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Pünktchen
18.10.2002, 22:23
Hallo ihr Lieben :-)

ich hab da mal ne kleine Frage:
Kleines Fallbeispiel: ältere dame so um die 70 Jahre...hat nen Diabetes Mellitus II, der jahrelang mit oralen Antidiabetika behandelt wurde. Patientin wird eingeliefert mit nem Blutzucker von über 300 mg/dl, der wurde nach einen Sturz in ihrer Wohnung durch den Hausarzt festgestellt. Der Hausarzt weist die Patientin sofort ins Krankenhaus ein. Dort wird sie auf Insulin eingestellt, nur durch Spritzen 38-10-24, der BZ bleibt aber bei 11-20 mmol/l.
Etwa eine Woche dann leichte Besserung sinkt unter 10 mmol/l. :-notify

Nun mein Verständnissproblem:
Wie kommt es das der BZ nicht durch Insulin beeinflussbar ist oder so scheint?
Wie ist wäre mit nem Insulinperfusor?

Ich hab leider null ahnung über Therapieschemata.

Vielleicht hat ja jemand ne Idee...

Pünktchen :-)

June
18.10.2002, 22:36
Hmm... beim DM Typ2 hast du ja nicht gerade zu wenig Insulin (eher sogar viel, wenn ich mich recht erinnere), du hast nur eine stark verminderte Reaktion der Zellen auf das Insulin. Eine Insulin-Toleranz, sozusagen. Ich denke, so kann man sich begreiflich machen, warum der Blutzucker bei deiner Patientin nicht so reagiert, wie es der eines DM Typ1 Patienten tun würde.
Die June :-music

Froschkönig
18.10.2002, 22:45
Da hat die June nicht unrecht.
DM Typ II resultiert zunächst aus einer herabgesetzten Rezeptorreaktion, da das Pankreas solange insulin ausschüttet, bis der Blutzucker richtig ist, resultiert daraus sekundär eine "erschlaffung" der Inselzellen. Daher gibbet ja zur Medikamentösen Therapie heute sogenannte Insulinsentisizer (Glitazone), auch wenn sie keiner einsetzen will.

Pünktchen
18.10.2002, 22:54
oh mann da stand ich aber auf dem schlauch...alles klar :-)

Warum therapiert man denn dann mit Insulin?

Froschkönig
18.10.2002, 23:13
Das Grundsätzlich Problem ist, daß man der Rezeptor-Downlregulation entgegenwirken muß. Diese erwähnten Sentisizer sind noch sehr neu und kaum jemand hat erfahrungen damit, abgesehn davon sind sie schweineteuer...
Traurig in diesem zusammenhang ist, daß man die Lebenserwartung trotz allem heute nicht groß steigern kann, das belegen zumindest sämtliche Studien...es geht dabei immer nur um Lebensqualität

June
18.10.2002, 23:17
Original geschrieben von Froschkönig
Daher gibbet ja zur Medikamentösen Therapie heute sogenannte Insulinsentisizer (Glitazone), auch wenn sie keiner einsetzen will.
Was wohl auch besser so ist... Unerwünschte, aber regelmäßig eintretende Wirkungen sind Erhöhung des Gesamtcholesterins, LDL/HDL-Verhältnisses und des Körpergewichts um ca 6% pro Jahr. Auf die Dauer also fragwürdig, ob sich der gewünschte Effekt nicht ins Gegenteil dreht.
Nicht so seltene NW sind Kardiotoxizität, Herzinsuffizienz und teilweise letales Leberversagen.
Das Zeug wirkt außerdem in Studien schlechter als beispielsweise Glibenclamid und ist natürlich über den Daumen gepeilt 20 mal so teuer...
Nicht wundern, bin mal im Rahmen der Dr.Arbeitssuche drüber gestolpert...
Die June :-music

hobbes
19.10.2002, 01:21
Ich habe schon mehrfach von der neuartigen Inselzellverpflanzug gelesen und gehört (ist noch in der Forschung, ich weiss).
Gehe ich richtig in der Annahme, es gebe Diabeter, bei welchen durch Insulin wegen langandauerndem Dm2 mit hoher Insulinresistenz keine gute Wirkung mehr zu erzielen ist und deren letzte Lösung diese Inselzelltransplantation ist?

Rico
19.10.2002, 02:12
Inselzelltransplantation ist soweit ich weiß noch ziemlich in den Kinderschuhen. Irgendwie gibt es da Probleme bei der Abstoßung: Paradoxerweise toleriert der Empfänger-Körper große Organmassen (Leber, Niere, Herz...) viel besser als kleine, weswegen eine solitäre Inselzell- oder Pankreastransplantation sehr schwierig ist und wenig Langzeiterfolge mit sich bringt.
Deswegen klappt das bloß einigermaßen, im Rahmen einer Nierentransplantation, da gibt man Diabetikern das Pankreas en bloc noch dazu, dann ist mit der Nephropathie auch gleich der Diabetes mitbehandelt - und das hält dann auch durchschnittlich 5-10 Jahre.

Allerdings weiß ich nicht, wieweit eine Wiederherstellung der Inselzellen (wie auch immer) helfen könnte eine Insulinresitenz zu durchbrechen. Schließlich kann/muß man mit dem Insulinperfusor als Mittel der Wahl zur Durchbrechung der Resistenz Mengen infundieren, da würden sich die Inselzellen schon flach hinlegen und nach Luft japsen, wenn sie das produzieren müßten (deshalb hat der ja auch den Typ 2 DM, weil seine eigenen Inselzellen nicht mehr genug Insulin herbringen, um die insensitiven Zellen zur Glucoseaufnahme zu bewegen).

Froschkönig
19.10.2002, 10:00
@June :
Ja, das mit den Sensitizern ist nicht so das gelbe vom EI...
abgesehen von den von Dir aufgeführten Nebenwirkungen tritt es auch in unsdchöne Wechselwirkungen mit ACE-Hemmern und vielen anderen gängigen Mitteln, die der Typische DM2 (Adipös, Hypertoniker) Patient nimmt.

airmaria
19.10.2002, 12:15
Hat hier mal irgendeiner Lust, das der alten Mary mal genau zu erklären?

Typ I ist doch so eine Art autoimmunologische Erkrankung gegen die Beta-Zellen: nix mehr Insulin...

Typ II entsteht durch langjährige Überstimulation (und anderen Faktoren wie familiärer Disposition...) und führt zur Downregulation der Insulinrezeptoren...

Wieso würde eine Insellzelltransplantation bei Typ II Sinn machen?
Und wieso wirken bei Typ II eigentlich die Sulfonylharnstoffe (Glibenclamid...)?

Oder muß ich da zwischen Beginn der Erkrankung mit Hyperinsulinämie sowie peripherer Rezeptorresistenz und nachfolgender Schädigung bzw. Sekretionsstörung der Inselzellen unterscheiden?

Warum wird dann der Typ II aber nicht in diese Phasen unterteilt, wo wir doch sonst alles in irgendwelche Stadien pressen?

... oder hab ich da jetzt total den Haken irgendwo drin?

"Mary" airmaria

Pünktchen
19.10.2002, 12:46
Sorry...ich hab gestern abend im thread vergessen zu schreiben, daß die alte Dame eine Pankreasinsuffizienz hat, der Pankreas produzierte angeblich kein Insulin mehr :-(

Deswegen ist mit Insulin therapiert worden und daher habe ich mir die frage gestellt, wenn der BZ durch Nichtproduktion von Insulin letztendlich zu stande kam, warum ging der BZ nicht wieder runter.

Es war wohl gestern etwas spät für diesen thread...

@airmaria

Wieso würde eine Insellzelltransplantation bei Typ II Sinn machen?
Die würde meiner Ansicht nach nur Sinn machen, wenn die Inselzllen durch orale Antidiabetika völlig entleert sind. Also nix mehr produzieren... Doch steht man, wie man sieht wieder vor dem Problem, das die Rezeptoren nicht mehr auf Insulin reagieren. Oder werden die plötzlich wieder sensibilisiert?


Und wieso wirken bei Typ II eigentlich die Sulfonylharnstoffe (Glibenclamid...)?
Also Sulfonylharnstoffe wirken nur wenn das Pankreas nicht Insulin produzieren kann. Das ist ja beim DMII ja am Anfang noch der Fall.
Sulfonylharnstoffe bewirken im übrigen nicht nur eine Freisetzung von Insulin aus den Granula der Inselzellen, sondern angeblich hemmen sie auch die Downregulation der Insulinrezeptoren und erhöhen die Sensibilität der Rezeptoren.

Sulfonylharnstoffe bewirken aber im Grunde eine Erschöpfung der Insulinproduktion. Dann wird ein insulinpflichtiger Diabetes draus.

Rico
19.10.2002, 14:40
Ein pankreopriver DM (ist funktionell dem Typ 1 verwandt, weil keine Inselzellen mehr da sind, nur sind die nicht autoimmun, sondern anderweitig (chron. Pankreatitis, C2-Abusus, Pankeasentfernung bei Ca...) zerstört worden) kann nicht hopp-zack wieder eingerenkt werden, wenn er über längere Zeit entgleist war - der Körper paßt sich ja mit seinem Metabolismus an, da kann das schon ein bisserl gehen.
Vor allem ist halt gefährlich, wenn einer mit nem BZ von 400 kommt und Du büglest ihn mit Insulin von jetzt auf gleich auf 100 runter, dann hat er in der Folgezeit ein extrem erhöhtes Risiko für ne Hypoglykämie, deshalb eher langsam, denn was Folgeschäden (insbesondere Retinopathie) angeht ist eine Hypo viel viel schlimmer als noch ein paar Tage länger ein BZ von 300.
(Bei der Hypo wird die ohnehin schlecht versorgte Retina noch schlechter versorgt (logisch, keine Zucker im Blut, also gehen die Zellen leer aus), die Zellen da denken, es liegt an einer mangelhaften Gefäßversorgung und bilden Wachstumsfaktoren, die zur Einsprossung von diesen minderwertigen Gefäßen führen und die proliferative Retinopathie schreitet fort).

Daß der Zucker von der guten Frau nicht gleich runterging mag an den Einheiten gelegen haben, die waren ja jetzt nicht so hoch.
Was hat sie denn gekriegt? Vermutlich ein Mischinsulin, oder? 70/30 oder 50/50? Je nachdem is nämlich der Bolus zu den eigentlichen Mahlzeiten gar nicht so groß, daß der viel reissen könnte, vielmehr macht das Basalinsulin (aka Verzögerungsinsulin) die langsame Absenkung des Zuckers über mehrere Tage.

airmaria
19.10.2002, 15:05
Hallo Pünktchen!
Nun gut, daß die Sulfonylharnstoffe der Downregulation entgegenwirken ist ein Aspekt, der mir so nicht bekannt war... das würde dieses Medikament ja eigentlich zur ersten Wahl befähigen (im Anfangssatdium).

Worauf ich ursprünglich hinauswollte ist aber die derzeit in der Literatur zu findende Einteilung in Typ I und II.

Denn wenn ich den Typ II nur allgemein als periphere Rezeptoresistenz betrachte, funktionieren unsere Erklärungsmodelle doch gar nicht!

Ich muß beim Typ zwei nämlich weiter differenzieren... und was mich wundert ist, daß es das derzeit nicht gibt...

Grübel... vielleicht sollte ich mal eine "Mary-Klassifikation" einführen... dann werd ich noch berühmt :-)) :-)) :-))


Liebe Grüße, "Mary" airmaria

Pünktchen
19.10.2002, 15:49
@airmaria
Ja, dann mach doch mal eine (Mary) Einteilung, das hilft bestimmt. :-)
Wie du siehst bin ich auch durcheinander gekommen :-blush

Das mit der Rezeptordownregulationshemmung durch Sulfonylharnstoffe hab ich auch so nicht gewusst, hatte es durch Zufall entdeckt. Leider auch nur in einem Buch...wenn jemand meint das wäre falsch, wäre ich für einen hinweis dankbar.

hobbes
20.10.2002, 00:44
yep Inselzelltransplantation ist ein Thema für Dm 1. War hier auf dem falschen Dampfer.

Das mit den Sulfonylharnstoffen und Downregulation ist mir auch so bekannt. Jawohl, das ist kein Gerücht.

Airmaria hat schon recht. Der Diabetes II entstehend aus Insulinresistenz ist anschliessend eine Krankheit welche durch hohen Blutzucker gemäss Glucose- und Lipidtoxizität auf die Inselzellen fortschreiten. Sozusagen ein Circulus vitiosus. Doch weiss man was wirklich zuerst war: der Untergang von Inselzellen oder die Insulinresistenz? Eine Überforderung des Pankreas oder eine Überforderung der Rezeptoren durch Insulin?

Dm 2 tritt vornehmlich bei Fettleibigen auf: die Lipidtoxizität zerstört die Inselzellen, es kommt zu einer relativen Insuffizienz des Pankreas. Woher kommt nun die Insulinresistenz?

June
20.10.2002, 09:52
Original geschrieben von hobbes
Woher kommt nun die Insulinresistenz?
Hatte mir das bislang immer so erklärt, wie es auch am Herzen mit den Beta-Rezeptoren oder im Nucleus accumbens mit den Dopaminrezeptoren abläuft: Eine ständig erhöhte Konzentration an Insulin (bzw Noradrenalin; Dopamin) - ausgelöst durch dauerhafte hohe Blutzuckerspiegel, die ins Lot gebracht werden müssen - überfordert die Zellen, die dann reagieren, indem sie die Rezeptordichte herunterregeln. So hat dann das Insulin keinen Angriffspunkt mehr und kann demnach seine Wirkung nicht mehr entfalten.
Zu dieser Erklärung würde auch passen, daß ein DM Typ II im Anfangsstadium oft durch Diät wieder umkehrbar ist (bzw sein könnte) - keine ständigen erhöhten Blutzuckerspiegel, daurch weniger Insulin nötig, die Zellen können sich "erholen" und brauchen die Downregulation der Insulinrezeptoren nicht mehr.
Oder habe ich da verschiedene Sachen durcheinandergeworfen?
Die June :-music

airmaria
20.10.2002, 12:55
Wie kann das eigentlich sein, daß wir bei einer der Volkskrankheiten schlechthin, sowenig Ahnung davon haben???

Was lernen wir überhaupt an der Uni?

Wo sind die Leute, die in die Vorlesungen gehen?
... ach ne, die haben ja bestimmt gar keine Zeit im Forum rumzuturnen :-))

"Mary" airmaria

Froschkönig
20.10.2002, 15:40
Ich war letzten März mal auf einem "innere" Symposion...unter anderem gab´s da auch eine Pro/Contra Podiumsdiskussion zum Thema neue orale antidiabetika (Glinide, Glitazone).
Im Rahmen dieser Diskussion haben die uns mal wieder mit statistiken und Studien gesteinigt, aber über die wirkliche Ursache wußte keiner so recht bescheid...der Pathomechanismus mit Rezeptorresistenz bzw. -downregulation ist ja schön und gut, aber WIESO es DAZU kommt, wußten die schlaun köpfe jetzt auch nicht so genau...da wurde dann mal wieder was von "hmmm..glglg...genetik...slkjf" gemurmelt, aber ich bitte euch, die genetik muß doch immer herhalten, wenn einer nicht mehr weiter weiß...

hobbes
23.10.2002, 22:36
Wobei mir gerade die Genetik als eine schlechte Hypothese erscheint. Dm II ist eine typische Zivilisationskrankheit. Und Immigranten aus der sog. 3. Welt (Inder..) welche dort keine Dm II kennen, erkranken häufiger als Mitteleuropäer an Dm II, wenn sie bei uns leben. Ergo ist der Zusammenhang mit unserer Ernährungs- (?), Bewegungs- (?) weise naheliegend. Aber wie das zusammenpasst - ich glaube so ganz genau weiss man das nicht.
Ich habe mich schon gefragt ob die andauernde Aktivierung von GLUT-4 Rezeptoren durch Insulin zu deren Erschöpfung führt (wie offenbar auch June kombiniert hat). Die ständige Insulin-Ausschüttung muss dann aus einer Ernährungsgewohnheit resultieren mit viel Kohlenhydraten, auch viel rasch verfügbare und v.a. der häufige Konsum (d.h. immer ein Schluck Softdrink auf dem Tisch, immer wieder ein Brötchen kauen, keine grossen nicht-Essensphasen, Fastfood, keine geregelten Mahlzeiten-zeiten (blödes Wort)). Zweitens ist ja bekannt dass GLUT-4 durch Bewegung erhöht wird, ergo umgekehrt durch Bewegungsmangel vermindert.

airmaria
23.10.2002, 22:43
Äh hobbes: wieso willst Du die genetik ausschließen?
Was spricht gegen eine genetische Disposition, die unter Auswirkung von Cofaktoren zum Tragen kommt?

So führt sich der genetisch disponierte aus der dritten Welt in seinem Heimatland eben nur nicht genügend dieser Faktoren zu, daß es zum Krankheitsausbruch kommt.
Imigriert aber nun ein Teil der Bevölkerung, ist logischerweise dann auch bei dieser Gruppe die Inzidenz höher!

"Mary" airmaria