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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Welche Rolle spielt die Psyche bei Erkrankungen und deren Behandlung?



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Mario0815
09.12.2008, 23:56
Hi...

... bevor jemand fragt, ich hab noch nicht mal mit dem Medizinstudium angefangen, beschäftige mich aber schon seit Jahren mit Themen wie psychischen Erkrankungen und hab mir dazu auch so meine Meinungen gebildet und ich würd gern mal wissen, wie andere, vor allem medizinisch viel erfahrenere das so sehen in Bezug auf iatrogene Effekte, Compliance, Placebos, Hypochondrie, Homöopathie usw.

Besonders die Wirkung von Antidepressiva ist nach wie vor sehr umstritten:

http://www.bptk.de/show/961980.html (nur mal so als Beispiel)

und ich frag mich immer, wie auch andere psychische Effekte z.B. auf Symptome wie Schmerzen, Unwohlsein, Diarrhoe, Obstipation, Hypertonie usw. Einfluss nehmen können und stell auch mal die Frage auf, inwieweit die Psyche Einfluss auf Heilungsaussichten nimmt. Warum z.B. haben HP Erfolg bei scheinbar hoffnungslosen, von der Schulmedizin aufgegeben Fällen mit Therapien, die aus schulmedizinischer Sicht womöglich als zweifelhaft anzusehen sind? Ein Freund von mir beispielsweise hatte mal nen bösen Ausschlag und alle möglichen Therapien der (Haut-)Ärzte haben nichts gebracht. Eine Eigenurinbehandlung durch einen HP hats dann geschafft. Tatsächliche Wirkung? Oder nur der Effekt, weil sich der HP viel mehr Zeit für die Behandlung genommen hat? Womöglich, weil der Freund die Behandlung selbst bezahlt hat, statt nur ne Karte hinzulegen und sich deswegen psychisch selbst geheilt hat? Es ist ja durchaus nachgewiesen, dass ein Wein, der als teuer gilt, subjektiv besser schmeckt, als der gleiche, der als billig eingestuft wird.

Wie groß seht ihr die Selbstheilungsfähigkeit des Menschen, ausgelöst durch die Psyche? Klar spielen Punkte wie genetische Veranlagung auch immer mit ein und die Wirkung von manchen Pharmazeutika ist sicher auch unbestritten, aber wie sieht es mit synergetischen Effekten, ausgelöst durch die Psyche aus?

Was sind so eure Meinungen, Erfahrungen und Ansichten dazu?

Keenacat
10.12.2008, 00:26
Besonders die Wirkung von Antidepressiva ist nach wie vor sehr umstritten:

http://www.bptk.de/show/961980.html (nur mal so als Beispiel)

das ist zuallererst mal ne unhaltbare behauptung. tatsächlich ist die klinisch signifikante wirkung von ssri umstritten. dass sie statistisch signifikant wirken, ist nicht der streitpunkt. das ist gut belegt. man streitet vielmehr um die frage, ob sie wirksam genug sind, um einen ausreichenden benefit für den patienten zu bringen.
ssri sind eine klasse von antidepressiva, die relativ neu ist. die "alten", zb. die trizyklischen antidepressiva zweifelt in der wirksamkeit soweit ich weiß niemand ernstzunehmend an (es sei denn, in letzter zeit hat sich da ein riesenumsturz ergeben).
wenn du dich schon so lange damit beschäftigst, hätte ich an der stelle doch zumindest mal etwas fundamentalere kenntnisse zu antidepressiva erwartet.

Mario0815
10.12.2008, 01:08
Ich wollte eigentlich keine Diskussion über die Wirksamkeit von Antidepressiva führen, von daher war die Sache mit dem Link etwas misslungen. Ich wollte auch niemand provieren. Mir gehts mehr ums Grundsätzliche. Ich bin wie gesagt eher interessierter Laie, mit einem gewissen Grundverständnis.

Deswegen starte ich noch mal neu...

Ich würd gern mal wissen, wie andere das so sehen in Bezug auf iatrogene Effekte, Compliance, Placebos, Hypochondrie, Homöopathie usw. und ich frag mich immer, wie auch andere psychische Effekte auf Symptome Einfluss nehmen können und stell auch mal die Frage auf, inwieweit die Psyche Einfluss auf Heilungsaussichten nimmt.

Wie groß seht ihr die Selbstheilungsfähigkeit des Menschen, ausgelöst durch die Psyche? Klar spielen Punkte wie genetische Veranlagung auch immer mit ein und die Wirkung von manchen Pharmazeutika ist sicher auch unbestritten, aber wie sieht es mit synergetischen Effekten, ausgelöst durch die Psyche aus?

Was sind so eure Meinungen, Erfahrungen und Ansichten dazu?

Um auch meine Meinung dazu zu sagen: Ich persönlich finde, dass die Psyche eine sehr große Rolle spielt.

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10.12.2008, 01:25
Ich wollte eigentlich keine Diskussion über die Wirksamkeit von Antidepressiva führen, von daher war die Sache mit dem Link etwas misslungen. Ich wollte auch niemand provieren. Mir gehts mehr ums grundsätzliche Verständnis. Ich bin wie gesagt eher interessierter Laie, mit einem gewissen Grundverständnis.

Deswegen starte ich noch mal neu...

Ich würd gern mal wissen, wie andere das so sehen in Bezug auf iatrogene Effekte, Compliance, Placebos, Hypochondrie, Homöopathie usw. und ich frag mich immer, wie auch andere psychische Effekte auf Symptome Einfluss nehmen können und stell auch mal die Frage auf, inwieweit die Psyche Einfluss auf Heilungsaussichten nimmt.

Wie groß seht ihr die Selbstheilungsfähigkeit des Menschen, ausgelöst durch die Psyche? Klar spielen Punkte wie genetische Veranlagung auch immer mit ein und die Wirkung von manchen Pharmazeutika ist sicher auch unbestritten, aber wie sieht es mit synergetischen Effekten, ausgelöst durch die Psyche aus?

Was sind so eure Meinungen, Erfahrungen und Ansichten dazu?

Kurze Zwischenfrage:
Sagt dir "Coping", "Streßmodell nach Lazarus" & "Resilienz" etwas?
Das hat viel mit dem Einfluß der Psyche bei Krankheiten zu tun...
Mehr dazu gibt es beispielsweise HIER (http://de.wikipedia.org/wiki/Coping)...

Wenn ich diese Punkte so kurz reflektiere:
Ja, Psyche ist nicht ganz unwichtig :-)

Zu mehr bin ich zu später Stunde aber nicht in der Lage
;-)

Foreman
10.12.2008, 14:28
@Mario0815

Also da gibt es ja eine Menge neuer Erkenntnisse, ich werfe da mal das komplette Fachgebiet der Psychneuroimmunologie ein. Die Psychosomatik wird immer mehr auf der Ebene des Zusammenspiels zwischen Hormonsystem, Nervensystem und Immunsystem entschlüsselt.

Apropos Stress:
Evolutionär gesehen kann der Mensch mit kurz andauerndem situativem Stress sehr gut fertig werden.
Der lang anhaltende Dauerstress, der auch nicht an spezifische Auslöser gebunden ist, macht uns da schon mehr zu schafen.

astrophys
10.12.2008, 14:55
Der lang anhaltende Dauerstress, der auch nicht an spezifische Auslöser gebunden ist, macht uns da schon mehr zu schafen.


Wusst ichs doch, dass dauernder Stress aus Menschen Schafe macht :-angel

(sorry, aber den konnte ich mir jetzt nicht verkneifen)

Antracis
10.12.2008, 17:04
Was die Psyche so ausmacht, kannst Du gerade gut auch an den Studien zu den Antidepressiva sehen. Da ist die Placebowirkung in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen und der Unterschied zum Medikament folglich gesunken. Und es gibt ganz gemein designte Studien, wo man sich so gut um die Patienten kümmert, das da fast kein Unterschied mehr besteht. Offenbar leistet da die Zuwendung, die ja bei Studien generell besser ist, als im Stationsalltag (man muss die Leute ja bei Laune halten...) ganze Arbeit.
Der Link zu Kirsch ist wirklich ein unglücklicher Einstieg, weil der Knabe alle paar Jahre seinen Feldzug gegen die Antidepressiva neu startet. Die Laienpresse puscht das dann hoch, und die Leute hopsen, vor allem in Amerika geschehen, aus dem Fenster, nachdem sie ihre angeblich unwirksamen Medikamente abgesetzt haben. Bravo, sage ich da nur. :-nix

Speziell bei den SSRIs darf man nicht vergessen, dass die teilweise erheblich nebenwirkungsärmer sind, als die TZAs, und deshalb nicht nur eine besser Compliance fördern, sondern auch Optionen bei Leuten eröffnen, denen man die TZAs nicht guten Gewissens verschreiben könnte.

Ansonsten finde ich die Trennung zwischen Physis und Psyche persönlich eher historisch interessant, sie wird dem aktuellen Wissenstand nicht gerecht und schadet meist mehr, als sie hilft. Letztlich ist alles, was wir denken und fühlen und auch unser Handeln nix anderes, als irgendwelche Neurotransmitter-Stoffwechsel oder auch neuronale Plastizität. Das damit direkte und wichtige Wirkungen auf "somatische" Prozesse nicht nur möglich, sondern gerade zwangsläufig sind, sollte eigentlich evident sein.

lg
Anti

Foreman
11.12.2008, 10:30
@astrophys
Ja, peinlich :-oopss
Du musst das auch noch offenlegen...

//stefan
11.12.2008, 12:22
Was mir bei dem Thema noch einfällt ist die Tatsache, dass ältere Menschen oft kurz nachdem ihr Ehepartner gestorben ist, selber sterben.
Sowas kann man mit Sicherheit ( :-meinung) auch auf die Psyche zurückführen...

TonyClifton
11.12.2008, 12:55
Was mir bei dem Thema noch einfällt ist die Tatsache, dass ältere Menschen oft kurz nachdem ihr Ehepartner gestorben ist, selber sterben.
Sowas kann man mit Sicherheit ( :-meinung) auch auf die Psyche zurückführen...


Gibt's dazu Statistiken die einen signifikanten Zusammenhang feststellen? Ich kenn die Behauptung auch, aber irgendwie würd ich es ungern als Tatsache hinstellen.

//stefan
11.12.2008, 13:22
Statistiken kann ich nicht bieten, aber aus dem weiteren Bekanntenkreis hab ich das schon ein paar mal gehört. Und auch schon des öfteren im Krankenhaus erlebt. Ist halt rein subjektiv...

Medicus_bonus
11.12.2008, 14:02
Habe hier nicht alles gelesen, aber mein Senf dazu ist wie folgt (aus meiner Sicht):

Die Psyche spielt eine sehr große Rolle, egal bei welcher Erkrankung oder Verletzung. Bei unheilbaren Erkrankungen wie z.B. Mukoviszidose wird die Psyche meiner Ansicht nach nicht viel ausrichten, jedoch wird eine "gesunde" Psyche dem Patienten helfen, weil er sich besser fühlt.
Bei Erkältungen und Verletzungen, die wieder verheilen, ist meiner Ansicht nach die Psyche das Beste Medikament. Einige könnten nun auf den Gedanken kommen, dass ich homöopathisch oder Heilkundemäßig angehaucht bin, was aber nicht zutrifft.
Mir ist aufgefallen, dass bei einer Erkältung der Mensch mit "konflikten" zu tun hat und dann letztendlich darüber nachdenkt, während er krank ist.
Dieses Phänomen wurde schon bei Kindern bewiesen, dadiese nach einer Erkältung einen Entwicklungsschub bekommen haben. Das wird bei Erwachsenen nicht anders sein, nur das die Meisten es schlichtweg nicht merken, wissen oder ignorieren.
Ich werde Erkältungen sehr schnell los, indem ich nachdenke was mich im Moment beschäftigt; meist komme ich sehr schnell darauf und fasse dann einen Entschluss. Dazu Bettruhe und Tee und die Erkältung ist nach spätestens 3 Tagen weg. Auch eine Sinusitis. Ohne Medikamente.
Ob das nun Zufall, Einbildung oder die Wahrheit ist weiß ich nicht, aber dies wäre ein schöner Ansatz für eine Studie :O)

Evil
11.12.2008, 15:45
Alte medizinische Weisheit: wenn man wegen einer Erkältung einen Arzt aufsucht, dauert es 1 Woche bis zur Gesundung, ansonsten 7 Tage :-))

Mario0815
20.12.2008, 19:29
Was mir bei dem Thema noch einfällt ist die Tatsache, dass ältere Menschen oft kurz nachdem ihr Ehepartner gestorben ist, selber sterben.
Sowas kann man mit Sicherheit ( :-meinung) auch auf die Psyche zurückführen...

Interessantes Argument... Meine Mutter ist mit 53 an Krebs gestorben, mein Stiefvater, also ihr Mann ist nicht mal 2 Jahre später gestorben. Obwohl er sogar jünger als sie war. Zugegeben, da spielten auch andere Ursachen mit, aber das sind Ursachen, mit denen andere Menschen uralt werden. Vielleicht macht das die Sache etwas verständlicher, dass mich das interessiert...

http://oe1.orf.at/inforadio/87911.html?filter=3

Ich hab da noch so nen link.... Ich hab bisher nix wirklich sinnvolles zu diesem Takozubo-Syndrom gefunden. Wie ist so eure Einschätzung? Ist das Humbug? Vielleicht doch nachzuvollziehen? Findet man dazu was in einschlägiger Fachliteratur?

Ums auch klar zu sagen: Ich will niemand provozieren, ich würd nur gern Infos, Meinungen und Ansichten zu dem Thema bekommen.

Mario0815
20.12.2008, 19:50
Was die Psyche so ausmacht, kannst Du gerade gut auch an den Studien zu den Antidepressiva sehen. Da ist die Placebowirkung in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen und der Unterschied zum Medikament folglich gesunken. Und es gibt ganz gemein designte Studien, wo man sich so gut um die Patienten kümmert, das da fast kein Unterschied mehr besteht. Offenbar leistet da die Zuwendung, die ja bei Studien generell besser ist, als im Stationsalltag (man muss die Leute ja bei Laune halten...) ganze Arbeit.

Wo findet man solche Studien? Ich hab leider nicht so die Ahnung, wo man sowas explizit findet... :-heul

test
21.12.2008, 10:27
Interessantes Argument... Meine Mutter ist mit 53 an Krebs gestorben, mein Stiefvater, also ihr Mann ist nicht mal 2 Jahre später gestorben. Obwohl er sogar jünger als sie war. Zugegeben, da spielten auch andere Ursachen mit, aber das sind Ursachen, mit denen andere Menschen uralt werden. Vielleicht macht das die Sache etwas verständlicher, dass mich das interessiert...

http://oe1.orf.at/inforadio/87911.html?filter=3

Ich hab da noch so nen link.... Ich hab bisher nix wirklich sinnvolles zu diesem Takozubo-Syndrom gefunden. Wie ist so eure Einschätzung? Ist das Humbug? Vielleicht doch nachzuvollziehen? Findet man dazu was in einschlägiger Fachliteratur?

Ums auch klar zu sagen: Ich will niemand provozieren, ich würd nur gern Infos, Meinungen und Ansichten zu dem Thema bekommen.

Zu Takotsubo findest du bei pubmed und in der Fachliteratur sicher Infos. ;-)

Hellequin
21.12.2008, 11:09
Ich hab da noch so nen link.... Ich hab bisher nix wirklich sinnvolles zu diesem Takozubo-Syndrom gefunden. Wie ist so eure Einschätzung? Ist das Humbug? Vielleicht doch nachzuvollziehen? Findet man dazu was in einschlägiger Fachliteratur?

Such mal nach Takotsubo oder Broken Heart Syndrom, da dürftest du eher was finden.;-)
Die Schreibweise, die auf der verlinkten Seite verwendet wird, ist ja grauselig.

Relaxometrie
21.12.2008, 11:31
Tako-Tsubo.pdf (http://p26251.typo3server.info/fileadmin/user_upload/PDFs/Tako-Tsubo-CMP.pdf)

Mario0815
31.12.2008, 05:02
Auf die Sache mit der Schreibweise muss man erst mal kommen.

Ich danke euch für eure Hilfe... :-top

wiedumirsoichdir
31.12.2008, 12:03
Die Frage ist einfach unmöglich zu beantworten, weil "psyche" nicht messbar ist, und somit kann man schwer korrelationen mit heilung finden, weil was genau soll korrelieren?

Menschen die in die statistische kategorie depression reinfallen, haben eine erhöhte risiko für herzinfarkt, und in meinem psychiatriebuch gab's ein paar referenzen wo die argumentiert haben, depression war kausal dafür, aber ich habe das buch jetzt nicht bei mir. :-D