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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Alkohol zur Therapie?



Mark13
31.05.2008, 21:04
Hallo!

In einem mündlichen Examensprotokoll steht, dass der Prüfer gefragt hat, warum in manchen Suchtkliniken Alkohol als "Therapeutikum" eingesetzt wird - mit der Frage kann ich mal gar nichts anfangen...könnt Ihr sie mir erklären?

jilain
31.05.2008, 21:18
Mir fällt da irgendwie nur paradoxe Intervention ein. Weiß jetzt nicht mehr von wem dieser Ansatz ist, zu Paradoxien findest du jedenfalls was bei Watzlawik et al.

CHALi
31.05.2008, 22:52
Mir fällt da spontan nur Antabus (Disulfiram) ein, zur Rückfallverhütung, ist zwar Umstritten, aber mein Pharma und Tox Dozent hat das schon zweimal erwähnt...

Zack einnehmen, Alkohol drauf und dem Patienten gehts mies.. ist ja quasi ne Verhaltenstherapie...

Schädelspalter
01.06.2008, 09:55
Mir fällt da spontan nur Antabus (Disulfiram) ein, zur Rückfallverhütung, ist zwar Umstritten, aber mein Pharma und Tox Dozent hat das schon zweimal erwähnt...

Es ist aber ein Medikament, was niemals zusammen mit Alkohol eingenommen werden soll, daher ist das mit Sicherheit keine Therapieform.


In einem mündlichen Examensprotokoll steht, dass der Prüfer gefragt hat, warum in manchen Suchtkliniken Alkohol als "Therapeutikum" eingesetzt wird - mit der Frage kann ich mal gar nichts anfangen...könnt Ihr sie mir erklären?

Alkohol zur Therapie:
Intoxikationen mit Methylalkohol - hier wird so viel Äthylalkohol gegeben, dass das Abbausystem (Alkoholdehydrogenase) mit dem Äthylalkohol beschäftigt ist und das zu den Enzymen weniger affine Methylalkohol unverstoffwechselt ausgeschieden wird. so wird die Bildung des giftigen Formaldehyds verhindert

Außerdem kann man natürlich mit Alkohol (z.B. i.v.) Entzugssymptome bei Alkoholikern verhindern - was allerdings in Suchtkliniken der falsche Weg ist.

CHALi
01.06.2008, 10:14
Disulfiram wird gerade wegen der Nebenwirkungen eingesetzt. Natürlich in geringeren Dosen und unter Ärztlicher Aufsicht. So sagte das unser Pharmamensch, wenn iich meinen Mutschler nächste Woche habe schau ich da mal nach..

Nemesisthe2nd
01.06.2008, 10:37
das disulfiram ist aber nur was für leute die gerade trocken sind und sozusagen eine pharmakologische gedächtnisstütze wollen nicht wieder anzufangen. Denn dann soll es einem auch schon nach sehr kleinen mengen alkohol sehr schlecht gehen...

ansonsten wird es wohl bei extremen entzugdelir angewandt, allerdings wohl eher nicht auf einer entzugsstation, sondern zB auf Intensiv, wenn der patient zB durch ne OP und nachbeatmung quasi "kalt" entzogen wurde, dann beim aufwachen ins delir fällt und clomethiazol zu riskant wäre, wegen eventueller nebenwirkungen... (das war der grund für die flasche korn auf der intensiv-station auf der ich ne zeit lang pflegepraktikum gemacht hab, sie kam allerdings nicht zum einsatz während der 2 wochen, die ich da war)

ein komilitone von mir hat seinen zivi in der dialyse gemacht. Die hatten leider auch einen alki, dem sie das saufen bei der dialyse erlauben mussten, weil er sonst auch kollabierte (die dialyse senkt natürlich auch den blutalkohol-spiegel)

CHALi
01.06.2008, 11:08
Das ist krass, bei uns auf Intensiv hatten wir das damals nicht, dann hätten wir aber auch massen an Koks lagern müssen. Bei uns wurden quasi alle entzogen, fixiert und ruhiggestellt.

Eigentlich traurig...
LG
CHALi

Tombow
01.06.2008, 11:18
Es gibt Alkoholiker, die nicht abstinenzfähig sind und die man nie ganz trocken kriegt. Das Kompromis ist, sie auf "kontrolliertes Trinken" einzustellen, so daß sie zwar nicht trocken sind, aber sich der Alk-Konsum in Grenzen hält.

Als Alternative zum kalten Entzug wäre es auch denkbar, wenn ein kalter Entzug zu gefährlich wäre und die Bedingungen (Intensiv, Überwachung, etc.) für einen medikamentösen Entzug mit Clomethiazol oder Clonidin nicht gegeben sind.

Im übrigen wird zunehmend beim Entzug Clonidin favorisiert (günstigeres Nebenwirkungsprofil und fast keine Entzugserscheinungen im Verlgeich zu CLomethiazol). In den USA ist Clomethiazol auch garnicht zugelassen, da ist Clonidin das Mittel der ersten Wahl.

Relaxometrie
01.06.2008, 17:13
ansonsten wird es wohl bei extremen entzugdelir angewandt, allerdings wohl eher nicht auf einer entzugsstation, sondern zB auf Intensiv, wenn der patient zB durch ne OP und nachbeatmung quasi "kalt" entzogen wurde, dann beim aufwachen ins delir fällt und clomethiazol zu riskant wäre

Obwohl ich 4 Monate auf der geschlossenen Aufnahmestation der Suchtabteillung gearbeitet habe, wo fast alle Patienten Alkoholiker waren, habe ich (für mich: leider, für die Patienten: zum Glück) nur 3 Alkoholentzugsdelire gesehen. Meine Behandlungserfahrung damit hält sich also in Grenzen.
Aber es ist wohl tatsächlich so, daß den Patienten im Delir Alkohol nicht mehr hilft. Irgendwann ist ein 'point of no return' erreicht, und das Delir nimmt seinen Lauf. Man lässt ein Delir natürlich nicht unbehandelt, aber Alkohol zu geben bringt im Delir nichts mehr.
Der gebunkerte Alkohol auf diversen Stationen ist eher dafür gedacht, Alkoholiker nicht in den Entzug rauschen zu lassen. Denn nicht jeder Alkoholiker, um ehrlicher zu sein: kaum ein Alkoholiker nutzt die Chance eines unverhofften Krankenhausaufenthaltes für eine Entzugsbehandlung.

Lava
01.06.2008, 18:20
Im übrigen wird zunehmend beim Entzug Clonidin favorisiert (günstigeres Nebenwirkungsprofil und fast keine Entzugserscheinungen im Verlgeich zu CLomethiazol). In den USA ist Clomethiazol auch garnicht zugelassen, da ist Clonidin das Mittel der ersten Wahl.

Mein Psychiatrieprüfer hat mir am Freitag erklärt, Clomethiazol sei aber besser, weil es weniger Nebenwirkungen habe. :-)