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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Therapie der anaphylaktischen Reaktion - Praxiserfahrungen



Antracis
26.11.2008, 17:32
Hi zusammen,

Suchfunktion hat nix ergeben, falls es den Thread schon gab, bitte verschieben.
Also, ich war bisher noch nie mit so etwas konfrontiert, halte das aber doch für eine der Situation, die einen in jeder Fachrichtung erwischen kann und die man dann adäquat behandeln können sollte.

Erstmal die Frage, ob generell noch aktuell ist, was ich so aus dem Notfallkurs zum anaphylaktischen Schock behalten habe.

Also Mittel der ersten Wahl Adrenalin, weil es neben der Kreislaufwirkung auch weitere Freisetzung von Mediatoren aus Mastzelle und Co verhindert. Und zwar die 1ml = 1mg mit 9ml NaCl verdünnen und ml-weise titrieren. (Oder erstmal weniger ?) Dann H1- und H2-Blocker und 500-1000mg Kortikoide, Sauerstoff und Volumen.

Dazu jetzt Praxisfragen: Sagen wir, der Pat. hängt wirklich schwer in den Seilen. Also z.B. gerade die Penicillin-Infusion abgedreht, weil neben RR-Abfall und Tachykardie auch heftigen RR-Abfall, Exanthem und Bronchospasmus. Da gebe ich vermutlich wirklich die ganze Palette. Aber wonach titriere ich das Adrenalin ?
Also sprich, wie lange (Minuten...) warte ich auf Besserung und wann ungefähr weiß ich, lieber noch was nachschieben ? Nach Blutdruckanstieg vor allem bzw. allgemeiner Stabilisierung ? Ich meine klar , irgendwann sollte jemand eintreffen, der beispielsweise nicht Psychiater ist und sich damit besser auskennt, aber wir wissen ja, wie das Leben manchmal spielt... :-nix

Weitere wichtige Frage: Was mache ich bei milderer Symptomatik, also noch deutlich vor dem Schock. Z.B. starke Hautreaktion und milde Allgemeinsymptome, also beispielsweise Schwindel, Übelkeit, aber RR ist noch ganz O.K ? Dann nur H1- und H2 Block bzw. auch schon Kortikoide sicherheitshalber weniger dosiert ?

Zwischending wäre: RR-Abfall und Tachykardie, leichte Dyspnoe aber noch nicht wirklich extrem dramatisch ? Dann alles, außer Adrenalin ?
Wie gesagt, so in etwa lese ichs aus der Theorie.

Wie schaut die Praxis aus... :-nix
Vor allem würd mich die genaue Adrenalinverdünnung interessieren...

Gruß und Dank vorab
Anti

LieberInvasiv
26.11.2008, 18:48
Also:
Beim Anaphylaktischen-Schock ist wie Du schon gesagt hast Adrenalin 10:10 das Mittel der Wahl. ml-weise geben (also 0,1mg/ml). Und zwar nach Wirkung.
Man kann natürlich je nach Erfahrung/Zustand des Pat. auch mit 2-3ml Anfangen, aber als Leitsatz habe ich 0,1mg nach Wirkung/Kreislaufzeit gelernt (hat bis jetzt auch ganz gut funktioniert)
Parallel sollte die umgehende Volumentherapie angestrebt werde (keine kolloidale Lösungen!!!), denn natürlich ist die Anaphylaxie das ursächliche Problem, aber der Schock ist das momentan Lebensbedrohliche.
Dann H1- (und wenn vorhanden H2) Anhtihistaminikum (z.B. H1: Fenestil 0,1mg/kgKG und H2:Tagamet 5mg/kgKG) und Cortison i.v. (z.B. Solu-Decortin 1mg/kgKG)

Zusätzlich kann die Bronchialerweiterung mit Bronchiospasmin 0,09-0,18mg, Euphyllin 200mg initial, die Intubation und auch der Katecholaminperfusor (z.B. Dopamin) erwogen werden.

Das ist das was mir gereade dazu einfällt :)
Hab ich was vergessen?

Edit:
Die Praxiserfahrung

Ich kann (natürlich) keine jahrelange Praxiserfahrung bieten und auch (schwere) anaphylaktische Reaktionen sind nicht besonders Häufig, aber das was ich erlebt habe ist sehr unterschiedlich gewesen.
Da gab es den Pat. der bei Eintreffen RD noch ansprechbar war und lediglich leichte Atmenbeschwerden angab und einen Flush des Oberkörpers/Hals aufwies udn der dann später reanimationspflichtig wurde (trotz H1 und Cortison sofort) und intubiert auf Intensiv landete.
Gab aber auch initial gefährlich aussehende Fälle die nach Standartmedikation (+Adrenalin-Vernebler) respiratorisch und kreislaufstabil gehend in der Ambulanz gelandet sind.
Gerade die Unterschiedliche Reakltion der Pat. auf die versch. Mediatoren und der schlecht einschätzbare Verlauf der anaphylaktischen Reaktion machen es schwer das ganze im Vorfeld zu prognostizieren...
(vor allem wenn einem das so selten unter kommt)
Denke aber das man sich eine kleine Hilfestellungg an den Faktoren:
- Wie viel Substanz?
- Wie lange der Substanz ausgesetzt?
- Wie wurde der Pat. mit der Substanz in Kontakt gebracht?
nehmen kann...
denn um so mehr, um so länger, um so invasiver um so schlimmer....
:-meinung

netfinder
27.11.2008, 09:59
Ich hatte bisher selber 2 oder 3 anaphylaktische schockzustaende und jede Menge anaphylaktoide Reaktionen. Dazu wäre zu sagen, dass die anaphylkaktioden Reaktionen immer anders aussahen, jedoch 2 mal zum Endzustand (massivste Atembeschwerden, Asthmaanfall, Bewusstseinverlust) führten.
Ganz klar war aber jedesmal die unterschiedlich starke Reaktion auf unterschiedlich starke Kontaktzeit,- menge und -art zurueckführbar.

Was die therapie betrifft, denke ich, dass sich das immer noch auf dem aktuellen Stand befindet. Ich persönlich therapiere mich beim ersten Auftretn von Beschwerden noch zusaetzlich mit bronchodilatatorisch wirksamen inhalativen Epinephrin.

@ antracis: keine Ahnung was man bei milderer Symptomatik praeventiv geben wuerde, aber ich persoenlich wuerde nicht zoegern, mir oder anderen praeventiv geringere dosen Cortisol zu geben, da man auf den etwaig folgenden Zustand gerne verzichten kann...

LieberInvasiv
27.11.2008, 14:26
Also Präventiv wirken Cortison (Membranstabilisierung) und H1-Antihistaminika (Rezeptorblokade)....
und natürlich nicht die Isolierung vom Allergen vergessen :)

Antracis
27.11.2008, 15:11
Danke für die Rückmeldungen. Nochmal 2-3 praktische Fragen: Wenn der jetzt gerade frisch von einer Biene gestochene Patient vor mir sitzt und langsam immer schlechter bezüglich Bronchospasmus wird:

1.) Wenn ich dem nun 2 Ampullen Fenestil reindrücke, schläft der mir dann ein ? Über H1.-Rezeptoren müßte da doch eine massive Sedierung stattfinden, oder ?

2.) Wenn ich jetzt im schweren Schock Adrenalin gebe in 0,1mg-Schritten, sagen wir mal, jetzt sind insgesamt 0,3mg drin, steht man dann eigentlich real vor dem Problem, das dann eine massive Tachykardie auftritt und muß da wieder gegensteuern ? Da werd ich mich sicher nicht mit rumschlagen müssen, aber interessant wärs, zu wissen.

3.) Wenn ein Patient jetzt im Rahmen eines anaphylaktischen Geschehens 1000mg Methlyprednisolon bekommen hat, muss so ein Kortisonstoß eigentlich nachbehandelt werden bzw. bekommen die dann auf Station noch weiter Kortikoide, die dann langsam ausgeschlichen werden ? Eigentlich sollte das allergische Geschehen dann ja erstmal zum Stillstand gekommen sein.

Gruß
Anti

vlsime
27.11.2008, 15:19
Hallo!


Zusätzlich kann die Bronchialerweiterung mit Bronchiospasmin 0,09-0,18mg, Euphyllin 200mg initial, die Intubation und auch der Katecholaminperfusor (z.B. Dopamin) erwogen werden.

1. Wenn man schon Adrenalin i.v. gegeben hat, benötigt man selten noch zusätzlich ein beta-2-Mimetikum dazu; Adrenalin hat auch eine sehr potente beta-Wirkung, die man sich z.B. beim Vernebeln zu Nutze machen kann.

2. Das Katecholamin der Wahl beim anaphylaktischen Schock ist wohl eher Noradrenalin (oder evtl. auch Adrenalin), aber nicht Dopamin. Für Dopamin gibt es ja eigentlich gar keine richtige Indikation mehr... :-)

Grüße!

Antracis
27.11.2008, 15:39
2. Das Katecholamin der Wahl beim anaphylaktischen Schock ist wohl eher Noradrenalin (oder evtl. auch Adrenalin), aber nicht Dopamin. Für Dopamin gibt es ja eigentlich gar keine richtige Indikation mehr... :-)

Grüße!

Zumindest laut meinem grad aus dem Internet gezogenen aktuellen Uni-Notfallskript ist Adrenalin in der Erstversorgung erste Wahl, weil es über eine Steigerung der Synthese von zyklischem 3,5-AMP die Mediatorfreisetzung aus Basophilen und Mastzellen blockiert und damit weitere Histaminfreisetzung verhindert. Die genaue Quelle hab ich aber leider nicht.

Gruß
Anti

THawk
27.11.2008, 16:55
Ja, Adrenalin ist definitiv das Katecholamin der Wahl bei der Anaphylaxie. Herleitung s.Antracis.

Tachykard kann der Patient auch aufgrund des Schockgeschehens werden (Hypotonie, gepaart mit Tachykardie), das sollte man nicht direkt rein auf das Adrenalin schieben.

Und eine solche Cortison-Stoßtherapie muss meines Wissens nach nicht ausgeschlichen werden. Das langsame Ausschleichen ist nur bei längerdauernder Glukokortikoid-Therapie nötig.

Evil
27.11.2008, 18:13
Danke für die Rückmeldungen. Nochmal 2-3 praktische Fragen: Wenn der jetzt gerade frisch von einer Biene gestochene Patient vor mir sitzt und langsam immer schlechter bezüglich Bronchospasmus wird:

1.) Wenn ich dem nun 2 Ampullen Fenestil reindrücke, schläft der mir dann ein ? Über H1.-Rezeptoren müßte da doch eine massive Sedierung stattfinden, oder ?

2.) Wenn ich jetzt im schweren Schock Adrenalin gebe in 0,1mg-Schritten, sagen wir mal, jetzt sind insgesamt 0,3mg drin, steht man dann eigentlich real vor dem Problem, das dann eine massive Tachykardie auftritt und muß da wieder gegensteuern ? Da werd ich mich sicher nicht mit rumschlagen müssen, aber interessant wärs, zu wissen.

3.) Wenn ein Patient jetzt im Rahmen eines anaphylaktischen Geschehens 1000mg Methlyprednisolon bekommen hat, muss so ein Kortisonstoß eigentlich nachbehandelt werden bzw. bekommen die dann auf Station noch weiter Kortikoide, die dann langsam ausgeschlichen werden ? Eigentlich sollte das allergische Geschehen dann ja erstmal zum Stillstand gekommen sein.

Gruß
Anti
zu 1: schläfrig wird der Patient zwar, aber eine Narkose bekommst Du mit Fenistil nicht hin, keine Sorge. Es sei denn, Du hast noch Opiate, Antipsychotika und Benzos mit dabei.
zu 2: das Schlimmste, was Dir bei Adrenalin-Überdosierung passieren kann, ist Kammerflimmern. Halt eben einfach den Defi bereit :-))
zu 3: eine Kortikoidgabe kann bis zu 3 Tage durchgeführt werden, ohne daß man dann ausschleichen muß; single-shot ist da kein Problem

netfinder
27.11.2008, 18:36
Das mit den 3 Tagen wusst ich noch ned,danke.

FirebirdUSA
07.12.2008, 18:29
Also, mir hat vor einem Jahr Anästhesist/Notarzt erzählt, dass H1/H2- Blocker laut Leitlinien nicht mehr gegeben werden müssen, da sie nur präventiv wirken und wenn der Pat. schon eine anaphylaktische Reaktion hat nicht mehr richtig wirken. Er gibt es trotzdem und ich würde es auch tun...

Ich würde aber grundsätzlich Solu-Decortin so früh wie möglich geben, da die Wirkung erst nach 30-40min einsetzt, Adrenalin wirkt sofort und ist deswegen natürlich Mittel der Wahl bei stärkerer Reaktion...

Zu Cortison: In der Neurologie wird bei MS Schub gerne mal eine über 3 Tage 1000mg Urbason/Tag gegeben... die Patienten entgleisen mit dem BZ, können nicht richtig schlafen, aber wegen ausschleichen musst man sich keine Sorge machen. Die NNR ist nach 3 Tagen noch fähig Cortikoide selbst zu produzieren.

netfinder
07.12.2008, 18:46
ich find den Heißhunger, den ich dann hab, immer recht heftig...