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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Prävention im Praxisalltag



hobbes
10.10.2002, 23:13
Viele Krankheiten von denen unsere Gesellschaft heute geplagt wird sind ja bekanntlich sogenannte Zivilisationskrankheiten. Übergewicht steigt auch in Deutschland rasant an, geraucht wird mehr denn je, der Bewegungsmangel grasiert.
Ist es die Pflicht des Arztes seinen Patienten auf sein Risikoverhalten anzusprechen und ihn bei der Änderung seines Gesundheitsverhaltens intensiv zu betreuen? Oder ist es Privatsache des Patienten wie er so lebt? Soll sich der Arzt auf die Behandlung von Diabetes, Hypertonie und übergewichtinduzierter Herzprobleme beschränken?

Werden die präventiven Aspekten in der Lehre genügend beachtet?

Froschkönig
11.10.2002, 00:26
Ich habe schweren herzens für alternative 3 gestimmt. Ihn kurz darauf hinzuweisen genügt zwar nicht, aber mehr zeit bleibt einem bei unserem system numal nicht....
Der durchschnittliche übergewichtige bräucht eine intensive persönliche betreuung statt einer überweisung zur ernährungsberaterin, wo er genau einmal hingehen wird... aber genau da liegt doch die crux bei unserem gesundheitssystem :
Wir haben nicht mehr die Zeit, auf die patienten genug einzugehen...darüberhinaus sind heute alle durch die medien und sendungen wie galileo und co. dermaßen halb-aufgeklärt, daß es dich enorme anstrengungen kostet, da noch wirklich überzeugend zu wirken...

hobbes
11.10.2002, 00:54
Ja das stimmt ganz genau. Und bei der heutigen Tarifordnung wäre eine solche intensive Aufklärung wohl auch Gratisarbeit. Aber eben doch eigentlich dringends notwendig.

hobbes
11.10.2002, 00:55
Froschkönig: du hast vergessen abzustimmen, für Alternative 3 hat sich niemand entschieden!

Lion
11.10.2002, 10:29
Doch, ich habe für Alternative 3 gestimmt, da ich es genauso sehe wie unser Froschkönig.

Rico
11.10.2002, 15:40
Ich hab für Punkt 3 gestimmt, aber finde, daß es eher heißen sollte "Man sollte den Patienten kurz darauf hinweisen..." und nicht "Es genügt..."
Denn genügen tut das wahrscheilich nicht bei der Mehrheit des incomplianten Patientenguts.

Mit dem Intensivbeschäftigung hat es halt folgenden Haken: Wenn der übergewichtige Raucher jedesmal wenn er wegen eines eingewachsenen Zehennagels zum Arzt geht sich anhöhren muß, das er abnehmen soll und 1000 Heftchen in die Hand gedrückt bekommt mit Beratungsstellen, dann kommt er bald gar nicht mehr. Und wenn er das bei allen Ärzten hört, wo er hingeht, dann geht er bald zu gar keinem mehr - was seinem Gesundheitszustand ja auch nicht unbedingt zuträglich ist.

Gar nichts machen ist auch schlecht, dann drängt sich doch bei den Patienten am Ende noch der Verdacht auf, der Arzt sei schuld, weil er sie nicht aufgeklärt hat (und basteln sich vielleicht im Geiste so ein Konstrukt, daß sie völlig unschuldig an ihrer Lage sind und auch nichts zu ihrer Änderung beitragen können - Minderung der cognitiven Dissonanz)

Ich finde, solbald irgendwo mal die Diagnose Adipositas, Nikotinabusus, etc. auftaucht, dann sollte der Arzt eine Pflicht zur Aufklärung über Folgen und Risiken haben, so wie er ja auch jeden Diabetiker über Folgen und Risiken aufklären muß (kann sich ja auch ggf. vom Pat. unterschrieben lassen, daß der das Gespräch nicht wünscht).
Dann ist irgendwo mal dokumentiert, daß man es probiert hat (der schwarze Peter liegt sozusagen beim Patienten - wo er ja auch hingehört - der Arzt soll ja nur helfen und beraten) und man könnte auch über Konsequenzen nachdenken, z.B. keine/weniger Rabatte bei der Versicherungsprämie für Leute, die das Aufklärungsgespräch verweigern oder geringergradige Kostenübernahme beim Eintreten von Folgeerkrankungen.
So könnte eine Frau, die trotz entsprechender Aufklärung die Rötelnimpfung nicht durchführen will (solange sie keine KI hat, natürlich) doch selber für die Kosten der Behandlung der Rötenembryopathie ihres Kindes aufkommen - schließlich hat man ihr eine periswerte und effektive Methode angeboten.
Und dann geht es wie immer in der Medizin: Wer die billige Behandlung nicht will muß die teure selber zahlen!

Und vielleicht sport es auch die ein oder andere Mutter an, ihr Kind impfen zu lassen, wenn sie dann weniger Beiträge für das Kind zahlen muß.
Oder ein Rabatt für Nichtraucher, die sich alle paar Monate per HBCO-Wert als solche identifizieren lassen.

Ist zwar sicherlich nicht der Königsweg, hat aber 2 Vorteile:
:-dafür 1. Er nimmt eindeutig die Patienten in die Pflicht, was meines Erachtens in unserem Gesundheitssystem viel zu selten geschieht.
2. Es gibt zusätzlich zum gesundheitlichen Benefit einen finanziellen Anreiz, der vielleicht auch den ein oder anderen Schwaben zum Arzt treibt.

:-dagegen Ungelöst natürlich, was ich mit einem aufgeklärten Dicken mache, der nicht abnimmt - kann ich den mit höheren Beiträgen belegen und wenn ja, was mache ich dann mit einem Diabetiker, der sich nicht einstellen läßt? :-???

Lava
11.10.2002, 17:32
Es ist wohl unrealistisch von allen Ärzten zu erwarten, dass sie sich so intensiv um die Patienten kümmern. Aber warum nicht spezielle Praxen aufmachen oder eine bessere Verknüpfung zu Beratungsstellen etc. herstellen? Ohne eine gute Aufklärung und Betreuung kann man doch kaum erwarten, dass sich irgendjemand an seine Diätvorschriften hält. Da muss sehr viel mehr gemacht werden, denke ich. Immerhin will man sich als Patient ja auch verstanden fühlen und ich hätte wohl eher Bedenken, meinen überbelasteten Arzt noch Löcher in den Bauch zu fragen, wo er wahrscheinlich sowieso nicht der Experte in Sachen Diät, Sport, etc. ist.

Vystup
11.10.2002, 18:50
Präventive Gesundheitsaufklärung kann nicht allein Sache der Ärzte sein. Gerade hier kann der Staat enorm viel leisten. In anderen Ländern dieser Erde gibt es Schulfächer zum Thema "Gesundheit", das wäre auch in Deutschland sinnvoll. Man kann nicht jeden Laien zu einem Arzt erziehen, aber zumindest grundlegende Dinge sollte jeder wissen. Auf diese Art und Weise hätte man auch gleich ein passendes Umfeld für die sexuelle Aufklärung und Informationen zur Verhütung sowie zur Drogenaufklärung.
Meiner Meinung nach sollten Erste Hilfe-Maßnahmen auch nicht erst Führerscheinanfängern mitgeteilt werden, die es dann 2 Wochen nachdem sie ihren Schein haben sowieso wieder vergessen.
Solche Dinge sind sicherlich sinnvoller, als die AOK das Schulsportfest sponsern zu lassen...