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synovia
03.09.2008, 11:10
Heute morgen habe ich es im Radio gehört und jetzt auch in der Presse gelesen. In einem Krankenhaus hier gab es kürzlich einen Fall, der für großes Aufsehen gesorgt hat klick (http://www.hr-online.de/website/rubriken/nachrichten/index.jsp?rubrik=36090&key=standard_document_35137814)

Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den behandelnden Arzt. Wenn nun aber die Patientin die Gabe von Blutprodukten ablehnt und dies auch schriftlich dokumentiert ist, kann man dem Arzt trotzdem fahrlässige Tötung vorwerfen?
Ich bin gerade ganz verwirrt, weil ich es wohl genauso gemacht hätte wie der Behandelnde...

Dr. Pschy
03.09.2008, 11:16
Naja, bin kein Jurist, aber wenn akuter Handlungsbedarf besteht kann man doch mit richterlichem Bescheid dem Patienten seine Muendigkeit absprechen und ihm das Blut anschliessend, quasi per Zwangsbehandlung, verpassen, oder? Insofern koennte es schon sein, dass hier ein Strafverfahren wegen fahrlaessiger Toetung anhaengig ist...

marry276
03.09.2008, 11:20
Hallo,

denke auch, dass alles "rechtlich richtig" gelaufen ist, da kann man als Arzt doch recht wenig machen. Ich glaube, es ist aber dabei auch wichtig, selbst nochmal zu dokumentieren, dass man mit der Patientin gesprochen hat und sie es weiterhin ablehnt.
Hm, mal sehen, was daraus wird...

marry276
03.09.2008, 11:21
Naja, bin kein Jurist, aber wenn akuter Handlungsbedarf besteht kann man doch mit richterlichem Bescheid dem Patienten seine Muendigkeit absprechen und ihm das Blut anschliessend, quasi per Zwangsbehandlung, verpassen, oder? Insofern koennte es schon sein, dass hier ein Strafverfahren wegen fahrlaessiger Toetung anhaengig ist...


Das denke ich gerade nicht! Und bin eigentlich auhc der Meinung, dass irgendwann mal so gelernt zu haben (in Ethik?).

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03.09.2008, 11:29
Hm...
Gab ja wohl auch ne Pat.-Verfügung.
Bei einem völlig orientierten & psych. unauffälligen Patienten - ich nehme mal an das war sie, als sie den Wunsch formulierte - mit Verfügung bezweifel ich stark, daß irgendwer Mündigkeit aberkennen kann...

Alles dokumentiert... - ich bin auch verwundert :-nix

Andererseits kennt man keine Details. Es könnte ja auch sein, daß es "routinemäßig" dort so gehandhabt wird (Hinzuziehen der Staatsanw.) bei kritischen Fällen, ohne das es dann auch zur Anklage kommt.
Das sind ja zwei paar Schuhe - Ermittlung & Anklage.
So etwas liest sich dann schnell "reißerisch und heißer, als es eh und je tatsächlich geköchelt wird"....

Man wird sehen :-)

Hellequin
03.09.2008, 15:19
Jeder Patient hat das Recht, sofern er übersichtsfähig ist, eine Behandlung abzulehnen. Egal ob das eine Dialyse, eine Operation oder eine Bluttransfusion ist. Die einzige Ausnahme die mir bekannt ist, betrifft Kinder. Hier ist es möglich den Eltern für die Dauer der Therapie die Entscheidungsbefugniss für ihr Kind gerichtlich zu entziehen.

In dem Bericht steht ja auch "nur" das die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. Dazu ist sie halt von Rechts wegen verpflichtet. Wenn das alles ordentlich dokumentiert ist, glaube ich nicht das da Anklage erhoben wird.

Feuerblick
03.09.2008, 18:15
Genauso sehe ich das auch. Dem Patienten per Eilverfügung die Mündigkeit abzusprechen, nur weil man die Entscheidung des Patienten für sich selbst nicht teilen kann, würde in letzter Konsequenz das gesamte Aufklärungs- und Behandlungswesen ad absurdum führen. Und es würde auch nicht funktionieren, denn kein Richter dieser Welt entmündigt einen geistig gesunden jungen Menschen, nur weil er seiner religiösen Überzeugung folgt. Bei Kindern ist das in der Tat etwas anderes, da sie nicht für sich selbst entscheiden können.
Sprich: Jeder erwachsene Mensch hat das gute Recht, sich für oder gegen eine Behandlung zu entscheiden, nachdem er entsprechende Aufklärung über Folgen und Risiken erhalten hat. Insofern dürfte diese Klage, so denn alles ausreichend dokumentiert wurde, zu nichts führen.

Dr. Pschy
03.09.2008, 18:53
Richtig, das mit der richterlichen Verfuegung war bei Kindern, hatte ich vergessen. Von daher habt ihr natuerlich recht :-)

synovia
03.09.2008, 19:49
Insofern dürfte diese Klage, so denn alles ausreichend dokumentiert wurde, zu nichts führen.

Trotzdem möchte ich nicht in der Haut des Arztes stecken, gegen den jetzt ermittelt wird...
An Stelle der Mutter hätte ich lieber die Zeugen Jehovas angezeigt...

Feuerblick
03.09.2008, 19:51
Soweit ich das gelesen habe, hat sie auch den Schwiegersohn angezeigt. Trotzdem: Auch damit hätte sie keinen Erfolg, denn jeder mündige Mensch darf ganz alleine entscheiden, woran er glaubt. Und zu beweisen, dass ihm diese Entscheidung aufgedrängt wurde, dürfte unmöglich sein.:-nix

Der Praktikant
03.09.2008, 22:37
Ist halt bißchen kraß, daß das Ungeborene dabei auch verstorben ist.

Ich frag mich nur, was in folgendem Fall gewesen wär.

Die Schwangere lehnt die Bluttransfusion ab (mündig, religiöse Gründe, wie im o.g. Fall), der mutmaßliche Kindsvater jedoch möchte, daß eine Transfusion durchgeführt wird, um das Ungeborene zu retten, da klar ist, daß die Schwangere ohne die Transfusion mit dem Ungeborenen versterben wird.

Was mach ich dann da als Arzt? Gruselige Vorstellung.

milz
04.09.2008, 00:09
Das mit der Schwangerschaft macht die Sache sicher noch etwas heikler. Ich würde auf jeden Fall einen Richter anrufen und mich rückversichern.

profitexter
04.09.2008, 11:20
(Beitrag gelöscht von Profitexter)

---

danke,

ich möchte mit diesem Milieu nicht in Verbindung gebracht werden können

---

milz
04.09.2008, 14:04
... ich zitiere:

---

" Deutsches StGB § 216: Tötung auf Verlangen

(1) Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(2) Der Versuch ist strafbar. "

---

Somit trifft dieser Artikel den Tatbestand m.E. deutlich besser als "fahrlässige Tötung". Das "ausdrückliche ernstliche Verlangen des Getöteten" ist da die Patientenverfügung. Und das "Bestimmen zur Tötung" ist die Unterlassung der lebensrettenden Bluttransfusion.

Das heisst: WER SICH AN SO EIN VERLANGEN HÄLT, MACHT SICH M.E. STRAFBAR. (eben der Tötung auf Verlangen)

... shall we tell the President?

Achim H. Pollert,

Journalist, Ghostwriter und Fachautor

Das ist Quatsch. Jeder medizinische Eingriff ist erstmal eine Körperverletzung, die vom Patienten legitimiert werden muss. Wer nicht will, der kann nicht gezwungen werden, außer er ist nicht zurechnungsfähig.

Evil
04.09.2008, 15:36
... ich zitiere:

---

" Deutsches StGB § 216: Tötung auf Verlangen

(1) Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(2) Der Versuch ist strafbar. "

---

Somit trifft dieser Artikel den Tatbestand m.E. deutlich besser als "fahrlässige Tötung". Das "ausdrückliche ernstliche Verlangen des Getöteten" ist da die Patientenverfügung. Und das "Bestimmen zur Tötung" ist die Unterlassung der lebensrettenden Bluttransfusion.

Das heisst: WER SICH AN SO EIN VERLANGEN HÄLT, MACHT SICH M.E. STRAFBAR. (eben der Tötung auf Verlangen)

... shall we tell the President?

Achim H. Pollert,

Journalist, Ghostwriter und Fachautor
Das ist nicht zutreffend. Tötung auf Verlangen ist eine aktive Maßnahme und juristisch nicht gleichzusetzen mit unterlassener Hilfeleistung.
Abgesehen davon wird juristisch das Recht zur Selbstbestimmung bei Zurechnungsfähigkeit höher gewertet. Andernfalls müßten wir jeden Alkoholiker zwangseinweisen und jeden Raucher zur Karenz zwingen.

Insofern bezweifle ich, daß die Staatsanwaltschaft Anklage erheben wird. Inwieweit zivilrechtlich entschieden wird, ist eine andere Frage.

anba
04.09.2008, 16:26
Das ist nicht zutreffend. Tötung auf Verlangen ist eine aktive Maßnahme und juristisch nicht gleichzusetzen mit unterlassener Hilfeleistung.
Ich schätze mal,dass das der Herr Profitexter, Journalist, Ghostwriter und Fachautor auch weiß ;-)

Evil
04.09.2008, 16:32
Dann hat er sich aber sehr mißverständlich ausgedrückt. ;-)

Außerdem hatte die junge Frau ja gar nicht den Wunsch zu sterben, insofern paßt das hier überhaupt nicht, was immer der Herr Profilneurotiker sagt.

Feuerblick
04.09.2008, 16:47
Hihi, das bedeutet also, dass ich jeden Patienten zu seinem Glück (also einer OP, einer Transfusion, einer sonstwie gearteten Therapie) zwingen muss, weil seine Meinung nicht zählt, er potentiell durch eine Therapieablehnung an Leib und Leben gefährdet wäre und somit ich als Arzt mit mehr als einem Fuß im Gefängnis stehe, wenn ich die Entscheidung meines Patienten akzeptiere. Spannende Theorie. Ich glaub, ich kündige mal ;-)

Lava
04.09.2008, 16:51
Hihi, das bedeutet also, dass ich jeden Patienten zu seinem Glück (also einer OP, einer Transfusion, einer sonstwie gearteten Therapie) zwingen muss, weil seine Meinung nicht zählt, er potentiell durch eine Therapieablehnung an Leib und Leben gefährdet wäre und somit ich als Arzt mit mehr als einem Fuß im Gefängnis stehe, wenn ich die Entscheidung meines Patienten akzeptiere. Spannende Theorie. Ich glaub, ich kündige mal ;-)


Als Schamanin musst du das nicht. Hab grad gelesen, dass Erkrankungen des Auges in den letzten 3 Jahren nur für 3 Todesfälle deutschlandweit verantwortlich waren :-D

Muriel
04.09.2008, 17:04
Ui, was hatten denn diese Patienten, Lava?