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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Sepsis



Gast26092018
09.01.2009, 06:04
Hi,

Einem älteren Patienten, der Magenkrebs (mit Metastasen) hat wird in einer sehr langen OP der Magen und die Milz entfernt. Der Patient bekommt dann eine Lungenentzündung und wird 2 Tage nach der OP auf die Intensivstation verlegt und muss künstlich beatmet werden. Nach Antibiotikagabe gehen die Entzündungswerte ein wenig zurück, sodass er nach 3 Tagen extubiert wird. Ein Tag später wird er wieder intubiert, da die Lungenwerte sich wieder verschlechtern. Dies geht ca. 2 Wochen so weiter, Zustand wird immer schlechter. Die Lungenentzündung breitet sich weiter aus und es kommt zur Blutvergiftung. Nieren funktionieren nicht mehr richtig, Patient scheidet sehr wenig aus, pH=7,2. Desweiteren wird er Katecholaminpflichtig (25mg).
Das Antibiotikum wird 4 mal gewechselt und selbst das stärkste Mittel zeigt keine Wirkung. Patient wird stark sediert, da bei Wachheit die Atmung schlechter wird.

Nun zu meiner Frage: Besteht in so einem Fall überhaupt noch Hoffnung? Gibt es noch andere Therapiemöglichkeiten? Oder gilt es nur abzuwarten?
Habt ihr jemals erlebt das so eine schwere Lungenentzündung nach einer gewissen Zeit von alleine zurückgeht? Würde eine mit Zeitgewinn verbundene Nierenersatztherapie etwas bringen? Oder gilt hier wirklich nur "survival of the fittest"?

Vielen Dank!

ehemalige Userin 24092013
09.01.2009, 07:58
Hat er schon Steroide? Selenase etc?
Hämofilter schadet sicher nix um den SB Haushalt bei Laune zu halten - ich würde sagen, man kanns durchaus noch versuchen.
(Das ganze Volumenmanagement ist natürlich noch besser steuerbar, wenn er nen PICCO hätte.)

Evil
09.01.2009, 10:01
Besteht in so einem Fall überhaupt noch Hoffnung? Gibt es noch andere Therapiemöglichkeiten? Oder gilt es nur abzuwarten?
Habt ihr jemals erlebt das so eine schwere Lungenentzündung nach einer gewissen Zeit von alleine zurückgeht? Würde eine mit Zeitgewinn verbundene Nierenersatztherapie etwas bringen?
Hoffnung besteht immer, außer Antibiose gibt es aber keine kausale, sondern nur symptomatische Therapie.
Frühzeitige Hämofiltration kann nach aktueller Studienlage tatsächlich das Outcome verbessern, aber das löst das primäre Problem nicht. Allerdings gibt es dafür Kontraindikationen, deswegen muß die Entscheidung im Einzelfall erfolgen.

Ohne Therapie wird er das sicherlich nicht überleben, er wird ja auch schon maximal therapiert. Da stößt die Medizin einfach an ihre Grenzen.

Was soll die Formulierung mit "survival of the fittest"? Das paßt doch hier überhaupt nicht...

Hypnos
09.01.2009, 11:00
Ein Fall für den frisch gebackenen Intensivmediziner...:-)

Die erste und wichtigste Frage für mich wäre, ob es denn in diesem Fall eine Patientenverfügung oder einen mutmasslichen Willen des Patienten für diese Situation gibt. Das könnte nämlich hier schon mal eine entscheidende Hilfe für das weitere Therapiekonzept sein.

Und nun zu den Punkten im Einzelnen...
Mal angenommen, der Patient würde eine maximale intensivmedizinische Therapie wünschen, so stellt sich die Frage, ob es nach wie vor "nur" eine Lungenentzündung ist, oder evtl ein ALI bzw. ARDS. Daraus leitet sich dann sofort die Frage ab, ob es sich um eine Oxygenierungsstörung oder eher um ein CO2-Eliminationsproblem handelt.
Die alleinige Aussage, das Antibiotikum wurde schon vier mal gewechselt, spricht (ohne den Zusammenhang genauer zu kennen) eher für Experimentalmedizin, denn nach evidenzbasierter Medizin.
1) Ist ein Erreger bekannt?
2) BAL durchgeführt?
3) Blutkulturen (vor Antibiotikagabe) asserviert? -> Ergebnis?
4) andere Infektion ausgeschlossen?

Antibiotikatherapie von Anfang an ausreichend breit?
a) hit hard and early
b) get to the point
c) focus, focus, focus
d) look at your hospital
e) look at your patient

Was Du dann schilderst, klingt für mich nach Sepsis (Mehrorganversagen (Lunge, Niere, Kreislauf)).
Hier muß ich übrigens evil widersprechen, es gibt keine aktuellen Daten, die die Mortalität in der Sepsis verbessern, wenn man eine Hämofiltration benutzt. Es gibt allerdings Theorien, die darauf abzielen, daß man ggf. durch die Hämofiltration Entzündungsmediatoren eliminieren könne - aber die Datenlage ist dazu aktuell noch völlig unzureichend. Das Nierenversagen gehört allerdings mittels CVVH therapiert.
Du schreibst was von 25mg Katecholamin...was bitte ist damit gemeint? Wäre so, wie wenn Du auf dem Markt der Marktfrau sagen würdest: ich hätte gern 5kg Gemüse...oder beim Autohändler: ich hätte gern ein Auto mit vier Rädern... :-?
Bei einem operativen Patienten ist der Einsatz von aktiviertem Protein C eine relative Kontraindikation, ansonsten gilt es hier, sich mit den operativen Kollegen zu verständigen, ob aus deren Sicht eine solche Therapieoption in Frage käme...
Für den Fall des pulmonalen Versagens steht als last chance auch noch der Einbau einer ECMO im Raum - ob das Sinn macht, lässt sich anhand Deiner vagen Fallbeschreibung allerdings nicht sagen.
Prinzipiell ist eine Pneumonie als auch ein ARDS reversibel - vorausgesetzt, sie wird frühzeitig genug und effektiv behandelt.

Zum Thema: "Survival of the fittest" fällt mir allerdings in der Tat nur BILD-Niveau ein...

:-meinung

Hope that helps,

Hypnos

Evil
09.01.2009, 11:57
Hier muß ich übrigens evil widersprechen, es gibt keine aktuellen Daten, die die Mortalität in der Sepsis verbessern, wenn man eine Hämofiltration benutzt.
Sorry, ich hatte diesen Artikel (http://cjasn.asnjournals.org/cgi/content/full/1/5/915) im Hinterkopf, das bezog sich aber auf Dialyse bei Patienten im Nierenversagen. Demnach scheint der Zeitpunkt der Dialyse eine Rolle zu spielen, je länger man wartet, desto höher das Risiko.

Keenacat
09.01.2009, 12:41
Oder gilt hier wirklich nur "survival of the fittest"?
"fittest" bedeutet nicht etwa maximale körperliche fitness im sinne von kraft, gesundheit etc., sondern beste anpassung an die gegebenen lebensumstände. :-)) was das mit dem vorliegenden fall zu tun hat, frag ich mich ja wirklich. willst du andeuten, der bedauernswerte patient sei nicht optimal an seine derzeitigen lebensumstände angepasst und deshalb in diesem beklagenswerten zustand?
merke: keine ausdrücke verwenden, deren bedeutung einem unklar ist.
wiktionary - survival of the fittest (http://de.wiktionary.org/wiki/survival_of_the_fittest)

derAnda
09.01.2009, 12:53
Hat er schon Steroide? Selenase etc?


Was ist denn eigentlich gerade der aktuelle Konsens zu Steroiden in der Intensivmedizin ? Das letzte was mir geläufig wäre ist, dass sie zwar die Klinik (v.a. als ultima ratio bei ARDS) kurzfristig verbessern, aber keinen positiven Einfluß auf das Outcome haben. Oder ist's schon wieder um 180° anders ?

ehemalige Userin 24092013
09.01.2009, 15:24
@ Anda: nee das ist schon richtig so.
Und jetzt teilen sich die Vorlieben, es gibt Leute, die gebens sofort,
es gibt welche, die gebens nicht und begründen es mit Deiner Aussage und dann gibt es welche, die gebens vorerst nicht, setzen sie dann aber doch im Verlauf ("aus Verzweiflung"?) ein.

Ähnliches trifft auch für Selenase zu.

Gast26092018
09.01.2009, 18:46
Was soll die Formulierung mit "survival of the fittest"? Das paßt doch hier überhaupt nicht...
Sorry, ich hab nicht richtig nachgedacht als ich das geschrieben habe :-blush
Ich meinte damit das nur diejenigen mit einem starken Immunsystem überleben, dieser Patient von dem ich sprach ist ca. 70 Jahre alt, und von der Operation geschwächt.
Es gab auch Probleme mit der Ernährung des Patienten, er musste sich oftmals übergeben. Patient war zu Beginn ansprechbar, aber konnte nicht reden (zu starke Schmerzen, Schwäche und Beruhigungsmittel), nach der ersten Woche musste er immer wieder sediert werden. Um die Beatmung zu stabilisieren musste er in ein künstliches Koma versetzt werden (Sufenta 10ml/Min)

Anfangs ging der Entzündungswert runter(er wurde ja 1 Tag lang) extubiert und die Ärzte waren guter Hoffnung aber dann wurden die Errger vielleicht resistent und es wurde immer schlechter. Wird normalerweise vor so einer langen OP Antibiotikum verabreicht? Oder macht man das nicht?

Die Ärzte waren aber alle der Meinung das eine Nierenersatztherapie nichts bringen würde, da nur ein Symptom damit beseitigt werden würde. Chirurgisch war nichts zu machen.
Im CT der Lunge fand man auch viele Abszesse, also unwiederbringliches Lungengewebe.
Problem ist auch das die künstliche Beatmung die Lunge auch schaden zufügt :-?


Du schreibst was von 25mg Katecholamin...was bitte ist damit gemeint? :-nix Die Ärztin meinte es wäre eine mittlere Dosis, 25mg.

Es wurden einige Errger der Schleimhaut etc. identifiziert und anschließend wurde das Antibiotikum gewechselt, aber das hat auch nichts gebracht.

Genauere Details kenne ich nicht. Nach Statistiken sterben ca. 50% der Sepsis Patienten :-?

Danke für die Kommentare.

ehemalige Userin 24092013
09.01.2009, 19:05
Aber was für 25 mg?
Noradrenalin? Adrenalin? Dobutamin (wovon ich mal net hoffe, dass es nur das allein gibt)?.....

Ach ja und was genau tut man für die Lunge?
Ein AB allein tuts ja nicht?

Wieviel PEEP? VT? Wie oft wird inhaliert? Lagerungen? Bauchlage (wenn man auch darüber streiten kann, ob das das outcome am Ende wirklich bessert)? Rotorestbett?

Nochmal zur Hämofiltration: selbst wenns nur Symptome bekämpft. Es wäre sicher günstiger (unter anderem) den pH in einem normalen Bereich zu halten, als ständig Katecholamine zu erhöhen oder "kosmetische DauerNaBic - Gaben".
(Wobei 7,2 geht ja irgendiwe noch...;-))

Katecholamin
09.01.2009, 20:59
Ist ja auch so sinnvoll darüber hier eine Diskussion zu führen... bei einem so schwer kranken Patienten wird nicht nur ein Assistenzarzt auf der ICU draufgeschaut haben.

Man kann den Beiträgen hier ja auch durchaus entnehmen, dass ab einem bestimmten Grad die Medizin an ihre Grenzen stößt und ab diesem Moment die Behandlung auch mal von Haus zu Haus und Arzt zu Arzt abweichen kann.

Wenn du hier dann ungenaue Angaben zu laufenden Katecholaminen machst, eine Sufenta Sedierung? in den Raum schmeißt und weder Mibiergebnisse, noch eingesetzte ABs noch irgendwelche sonstigen Parameter oder Behandlungsversuche(Beatmungsparameter usw) nennen kannst, die vllt irgendjemand hier, der Ahnung davon hat, interpretieren kann...hm...

Weiß ja nicht um wen es geht und warum dich das Thema tangiert, aber sprich doch einfach mal mit den BEHANDELNDEN Ärzten.
Soll wirklich nicht böse gemeint sein, aber das ist irgendwie ein sehr sensibles Thema und da sehe ich den Sinn nicht, wenn jeder irgendwas in den Raum wirft ohne genau zu wissen, was mit diesem armen Menschen eigentlich genau los ist....

Gast26092018
09.01.2009, 21:46
Du hast schon Recht Katecholamin :-blush , es ist nur das ich einfach frustriert bin das die Medizin Grenzen hat und solchen Patienten nicht geholfen werden kann.
Ich habe auch keinerlei klinische Erfahrung um alles interpretieren zu können, ich denke aber das die Ärzte und Oberärzte ihr Bestes gegeben haben.

Danke für eure Beiträge!

Keenacat
09.01.2009, 22:45
es ist nur das ich einfach frustriert bin das die Medizin Grenzen hat und solchen Patienten nicht geholfen werden kann.
:-nix
gewöhn dich dran. der mensch ist ja per se sterblich und der körper nicht unendlich belastbar, da ändert auch die hochtechnisierteste medizin nichts dran. wenn man da jedes mal mit frustration reagiert, bekommt man schnell probleme.
im übrigen: was verstehst du unter hilfe? hilfe kann auch bedeuten, jemandem die letzten wochen oder tage so angenehm, angst- und schmerzfrei wie möglich zu machen und eventuell sogar gewisse behandlungen zu unterlassen, die nur noch eine belastung darstellen und deren voraussichtlicher gewinn minimal ist.
in einem fall wie dem beschriebenen (todkranker patient in miserablem az) sollte man sich wirklich auch mal gedanken darüber machen, ob es was bringt bzw vertretbar ist, mit maximal möglicher intervention drauf zu hauen. jemand mit metastasiertem magenkrebs hat seine wünsche ja evtl. auch schonmal schriftlich oder mündlich bei freunden/verwandten niedergelegt.

ehemalige Userin 24092013
10.01.2009, 00:38
Du hast schon Recht Katecholamin :-blush , es ist nur das ich einfach frustriert bin das die Medizin Grenzen hat und solchen Patienten nicht geholfen werden kann.



Gott sei Dank auch!
Der Anblick von Patienten, die bis an die Grenze und drüber hinaus gebracht werden (vor allem Sepsispatienten) kann bisweilen doch ehr grauenhaft sein. (35 Liter kum. Plusbilanzen etc....)

Am Besten man betrachtet den "Misserfolg" in der Medizin dann wieder als "natürliche" Auslese :-nix

Katecholamin
10.01.2009, 11:21
Ich empfinde es in so einem Fall dann auch immer wieder so, dass der Gott in Weiß auf einmal ganz klein wird und auf einer Stufe steht mit den Angehörigen, dem Pflegepersonal und irgendwie allen Menschen und all dieses Piepsen, alle 40 Perfusorschienen, die ratternde ECMO, die pausenlos dichtgehende CVVH.... an Bedeutung verliert und man sich halt gemeinsam eingestehen muss, dass man einen gewissen Punkt überschritten hat, ab dem man halt nichts mehr machen kann außer beten für Gläubige und Abwarten für die Atheisten, die in so einem Moment manchmal auch die Hände zum Gebet falten.

derAnda
10.01.2009, 14:14
Ich empfinde es in so einem Fall dann auch immer wieder so, dass der Gott in Weiß auf einmal ganz klein wird und auf einer Stufe steht mit den Angehörigen, dem Pflegepersonal und irgendwie allen Menschen und all dieses Piepsen, alle 40 Perfusorschienen, die ratternde ECMO, die pausenlos dichtgehende CVVH.... an Bedeutung verliert und man sich halt gemeinsam eingestehen muss, dass man einen gewissen Punkt überschritten hat, ab dem man halt nichts mehr machen kann außer beten für Gläubige und Abwarten für die Atheisten, die in so einem Moment manchmal auch die Hände zum Gebet falten.

Ich finde das Schwierigste an der Intensivmedizin sind nicht die Situationen in denen man machtlos ist, sondern die in denen man noch vieles machen könnte. In ersterem Fall ist man ja fast der Verantwortung entbunden, aber wenn man dann entscheiden muss bei welcher Grunderkrankung und mit welcher zu erwartenden Defektheilung Therapie noch Sinn macht, dann wird's knackig.

DanielOliver
10.01.2009, 16:01
Du hast schon Recht Katecholamin :-blush , es ist nur das ich einfach frustriert bin das die Medizin Grenzen hat und solchen Patienten nicht geholfen werden kann.


Handelt es sich um einen Angehörigen von dir? Vor dem Hintergrund könnte ich deine Reaktion verstehen, auch wenn man sich mal fragen sollte ob eine weitere Therapieausweitung wirklich im Patientensinne wäre oder nur, durchaus nachvollziehbare, Bedürfnisse der Angehörigen befriedigen würde.

Falls nicht solltest du deine Einstellung einmal in aller Ruhe überdenken wenn du in diesem Beruf lange überleben möchtest.

Wenn es dich schon frustriert dass ein 70-jähriger, an einem nicht kurativ behandelbaren Malignom erkrankter Patient in der Multiorgandysfunktion denn gant normalen Weg alles Irdischen geht und man dass auch nicht noch ein par Tage rauszögert, wie willst du dann mit den echten Katastrophen umgehen, mit denen einen die Intensivmedizin jeden Tag konfrontiert?

Das klingt jetzt vieleicht hart für dich, aber wem es nicht gelingt Medizin ohne Allmachtsfantasien zu betreiben der wird früher oder später an seinem eigenen Anspruch kaputt gehen. :-meinung

Evil
10.01.2009, 16:10
Uh-oh, noch ein leidenschaftsloser Mediziner... sag das bloß nicht in anderen Forenbereichen, sonst wirst Du exorziert :-))