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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Andersartige Studienplatzklage?



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Doctornym
22.06.2008, 15:16
was ich mich langsam aufgrund des ständigen wartens UND des ständigen Anstiegs der Wartezeit frage ist: ist das noch mit dem Grundgesetz vereinbar.

Die Wartezeitquote existiert, da jeder das Recht hat zu studieren. Vorraussetzung ist das Abitur. Das heisst nicht umsonst "Allgemeine Hochschulzugangsberechtigung".

Schaut man sich hier im Forum mal um, so scheint es junge Menschen zu geben, welche der Wartezeit hinterherrennen: Kommen sie den Wartesemestern näher, steigt die Wartezeit an und sie bekommen keinen Studienplatz, warten also weiter, bis die Wartezeit wohlmöglich wieder steigt (schaut euch die Tendenzen an).
Der Studienplatz kann durch warten wohlmöglich nie erreicht werden.
Der gewählte Beruf kann nicht ausgeübt werden.
Ist das im Grundgesetz verankerte Recht auf freie Berufswahl nicht mehr gewährleistet?

Ich bin mir über die Dimension dieser Frage bewusst, dennoch schwirrt bestimmt nicht nur mir dieser gedanke im Kopf herum, der da heisst "Verfassungsklage".

Keine Ahnuung mehr ob das nur gespinne ist, aufgrund der Wartezeitdepression, oder nicht......eure meinung?!

STREBER20
22.06.2008, 15:47
Nach spätestens 16 Wartesemestern steht dir der Platz zu. In Medizin sind es derzeit "nur" 10. Jedoch ist davon auszugehen, dass es in Zukunft ansteigen könnte.

Eine Verfassungsklage dagegen dürfte wirkungslos bleiben.

papiertiger
22.06.2008, 15:48
Hallo,

ich muss zugeben, meine ersten Gedanken gerade waren eher "Unfug, so schnell steigt die Wartezeit ja nun auch wieder nicht an, dass es im Einzelfall möglich wäre, das jemand ihr ewig hinterherrennt, usw."

Allerdings: Da es mich das Thema dann doch nicht losgelassen hat, habe ich einen Blick in die einschlägigen Datenbanken geworfen, und siehe da.. bei unserem Bundesverfassungsgericht hättest du damit evtl. garnicht mal so schlechte Chancen.
Da gibt es so einige Entscheidungen, die starke Tendenzen in Richtung deiner Argumentation zeigen.

Mit einem guten Rechtsanwalt dürften die Chancen da durchaus ungleich null sein, soweit ich das beurteilen kann. Persönliche Betroffenheit, Ausschöpfung des Rechtswegs und ähnliche Kriterien natürlich mal vorrausgesetzt.

Grüße,
papiertiger

Strodti
22.06.2008, 15:54
Aber wenn es dieses "spätestens nach 16 Semestern" Urteil gibt? Hat jemand dafür eigentlich eine Quellenangabe? Wäre ja mal interessant, wie das damals begründet worden ist. Gerade in Zeiten der Doppeljahrgänge (Abi nach 13 UND 12 Jahren) sind die Wartezeitprognosen ja seht ungewiss.

papiertiger
22.06.2008, 16:16
BT-Dr 15/3475, S. 8 (Bundestagsdrucksache, lässt sich im Internet abrufen und nachlesen.)

Das mit den 16 Semestern bezog sich da allerdings auf die Situation im Fach Psychologie im Jahr 2004. In oben genannter Quelle bezieht man sich wohl auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, die ich allerdings gerade beim besten Willen nicht auftreiben kann :-nix
Grundsätzlich scheint das Bundesverfassungsgericht aber wohl der Ansicht zu sein, die Wartezeit dürfe die Regelstudienzeit nicht wesentlich überschreiten. Was bei Medizin noch nicht gegeben ist.

Hellequin
22.06.2008, 16:22
Da Art. 12 Abs. 1 GG aber in erster Linie ein Abwehrrecht gegen den Staat ist, kann die Berufsfreiheit nicht als ein „soziales Recht“ im Sinne eines Leistungsanspruchs verstanden werden. Insbesondere garantiert Art. 12 Abs. 1 GG kein „Recht auf Arbeit“. Der Staat kann dem Einzelnen nur helfen, seine Freiheit in beruflicher Hinsicht zu entfalten, gewährt aber keinen Anspruch auf die Einrichtung von bestimmten Arbeitsplätzen im Einzelfall, das durch subjektive Ansprüche gesichert und zu verwirklichen wäre.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Berufsfreiheit

art3
22.06.2008, 16:36
hm also ich könnte das jetzt spontan garnicht einschätzen, wie da die erfolgsaussichten sein könnten. neu ist mir die aussage, dass einem nach 16 wartesemestern der studienplatz "zusteht". LOL das wär ja nur nochmal genauso lange warten. supi :-D

was ich mich manchmal frage: wenn man sich mal die wartezeiten ansieht z.zt. kann man feststellen dass die dazugehörigen abinoten nun wirklich nicht die besten sind....3,x...geht sogar bis 3,9.
somit wären diejenigen die z.b. zum SS08 einen platz bekommen haben, diejenigen welche (top formulierung) sonst immer wieder gescheitert sind weil zwar die zeit da war aber die note einfach zu schlecht.
nun wie oben erwähnt die frage:
Finde da vllt. im moment gewissermaßen eine "marktbereinigung" statt?
habe bis jetzt noch nie den fall gefunden, dass die wartezeit sinkt... jedoch könnte sie doch evtl zum. ws im vergleich zum letzten jahr gleich bleiben?woher sollen noch so viele leute mit 9/10 wartesemestern kommen?ich bezieh mich hier mal auf das fach zahnmedizin, in dem mal eben von ss auf ss ein sprung von 2 wartesemestern stattgefunden hat. ich denke mal die nötigen abischnitte waren einfach zu gut. und das über längere zeit. das könnte die vielen leute mit plötzlich 10 WS erklären.

oder waren sind doch die polen und tschechen schuld? (sorry, nein, ich habe nichts gegen die neueren eu-mitgleidsstaaten, aber fand die formulierung groovy)
Worauf stützt sich dieses gerücht eigentlich? :-nix

papiertiger
22.06.2008, 16:39
Das ist ja schön und gut (Wikipedia sieht immer schön und gut und richtig aus ;-) ); nichtsdestotrotz gibt es aber durchaus mehrere Entscheidungen, in denen das Bundesverfassungsgericht eben diesen Paragraphen zugunsten von Studienbewerbern im Fach Medizin ausgelegt hat.

vgl. auch folgendes:

" Aus dem in GG Art 12 Abs 1 S 1 gewährleisteten Recht auf freie Wahl des Berufes und der Ausbildungsstätte in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip folgt ein Recht auf Zulassung zum Hochschulstudium. Dieses Recht ist durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes einschränkbar.

Absolute Zulassungsbeschränkungen für Studienanfänger einer bestimmten Fachrichtung sind nur verfassungsmäßig, wenn sie in den Grenzen des unbedingt Erforderlichen unter erschöpfender Nutzung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten angeordnet werden und wenn die Auswahl und Verteilung der Bewerber nach sachgerechten Kriterien mit einer Chance für jeden an sich hochschulreifen Bewerber und unter möglichster Berücksichtigung der individuellen Wahl des Ausbildungsortes erfolgen."

(BVerfGE 33, 303)

papiertiger
22.06.2008, 16:42
Was ich sagen will - dass einem nach 16 Semestern automatisch ein Studienplatz zusteht ist Unfug, und dass so eine Klage auf jeden Fall Erfolg hat noch viel mehr.

Aber - was mich selbst überrascht - es scheint tendentiell doch nicht so aussichtslos zu sein, mit Art. 12 Abs. 1 GG zu argumentieren.

art3
22.06.2008, 16:43
daraus könnte man doch ableiten, dass eine verfassungsbeschwerde vom prinzip her in erwägung gezogen werden könnte?! sone art sammelbeschwerde. gäbe ja genug langzeitwarter, die sich zusammen tun könnten/müssten?!

Hellequin
22.06.2008, 17:07
Du solltest vielleicht auch das ganze Urteil betrachten und nicht nur den Teil der dir in den Kram passt. ;-)
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv033303.html

1. Zitierst du einen beinahe 40 Jahre alten Fall.
2. Ging es bei dem Fall nicht grundsätzlich um Zulassungsbeschränkung und Auswahlverfahren, sondern um einzelne fehlende bzw. mangelhafte Kriterien beim Auswahlverfahren in 2 Bundesländern.
3.


" Aus dem in GG Art 12 Abs 1 S 1 gewährleisteten Recht auf freie Wahl des Berufes und der Ausbildungsstätte in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip folgt ein Recht auf Zulassung zum Hochschulstudium. Dieses Recht ist durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes einschränkbar.
;-)

TonyClifton
22.06.2008, 17:37
ich bezweifel dass die Klage auch nur zugelassen werden würde..

papiertiger
22.06.2008, 17:46
darum, was mir in den Kram passt geht es hier schonmal gleich garnicht. ;-)

Und ich rede nicht von tollen Präsedenzfällen, sondern von Tendenzen. Und dafür ist es irrelevant, ob das Urteil nun schon alt ist (es gibt auch neuere mit derselben Tendenz), oder was dabei ingesamt herauskam respektive worum es ingesamt ging. Das BVerfG baut auch gerne mal grundsätzliche Anmerkungen ein, die mit dem eigentlichen Fall nur am Rande zu tun haben.

Im Übrigen zitiere ich mich selbst weiter oben.. ich will hier garkeine Lanze brechen für Verfassungsbeschweren diesbezüglich. Ich war nur selbst überrascht, dass es eben nicht absurd zu sein scheint, da mit entsprechendem Grundgesetz-Artikel zu kommen.

Hellequin
22.06.2008, 18:24
Und ich rede nicht von tollen Präsedenzfällen, sondern von Tendenzen. Und dafür ist es irrelevant, ob das Urteil nun schon alt ist (es gibt auch neuere mit derselben Tendenz), oder was dabei ingesamt herauskam respektive worum es ingesamt ging. Das BVerfG baut auch gerne mal grundsätzliche Anmerkungen ein, die mit dem eigentlichen Fall nur am Rande zu tun haben.

Dann interpretieren wir die Tendenz unterschiedlich.;-)
Nämlich was sich in allen Urteilen die ich gelesen habe findet, ist das eine Zulassungsbeschränkung dann zulässig ist, wenn sie die Funktionsfähigkeit der Hochschulen als überragend wichtiges Gut schützen soll, wenn die vorhandenen Kapazitäten vollständig ausgeschöpft wurden und sich der Numerus-clausus an sachgerechten Kriterien orientiert.

papiertiger
22.06.2008, 18:30
Ja; und dennoch zählt der Art. 12 Abs. 1 GG da als gewichtiges Argument. Und ich habe auch Urteile gelesen, in denen ganz gehörig gegen das Auswahverfahren gewettert wurde.


Aber: Bei Jura-Diskussionen gibt es immer viel zu viele Meinungen. Mindermeinungen und andere Meinungen usw. Wenn einem Jura-Hausarbeiten schreiben eines lehrt, dann das ;) Kann man also so sehen oder so, und ist letztlich müßig das auszudiskutieren.

Wollte nur sagen: Völlig aussichtslos ist das, was der Threadersteller erwägt vermutlich nicht. Mehr aber auch nicht.

Hellequin
22.06.2008, 18:52
Ja; und dennoch zählt der Art. 12 Abs. 1 GG da als gewichtiges Argument. Und ich habe auch Urteile gelesen, in denen ganz gehörig gegen das Auswahverfahren gewettert wurde.
Naja, das Hauptproblem ist ja das auf einen Studienplatz ungefähr 3 Bewerber kommen. Das würde sich ja auch mit einem anders gestalteten Auswahlverfahren nicht ändern. Und sicher kann man sich einzelne Punkte des Auswahlverfahrens herauspicken und gegen die klagen. Aber ich bezweifle das eine Klage nach dem Motto:"Ich habe Abi und darf nicht sofort Medizin studieren-> Verstoß gegen Artikel 12 GG!", funktioniert. Dann müßte man sich ja auch einen Ausbildungsplatz einklagen können.



Aber: Bei Jura-Diskussionen gibt es immer viel zu viele Meinungen. Mindermeinungen und andere Meinungen usw. Wenn einem Jura-Hausarbeiten schreiben eines lehrt, dann das ;) Kann man also so sehen oder so, und ist letztlich müßig das auszudiskutieren.
Was soll ich denn sonst den ganzen Tag über machen?:-nix :-D

Eva1988
22.06.2008, 20:06
ist ja alles schön und gut was ihr hier redet ... aber ich glaub irgendwie versteht der threadschreiber hier , das recht auf freie berufswahl etc. und unser rechtssystem falsch ...man sollte vllt sagen, solange man gut genug ist, steht einem auch jeder beruf frei ... willst du jetzt auch als hauptschüler klagen weil du keine ausbildungsstelle bekommst ? oder willst du einen arbeitgeber verklagen, nur weil ihm deine noten zu schlecht sind ? ist das selbe prinzip , kann ja verstehen wenn man frustriert ist , andererseits steht es aber auch jedem im prinzip offen, ein gymnasium zu besuchen und dort die bestmöglichen noten rauszuholen ... das eigene "scheitern" ( im sinne von einem medizin-nc-tauglichen abitur) jetzt als verfassungslücke zu deklarieren ist doch schon stark übertrieben ... seht es lieber als luxus an, dass jeder mit der nötigen "ausdauer " einen studienplatz "genießen" darf , obwohl er streng genommen die anforderungen dafür nich erfüllt . das gibt es längst nicht überall , und auch in deutschland musste man früher nach x (ka wie viele es jetzt genau waren) gescheiterten bewerbungen seinen wunsch aufgeben , da man sich nicht erneut bewerben durfte... das einzige was ich an der wartezeitquote sehr ungerecht finde , ist das z.b. 1,9er und 3,9er in einen topf geworfen werden ... das ist irgendwie eine klare missachtung des leistungsprinzips, praktisch aber wahrscheinlich nicht anders umzusetzen ..

papiertiger
22.06.2008, 20:23
@eva1988


eben darum geht es ja.. um die Frage, ob man damit in einer Verfassungsbeschwerde argumentieren dürfte.
Strenggenommen ist die einzige "Eignungsvorraussetzung" für ein Hochschulstudium die Hochschulzugangsberechtigung - theoretisch (!) sollte, frei nach Art. 12 Abs. 1 GG jedem, der diese besitzt, der Zugang zum Studienfach seiner Wahl ermöglicht sein. Dass das praktisch bei beliebten Fächern wie eben Medizin eines ist nicht möglich ist, sollte klar sein.
In Art. 12 Abs. 1 Satz 2 ist daher auch ein gesetzlicher Regelungsvorbehalt enthalten. Die einzelnen Regeln (ZVS-Zulassungsverfahren in diesem Fall) stehen allerdings zur Diskussion - und dürfen dem Art. 12 Abs. 1 nicht zuwider laufen.

Wenn man so argumentiert, dass sie das tun sehe ich da durchaus eine geringe Chance für den Threadersteller. Die wohl auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe durchaus sieht.

Und bevor mir Hellequin wieder aufs Dach steigt ;-) : ich weiß, dass sie trotzdem in der Regel anders entschieden haben bislang.. aber allein die gesonderte Erwähnung, bzw. das ausführliche darauf-Eingehen hat beim BVerfG normalerweise eine Bedeutung, und zwar die, dass da längst keine Einigkeit herrscht und sich da evtl. noch was tun könnte wenn dieser Sachverhalt mal wieder zu bewerten ist.

Hellequin
22.06.2008, 20:35
Und bevor mir Hellequin wieder aufs Dach steigt ;-)
*dieLeiterhol*:-))

papiertiger
22.06.2008, 20:42
*dieLeiterhol*:-))


*die Säge hol* :-D