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Relaxometrie
31.05.2008, 10:47
Da ich momentan auf der Station für Opiatabhängige arbeite, sehe ich täglich (außer natürlich an meinen freien Tagen) das elende soziale Drumherum, was die Opiatabhängigkeit so mit sich bringt:
Beschaffungskriminalität, JVA-Aufenthalte, Wohnungsverlust, zusätzliche Abhängigkeit von Benzodiazepinen u.s.w. und so fort.

Ich dachte, daß wir mal dikutieren könnten, warum Heroin nicht, wie Tabak und Alkohol auch, freigegeben wird.
Wenn ich so manche Geschichte meiner Patienten höre, denke ich, daß sehr viele (wenn nicht sogar alle) ihrer Probleme entstanden sind, weil Heroin immer im illegalen Rahmen beschafft und konsumiert werden muß.
Nikotin und Alkohol sind Stoffe, mit denen man sich legal krankmachen darf. Warum ist das bei Heroin anders? Was würde passieren, wenn man Heroin freigibt? Einerseits stößt mir dieser Gedanke selbst übel auf, andererseits ist es vielleicht einfach nur ungewohnt, und es wäre ein gangbarer Weg?

Hoppla-Daisy
31.05.2008, 11:03
Wenn ich mich jetzt richtig erinnere, dann macht Heroin doch gerade diesen Kick, den Methadon eben nicht macht. Von daher würde ich auf jeden Fall dem Vorzug dem Methadon geben, auch wenn es unpraktisch ist, ständig seinem Becherchen hinterher zu laufen. Aber wie sollen die Süchtigen denn jemals so etwas wie ein "normales" Leben führen können, wenn sie ständig "voll auf Droge" sind? Das ist doch absolut kontraproduktiv. Von der hohen Infektionsgefahr mal ganz abgesehen. Dann doch lieber einen kleinen "Schnapsi".

Inelein
31.05.2008, 11:08
Eigentlich kenn ich mich gar nicht aus, aber ich habe mal in dem Zusammenhang gelesen, dass bei uns Nikotin und Alkohol zu den "Kulturdrogen" (ich glaube so wurde es genannt) gehören, und deshalb bei uns nicht geächtet sind.
Genauso soll z.B. Kokain in Südamerika als Kulturdroge gelten, und deshalb der Privatkonsum gesellschaftlich akzeptiert sein.
Demnach wäre die Freigabe von Alkohol und Nikotin bei uns einfach eine Art "Gewohnheitssache", die sich einfach über Jahrhunderte etabliert hat, obwohl man mittlerweile die Folgen kennt. Wenn man jetzt auch noch andere (neue im kulturgeschichtlichen gesehen) Drogen freigeben würde, würde man praktisch etwas legalisieren, was man ja schon bei Alkohohl und Nikotin nicht mehr uneingeschränkt gutheißen kann. Jedoch ist es hier sehr schwer jahrhunderte alte "Traditionen" zu bekämpfen, weshalb die Ächtung von A & N nur schleppend bzw gar nicht voran geht.

Wie gesagt nur was ich dazu gelesen hab, ich weiß es trifft nicht genau deine Fragestellung, aber wenn man davon ausgeht, dass das Ziel eigentlich eine völlige Abschaffung bzw Unmöglichmachung eines übermäßigen Konsums von Drogen sein sollte, ist es denke ich der falsche Weg z.B. Heroin freizugeben. Dadurch würden ja dann auch bisher cleane Menschen die Möglichkeit haben, "es mal auszuprobieren" womit wir dann mehr Süchtige erzeugen würden.
Was bei dir aber nicht so genau rauskam, meinst du Heroin nur an ohnehin schon Süchtige freigeben? Da muss ich dann aber sagen, dass das durchaus ein interessanter Gedanke ist...

Hoppla-Daisy
31.05.2008, 11:11
aus dem von mir o. g. Grund eher kontraproduktiv. ;-)

Vor kurzem noch in Pharma besprochen.

jilain
31.05.2008, 11:12
Ich denke, das würde das grundlegende Problem nicht bekämpfen. Das Problem, wie es zur Sucht kommt.
Es wird zwar womöglich erstmal der einfachere und schnellere Weg der "Hilfe" sein, aber zieht bestimmt auch noch mehr Konsequenzen nach sich.

Soweit ich weiß, gibt es aber ähnliche Ansätze in Berlin. Wo diese Mobile für Süchtige herumfahren (unsere Lehrerin hat davon damals mal im Sozialpädagogikunterricht erzählt). Aber da gibt es glaube ich auch nur dieses Ersatzzeug.

Vllt. sollte einfach der Zugang zu Therapien leichter werden? Was nützt es einem Junkie, wenn er vllt. in 3 Monaten einen Platz bekommt?

Soweit erstmal meine ersten Gedanken.

Inelein
31.05.2008, 11:15
Jap Daisy, hat sich überschnitten und ich hab wie gesagt eh keine Ahnung :-blush

Strodti
31.05.2008, 11:16
Legalisierung würde ja auch bedeuten, dass
... Heroin einfacher zu beschaffen wäre.
... wahrscheinlich mehr Menschen konsumieren würden.
... wahrscheinlich auch mehr Menschen, die zugänglich für Suchtstoffe irgendeiner Art sind, auf Heroin umsteigen würden.

Wenn ich mich richtig erinnere, hat führt doch Heroin äußerst schnell zur Gewöhnung und Abhängigkeit und die Konsequenzen dieser Sucht sind sicher gravierender als die einer Tabak- oder Alkoholsucht.

Es gibt aber wohl tatsächlich ein Modellprojekt zur legalen Abgabe von Heroin (www.wikipedia.de - Heroin)

P.S.: Ich habe gerade nachgeschlagen. Heroin feiert dieses Jahr Jubiläum. Bis vor 50 Jahren konnte man Heroin in Deutschland in Apotheken kaufen.

Relaxometrie
31.05.2008, 11:19
Wenn ich mich jetzt richtig erinnere, dann macht Heroin doch gerade diesen Kick, den Methadon eben nicht macht.
Das ist richtig.


Von der hohen Infektionsgefahr mal ganz abgesehen.
Die Infektionsgefahr kommt ja auch daher, daß Heroin im sozialen Abseits konsumiert wird. Man teilt aus Geldmangel eben die Nadeln.
Oder man verwendet sie mehrfach und es kommt zu Venenverletzungen, weil sich an der Nadelspitze im Laufe der Zeit Widerhaken bilden.


Aber wie sollen die Süchtigen denn jemals so etwas wie ein "normales" Leben führen können, wenn sie ständig "voll auf Droge" sind?
Was ein richtiger Opiatabhängiger ist, der befasst sich den ganzen Tag mit der Stoffbeschaffung. Das ist auch kein normales Leben.
Dann soll er doch lieber die Möglichkeit erhalten, sich durch billigen und streßfreien Einkauf mit dem Stoff zu versorgen (so wie es Alkohol- und Nikotinabhängige auch dürfen), und wenigstens Geld für andere Grundbedürfnisse zu haben, als das Geld den Dealern in den Rachen zu werfen, die davon leben, daß Heroin illegal und horrend teuer ist.

milz
31.05.2008, 13:12
Die Abgabe von Heroin an Süchtige, die mit Methadonprogrammen nicht zu erreichen sind, hat sich in Modellprojekten als sinnvoll erwiesen. Siehe zB.

http://www.heroinstudie.de/

http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=suche&id=56581

http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=53503

http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=57007

Im Bundesrat wurde vor kurzem noch darüber gestritten, ob das Projekt fortgesetzt werden soll.

Logo
31.05.2008, 13:54
Solche Projekte scheitern an den "banalsten" Dingen:
Niemand will so eine Abgabestelle/Spritz-Raum vor der Tür haben.
NIEMAND.
Da kann man leider nicht argumentieren.
Im Zweifel sagt ein Geschäftsmensch er hat Umsatzeinbußen & das kostet Arbeitsplätze.
Konsequenz: Noch Mehr Menschen saugen das Sozialsystem aus, oder der Geschäftsmensch bekommt einen "Erträglichkeits-Zuschuss" und hält still.

Beides kostet aber einen Haufen Geld --> dies löst bei Verantwortlichen/Politikern akutes Unwohlsein aus...

Mehrmals so geschehen hier in Hannover.

Gruß
LOGO

Dr. Gonzo
01.06.2008, 15:19
Den Punkt von Logog sehe ich auch, ändert aber nichts daran, dass ich eine Legalisierung sinnvoll fände.
Der größte Teil der Schädigung bzw. Verwahrlosung von Heroinabhängigen hängt in der Tat mit der Illegalisierung zusammen - schlecht gestreckter Stoff, Beschaffungskriminalität, Leben im sozialen Abseits.
Und wenn man sich das Beispiel der Niederlande mit Cannabis ansieht, ist dort der Konsum nicht mehr oder weniger verbreitet als in den meisten anderen europäischen Ländern auch. Nur weil es einfacher verfügbar ist, muss nicht automatisch mehr konsumiert werden.

Hoppla-Daisy
01.06.2008, 17:50
Ich sehe einen wesentlichen Unterschied zwischen Cannabis und Heroin.... von daher hinkt der Vergleich, wie ich finde ;-)

test
01.06.2008, 20:18
Ist die Sucht bzw. Suchterleben bzw. Suchtpotential von Heroin nicht immens viel höher als bei Alkohol und Tabak? (Zumindest dachte ich, wäre dem so)
Ich meine ich kenne niemanden der für seine Tabaksucht sein gesames Leben aufgibt und nur noch raucht und keine anderen Interessen merh zeigt.
Die meisten Leute trinken Alkohol, süchtig und bestimmt davon werden aber nur einige.
Bei Heroin dachte ich, wäre das anders, hier wird ein sehr viel höherer Prozentsatz wirklich süchtig und Sucht ebdeutet in dem Fall doch oft, dass man nur noch auf der Suche nach dem nächsten Schuß ist, wenn man den legal kriegt ändert das doch auch nicht viel daran, dass man wahrscheinlich keinen geregelten Alltag mehr haben dürfte und nichts wirklich auf die Reihe kriegt.
Kriegt der Alkoholsüchtige doch auch nicht mehr richtig mit dem legalen Alkohol. :-nix Da hilft ihm die LEgalisierung doch meist auch nciht viel weiter.
Ich glaube es gibt nur sehr wenige Beispiele von Leuten, die wirklich lange Heroin so kontrolliert konsumiert haben, dass sie nebenher ein normales Leben mit Arbeit geführt haben. :-nix Und das das nur an der Illegalisierung liegen soll, kann ich ehrlich gesagt nicht glauben auch wenn natürlich viele zusätzliche Probleme der Betroffenen mitbedingt sind, die Legalisierung würde aber zu einem deutlich höheren Anteil Süchtiger führen, die dann aber wie die Alkoholiker vielleicht weniger Probleme mit Infektionen und dem Gesetz hätten aber genauso eine beschissene PErspektive, meienr Meinung nach keine optimale Lösung. :-meinung

Foreman
02.06.2008, 08:35
Logos Argument kann ich auch nachvollziehen. Die Widerstände und Vorurteile gegen eine kontrollierte Heroinabgabe wird es leider in breiten Bevölkerungsschichten geben.

Aber seht euch mal die Links von milz genauer an. Die Vorzüge sind nicht von der Hand zu weisen.

Dr. Gonzo
02.06.2008, 12:37
Ich weiß das Cannabis und Heroin durchaus den einen oder anderen Unterschied aufweisen - was ich mit dem Vergleich sagen wollte, war, dass durch die Verfügbarkeit einer Droge nicht automatisch der Konsum ansteigt.

Und wirklich reines Heroin ist soweit ich weiß nur relativ schwach gesundheitsschädlich. Die meisten Junkies gehen hauptäschlich durch Verwahrlosung und schlecht gestrecktes Heroin so kaputt...

Evil
02.06.2008, 16:34
Und wirklich reines Heroin ist soweit ich weiß nur relativ schwach gesundheitsschädlich. Die meisten Junkies gehen hauptäschlich durch Verwahrlosung und schlecht gestrecktes Heroin so kaputt...
Sorry, aber das ist absoluter Blödsinn. Hochpotente Opiate gehören nicht in die Hände von Leuten, die keine Ahnung von Pharmakologie haben.
Die therapeutische Breite von Heroin ist NICHT mit der von Marihuana vergleichbar, entsprechend sind die Risiken und unerwünschten Wirkungen des Opioids deutlich größer. Da kommt auch Alkohol nicht mit.

Dr. Gonzo
02.06.2008, 17:08
Das stell ich ja gar nicht in Frage, sorry dass ich mich da unscharf ausgedrückt habe. Opiate sind selbstverständlich um Längen gefährlicher als Cannabis oder Alkohol, einfach viel schwerer dosier- und steuerbar.

Da Heroin aber mit allem möglichen Dreck gestreckt wird, - von Lactose über Mannitol bis hin zu Lidocain oder Paracetamol - und gerade deswegen auch die Konzentration unklar ist - ist die Gefar so an einer Überdosis H, wenn nicht sogar an einer Überdosis Streckmittel zu krepieren, immens eröht. Reines Heroin ist lange noch nicht ungefährlich, aber um längen ungefährlicher als der Dreck, den man auf der Straße bekommt. Und so ziemlich alle Modellprojekte zur Abgabe von Heroin an Abhänige zeigen, dass es denen danach wesentlich besser geht.

Und zu Methadon/Polamidon:
Das erste Problem ist, dass nicht wenige Junkies sich das ''Schnäppsken'' trotzdem iv zuführen, weil die Wirkung einfach viel intensiver ist, und sich dabei ins Jenseits schießen.
Zum Zweiten habe zumindest ich den subjektiven Eindruck, dass diese Substitute ein sehr viel größeres Abhängigkeitspontential haben. Da hab ich zwar keinen wissenschaftlichen Beweis für, ist aber ein Eindruck, den ich selber bei der Arbeit mit Abhängigen gesammelt hab.

Ich bin sicher nicht dafür, Heroin als neues Genußmittel zu legalisieren, aber die Abgabe an Schwerstabhängige ist m. Mn. ziemlich sinnvoll.

Hoppla-Daisy
08.06.2008, 14:42
Ähm, ich hab letzten Sommer in ner ZDF-Sendung was gesehen, was mich doch ziemlich irritiert hatte (sowohl Interview als auch Filmchen, in dem man die "Behandlung" mitverfolgen konnte). Bevor hier jemand jetzt laut nöhlt, das sei doch alles Humbug und so, bitte erstmal lesen. Ich habe in der Zwischenzeit bereits mehrfach versucht, irgendetwas dazu herauszufinden, allerdings hat sich bisher kein Wissenschaftler mal dazu geäußert. Dieser Dr. Zobin hat da ja wohl auch sein Bedauern ausgedrückt.

Was allerdings interessant ist: Es gibt etliche Forenbeiträge dazu in div. Foren, und auch einige Betroffene bzw. ehemals Betroffene über ihre Erlebnisse mit diesem Dr. Zobin und seiner Behandlung erzählen.

Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Aber irgendwie lässt mich das nicht los. Werde nächste Woche mal meinen Pharma-Prof interviewen. Hoffe, der lacht mich nicht aus :-)).

Ach ja, ihr braucht ja noch den Link: tadaaaa (http://frontal21.zdf.de/ZDFde/inhalt/17/0,1872,5565841,00.html?dr=1)

So, und nun könnt ihr gerne auf mir "druffkloppen".

Inelein
08.06.2008, 15:54
Das hab ich auch gesehen!!! Und seitdem frag ich mich wie das funktionieren soll und ob da was dran ist. Das war ja durchaus ne seriöse Sendung, also wenn da jemand noch was rausfindet wär es echt cool. Wobei ich hab mal irgendwo gelesen, dass man einen bestimmten Wirkstoff quasi in einen Körper einpflanzt, der an sich aber harmlos ist. Kommt dann die Droge hinzu (deren Einnahme man verhindern will) verbindet sich diese mit dem vorher implantierten Wirkstoff und es entsteht eine tödliche neue Verbindung. Oder so ähnlich...

Evil
08.06.2008, 17:01
Die Gefahr bei Heroin besteht ja GERADE in einer Atemdepression, deswegen halte ich das für eine Finte, klingt nach einer quasi umgekehrten Placebowirkung. Wahrscheinlich wird bei der Behandlung den Leuten so richtig Angst eingejagt.
Das darf er natürlich nicht verraten, weil es bei Bekanntwerden nicht mehr funktioniert.

Aber wenn es klappt, warum nicht? Hauptsache, die Leut kommen von ihrer Sucht los... wenn der Erfolg auch dadurch geschmälert wird, daß sich ein großer Teil eine Ersatzdroge sucht :-nix