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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : PJ in Herisau - ...Gute und schlechte Seiten



f|atliner
23.12.2008, 13:19
Hallo.

Dachte, ich berichte kurz mal über meine Zeit als PJler in der Chirurgie am Spital Herisau (Schweiz, Appenzeller Land).
PJler wird hierzulande UHU ausgesprochen und leitet sich vom Wort "Unterhund" ab. Als UHU steht man in der Rangliste ganz unten. Je nach dem an wen man gerät wird man auch so behandelt. Arbeitsbereich war nahezu alles: Station, Ambulanz, OP, Botendienste, etc... die Nachtdienste nicht zu vergessen. Im Folgenden berichte ich ein wenig aus den einzelnen Bereichen:
Im OP gewinnt man den Eindruck, daß man von Chirurg und OP-Schwester eher als biologischer Hakenhalter und Frustfänger für allerlei benutzt wird. Natürlich gibts auch einige Ausnahmen. Aber in der Regel kam man sich doch eher als der A**** vom Dienst vor. Und bis auf die Ausnahmen blieb der OP dem Lehrauftrag in fast jeder Hinsicht einer Antwort schuldig. Und selbstständiges Handeln ist zu meist nicht erwünscht bzw. zieht oft Tadel und selten Dank nach sich. Das Verhältnis zur Anästhesie und Pflegepersonal war dagegen in den allermeisten Fällen sehr gut.
Auf den Stationen ist immer viel los. Patientenaufnahmen / -untersuchungen (eine der wenigen lehrreichen, wenn auch leider oft „lern-by-yourself“ - Situationen), Arztbriefe schreiben und viel Büroarbeit und PC-Arbeit (DRGs eintragen, Statistiken ausfüllen, Diagnostik anmelden, usw.) sind der Alltag. Der Tag beginnt um 7:30h mit der Röntgenbesprechung und endet meistens erst nach 19h. In harten Zeiten muß man echt um seine Mittagspause kämpfen (um nicht zu sagen, daß erwartet wird, die Arbeit kommt vor dem eigenen Wohlbefinden). Überstunden werden natürlich nicht irgendwo registriert. Es gibt pro Nacht (außer Samstag und Sonntag) zwei Dienste (1. und 2. Picket), die sich die 6 UHUs (4xChirurgie, 2xInnere) aufteilen. Für jeden Nachtdienst bekommt man einen halben Tag Kompensation (bin nicht mehr ganz sicher, bezieht sich aber wahrscheinlich nur aufs 1. Picket). Allerdings sei Vorsicht geboten und man sollte sich klug mit den anderen UHUs absprechen, damit es keine Kollisionen gibt, da immer nur einer der UHUs freimachen darf. Und auch hierbei ist Achtung geboten, da dies den „oberen Chirurgen“ oft nicht passt und diese gerne selber bestimmen würden, wann wer mal freimachen darf. Bis jetzt ist es aber noch nicht soweit gekommen und die Kompensation ist noch einigermaßen in der Hand der UHUs, dank gewisser Personalratentscheidungen.
In der Ambulanz ist natürlich auch immer sehr viel los. Hier gibt es eine weitere Situation, in der man einiges lernen kann, wenns auch immer etwas stressig ist.

Alles in allem ist man dem Assistenzarzt in Herisau eigentlich fast gleichgestellt. Auch vom Arbeitsfeld her gibt es kaum wesentliche Unterschiede. Der Assistenzarzt verdient nur ca. 4-5 mal mehr. Kommt im OP aber auch recht kurz dafür und darf kaum mehr als ein UHU. Aber es gibt natürlich Bestrebungen dies zu ändern. Ebenso wie die Verringerung der Arbeitslast wünschenswert wäre. Doch Wirtschaftlichkeit und Tradition scheinen hier noch das Zepter in der Hand zu haben. Zumindest in der Chirurgie. Im Bereich der Inneren Medizin läuft es wohl wesentlich entspannter.

Unterm Strich bekommt man einen sehr realistischen Einblick in das Leben eines Chirurgen. Für das Examen lernt man wohl eher nichts, dafür nimmt man aber viel Praxis und Routine und viel vom Ablauf auf Station, Ambulanz und OP mit. Je nachdem mit welcher Einstellung man also da ran geht, kann es zu einer positiven oder negativen Erfahrung werden...man muß es halt selber in die Hand nehmen. Geschenkt wird einem in Herisau jedenfalls nichts und Dank von höherer Stelle gibt es auch eher nicht.

Zum Krankenhaus lässt sich noch sagen, daß wie so in einigen Spitälern der Personalmangel sehr auffällig war. Die Intensivstation war teilweise zur Hälfte geschlossen, es kam vor das OPs abgesagt wurden, weil es Engpässe in der Anästhesie gab und es gibt Pläne in Zukunft einen OP-Saal zumindest einmal pro Woche zu schließen. So mancher junger Assistenzarzt der Chirurgie macht schon jetzt einen ausgebrannten Eindruck und auch die Chefs scheinen nicht mehr so fit zu sein wie früher (glaubt man den Erzählungen der "alten Hasen" aus dem Spital). Aber es scheint auch kein Potential und keine Zeit da zu sein, sich der Probleme der Mitarbeiter anzunehmen. Es gibt also Einiges an wünschenswerten Änderungen...
Im Einzelnen sind die Mitarbeiter (Ärzte wie anderes Personal) aber allesamt recht freundlich und umgänglich. Vor allem mit den Assistenzärzten haben wir auch viel Freude gehabt und den ein oder anderen Ausflug unternommen.

So, ich hoffe mal, der Beitrag hilft dem ein oder anderen und gibt einen kleinen Eindruck aus der Sicht eines PJlers zur Chirurgie im Spital Herisau.