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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Warum Atropin kein Sympatholytikum ?



sebi86
14.06.2008, 13:42
hi,
ich habe folgende Frage zum Atropin:

Atropin ist ja bekanntlich ein Parasympatholytikum, weil es die Acetylcholinrezeptoren im synaptischen Spalt besetzt und Ach ist ja bekanntlich Neurotransmitter im parasympathischen System...

Nun gibt es beim vegetativen Nervensystem ja zwei Teile...die präganglionären Axone und die postganglionären Axone.

Beim Sympathikus sind die Überträgerstoffe von postganglionär auf das Zielorgan die Katecholamine, beim Parasympathikus ist es das eben schon angesprochene Ach.
Beim Übergang vom präganglionären auf den postganglionären Teil ist jedoch Ach bei Sympathikus UND Parasymphatikus Überträgerstoff...

Nun meine Frage:
Warum ist Atropin Parasympatholytikum, wenn es doch auch den Übergang vom präganglionären Axon zum postganglionären Axon des Sympathikus hemmt...???

pathognom
14.06.2008, 14:12
Hey,

1. Synapse (prä auf postganglionär):
Sympathikus: Acetylcholin über nikotinische Rezeptoren (= Ionenkanäle)
Parasympathikus: detto

2. Synapse (postganglionär auf Zielorgan)
Sympathikus: Noradrenalin über alpha/beta-Rezeptor, metabotrop
Parasympathikus: Acetylcholin über muskarinischen Rezeptor, metabotrop
(einzige Ausnahme: an vielen Schweißdrüsen wirkt auch der Sympathikus über Acetylcholin + M-Rezeptoren, deshalb die Anhidrose bei Atropin-Therapie).

Atropin wirkt blockierend nur am muskarinischen Rezeptor, von dem es über sechs verschiedene Typen gibt (M1-Mx).

Es gibt (grob) zwei Arten von nikotinischen Acetylcholin-Rezeptoren, die NN und die NM. Erstere sitzen an besagten autonomen Ganglien, letztere an der Skelettmuskulatur (somatomotorische Fasern aktivieren die muskuläre motorische Endplatte also auch mit Acetylcholin). (NM-Antagonisten sind Muskelrelaxantien, z.B. Succinylcholin oder Curare).

Früher wurden z.B. in der Hypertensionstherapie auch Ganglionblocker = NN-Antagonisten eingesetzt, z.B. Trimetaphan oder Hexamethonium. Diese sind dann kombinierte Sympathiko- und Parasympathikolytika (nachdem der PS an den Gefäßen kaum wirkt, bringt das netto eine Dilatation). Massivste Nebenwirkungen mit atropinlike- plus hypostatischen Syndromen.

Liebe Grüße
pg

sebi86
14.06.2008, 15:05
ahhhh...endlich :)

dankeschön

Flemingulus
14.06.2008, 15:31
Früher wurden z.B. in der Hypertensionstherapie auch Ganglionblocker = NN-Antagonisten eingesetzt, z.B. Trimetaphan oder Hexamethonium. Diese sind dann kombinierte Sympathiko- und Parasympathikolytika (nachdem der PS an den Gefäßen kaum wirkt, bringt das netto eine Dilatation). Massivste Nebenwirkungen mit atropinlike- plus hypostatischen Syndromen.


W. D. M. Paton, "The hexamethonium man"

(in freier Übertragung)

Er hat einen gesunden, rosigen Teint, außer wenn er länger stehen muss, dann wird er blass und fällt in Ohnmacht. Sein Händedruck ist warm und trocken. Er ist ein gelassener und entspannter Zeitgenosse, den man dann und wann lachen sieht, aber niemals weinen, denn ihm fehlen die Tränen. Auch deine unanständigste Geschichte wird ihn nicht zum Erröten bringen, und selbst vor den widerlichsten Umständen wird er nicht erbleichen. Seine Socken und sein Hemdkragen bleiben stets sauber und frisch. Er trägt Stützstrümpfe und ohne die kann er die Beine kaum ruhig halten. Er ist nicht sehr gesprächig, es sei denn, man gibt ihm etwas zu trinken, um seine trockene Kehle durchzuspülen. Er ist weitsichtig und verträgt helles Licht nicht gut. Seine geröteten Augen, lassen auf einen unsteten Lebenswandel schließen und man muss sagen, dass er nicht gerade der Hellste ist. Er verhält sich aber immer wie ein Gentleman, rülpst nicht und bekommt keinen Schluckauf. Er ist ziemlich verfroren und trägt warme Kleidung. Doch erfreut er sich guter Gesundheit, ist vor Frostbeulen gefeit und die Krankheiten unserer hektischen Zeit, Bluthochdruck und Magengeschwüre, gehen an ihm vorüber. Er ist dünn, mit geringem Appetit gesegnet und spürt niemals Heißhunger noch einen knurrenden Magen. Er wird von Verstopfung geplagt und hilft regelmäßig mit Paraffin nach. Im Alter wird er unter Harnverhalt leiden und Impotenz, aber keinen quälenden Harndrang verspüren oder Schmerzen beim Urinieren. Man fragt sich, wie es mit ihm enden wird, vielleicht, wenn er nicht achtgibt, wird er weniger und weniger essen, nach und nach auskühlen, in ein gnädiges, hypoglykämisches Koma fallen und so sterben, wie es auch für das Universum vorhergesagt wird, in einem stillen Entropie-Tod.

pathognom
14.06.2008, 16:07
Hey,

danke Flemingulus, ich hatte auch schon daran gedacht aber wusste nicht mehr, wer der Verfasser war :-party

Lg
pg

Flemingulus
14.06.2008, 16:20
ich hatte auch schon daran gedacht

Dacht ich mir schon ;-) Hab mir auch etwas schwer getan, den Text zu finden... z. B. unter Brown DA, Br J Pharmacol (2006) 147, S120–S126, findet man den englischen Originaltext, in dem statt Stützstrümpfen "corsets" getragen werden, um ein Versacken von Blut im Splanchnikusgebiet zu verhindern... naja... an dieser Stelle ist es jetzt wohl eher ein Neudichtung als eine Übersetzung... ;-)