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SaschaMei
14.10.2002, 11:42
Hallo!
Ich wende mich mal an das Forum hier, vielleicht weiß jemand weiter:
Ein Freund (m, 19J.) von mir ist neulich wegen häufigem, breiigen, hellen Stuhlgang und "Bauchgrummeln" zum Arzt gegangen. Er hat seit längerem bekannt Morbus Meulengracht (irgendwas mit nem genetisch bedingten gestörten Bilirubin-Abbau, UDP-Glucuronyltransferase-Mangel), wohl in der leichteren Form. Dabei waren die Bili-Werte immer bei maximal 2mg/dl und er ist klinisch höchstens mal mit Skelenikterus aufgefallen.
Jetzt allerdings kommt dieser Stuhlgang dazu, und im Sono ist eine wohl deutliche Splenomegalie aufgefallen, sonst Abdomen oB. Weitere klinische Symptome gibts nicht.

Laborwerte wie folgt:
HB: 14,0 (individueller Normwert bei ihm eigentlich eher 17,5-18) - Ery: 4,6 - Leuk: 6,0 - HK: 40 - MCV: 87,2 - MCH: 30,4 - MDHC: 34,9 - Thromb: 262 - SEG: 61,1% - Lymph: 26,3% - Mono: 9,6% - Eos: 2,7% - Baso: 0,3% - Stabk/Jug: 0,0% - Senkung: 5/8cm
Quick: 72% - PTT 39,0 - INR: 1,27
CK: 98 - CKMB: 13 - GOT: 21 - GPT: 13 - LDH: 176 - AP: 64 - GGT: 11 - Amyl: 72 - Lip: 20 - BILI: 4,1 (!) - GEI: 71,2 - Gluc: 61 - Krea: 1,1 - Elyte normal - CRP: 13 (!)

Sein behandelnder Arzt kann damit nicht wirklich viel anfangen und will jetzt wohl ne Colo machen (er hat ja Stuhlprobleme...) - aber weiter weiß er auch nicht.
Hat hier vielleicht jemand ne Idee, woher der Bili-Wert kommen kann, in Verbindung mit der Steatorrhoe (wenns denn eine ist, hab nicht ins Klo geguckt ;o) ) und dem individuell leicht erniedrigten HB?

Hofffe, der Thread ist hier nicht völlig off-topic und ich bekomme nen paar Tipps!
Schönen Dank schonmal, bin für alle Kommentare dankbar!
Sascha

Froschkönig
14.10.2002, 14:58
Zunächst zum Thema "off-topic" : Wir haben hier seit zwei Tagen als Neuerung das Forum "Fachsimpelei", wo solche Dinge künftig wohl diskutiert werden können...

Ansonsten kann ich Dir leider nicht arg viel helfen, meine mich aber zu erinnern, daß beim Morbus Meulengracht der Bili Streßinduziert steigen kann.
moment... :-lesen

Der Thieme "taschenatlas der allgemeinen Pathologie" schreibt hierzu :

Klinik : Selten. Vor pubertät schubweise einsetzende unkonjugierte Hyperbilirubinämie. Ikterusschub durch streß provozierbar

Leider konnte ich jetzt auch nicht mehr dazu aus dem Ärmel schütteln...

Rico
14.10.2002, 23:23
Hm.. ein interessanter Fall, was zum Tüfteln:

Also, wir haben vermutlich eine Entzündung, da CRP (zwar nicht wahnsinnig) hoch und BSG beschleunigt ist. Dazu mag man noch ein erniedrigtes Hb als Entzündungzeichen werten, wobei 14 ja nicht wirklich niedrig ist.
Einen bakteriellen Infekt halte ich wegen des nur mäßig erhöhten CRPs und der fehlenden Leukozytose für unwahrscheinlich.
Ein viraler Infekt paßt gut zu der deutlichen relativen Lymphozytose 26,3% (normal ist ja 1 - 4,8%!).
Splenomegalie auch öfters mal gesehen, z.B. bei EBV-Infektionen.
Eine virale Enteritis würde auch zu dem Bauchgrummeln und zur Jahreszeit passen (häufige Dinge sind häufig!)

Die Leber: Die Transaminasen sind minimal erhöht - in Verbindung mit der Verdachtsdiagnose viraler Infekt würde ich hier auf eine milde Leberbeteiligung tippen. (DD: Alkohol :-party)
Gar nicht dazu paßt aber der Bili-Wert, wobei es hier wirklich interessant wäre zu wissen, ob direktes oder indirektes Bili erhöht sind. Grundsätzlich ist der Bili aber mit dem bekannten M. Meulengracht vereinbar (Läuse und Flöhe)
DD: Hämolyse (erniedrigtes Hb), aber sehr unwahrscheinlich, da K und LDH normal.
Die Gerinnung ist an der unteren Grenze zwar noch normal, trotzdem hätte mich hier noch das Albumin als sensitiverer Syntheseparameter der Leber (vs. Gerinnungsfaktoren)interessiert.
Heller Stuhl auch häufig bei Leberentzündung. Welche Farbe hatte der Urin?

Dann noch das Herz:
Etwas überrascht haben mich die CK und CK-MB:
CK ist mit 98 zwar nur minimal erhöht, aber die herzspezifische CK-MB ist mit 13 schon deutlich erhöht und vor allem überschreitet sie den für einen Herzmuskelschaden kritischen Wert von 6% der Gesamt-CK doch um den Faktor 2!!
Da ich nicht glaube, daß er einen Herzinfarkt hat, würde ich entweder nachmessen lassen oder in Erwägung ziehen, daß es im Rahmen des viralen Infekts auch zu einer Herzmuskelbeteiligung gekommen ist --> erstmal absolute Schonung, kein Sport, etc...
Sicherheit bringt Troponin I.

Also: V.a. viralen, enteralen Infekt mit evt. geringer Leber und Herzbeteiligung
Noch anfordern würde ich eine Serumelektrophorese, konjugiertes und unkonjugiertes Bilirubin, Troponin I und (wenn sich der Zustand verschlechtert) Hepatitis-Serologie (Hep C kann auch Myokarditis machen und verläuft ja nicht immer fulminant), falls die negativ ist noch EBV - auf jeden Fall, BEVOR ich ihn coloskopiere.

Was sich der Arzt von der Colo verspricht weiß ich ohnehin nicht so genau, schließlich spricht acholischer Stuhl ja für ein Lebergeschehen und da wäre (wenn überhaupt invasive Diagnostik) eine Gastro indiziert.

Weitere Virusserologien braucht man nicht, da das Ergebnis ja keine therapeutische Bedeutung hätte.

hobbes
15.10.2002, 00:59
Hallo

Zwei Vorbemerkungen:
- dieses Forum ersetzt nicht die Behandlung durch einen kompetenten Arzt.
- Ich bin noch kein Profi und kann mich sehr leicht irren. Daher ist keine Behandlung auf mein posting abzustellen. Diese „Fachsimpelei“ ist eher eine Art theoretische „Denksportaufgabe“ für die Forenteilnehmer.

Über 5% der Bevölkerung haben eine milde Form von Morbus Gilbert-Meulengracht. Dies ist eine Aufnahmestörung von indirektem Bilirubin in die Hepatozyten (durch Atrophie von Hepatozytenmikrovilli) und eine reduzierte Leistungsfähigkeit der UDP-Glucoronyltransferase).Im Endeffekt kann sich also indirektes Bilirubin im Blut anstauen, weil die Konjugationsleistung der Leber vermindert ist. Dies manifestiert sich v.a. eben bei erhöhtem Anfall von indirektem Bilirubin, also z. B. bei Hämolyse aber auch bei Fasten, Stress, Alkohol, körperliche Belastung und febrilen Infekten. Klinisches Korrelat ist dann der Sklerenikterus in Zeiten erhöhten Hb-Abbaus.

Beim Morbus Gilbert-Meulengracht sind die Gallensäuren normal. Dies also eine differentialdiagnostische Unterscheidung zu anderen Lebererkrankungen.

Die in der Kasuistik geschilderte Diarrhoe mit breiigem und hellem Charakter ist m. E. nicht typisch für einen M. Gilbert-Meulengracht. Dort liegt keine Störung der Gallensekretion vor, sondern nur eine Störung der Bilirubin-Konjugation. Wenn eine Steatorhoe mit hellem acholischem Stuhl vorliegt, so muss aber eine Störung der Gallensäurenbildung oder Sekretion vorliegen. Diese Zeichen sprechen für eine Cholestase und damit für eine akute oder chronische Leberschädigung.

Die Bilirubinwerte von 4.1 mg/dl liegen über den normalen Werten bei M. Gilbert-Meulengracht und auch die Hb-Erniedrigung bei ansonsten höheren Werten sind doch beachtlich. Hier gilt es eine Hämolyse oder einen Blutverlust auszuschliessen.

Wie Rico schon festgestellt hat, spricht einiges für einen viralen Infekt und ist ein bakterieller Infekt unwahrscheinlich. Ein viraler Infekt mit Leberbeteiligung könnte die Gerinnungsdaten und die Acholie erklären. Dass GOT erhöht ist und GPT normal deutet auf akute virale, alkoholische oder toxische Leberentzündung hin. Oder es ist eben doch eine Entzündung des Myokard mit dabei, zumal ja eben auch CK-MB erhöht ist.

Eine Kolonoskopie Indikation kann ich mir eigentlich auch nicht erklären (aber der gute Doc wird schon seine Gründe haben...).

Mich würde interessieren seit wann die beschriebene Symptomatik (Steatorrhoe, heller Stuhl) vorliegt??

SaschaMei
15.10.2002, 18:09
Hallo nochmal!
Also schonmal ganz herzlichen Dank für die bisherigen Antworten!

Offen bleibt für mich irgendwie aber, woher die schon deutlich vergrößerte Milz kommt. Dazu in dem Zusammenhang jemand ne Idee?

Und nachgefragt hab ich wegen den Fragen, die aufkamen:

a) Beschwerden bestehen jetzt seit ca. drei Wochen

b) der Urin ist schon verhältnismäßig dunkel; nicht ganz wie "Altbier", aber bei normaler Trinkmenge halt dunkel. Wenn deutlich mehr getrunken wird, halt verdünnt heller, und riecht übel.


Und noch ein Wort zu der Sache, dass das hier kein Diagnoseforum ist: Dessen sind wir uns absolut bewusst. Aber die behandelden Ärzte und die die Stationsärzte von dem Freund (der macht da Zivi) können sich keinen Reim auf die Sache machen :-??? , und ich dachte mir, es kann nicht schaden, denen einfach mal nen paar andere Meinungen zukommen zu lassen. Denke, wenn man vor nem Problem steht, ist man dankbar für jeden Tipp, vielleicht haben die in gewisse Richungen einfach noch gar nicht gedacht! :-)

Froschkönig
15.10.2002, 19:33
Zunächst mal ist, der Hinweis auf das "nicht Diagnose-Forum" ja auch für alle anderen, die das hier lesen, da das Forum neu ist, ist es sicherer, das immer mal wieder zu Posten, bevor da Probleme entstehen...

Das mit der vergrößerten Milz :
Das Wort "Splenomegalie" ist insofern irreführend, als man darunter oftmals eine dauerhafte, welcher ätiologie auch immer entspringende Milzvergrößerung versteht.
Richtig ist aber, daß Splenomegalie auch als Symptom zahlreicher viraler und Bakterieller infektionen gilt und bei diesen einen reversiblen Charakter hat oder haben kann.

In diesem Zusammenhang würde mich die Tatsächlichen Dimensionen von §deutlich vergrößert" interessieren. Habt ihr ein Sono mit Maßangaben ?

Wegen Urin und der Laborwerte muß ich in Ruhe nochmal nachblättern

Rico
15.10.2002, 22:40
Eben. Die Milz ist ja praltisch ein großer Lymphknoten, der - mal laienhaft ausgedrückt - bei diversen Infektionen "anschwillt".

Urin (nicht ganz) bierbraun: Spricht auch für eine virale Hepatitis.

@ hobbes: Die Hämolyse ist ja so gut wie ausgeschlossen. Bei einer derart massiven Hämolyse wie wir sie postulieren müßten, um den Hb von 17-18 auf 14 runterzureißen müßten Kalium und LDH ansteigen.

Außerdem sind die Erys ja normal und der Hb ja auch noch im Rahmen, so daß ich eher weniger auf die Anämieschiene fahren wollte.
Haptoglobin und Urobilinogen bringen hier Klarheit.

Froschkönig
15.10.2002, 22:52
Mit allem respekt vor meinem vorredner, aber die Hämolyse muß differnetialdiagnostisch laut sämtlicher Lehrbücher Labortechnisch ausgeschlossen werden...

Änderung :
Haproglobin...
Und wenns nebenher ne Alkaptonurie oder was weiß ich is ?
Das zeigt, daß man alleine von Laborwerten nie etwas konkretes aussagen kann...

Damit will ich allerdings in keinster Weise irgendwelchen Forscherdrang ersticken, ich bin für heute nur zu müde, um noch kreativer zu werden...

Euch alles Gute

Pascal
16.10.2002, 13:04
Würde für die Splenomegalie tendenziell auch mal den Hb im Auge behalten. Bei nem Hb von über 17 könnte ich mir einfach ne Vergrößerung aufgrund chronisch vermehrt nötigem Ery Abbau vorstellen. Meine da auch was in der Richtung im Hinterkopf zu haben.

Rico
18.10.2002, 13:10
Original geschrieben von Froschkönig
Mit allem respekt vor meinem vorredner, aber die Hämolyse muß differnetialdiagnostisch laut sämtlicher Lehrbücher Labortechnisch ausgeschlossen werden... Sag ich ja.
Kalium ist in Ordnung, LDH ebenso, also ist die intravasale Hämolyse eher unwahrscheinlich.
Haptoglobin ist Goldstandard zum Nachweis der Hämolyse.

Original geschrieben von Froschkönig
Änderung :
Haproglobin...
Und wenns nebenher ne Alkaptonurie oder was weiß ich is ? Alkaptonurie??? Wo zauberst Du die denn jetzt her? Das ist ne seltene Erbkrankheit, die man schon bei Säuglingen feststellt, wenn er die hätte, dann wär das doch längst bekannt. Außerdem hätte er dann schon immer dunklen, bzw. nachdunkelnden Urin gehabt.
Original geschrieben von Froschkönig
Das zeigt, daß man alleine von Laborwerten nie etwas konkretes aussagen kann... Aber ich bieg doch nicht mein ganzes Konzept so hin, daß auch alle Evantualitäten angefangen bei falschen Laborwerten berücksichtigt sind.
Und wenn ich nach dem Grundsatz "Häufiges ist häufg" z.B. auf eine Untersuchung nach Sichelzellen bei ner Anämie verzichte, dann ist das durchaus im Rahmen einer sinnvollen und effizienten Diagnosestellung.
Irgendwelche Kolobri-Krankheiten kann ich bemühen, wenn ich alles andere ausgeschlossen hab.

@ sascha: Gibt's schon neue Erkenntisse?

Froschkönig
18.10.2002, 13:24
Natürlich ist es keine Alkaptonurie...:-))
Mir ist nur gerade nix dümmeres eingefallen.....

Im großen und ganzen kann ich mich ja Deinen Ausführungen anschließen...vielleicht ist es ja auch ganz einfach wirklich eine Virusgeschichte...und der Billi-Wert resultiert einfach aus einem Morbus-Meulengracht Schub (Immerhin würde das Alter des Patienten dazu passen).
Wie dem auch sei, auch ich kann die Colo nich ganz nachvollziehen...

Rico
15.11.2002, 15:30
Gibt's denn hier eigentlich mal was neues?

Interessiert mich ja schon, was er da gehabt hat/bzw. vielleicht noch hat...

FataMorgana
15.11.2002, 22:46
Original geschrieben von Rico
Ein viraler Infekt paßt gut zu der deutlichen relativen Lymphozytose 26,3% (normal ist ja 1 - 4,8%!).

Woher stammt dieser Normalwert? Ich habe eher etwas wie 25-40 % im Kopf, aber 1-5% ist sicher nicht normal für die Lymphos.

Eine höhere Aussagekraft haben allerdings die Absolutwerte.

Rico
16.11.2002, 01:20
Jaja, ich weiß, is mir mittlerweile auch aufgefallen - bin in der Tabelle verrutscht und hab den Absolutwert als Prozentwert verkauft - so schnell kanns's gehen. :-blush

Bleibe aber trotzdem bei meiner Verdachtsdiagnose: viraler Infekt!

FataMorgana
16.11.2002, 12:29
Ich denke auch, dass das gut sein kann, aber auf die "Lymphocytose" würde ich es halt nicht stützen.

Ein Virus, das hier alles unter einen Hut bringen würde, wäre z. B. CMV. Macht bloß bei einem Immunkompetenten normalerweise nicht so deutliche Symptome.

Wie sieht es mit dem HIV-Risiko aus?

Und welche Einheit hat das CRP? mg/l oder mg/dl?

SaschaMei
16.11.2002, 16:55
Hallo an alle, die sich die Köpfe zerbrochen haben!

Erstmal ganz herzlichen Dank für die ganzen Zuschriften und Kommentare.
Letzendes hat sich in dem Fall eigentlich gar nichts weiter rausgestellt, scheint am ehesten doch nen selbstlimitierender Viraler Infekt gewesen zu sein, da mittlerweile weder Klinik noch Laborparameter pathologisch sind.
Die alberne Colo hat aber wenigstens NICHT stattgefunden, davon konnten "wir" ihn und er die behandelnden Ärzte überzeugen ;o)

Alles Gute!
Sascha

christian_xxx
13.02.2004, 12:15
Ich hatte Probleme bei der Entfernung von allen Weisheitszähnen unter
Vollnakose. Die Behandlung musste abgebrochen werden, als der erste Zahn
freigelegt war, da ich extrem gelb wurde (aufgrund Meulenkracht / Gilbert). Der
Arzt hatte sich nicht angeschaut, was ich auf dem Narkose-Fragebogen notiert
hatte. Die Narkose-Ärtzin hatte ein Gespräch nicht an den Artzt weitergegeben.
Durch Zufall kannte sich der Zahnarzt aus und brach die Entfernung der Zähne ab.
Es ist kaum bekannt, dass starker Stress, insbesondere durch solche Operationen
einen großen Schub auslösen können, wenn man unter dem Syndron Meulengracht
leidet. Ambulant Operationen sind nicht geeignet. In meinem Fall will der Arzt
sogar ganz auf die Entfern8ung verzichten. Vielleicht war auch von Bedeutung,
dass ich 1,5 Tage vorher eine wichtige Prüfung hatte.