst beantragen beim Vormundschaftsgericht oder muß in solchen Fällen die Polizei/Ordnungsamt in die Klinik bestellt werden um den §10 "zu machen" ???

Oder kann man gleich einen einstweiligen gerichtsbeschluß beantragen (Rechtfertigender Notstand oder so), der dann bis zur richterlichen Anhörung dauert??

Also konkret gehts halt darum, ob die Polizei / Ordnungsamt in die Klinik bestellt werden muß, darüber zerbrechen wir (Prüfungsgruppe) uns zur Zeit den Kopf...
leider ist nämlich von unserem Prüfer bekannt, daß er sehr gerne juristische Themen abfragt!!!!!!!

gruß
lordxeen

Relaxometrie
04.05.2008, 15:32
Ich arbeite seit 6 Monaten in der Psychiatrie, bin aber völlig unzureichend eingearbeitet worden. Die ganzen juristischen Dinge muß ich mir irgendwie im Laufe der Zeit durch viel Fragerei selbst beibringen. Dann erzählt der eine "hü", der andere "hott", und am Ende ergibt sich irgendwann hoffentlich ein möglichst korrektes Bild. Furchtbar!!! Aber so ist es in unserem tollen Haus :-((

Die Vorgehensweise bei einem suizidalen Patienten, der aus der Aufnahme weglaufen will, ist bei uns folgende:
Ich schreibe eine kurze Begründung (dafür gibt es ein Formular), warum der Patient meiner Meinung nach nach PsychKG eingewiesen werden muß.
Je nach Tageszeit (tagsüber Ordnungsamt, nachts Feuerwehr) rufe ich an der entsprechenden Stelle an, diktiere meinen Text und lasse mir die Einweisung nach PsychKG mündlich genehmigen. So oft habe ich das noch nicht gemacht, ca. 5x, und bisher wurde die Einweisung nie abgelehnt. Das Formular muß dann noch an Ordnungsamt oder Feuerwehr gefaxt werden, und ein Durchschlag kommt an unsere Pforte, von wo aus es zum Amtsgericht gelangt.
Am nächsten Tag kommt dann ein Richter zur Anhörung und man legt einen Zeitraum für die geschlossene Unterbringung fest. Sollte es dem Patienten vor Beendigung dieses Zeitraums besser gehen, kann (bzw. muß) man die Unterbringung nach PsychKG aufheben. Man kann den Zeitraum natürlich auch verlängern.

Zum rechtfertigenden Notstand:
Das ist, so wie ich es bisher verstanden habe, nur ein Mittel, um einen Zustand zu überbrücken, der von vornherein nicht lange anzudauern scheint. Ich habe diesen Paragraphen bisher noch nie angewandt.
Einmal wollte ich mir nachts die PsychKG-Einweisungsformalitäten ersparen und einen Patienten, der fixiert werden musste, nach dem Paragraphen des "rechtfertigenden Notstandes" fixieren. Vom erfahrenen Pflegepersonal wurde mir davon abgeraten. Also habe ich halt doch die PsychKG-Einweisung angeleiert.

Tombow
04.05.2008, 16:24
Zur Antwort auf die ursprüngliche Frage - eine Unterbringung kann durch Ärzte veranlaßt werden ohne vorherige richterliche Anhörung nach §14 PsychKG (sofortige Unterbringung). In diesem Fall muß ein Antrag an das Ordnungsamt gefaxt werden und die Originalunterlagen schnellstmöglichst auch hingeschickt. Als Begründung muß ein ärztliches Zeugnis vorliegen. Die (Sonder)ordnungsbehörde erstattet dann eine Meldung an das zuständige Amtsgericht, so daß eine richterliche Anhörung/Begutachtung im Nachhinein stattfinden kann.

Eine Unterbringung durch richterlichen Beschluß ist in §10 PsychKG und die Zulässigkeit der Unterbringung in §11 PsychKG geregelt.

§34 StGB regelt dagegen das Handeln in perakuten Situationen (Zitat: "...gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut..."). Beim Vergleich mit §11 PsychKG erübrigen sich wohl weitere Fragen - eine sofortige Intervention (Patient ruhigstellen, fixieren, etc.) kann durch §34 StGB gerechtfertigt werden, aber nur unter den zitierten Umständen. Anderweitig greift §11 StGB und auf jeden Fall ist eine anschließende Unterbringung entweder durch §13 oder §14 PsychKG zu begründen.

Soweit ich mich erinnern kann, gab es auch einen Sonderfall bei Unterbringung (habe aber nicht die Paragraphen im Kopf), der durch das BGB geregelt ist, nämlich die Unterbringung eines Kindes gegen den Willen/die Entscheidung der Eltern. Ob und wie die Unterbringung eines gesetzlich Betreuten gegen den Willen des Betreuers geregelt ist, das muß schon jemand aus der psychiatrischen Front beantworten.

lala
04.05.2008, 22:12
Aaalso:
Sowas kommt ja in einem Psychiatrie-Dienst sehr oft vor: Patient kommt freiwillig bzw. durch Angehörige gedrängt oder so, ist ein "bißchen" suizidal und will eigentlich auf keinen Fall bleiben. Wenn ich als Aufnahmearzt nun aber eine akute und unmittelbare Eigen-oder Fremdgefährdung sehe, kann ich ihn im Sinne des Unterbringungsgesetzes zurückhalten- sprich: geschlossen unterbringen. Es muss nun diese beim örtlichen Amtsgericht beantragt werden, dazu schreibt man ein entsprechendes Zeugnis (immer dieselben Formulierungen). Der Richter muss nun innerhalb einer bestimmten Frist kommen und denjenigen anhören - wie lange die Frist ist ist Ländersache. In BaWü z.B. kann man jemanden bis zu 72h zurückhalten, heißt innerhalb der Zeit muss die Anhörung sein...
Hoffe damit geholfen zu haben :-winky
Gruß von der Psychiatrie-Front,
lala

lordxeen
05.05.2008, 01:15
hi , danke erstmal für eure schnellen und hilfreichen antworten!
denke aufgrund der tatsache, daß die unterbringung ländersache ist, gibt es in der tat unterschiedliche handlungsweisen (z.b. fax direkt ans amtsgericht oder eben erst ans ordnungsamt).
so habe ich das auch in famulaturen in der psychiatrie erlebt.
interessant ist aber, daß die anderen abteilungen das wohl nicht so genau wissen, auf der medizinischen notaufnahme wurde öfters die polizei bestellt wenn ein patient festgehalten werden sollte - hier hätte sicher ein fax mit anschließender eventueller fixierung des patienten gereicht, aber das hat sich dort wohl niemand zugetraut...!

also, thank you a lot und ich denke ich hab nun genug stuff zum erzählen in der prüfung (zumindest was dieses thema angeht ;-)

Dr. Psycho
08.05.2008, 11:17
Um das ganze noch ein bisschen komplizierter zu machen, hätte ich da auch nochmal eine Frage:
Ich meine mal gehört zu haben, dass ein Antrag auf geschlossene Unterbringung nur von einem "in der Psychiatrie erfahrenen" Arzt gestellt werden darf???
Wie sieht das Ganze denn dann in einem "somatischen" Krankenhaus aus, wenn ich zum Beispiel nachts auf der Inneren einen akut psychotischen Patienten habe, den ich für akut eigengefährdend halte, der aber vorhat, das Krankenhaus umgehend zu verlassen?
Angenommen, ich habe nicht die Möglichkeit, einen Psychiater so schnell herbeizurufen- darf ich den Patienten dann trotzdem gegen seinen Willen festhalten und sogar zu Zwangsmedikation oder Fixierung greifen?
Fragen über Fragen... :-?

dreamchaser
08.05.2008, 19:10
Hatten das in einem peripheren KH, dass dann ein internistischer Facharzt geholt werden musst (entweder AvD selbst oder Hintergrund) - dieser hatte dort die Befugnis jemand einzuweisen, da es keine Psychiatrie am Ort gab (nächste 35 km entfernt).

sunny03
08.05.2008, 19:55
Ich meine mal gehört zu haben, dass ein Antrag auf geschlossene Unterbringung nur von einem "in der Psychiatrie erfahrenen" Arzt gestellt werden darf???

Uns wurde jetzt im Psychiatriepraktikum gesagt, dass jeder approbierte Arzt so einen Antrag nach PsychKG ausfüllen darf. Voraussetzung ist natürlich, dass die Faktoren, die für eine Zwangseinweisung notwendig sind seitens des Patienten erfüllt werden. D.h. wenn du als Allgemeinmediziner einen Patienten in deiner Praxis oder im KH hast mit akuter Eigen- oder Fremdgefährdung, dann kannst du ihn (in unserem Bundesland über ein Fax ans Ordnungsamt) durchaus zwangseinweisen, obwohl du kein Psychiater bist. Sobald er ja dann auf der psychiatrischen Station ist, prüfen die dort ob die Einweisung aufrechterhalten werden muss.

lala
08.05.2008, 20:39
Uns wurde jetzt im Psychiatriepraktikum gesagt, dass jeder approbierte Arzt so einen Antrag nach PsychKG ausfüllen darf. Voraussetzung ist natürlich, dass die Faktoren, die für eine Zwangseinweisung notwendig sind seitens des Patienten erfüllt werden. Sobald er ja dann auf der psychiatrischen Station ist, prüfen die dort ob die Einweisung aufrechterhalten werden muss.

So ist das! Wenn du als Arzt jemanden "zwangseinweisen" willst weil du eine akute Eigen-oder Fremdgefährdung siehst, kannst du Ordnungsamt/Polizei informieren und den Antrag nach PsychKG ausstellen. Die bringen den dann in die Psychiatrie, wo man den Rechtsstatus dann klären muss (freiwillig oder halt Unterbringung mit Zeugnis,Anhörung etc. -s.o.). Evt. wird auch ein Arzt vom Ordnungs/Gesundheitsamt die Unterbringung direkt beantragen -kommt aber selten vor. Regelfall nach meiner Erfahrung: Arzt sieht Gefährdung - ruft Psychiatrie an und schickt Patient in Polizeibegleitung und Psychiater muss dann den Antrag machen...
:-peng