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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Assistentenausbildung



Relaxometrie
26.05.2008, 20:01
Was für Erfahrungen mit der Ausbildung von Assistenzärzten habt Ihr in Deutschland und im Ausland gemacht?
Was sollte ein Mindeststandard der Ausbildung sein?

In unsere Abteilung -und wir sind garantiert keine Ausnahme- findet so gut wie keine Ausbildung statt. Den Fortbildungsurlaub (5 Tage im Jahr) kann man nur unter größter Ellenbogenbeteiligung durchboxen, die wenigen kliniksinternen Vorträge kann man, wenn man der Patientenversorgung den eigentlich erforderlichen Zeitrahmen zugesteht- nur selten besuchen.
Nach 3monatiger Einarbeitung in seiner Abteilung macht man Dienste. Es gibt unter anderem den "Aufnahmedienst", in denen man "nur" für die Aufnahmen zuständig ist. Da kommen am laufenden Band Anrufe von psychiatrischen Patienten, und es kommen natürlich auch diverse Patienten direkt in die Ambulanz. Entweder freiwilig, oder zwangseingewiesen. Mit oder ohne Polizei. Das sind Patienten aus allen Untergebieten der Psychiatrie. Wenn man also als Berufsanfänger eine gewisse Einarbeitung in seiner eigenen Abteilung genießen durfte, so ist man in den Aufnahmediensten in vielen Fällen fachfremd tätig, denn man hat ja von den Gebieten Allgemeinpsychiatrie / Suchtmedizin / Gerontopsychiatrie erstmal nur ein einziges ansatzweise gelernt. Man wurschtelt sich in den Diensten halt so durch. Bisher hat es bei mir auch geklappt....aber meiner Meinung nach gehören Berufsanfänger nicht alleine in die Aufnahme. Dank des erfahrenen Pflegepersonals geht es meist gut......aber von einer guten Ausbildung kann man trotzdem nicht sprechen.

5-Aminolävulinsäure
26.05.2008, 20:23
Ich denke, die Ausbildung wird immer schlechter, da nur Zahlen, Zahlen, Zahlen gebracht werden müssen. Hat doch keiner mehr Zeit, einem was zu erklären. Es wird sehr viel vorausgesetzt. :-nix

Relaxometrie
26.05.2008, 20:29
Eine Freudin von mir hat das AiP in den USA gemacht und ist dort dann für fast 10 Jahre hängen geblieben. Nach der Facharztprüfung ist sie aber nach Deutschland zurück gekommen und arbeitet jetzt an ihrer Habilitation an einer deutschen Uni. Diese Freundin ist immer völlig entsetzt, wenn sie von den Weiterbildungsbedingungen hier hört. Und ich bin immer entsetzt, wenn ich sie aus den USA erzählen höre.....es könnte so viel Spaß machen, als "Arzt in Weiterbildung" zu arbeiten. Aber mir kommt die Arbeit wie ein riesengroßes Durchmogeln vor :-(

John Silver
26.05.2008, 20:39
Die Probleme der Ausbildung unterteilen sich m.E. in zwei Typen: fachübergreifende und fachspezifische.

Fachübergreifend sind Probleme, die, wie der Name schon sagt, in so ziemlich allen oder zumindest den meisten Fachrichtungen vorhanden sind. Es besteht für diejenigen, die primär für die Assistentenausbildung verantwortlich sind, nämlich OÄ und CÄ, zuwenig Motivation dazu. Ausbildung ist Glückssache. Daraus ergeben sich u.a. folgende Probleme:

1. Es sind nicht genügend Angebote vorhanden. Zwar gibt es in den meisten Kliniken irgendwelche Zirkel und Arbeitsgruppen; meistens aber ist man entweder zu beschäftigt, um hinzugehen, oder die Veranstaltungen finden nach Dienstschluß statt, und man hat einfach keine Lust mehr, hinzugehen, weil man auch so schon zuwenig Freizeit hat. Vorbildlich sind da Länder, in denen während der Arbeitszeit regelmäßig, und zwar mindestens einmal wöchentlich, geschützte Zeit für Fortbildungsveranstaltungen gewährt wird; in dieser Zeit wird man nicht angepiept und kann sich auf die Fortbildung konzentrieren.

2. Es gibt viel zu wenige facheigene Fortbildungen. Zwar ist es schön und gut, auf dem Laufenden über alle Fachrichtungen zu sein, und wichtige Sachverhalte aus anderen Fachgebieten in Erinnerung zu rufen; primär aber sollte man sich auf dem eigenen Fachgebiet gut auskennen, und dafür reichen Fortbildungen, die nur alle Paar Monate stattfinden, nicht aus. Facheigene Fortbildungen, die speziell auf Assistenzärzte zugeschnitten sind, sollten mindestens 2-3 Mal pro Monat stattfinden, besser häufiger.

3. Anstatt die o.g. Punkte zu beherzigen, werden Assistenzärzte "ermutigt", externe Fortbildungen zu belegen. Für diese bekommt man bestenfalls Fortbildungsurlaub; oft aber muß man diese Fortbildungen in der eigenen Freizeit belegen, oder Urlaub dafür opfern. Außerdem muß man die meistens recht üppigen Gebühren aus der eigenen Tasche zahlen, und das können locker 1000 € pro Veranstaltung werden, plus Anreise, Unterkunft etc.

4. Im Allgemeinen werden Assistenzärzte in vielen Kliniken zu oft allein gelassen. Die "schmeißen wir sie ins kalte Wasser, mal sehen, wer schwimmt"-Methode ist dämlich und kontraproduktiv.

Um diese Punkte zu ändern, muß Ausbildung honoriert, und wenn nötig, auch erzwungen werden. Momentan bekommt ein CA eine Weiterbildungsermächtigung nicht anhand dessen, wie er ausbildet, sondern lediglich anhand der Möglichkeiten zu Ausbildung. Die tatsächliche Ausbildung gerät, wie schon erwähnt, zur Glückssache. Weiterbildung sollte an wesentlich enger fassende Bedingungen geknüpft werden, und vor allem müssen regelmäßige rigorose Kontrollen stattfinden, die sicherstellen, daß die Bedingungen auch eingehalten werden; wer nicht ausbildet, soll auch keine Ermächtigung haben.

Im Übrigen darf die Ausrede, man müsse zuviele Patienten durchschleusen, um Kohle zu machen, und habe deshalb keine Zeit für Ausbildung, nicht gelten. Das ist Geschwätz. Die Amis haben das Problem auch, aber die schaffen es, Klinikbetrieb und Ausbildung gut zu kombinieren.

MHH-BJ
26.05.2008, 20:41
Sah bei mir ähnlich aus, hatte zunächst in der Inneren ab der 3.Woche Nachtdienst bzw. Bereitschaftsdienste ohne großartige Einweisung (anfänglich mit sehr, sehr mulmigen Gefühlen). Ebenso an meiner zweiten Assistelle (Psychosomatik) dort wurde ich aufgrund von Urlaubszeit bereits nach 7 Tagen in den BR-Dienst genommen. Fortbildung leider sehr mau, in den letzten 12 Monaten insgesamt nur 7 (ja genau gelesen 7) Fortbildungsseminarstunden. Für die Einarbeitung blieb auch kaum Zeit, somit führe ich seit dem 3.Tag dort, mit meinen durchschnittlich 6-10 Patienten Verhaltenstherapeutische-Einzelgespräche als Bezugstherapeut und versorge ca. 40 Pat´s aus meinem Team medizinisch (soma). Also erledige ich die selben Aufgaben (psychisch) wie meine diplomierten psychologischen Team-Kollegen, habe dabei aber nur 1 Semester Psycho, Psychiatr. gehabt wie wir alle. Ich nenne das "Türschwellen- oder Bauchpsychologie"gut das die Pat´s das nicht wissen und bisher anscheinend zufrieden sind. Na immerhin hab ich jetzt schon ein Jahr Zeit gehabt mir vieles selbst beizubringen.........
Das nenn ich Ausbildung in Deutschland:-oopss
Ich hab mal von einem Tutoren-Sytem für Jungassis in Schweden gehört!!!??
Gruß aus Hannover

Relaxometrie
26.05.2008, 20:50
Danke für die konstruktiven Beiträge!!!

@JohnSilver: In welcher Fachrichtung arbeitest Du derzeit? Bist Du mit Deiner Ausbildung zufrieden?

Frau Betty Land
26.05.2008, 20:56
Deutschland (und Österreich) sind Fortbildungs-Afghanistan.

Da wird sich auch angesichts der "Tradition" aus Ignoranz und Militarismus nichts ändern - wozu auch ?

Da die Ärztekammern weiterhin am völlig vertrottelten Chefarztsystem mit Arbeits/Ausbildungszeugnissen (!!) festhalten und keine wie IMMER geartete, verpflichtende Beurteilung durch die Auszubildenden zulassen, bleiben die Ausbildungsverbrechen weiterhin die Regel.

Nichts wie weg - denn in unserem Leben wird sich auch NICHTS mehr ändern !

(Ich wäre für eine der Abteilung und nicht dem Chefarzt zugeordnete Ausbildungsermächtigung, was rechtlich in Zusammenhang mit der ärztlich-personellen Ausstattung - OÄ, FÄ - der Abteilung gebracht werden muß. Voll verantwortlich: Der Chefarzt natürlich.....
Es DARF keine FA-Ausbildung OHNE Rotationen durch mindestens eine andere Hauptfachabteilung mehr geben, es DARF keine Ausbildung für erwachsene Menschen OHNE standardisierte Beurteilung der FA-Prüfungen und der jeweiligen Ausbildungsjahre geben ! Die behandeln Assis wie unmündige Trottel......ein erbärmliches Menschenbild........)

Evil
26.05.2008, 21:05
Leute, sucht Euch Eure Häuser halt einfach sorgfältig aus!

Bei mir:
- regelmäßig Endoskopie-Woche
- OA kommt nachmittags regelmäßig zum Besprechen der kniffligeren Stationsfälle vorbei
- Fobi kein Problem, wird sogar ermutigt (Chef: "Wer will denn noch da und da hin?")
- nach spätestens 2 Jahren 3 Monate lang nur Sonos machen

Besagtes Haus liegt übrigens in good old Germany und ist eine allgemeine Innere mit Schwerpunkt Gastroenterologie, wir machen aber auch Pleuroskopie... eigentlich alles außer CardAngio.

John Silver
26.05.2008, 21:10
Ja, ein Rotationssystem habe ich vergessen. Es muß, ähnlich wie in den USA, ein fester Rotationsplan für jeden einzelnen Assistenten erstellt und eingehalten werden; ferner müssen die Rotationen vertraglich festgehalten werden, damit bei Nichteinhaltung Strafen drohen.

Ich denke schon, daß mittelfristig die Ausbildungsstrukturen geändert werden. Jetzt schon haben viele Kliniken große Schwierigkeiten, Assistenten zu finden; und das wird in absehbarer Zukunft immer schlimmer werden. Da werden sich die einzelnen Kliniken und die Fachverbände schon bewegen müssen, um die Arbeitsplätze attraktiver zu gestalten. Schließlich war die Ausbildung in den Ländern, in denen sie jetzt gut ist, früher ähnlich wie in Deutschland.

@Relaxometrie: Ich bin in der Allgemeinchirurgie, und bisher eigentlich eher zufrieden; das liegt aber daran, daß ich erstens an einem sehr untypischen Haus bin, und zweitens arbeite ich mit Hochdruck daran, am Match 2009 teilzunehmen. Im Moment plane ich also, zumindest meine Ausbildung in der Chirurgie in den USA zu absolvieren. Die chirurgische Ausbildung ist nämlich in Deutschland ganz besonders bescheiden, aber da kommen noch einige Fachspezifika zu den von mir bereits kritisierten Punkten hinzu.

John Silver
26.05.2008, 21:14
Leute, sucht Euch Eure Häuser halt einfach sorgfältig aus!

Bei mir:
- regelmäßig Endoskopie-Woche
- OA kommt nachmittags regelmäßig zum Besprechen der kniffligeren Stationsfälle vorbei
- Fobi kein Problem, wird sogar ermutigt (Chef: "Wer will denn noch da und da hin?")
- nach spätestens 2 Jahren 3 Monate lang nur Sonos machen

Besagtes Haus liegt übrigens in good old Germany und ist eine allgemeine Innere mit Schwerpunkt Gastroenterologie, wir machen aber auch Pleuroskopie... eigentlich alles außer CardAngio.

Häuser "sorgfältig" auszusuchen, ist keine Lösung. Die Bedingungen, wie Du sie beschreibst, sind in Deutschland eine Ausnahme, sollten aber die Regel sein, und genau darum geht es. Man sollte nicht bloß "sorgfältig" aussuchen müssen. Als Assistenzarzt hat man Anspruch auf Ausbildung, also sollte man sie überall erhalten und einfordern.

Relaxometrie
26.05.2008, 21:31
Ich denke schon, daß mittelfristig die Ausbildungsstrukturen geändert werden.
Man muß sich als zu diesem Zeitpunkt tätiger Anfängerassistent aber fragen, was man JETZT sinnvollerweise macht. Ich muß zugeben, daß ich versuche, "mit dem Kopf durch die Wand", gute Ausbildungsbedingungen in Deutschland zu fordern. Aber ich sehe fast keine Lösung.
Eine Kündigung in meinem derzeitigen Saftladen wäre zwar sinnvoll, um dem Chef zu zeigen, daß man sich das nicht länger bieten lässt. Aber eine Kündigung ist für mich persönlich halt doch erstmal nicht besonders konstruktiv, denn davon werden die Bedingungen im nächsten Krankenhaus nicht besser.

Frau Betty Land
26.05.2008, 21:36
Die Ausbildungsbedingungen werden aufgrund des Ärztemangels meist NICHT verbessert - im Gegenteil - noch mehr von derselben Misere:

(Beispiele von "Exit"-Strategien):

* Leute aus dem Ausland locken (Osteuropa, Österreich....), die keine Ahnung von ihren Rechten und der Misere haben und mit denen man so weitermachen kann wie bisher. Wunderbare Strategie in Südbayern mit den (ansonsten zu Hause arbeitslosen) Ösis. Die aber bei der ersten Gelegenheit wieder in der Heimat sind.
Im Osten auch: Leute aus Non-EU-Ländern (sind noch viel besser zu versklaven...)

*Etwas mehr Geld für die Assis, aber ansonsten weiter wie bisher (nicht nur einige Psychiatrien bereits in Westdeutschland....)

*Nett tun und lustige Anzeigen und so und schlicht auf einen hohen Durchlauf von Naiven setzen, Hauptsachen, die Stellen sind "immer" besetzt. Facharztabwanderung: Egal, ein paar Idioten frisch vom Studium werden schon ein paar Wochen bleiben. Strategie der Wahl in und um manche Ballungsräume herum.

*Die Immobilen, die einfach trotz immer weniger Ärzte an der Abteilung nicht abhauen, auspressen bis zur Arbeitsunfähigkeit. Hinter uns die Sintflut.

*Oberärzte und Chefarzt für Routinearbeiten heranziehen - die "bilden" sich dann auf einmal selbst aus......

*Auf Vollgummis setzen, die sonstwo (vermeintlich) keine Arbeit mehr bekommen: Behinderung, offenkundige generelle Unsympathie oder Beides. Kann auch nach hinten losgehen. :-))

*Personalvermittlungsagenturen, die im Ausland "heimlich" suchen - etwa deutsche Unikliniken (auch in München....Psychiatrie, Strahlentherapie...) in Österreich (!!, kein Scherz). Siehe dann wieder unter oberstem *

*Bei zu wenig Ärzten (und Assis generell) schlichtweg "Aufnahmesperre" auch für eine nicht kleine Notfallaufnahme (z.B. Klinikum Weiden, Oberpfalz), der Notarzt kann dann lustig durch die Nacht gondeln und sich irgendwo anders eine nette Aufnahme suchen - aber keine Verbesserung der Ausbildungsbedingungen (und der Partientenversorgung, wie sich leicht denken läßt...)

* Alles ignorieren und dann "Feuer" schreien, damit die Politik auf einmal Finanzspritzen en masse zur Verfügung stellt, damit man sich weder anpassen noch irgendetwas dafür bezahlen muß.

Gut, irgendwann werden ALLE "Feuer" schreien - aber bis dahin ist noch Zeit....

:-nix

Ich bin Nihilist. :-love