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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Total überfordert - Akuthilfe?



Shari
06.01.2009, 17:50
Hallo!

Kurz gesagt: ich kann nicht mehr...

Problem: seit den Feiertagen ist hier die Hölle los. Unsere Abteilung (Innere) ist total überlaufen, wir haben bereits Betten aus anderen Abteilungen belegt und teilweise liegen die Pat. auf dem Flur. Das wäre zu managen, wenn nicht ausgerechnet jetzt akuter Personalmangel herrschen würde: zwei Leute ganz weg (gekündigt), zwei in Urlaub und einer ist krank.
Teilweise sind wir alleine (!) oder nur zu zweit (Assistenzärzte) plus dem Diensthabenden - und das für fünf reguläre Stationen plus die aktuelle Überbelegung plus Intensiv plus Ambulanz plus Funktionen...

Ich versorge seit letzter Woche 12 Zimmer a 3 Patienten plus Ambulanz und Funktionen. Eine ordentliche Patientenversorgung ist so kaum möglich. Oberärzte helfen, so gut sie können, aber viel ist es auch nicht (haben auch sehr viel zu tun).

Abhilfe ist derzeit nicht in Sicht, auch kein Personal. Hab heute mit dem Chef geredet - der bemüht sich, aber wie gesagt, derzeit nichts in Sicht.

Wie kann ich das bloß schaffen????
Vor allem damit umzugehen - bin derzeit ziemlich depressiv, esse nicht seit zwei Tagen und explodiere dauernd...

Hilfe!!!!!!!

Grombühlerin
06.01.2009, 17:59
Oh ja, mein Beileid! Klingt ganz nach meiner alten Klinik!

Einen Rat geben kann ich dir leider auch nicht, außer absolute Minimalversorgung machen, also nix mit Anamnese und Untersuchung sondern nur "Thoraxschmerzen seit 14:00 Uhr" auf den Bogen schreiben und dann das Routineprogramm zum Ausschluss Infarkt. Funktion ganz minimieren und Leute halt einfach so entlassen und in den Brief schreiben "wir empfehlen die ambulante Durchführung einer Gastroskopie...." oä. Finden zwar die Hausärzte doof aber was solls.

Man selber lernt dabei leider auch nichts mehr und die Situation wird auch nicht besser weil wenn neue kommen werden sich nicht eingearbeitet, können also vieles nicht und wenn sie die Situation erkant haben kündigen sie gleich wieder.

Ich hab auch gekündigt, hat mir leid getan für die Kollegen aber ausßer dem og ist mir sonst nichts eingefallen.

Ach ja, wir hatten damals manchmal Kollegen von einer Zeitarbeitsfirma, das hat aber auch nur bedingt geholfen. Die waren zwar sehr teuer da Fachärzte, sprachen aber manchmal nicht so toll deutsch und konnten nach Jahren in der eigenen Praxis die "niederen Arbeiten" wie EKG-schreiben und Blutabnehmen gar nicht mehr. aber schlag das doch mal deinem Chef vor, besser als nix!

Feuerblick
06.01.2009, 18:01
Au weia! Nachdem ich so eine Tour gerade zwei Monate lang mitmachen durfte, meine Überlebensrezepte für dich:

1. Fang wieder an zu essen. Es hilft niemandem, wenn du aus den Latschen kippst.
2. Verabschiede dich für die Zeit des Chaos von jeglichem Perfektionsanspruch. Es geht nicht darum, irgendwelche Finessen zu entwickeln. Es geht ums Überleben - für deine Patienten und für dich und deine Kollegen.
3. Setz dich mit deinen Kollegen zusammen, versucht euch einen Schlachtplan zurechtzulegen. Wer macht was, wer ist wofür zuständig.
4. Geht gemeinsam zum Chef und besprecht, wie ihr geplante (!) Aufnahmen reduzieren könnt bzw. ob es möglich ist, eure Notaufnahmen auf andere Häuser in eurer Gegend zu verteilen. Mehr als arbeiten könnt ihr schließlich nicht, oder? Und er soll zusehen, dass er die offenen Stellen schnellstmöglich besetzt. Es war grade erst HEX, da dürfte es ja wohl Bewerber geben, wenn man die Stellen ausschreibt...
5. Geht zu euren Oberärzten. Denen fällt kein Zacken aus der Krone, wenn sie Stationen, Ambulanz oder Funktion alleine betreiben müssen (den meisten muss man das leider erst klarmachen.... :-)))
6. Mach das WICHTIGE... alles, was nicht zwingend erledigt werden muss, bleibt liegen. Oder wird an die Hausärzte abgewälzt. :-nix
7. Setz dich nicht selbst unter Druck. Du hast nur drei Köpfe und zehn Hände wie jeder normale Mensch. Lass dich auch nicht von der Pflege unter Druck setzen. Erklär denen die Situation und bitte sie, eben mal selbst etwas mehr zu denken und nur die WICHTIGEN Fragen zu stellen.
8. Such dir einen Tag in der Woche (dienstfreier Tag oder mal ein freier Wochenendtag oder wie auch immer) für den du dir etwas Schönes, etwas Besonderes vornimmst. Und tu es dann auch!

Und rede dir jeden Tag aufs Neue ein, dass es eigentlich nicht schlimmer werden kann...

Man kann es überleben, aber nur, wenn man sich selbst nicht dran aufreibt. Bei uns haben Chef und Oberärzte alles gegeben, zum Teil OP und Ambulanz alleine gemacht, während wir Assistenten uns mit Station und ambulantem Zentrum rumgeschlagen haben. Wenn alle zusammenhalten, kann man mal zwei Monate überbrücken. Mehr sollten es aber nicht werden! Tschakka! Du schaffst das!

alley_cat75
06.01.2009, 18:02
Notleine ziehen! Das sind keine vernünftigen Arbeitsbedingungen und für Euch, die noch da sind, nicht tragbar. Du riskierst Deine eigene Gesundheit und vor allem Deine berufliche Zukunft - weil Du bald keine Freude mehr am Arztberuf haben wirst. Ihr müsst geschlossen zum Chef und sagen, das es nicht mehr geht. Er ist der Chef und muss eine Lösung finden (ggf. Zeitarbeits-Ärzte), nicht die Assistenten. Bei uns ihm Haus hatten die Chirurgen kurzzeitig eine ähnliche Situation. Sie haben nur noch Kurzepikrisen geschrieben, keine Funktionsdiagnostik und DRGs stapelten sich bis zur Decke. Überstunden aufschreiben! Und wenn langfristig keine neue Kollegen in Aussicht sind, muss das Haus Betten streichen. Bei Euch ist einfach keine ordentliche Patientenversorgung mehr gewährleistet. Wehe, Du machst einen Fehler in diesem Chaos - keiner steht dann hinter Dir. Ist Dir dieses Haus wirklich wichtiger als Deine Approbation?

dreamchaser
06.01.2009, 18:06
Bei uns war es auch mal knapp, aber nicht so knapp wie bei euch. Hatten nur 24 Patienten pro Person zu versorgen. Bei uns wurden die Funktioner allesamt auf Station gezogen - da mussten die Patienten eben auf Untersuchungen warten (da jetzt nur die OÄ in der Funktion waren), aber wenn man so viele Pat. betreut kann man ja gar nicht so viel entlassen, sonst kommt man gar nicht hinterher. Zu unserem Glück läuft die Intensiv und die Notaufnahme extra.
Friss den Ärger nicht in dich rein, sonder geht geschlossen zum CHef und sagt eure Meinung bevor noch mehr Leute kündigen. Der sollte dann alles ihm mögliche tun, um es euch vielleicht etwas leichter zu machen, wenn ihm etwas an seiner Abteilung liegt.

Käthe, MD
06.01.2009, 18:09
Hallo,

in meinem PJ-Krankenhaus herrschen zur Zeit in der Inneren ähnliche Verhältnisse, viele Kündigungen, viele Patienten, unheimlich viel zu tun! Da leider aktuell kein Nachwuchs in Sicht ist musste man halt irgendwann die Notbremse ziehen und eine komplette Station schließen, weil alles andere nicht mehr zu verantworten war! Is natürlich auch doof, aber wenn es gar nicht mehr anders geht? Und ich glaube auch, dass du bei einem evtl. Fehler relativ schnell alleine darstehst und deine Approbation riskierst... :-(

Lg Käthe

Grombühlerin
06.01.2009, 18:11
ach ja, wenn ihr selbst kodieren müsst, soll ein "Kodierstreik" manchmal helfen.
Ihr müsst schließlich Patienten versorgen und könnt nicht kodieren. Das merkt dann schnell die Verwaltung....

Und wenns schon keine Ärzte gibt, fordern dass Hilfskräfte fürs Blutabnehmen etc. eingestellt werden.

Betten streichen bringt leider kaum was, wir hatten als es ganz schlimm war, mal eine Station geschlossen, die Anzahl der Zugänge blieb natürlich gleich (einziges Krankenhaus der Stadt, Notaufnahme kann nicht abmelden) und wir sind täglich ein paar Zusatzkilometer durch Haus gerannt, weil der ganze "Überlauf" irgendwo in der Chirurgie oder auf der Gyn lag. Also mit der Forderung wär ich je nach Voraussetzungen sehr vorsichtig....

pieks
06.01.2009, 18:37
Hi,

Du hast ja schon viele sinnvolle Vorschläge bekommen ..

Der Form halber: eine Überlastungsanzeige bei der Verwaltung abgeben

Gruß pieks

mllecathy
06.01.2009, 20:04
Bei uns ist die Situation noch nicht ganz so drastisch, nähert sich aber so langsam an. Um demNachwuchsmangel entgegenzuwirken haben sich deswegen vergangen Monat einige Kollegen zusammengesetzt und eine neue Stellenannouce entworfen, wo die Vorteile, die vielen von uns heute wichtiger sind als den älteren Ärztegenerationen (z.B: Freizeit und Freizeitwert der Stadt) dargestellt wruden. Unserem Chef war gar nicht bewusst, dass sich die Prioritäten verschoben hatten. Und scheinbar wirkt die neue Annouce - ab Februar kommt jemand neues :-party

alley_cat75
07.01.2009, 15:25
Betten streichen bringt leider kaum was, ... wir sind täglich ein paar Zusatzkilometer durch Haus gerannt, weil der ganze "Überlauf" irgendwo in der Chirurgie oder auf der Gyn lag.

Wenn man sich mit den fachfremden Kollegen einig ist, dürfte das kein Problem sein. Wenn bei uns alle internistischen Betten belegt sind, wird die Notaufnahme für Liegendanfahrten und elektive stationäre Patienten gesperrt - auch wenn auf Chirurgie etc. noch freie Betten sind. Irgendwann ist doch mal Ende mit Patientenversorgung. Wie soll ich meiner Versorgungspflicht nachkommen, wenn ich zwischen den Stockwerken hin- und herspringen muss?

Shari
07.01.2009, 17:19
Danke euch für eure Tipps und die aufmunternden Worte!!

Werd mal schauen, was ich davon umsetzen kann.

Das Hauptproblem ist derzeit meine psychische Verfassung :-(
ICh bin mit den Nerven am Ende und hatte heute nur noch Heulkrämpfe :-(

Ich glaub, ich werf mir bald ein paar Antidepressiva rein :-/

Gruß, Shari

pieks
07.01.2009, 17:43
Hi Shari,

na ... wunderst Dich Deine psychische Verfassung :-oopss

Mach´ jetzt bloss nicht (noch) den Fehler, Dir selbst Vorwürfe zu machen und Dir Gedanken im Sinne von "warum bin ich nicht belastbarer" zu machen ..

Versuche trotz allem, Deine "Aufgaben" in aller Ruhe, eine nach der anderen "abzuarbeiten" und nur noch wirklich Wichtiges zu erledigen ... ich weiß, das IST schwer...

Und: versuche, Dir etwas "Gutes zu tun" ...

Es dankt Dir hinterher niemand, wenn Du "am Ende" bist ..

Gruß pieks

Disharmonic
11.01.2009, 11:58
Sorry, wenn ich das so hart sagen muß, aber Akuthilfe gibts leider nicht.

Vielleicht hilfts Dir aber, daß es uns allen hier zumindest ähnlich geht.

Ja, es geht nur mit maximalem Minimalprogramm. Und ja, ich hab mich in letzter Zeit auch eher unbeliebt gemacht bei Personal, Patienten und Angehörigen, weil ich halt auch sehr dünnhäutig und im Umgang (latent) aggressiv geworden bin.
Ich ärgere mich dann v.a. über mich selbst, weil ich so bin, abger eigentlich liegts daran, daß ich eine Situation bewältigen muß, die ich nicht bewältigen kann.

Entscheidend ist aber die Perspektive.

Ihr scheint eine eher kleine Abteilung zu sein. Wenn also 2 Kollegen kündigen (mit entspr. Frist?), muß den anderen der Urlaub dann auch rechtzeitig gestrichen werden. Das halte ich sonst für einen DP-Fehler.
Bemüht sich das Haus um Nachwuchs? Nimmt jemand den Mangel ernst bzw. überhaupt zur Kenntnis? Hält Dich was dort?

Ansonsten kündigen. Is traurig, mir gehts aber derzeit so.

Und wie schon mal erwähnt: Brief an Chef, Personalabteilung und Geschäftsführung, daß es so nicht geht. Sonst wird die Minimalbesetzung zukünftig noch als völlig ausreichend hingestellt.

Und auch wenn ich selbst mich das aus verschiedenen Gründen noch nicht getraut habe: wenns Dir schlecht geht, dann bist Du krank. Punkt.
Deinen Einsatz jetzt dankt Dir niemand, und ob Du dann halt auch mal ne Woche nicht da warst, ist letztlich in zwei Wochen wieder vergessen.

Oli

cookie!
11.01.2009, 17:04
Man selber lernt dabei leider auch nichts mehr und die Situation wird auch nicht besser weil wenn neue kommen werden sich nicht eingearbeitet, können also vieles nicht und wenn sie die Situation erkant haben kündigen sie gleich wieder.

Ich hab auch gekündigt, hat mir leid getan für die Kollegen aber ausßer dem og ist mir sonst nichts eingefallen.


Dito.
(Und soweit ich weiß, ist meine Stelle immer noch frei, mangels Bewerbern...)


Und wie schon mal erwähnt: Brief an Chef, Personalabteilung und Geschäftsführung, daß es so nicht geht. Sonst wird die Minimalbesetzung zukünftig noch als völlig ausreichend hingestellt.
Das war in meiner Klinik alles schon gelaufen. Aber die "Chefs" kamen dann immer mit: "Wir würden ja gern 9 Ärzte sofort einstellen, aber es gibt ja keine Bewerber..."
Meine Abteilung lief schon zwei Jahre ohne Fach- und Oberarzt, als ich kam. Als meine einzige Kollegin dann in den Mutterschutz ging, war ich allein mit einem dauerabwesenden Chef, 2 Stationen und 30 Patienten. Meine Bewerbung war wohl die erste und einzige nach vielen Monaten.
Vielleicht sollte man aber dann als Klinikleitung mal umdenken und sich fragen, was man an den Arbeitsbedigungen ändern könnte, damit die Klinik wieder attraktiver wird. Aber das würde ja dann zu Mehrausgaben führen, denn eigentlich ist es doch für die Bilanz ganz gut, wenn man 9 Ärzte weniger zahlen muß... :-(


Und auch wenn ich selbst mich das aus verschiedenen Gründen noch nicht getraut habe: wenns Dir schlecht geht, dann bist Du krank. Punkt.
Und was passiert, wenn Du Dich krank meldest?
(Ich wollte erst schreiben "wenn Du wirklich krank wirst", aber so wie Du Dich anhörst, bist Du das schon.)
Wäre doch mal einen Versuch wert, zu schauen, was die Klinik dann macht, wenn sie plötzlich praktisch keinen Arzt mehr haben...
(Meine ehemalige Klinik lernt das gerade.)

Grombühlerin
11.01.2009, 17:32
Shari, wie gehts?

Bist du noch in der gräßlichen Klinik?

Wenn ich das hier so lese scheint es in der Inneren ja oft so zu sein, probier doch mal ein anderes Fach aus....und wenns nur für ein halbes Jahr zur Erholung ist ;-)

Shari
12.01.2009, 17:23
HAllo!

Ja, bin immernoch da.
Diese Woche ist es auch "etwas" entspannter: die zwei aus dem Urlaub sind wieder da. Ist zwar immernoch stressig, aber etwas besser.

Werde mir das noch paar Wochen angucken, wenn da noch immer keine neuen Leute eingestellt werden, dann gehe ich wirklich :-(

Danke euch nochmal!

Gruß, Shari

Relaxometrie
12.01.2009, 18:45
Werde mir das noch paar Wochen angucken, wenn da noch immer keine neuen Leute eingestellt werden, dann gehe ich wirklich :-(
Setz Dir am Besten einen Termin, an dem Du den Cut auch wirklich machen wirst. Sonst dümpelst Du in ein paar Jahren immer noch in dem Haus rum und sagst "Och, ein paar Wochen mache ich das noch".