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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Was tun wenn unter Beschuss von Vorgesetzten?



Fino
18.01.2009, 21:38
Folgende Situation (so passiert vor mehr als einem Jahr):
Kind kommt in die Notaufnahme mit Tonsillitis und nach Anamnese und Untersuchung kam ich zur Verdachtsdiagnose "Mononucleose". Mein Registrar (mein direkter Vorgesetzter, sowas wie ein Altassi) bat mich, Amoxicillin zu verschreiben. Ich dachte, der muss etwas falsch verstanden haben und wiederholte "Mononukleose - da soll man doch nicht Amoxicillin geben, sondern z.B. Penicillin - es koennte ja zu einem Hautausschlag kommen." Er verwarf jedoch meine Einwand und das Kind bekam Amoxicillin (ich dokumentierte allerdings, dass das eine Anweisung des Altassis war).

Es kam, wie es kommen musste: das Kind bekam einen "praechtigen" Hautausschlag. Als dies bei der Uebergabe zur Sprache kam, meinte einer der Chefs - eindeutig davon ausgehend, dass diese Fehlentscheidung auf meinem Mist gewachsen sei - in belehrendem Ton , dass man bei Tonsillitis aus genau diesem Grunde kein Amoxicillin geben solle und aus diesem Fehler gelernt werden sollte.
Der Altassi, auf dessen Mist das ganze gewachsen war, sass in der Uebergabe und sagte keinen Ton, natuerlich auch nicht , dass ER ausdruecklich dieses AB angewiesen hatte.
Ich traute mich nicht, in der Uebergabe zu sagen, dass ich ja Penicillin hatte geben wollen, der Altassi jedoch trotz expliziten Hinweises auf das Risiko eines Exanthems, und zwar aus zwei Gruenden:
1. ich hatte das Gefuehl, einen Kollgen blosszustellen
2. ich hatte die Sorge, dass er in Zukunft versucht sein koennte, mir das Leben schwer zu machen

Warum ich das jetzt erzaehle?
Wir hatten gerade Uebergabe. Ich kuemmerte mich um die Saeglingsstation, als meine Altassi auftauchte und wissen wollte, ob sie eines der Babies sich anschauen sollte. Ich war beschaeftigt und sagte "nein, danke da gibt es niemanden".
Leider fiel mir dann bei der Uebergabe ein, dass ich sie eigentlich haette bitten sollen, sich ein bestimmtes Baby anzuschauen - ich selbst hatte es zeitlich nicht geschafft (dem Baby ging es gut)
Vor versammelter Mannschaft, schnauzte sie mich an, sie habe doch gerade vor einer Stunde noch gefragt, ob es da jemanden fuer sie gebe und nun muesse das Nachtteam sich dieses Kind anschauen.

Ja, das war mein Fehler und sicher keine Absicht, aber ich war doch wuetend und dachte an einige Faelle aus der Vergangenheit, bei denen ich sehr wohl einen Grund geahbt haette, Kollegen in der Uebergabe anzuschnauzen, es aber brav hatte sein lassen - so wie beim obigen Beispiel.

Wie handhabt Ihr solche Sitautionen

- wenn Euch die Verantwortung von einem Vorgesetzten in die Schuhe geschoben wird?

- wenn Ihr bei der Uebergabe unter Beschuss geratet, weil Ihr wirklich etwas falsch gemacht habt, und sei es auch eine Kleinigkeit?

John Silver
18.01.2009, 22:50
Wenn ich bei der Übergabe mal wieder einen Ansch** kassiere, und es wirklich meine Schuld ist, dann mache ich ummißverständlich klar, daß ich meinen Fehler einsehe und ihn nicht mehr wiederholen werde; gleichzeitig aber bringe ich deutlich zum Ausdruck, daß ich kein Schulbub bin, und man mich nicht anzuschnauzen habe, selbst wenn ich einen Fehler mache. Das irritiert zwar viele Oberärzte, weil sie es gewohnt waren, selbst alles unwidersprochen einzustecken, und jetzt unwidersprochen austeilen wollen; nach einiger Zeit zeigt es aber Wirkung. Man muß dabei absolut sachlich bleiben und sich nicht zu einer emotionalen Streiterei hinreißen lassen.

Wenn ein Vorgesetzter mir eine Anweisung gibt, die sich als falsch herausstellt, habe ich kein Problem damit, diese Person "bloßzustellen". Natürlich gebe ich dieser Person zuerst eine Chance, die Sache von sich aus zu klären; wenn das nicht erfolgt, dann sage ich: "Herr/Frau XYZ hat mich angewiesen, dieses oder jenes zu tun bzw. zu unterlassen". Wenn die betreffende Person bereit ist, mich für ihren Fehler auflaufen zu lassen, sehe ich keinen Grund, diese Person zu schützen und eine Rüge anstatt ebendieser Person zu kassieren. Ein guter Vorgesetzter läßt einen Untergebenen niemals für seine, des Vorgesetzten, Fehler büßen.

Ehemaliger User 05022011
18.01.2009, 23:19
Wenn ich bei der Übergabe mal wieder einen Ansch** kassiere, und es wirklich meine Schuld ist, dann mache ich ummißverständlich klar, daß ich meinen Fehler einsehe und ihn nicht mehr wiederholen werde; gleichzeitig aber bringe ich deutlich zum Ausdruck, daß ich kein Schulbub bin, und man mich nicht anzuschnauzen habe, selbst wenn ich einen Fehler mache. Das irritiert zwar viele Oberärzte, weil sie es gewohnt waren, selbst alles unwidersprochen einzustecken, und jetzt unwidersprochen austeilen wollen; nach einiger Zeit zeigt es aber Wirkung. Man muß dabei absolut sachlich bleiben und sich nicht zu einer emotionalen Streiterei hinreißen lassen.

Wenn ein Vorgesetzter mir eine Anweisung gibt, die sich als falsch herausstellt, habe ich kein Problem damit, diese Person "bloßzustellen". Natürlich gebe ich dieser Person zuerst eine Chance, die Sache von sich aus zu klären; wenn das nicht erfolgt, dann sage ich: "Herr/Frau XYZ hat mich angewiesen, dieses oder jenes zu tun bzw. zu unterlassen". Wenn die betreffende Person bereit ist, mich für ihren Fehler auflaufen zu lassen, sehe ich keinen Grund, diese Person zu schützen und eine Rüge anstatt ebendieser Person zu kassieren. Ein guter Vorgesetzter läßt einen Untergebenen niemals für seine, des Vorgesetzten, Fehler büßen.


gefällt mir gut, deine Haltung - hoffe, dass ich das später auch so suverän hinbekommen

Feuerblick
19.01.2009, 05:44
Wenn ein Vorgesetzter mir eine Anweisung gibt, die sich als falsch herausstellt, habe ich kein Problem damit, diese Person "bloßzustellen". Natürlich gebe ich dieser Person zuerst eine Chance, die Sache von sich aus zu klären; wenn das nicht erfolgt, dann sage ich: "Herr/Frau XYZ hat mich angewiesen, dieses oder jenes zu tun bzw. zu unterlassen". Wenn die betreffende Person bereit ist, mich für ihren Fehler auflaufen zu lassen, sehe ich keinen Grund, diese Person zu schützen und eine Rüge anstatt ebendieser Person zu kassieren. Ein guter Vorgesetzter läßt einen Untergebenen niemals für seine, des Vorgesetzten, Fehler büßen.Genau dem kann ich zustimmen. Wenn vom Vorgesetzten kein Wort kommt, dann kommt das Wort von mir. Denn Rüffel einstecken, für die ich nicht verantwortlich bin, für Anweisungen, von denen ich wusste, dass sie nicht in Ordnung waren würde ich niemals die Verantwortung übernehmen. Du stehst nur selbst im schlechten Licht da ("Die wusste so etwas Einfaches nicht") und das muss ja nun nicht sein :-nix

Pünktchen
19.01.2009, 09:00
Wenn aus irgendwelchen Gründen Therapien und Diagnostik in Frage gestellt werden und ich als verantwortlicher Arzt vorher mit meinem Facharzt darüber gesprochen habe, dann sage ich immer, das dies nach Rücksprache mit dem und dem geschah...hab da null Problem...solche Dinge notiere ich auch in den Anweisungen,wenn es um diskutierbare Themen geht...sicher ist sicher, denn wenn in 10Jahren sich jemand die Patientenakte ansieht, dann kannst du nicht nachweisen, daß es gegen deine Überzeugung war oder das die Überdosierung auf Anordnung von oben geschah, wenn es nirgendwo steht...

Muriel
19.01.2009, 16:53
Sag mal Fino, ganz abgesehen davon, dass ich den Vorrednern zustimme, mal eine andere Frage: Würdest Du in Deutschland genauso handeln, also eher was einstecken als Dinge klarzustellen, bei denen Du zu Unrecht einen Tadel erhalten hast? Oder resultiert das Schweigen auch aus Deinem Ausländerstatus? Ich weiß einfach nicht, inwiefern es für eine(n) Deutschen schwierig ist, in England zu arbeiten, auch wenn es natürlich wie immer und überall nicht verallgemeinert werden kann.

pieks
19.01.2009, 17:21
Hi Fino,

ganz so einfach sehe ich das nicht .. obwohl natürlich einiges dafür spricht "sich zu wehren" (wie meine Vor"redner" geschrieben haben ).....

Solche Situationen, die Du da geschildert hast kommen im Klinikalltag leider relativ häufig vor....

Handelt es sich in Deiner Klinik um "Einzelsituationen" oder besteht im gesamten Team eine solche "Kommunikationsstörung"?
Hast Du das Gefühl, Dir gegenüber kämen solche Reaktionen gehäuft vor (im Vergleich zum Verhalten anderen Kollegen gegenüber)? ...

Sollte es sich um eine grundsätzliche Art in dieser Abteilung handeln mit "Fehlern" umzugehen, ist das nicht gerade das, was man "positive Fehlerkultur" nennt, ist aber anders zu bewerten, als wenn man "nur" mit Dir so "verfährt".

Zu Fall 1: Deine Sorge
1. einen Kollegen blosszustellen
2. dass er in Zukunft versucht sein koennte, mir das Leben schwer zu machen
war/ist nicht ganz unbegründet. Hättest Du ihn "blossgestellt", hättest Du "Gleiches mit Gleichem" vergolten ... und es hätte sein können, dass er danach bei Dir "nach Fehlern sucht" u./o. Dich verstärkt "auflaufen" lässt...

Hat derjenige eventuell einen "schlechten Stand" beim Chef?

Ich persönlich hätte den "Vorgesetzten" - der sich in der Übergabe nicht "geoutet" hat - nach der Besprechung (unter 4 Augen) angesprochen und ihm (mit dem Hinweis auf Deine entsprechende schriftliche Dokumentation) darauf hingewiesen, dass Du erwartest hättest, dass er zumindest dem Chef gegenüber seine "Beteiligung" in diesem Fall hätte klarstellen müssen (und dieses auch jetzt nachholt) und dass er sich in einer zukünftigen, entsprechenden Situation "hinter Dich stellt".

Je nach seiner Reaktion hätte ich ihm dann auch klargemacht, dass Du in zukunft dann selbst so etwas (gegenüber dem Chef und/oder ggf. auch Coram publicum) klarstellen würdest ...

Etwas verwunderlich und "ungeschickt" ist auch die Reaktion des Chefs, der Dich eigentlich hätte unter 4 Augen ansprechen/fragen hätte müssen, wie es zu dieser "Fehlentscheidung" kam ...

Zu Fall 2:
Das ist echt eine Kleinigkeit.. sowas kann man ja mal vergessen.
Aber die Reaktion der Kollegin zeigt, dass in Eurer Abteilung grundsätzlich ein gewisses Kommunikationsproblem zu bestehen scheint.
Vielleicht hättest Du die Kollegin nach der Besprechung kurz Beseite nehmen sollen und ihr "beichten", dass Du´s einfach vergessen hattest ...

Gegen "Einstecken" solcher Unverschämtheiten von Vorgesetzten spricht - zumindest wenn solche Situationen mehr als 1x auftreten - dass man recht schnell zum "Sündenbock" werden kann und einem tatsächlich Unfähigkeit unterstellt wird, wenn man sich nicht wehrt und die Tatsachen klarstellt.


Gruß pieks

Evil
19.01.2009, 18:52
Grundsätzlich sehe ich das genauso wie der Schatzinselpirat. Dazu muß man aber sagen, daß man da schon ein gewisses "dickes Fell" braucht, um das so durchzuziehen, das ist gerade für Anfänger schwer.


Ein guter Vorgesetzter läßt einen Untergebenen niemals für seine, des Vorgesetzten, Fehler büßen.Ich hab ja schon mitlerweile in einigen Kliniken gearbeitet, aber DAS ist leider die Ausnahme. Abgesehen von meiner jetzigen Klinik (die ich mir u.a. auch deshalb ausgesucht hab) hab ich das immer nur bei Einzelpersonen gefunden.

Von mir aus schnauze ich niemanden an, das ist primitiv. Aber wenn mir einer blöd kommt, kann er was erleben.

John Silver
19.01.2009, 19:59
Naja, es ist einfach so, daß sehr viele Oberärzte schlechte Vorgesetzte sind, das ist leider wahr. Es besteht eine Kultur des Nach-Unten-Tretens. Und viele, die sich als Assistenten darüber aufregen, werden später als Oberärzte genauso handeln. Geschlagene Kinder werden zu schlagenden Eltern, mit seltenen Ausnahmen, weil sie gar keine anderen Strategien zur Bewältigung irgendwelcher Konflikte und Streßsituationen kennenlernen.

Es ist grundsätzlich sehr schwierig, den Leuten die Stirn zu bieten. Und es erfordert jede Menge Eier. Ich habe immer ein ziemlich ungutes Gefühl, wenn ich mich gegen unfaire Angriffe wehre, weil ich weiß, daß ich am kürzeren Hebel sitze. Dennoch ziehe ich meinen Stiefel durch, denn so und nur so kann man sich wirklich behaupten - sonst schluckt man jeden Tag eine Menge verbaler Kröten. Gef*ckt werden vor allem die, die es zulassen.

Fino
21.01.2009, 11:48
Sag mal Fino, ganz abgesehen davon, dass ich den Vorrednern zustimme, mal eine andere Frage: Würdest Du in Deutschland genauso handeln, also eher was einstecken als Dinge klarzustellen, bei denen Du zu Unrecht einen Tadel erhalten hast? Oder resultiert das Schweigen auch aus Deinem Ausländerstatus? Ich weiß einfach nicht, inwiefern es für eine(n) Deutschen schwierig ist, in England zu arbeiten, auch wenn es natürlich wie immer und überall nicht verallgemeinert werden kann.

eine kulturelle Komponente ist da sehr wohl mit im Spiel. Ich erzaehle Euch jetzt ein anderes Beipspiel, am Sonntag geschehen:

ich werde zur Geburt gerufen, weil frischer Mekoniumabgang bemerkt wird, was als potentielles Zeichen gilt, dass es dem Kind sehr schlecht geht. Das Gyn-Team ging dazu ueber, dieses Kind so schnell wie moeglich "herauszuholen". Der Gyn-Registrar griff zur Saugglocke und zog wie bloed, aber das Kind kam nicht. Nachdem er das eine Weile versucht hatte, griff er zur Zange. Nach einigem Ziehen gelang es ihm endlich, wenigstens den Kopf des Kindes herauszuholen und in dieser Position blieb das Kind "stecken".
Es gelang ihm trotz diverser Manoever nicht, das Kind komplett herauszuentwickeln - die Schulter klemmte: Schulterdystokie!
Er rief sofort nach seiner Consultant und ich zeitgleich nach meiner Registrar, da ich davon ausgehen musste, dass dieses Kind nach der Geburt mehr brauchen wuerde als etwas Abtrocknen und Sauerstoff.
Der Consultant Gynie gelang es auch, das Kind schnell herauszuholen. Das Baby kraechzte nur ganz kurz und schwach. Es war voellig schlaff und hatte nicht die typische blaeuliche Hautfarbe, sondern war weiss(!!) - das was man hierzulande als "flat baby" bezeichnet.
Ich nahm das Kind an mich, trocknete es ab, legte es auf das Resuscitaire. Es lag nur reglos da. Ich gab IPPV - ohne sonderlichen Erfolg. Okay - absaugen. Ich guckte mir mit dem Laryngoskop die Stimmbaender an, wo Fluessigkeit und etwas Mekonium zu sehen waren. Da saugte ich dann mit einem Yankauer ab. In diesem Moment kam meine Registrar und uebernahm. IPPV war jetzt erfolgreich, das Kind fing an zu atmen und war auch nicht mehr schlaff. Hautfarbe wurde rosa.
Nach ca. 5 Stunden Ueberwachung auf der NICU ging das Kind auf die normale Postnatal ward zu seiner Mutter, weil es ihm gut ging.

Gegen Ende der Schicht wollte meine Registrar von mir genau wissen, was ich genau getan haette, und ich erzehlte ihr den Vorgang wie Euch oben bereits beschrieben. Da unterstellte sie mir, ich haette sie erst gerufen, als das Kind schon ganz draussen war und in miserablem Zustand. "Du haettest mich in dem Moment rufen muessen, als der Gyn Reg schon seine Consultant riefen liess, weil es solche Probleme gab". Ich sagte ihr ganz klar, dass ich sie zu genau dem Zeitpunkt riefen liess, als der Gyn-Assi seinerseits um Hilfe bat, doch sie behauptete stur weiter, nein das haette ich nicht getan (woher will sie ueberhaupt wissen, wann ich sie rufen liess - sie war doch gar nicht im Geburtsraum?)
Der einzige Fehler, den ich gemacht habe, war der, das Kind zu stimulieren. Ich haette es nicht stimulieren sollen, denn die Stimulation erhoeht die Gefahr, dass das Kind das Mekonium beim Schreien erst recht in die Lungen bekommt.

Am Montag dann kam sie auf mich zu und sagte "Das Gyn-Team will dich im OP. Sie haben dich mehrfach angefunkt, aber du hast nicht geantwortet." Ich war erstaunt - mein Funk war kein einziges Mal losgegangen. Sie hielt mir daraufhin einen Pieper hin "das hier ist dein Pieper, du hast ihn liegenlassen" ich holte meinen Pieper (der sog. crash bleep) aus meiner Tasche und sagt "Nein, dies hier ist der Pieper, ich weiss nicht, woher dieser andere kommt, aber er ist nicht der crash bleep" Sie blieb bei ihrer Behauptung, und ich konnte nicht weiter mit ihr diskutieren, weil ich ja in den OP zur Sectio musste.

Im Gespraech mit den Gynnies konnte dann Klarheit geschaffen werden - der aufgetauchte Pieper gehoerte mir nicht, sondern einem der Gyn Assis. Die Hebammen hatten das Ding rumliegen sehen und ganz scharf geschlossen, dass das der Pieper des neoanatal SHOs sein muesse - sie hatten uebrigens nicht mich auf dem crash bleep angefunkt, sondern den gyn Pieper... :-wand

Kurze Zeit spaeter kam einer unserer Neonatologie consultants zu mir "Can I have a word with you?"
Als wir dann allein waren, meinte er:"There have been concerns expressed about your resuscitation over the weekend. Your supervisor has asked me to tell you that for the time being you are not to go to resuscitations on your own any more. If you are called you have take a registrar with you. When Jonathan (mein Betreuer) is back tomorrow he will talk to you in detail."

Da bin ich ausgerastet und bin auf der Stelle nach Hause gegangen. Der Consultant war ziemlich erschrocken wegen meiner Reaktion und versuchte mich zu beruhigen, aber ich wollte nichts hoeren und bat ihn, mich allein zu lassen. Gestern bin ich aus schierer Wut nicht zur Arbeit und bin zu Hause geblieben.
Ich habe das zwei deutschen Kollegen erzaehlt, von denen einer selber Consultant in der Neonatologie ist
und er meinte:" Du hast richtig gehandelt - du hast rechtzeitig um Hilfe gebeten und du hast das Kind abgesaugt. Ich find diese Massnahme zu hart und voellig ueberzogen. Es gibt noch nicht einmal klare Evidenz, dass Absaugen und nicht-Stimulieren ueberhaupt helfen, eine Mekoniumaspiration zu verhindern. Intubieren und Absaugen bringen wir deshalb im NLS nicht mehr bei."
Es sieht uebrigens auch so aus, als ob die Gyn Consultant sich darueber beschwert haette, dass ich das Kind nicht intubiert haette...

Da sitze ich nun im Mekonium, darf nicht zu Resuscitations...
Mich kotzt nicht nur das hinterfotzige Verhalten dieser Reg an, sondern auch, dass mein Betreuer es noch nicht einmal fuer noetig hielt, mich in einem persoenlichen Gespraech ueber diese Massnahme zu informieren, geschweige denn nach meiner Sicht der Dinge zu fragen.

Nun zum kulturellen Unterschied:
wenn ich jetzt meinen Standpunkt verteidige, wird mir mangelnde Einsicht und Selbstreflexion unterstellt. "Reflective practice" wird hier landauf landab gepredigt, wir muessen in unseren Portfolios nachweisen, dass wir das regelmaessig tun. Jegliches "moment mal, so war das nicht" wird schief angesehen und es wird einem ganz schnell mangelnde Einsicht unterstellt/vorgeworfen. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass meine britischen Kollegen sich eher zur Wehr setzen koennen als ich. Das liegt nicht an mangelnden Sprachkenntnissen, sondern daran, dass sie die ungeschriebenen Gesetze besser kennen.
Es ist hier uebrigens ueblich, bei einem Problem mit einem Kollegen nicht etwa das Gespraech mit ihm zu suchen, sondern hinter seinem Ruecken gleich zum Chef zu rennen.
Ich finde das unkollegial und rede mit den Leuten, aber in letzter Zeit denke ich immer oefter "warum sollte ich, wenn sie mir jedes Mal in den Ruecken fallen? :-nix

Fino
21.01.2009, 12:15
sicher ist sicher, denn wenn in 10Jahren sich jemand die Patientenakte ansieht, dann kannst du nicht nachweisen, daß es gegen deine Überzeugung war oder das die Überdosierung auf Anordnung von oben geschah, wenn es nirgendwo steht...
Ich hatte genau in der Akte dokumentiert, von welchem Altassi diese Schwachsinnsanweisung kam..

Evil
21.01.2009, 13:47
Es ist hier uebrigne ueblich, nicht etwa bei einem Problem mit einem Kollegen, das Gespraech mit ihm zu suchen, sndern hinter seinem Ruecken gleich zum Chef zu rennen.
Ich finde das unkollegial und rede mit den Leuten, aber in letzter Zeit denke ich immer ofter "warum sollte ich, wenn sie mir jedes Mal in den Ruecken fallen? :-nix
Nun ja, paß Dich halt an. Wer eine Auseinandersetzung anfängt, wählt die Waffen...

pieks
21.01.2009, 17:09
Hi Fino,

was Du da vom WE erzählt hast ist echt hart ....

Möchtest Du wirklich dort weiterarbeiten?
Nur mal so in den Raum geworfen .....
Die Frage ist, ob die Situation schon "zu verfahren" ist, um sie noch in ein "anderes Fahrwasser" zu bringen ....

Gibt es einen Grund, warum Du in England und nicht in Deutschland arbeitest

Du bist im 3. WBJ Pädiatrie - oder habe ich da was falsch verstanden ....

Damit hättest Du sicherlich die Möglichkeit eine andere Stelle zu finden?

Gruß pieks

Kackbratze
21.01.2009, 17:42
Bisher bin ich immer direkt gewesen, wenn es zu solchen Diskussionen kam, d.h. entweder war es mein Fehler, dann ist es meine Aufgabe daraus zu lernen, oder es war eine Anordnung die so nicht korrekt war. Allerdings war bisher die Situation so, dass das schnell und direkt im persönlichen Gespräch zu klären war (selbst mit dem Chef).
Es gab bisher 2 Situationen, wo mich Anordnungen von Vorgesetzten "in die Breduille" hätte bringen können, allerdings war da dann die Dokumentation und auch die Vorstellung des Falles immer so von mir durchgeführt worden, dass es auf den Anordnenden zurückgefallen ist.

Ich bin was "Schuld" anbetrifft relativ indolent und habe kein Problem solche "Mißstände" dann offen anzusprechen.
Allerdings ist es bei uns auch so, dass solche Sachen offen mit den OAs besprochen werden können (unter 4 Augen).

Coram publico ist das immer ein Tanz auf dem Drahtseil, aber manchmal muss man eben den Weg gehen. Man muss sich nur sicher sein, dass der eigene Weg der korrekte ist!

Was "hinterfotziges Verhalten" von Kollegen anbetrifft, wenn es wirklich soweit kommen würde wie bei Fino wäre das für mich ein Grund die Klinik zu wechseln.
Zwischen "Probleme auf professioneller Ebene" und schlichter "Verar$chung" liegt zwar manchmal nur eine dünne Linie, aber die dürfte man bei mir nicht überschreiten.
Erst wird zurückgetreten und danach werden endgültig die Konsequenzen gezogen. Bevor ich mir ein Magengeschwür auf Grund meiner Arbeit hole, hole ich mir lieber eine neue Stelle! :-meinung

Fino
21.01.2009, 18:12
Du bist als Assi in einem WeiterbildungsPROGRAMM, das aus mehreren Stellen besteht. Diese Stelle ist in ca. 5 Wochen sowieso vorbei. Aber mit Deppen muss man ueberall rechnen, entkommen kann man ihnen nicht, da muss ich eher lernen, mich gekonnt zur Wehr zu setzen. Wenn es hier ueblich ist, sich bei den Vorgesetzten direkt zu beschweren, so werde ich das ueber diese Zieg vom WE auch tun. Ich denke, manche Leute kommen erst dann zur Besinnung, wenn ihnen der Chef mit einer Ruege ankommt, da spar ich mir jegliches Gespraech unter "Kollegen".
Eigentlich ist mein Betreuer ein vernuenftiger Mensch. Auf eine wuetnede email von mir hat er erschrocken reagiert und meinte er habe nach denn Beschwerden, die eingegangen seien sowohl zum Schutz der Patienten als zu meinem eigenen Schutz mich zunaechst "sperren" muessen. Morgen setzen wir uns dann hin und besprechen das ganze. Ich habe auch klargemacht, dass ich noch bevor diese Resus-Angelegenheit derart hochkochte, mit ihm reden wollte, weil es da einige Vorfaelle gegeben hat, ich aber die Art und Weise, wie er mit der ganzen Situation umgegangen ist und mit mir kommuniziert hat (naemlich gar nicht) voellig daneben finde und erst das Gepraech mit meiner Mentorin suchen will, bevor ich auch nur daran denke, mich ihm anzuvertrauen. Diese Ankuendingung scheint ihm an die Nieren gegangen zu sein und er fragte( klang fast schon verzweifelt,)was er denn getan habe, dass ich mich ihm gegenueber nicht oeffnen wolle.

Esgibt hier schon Wege und Mittel selbst seinem Chef einzuheizen. Anders als in D. untersteht er Teilnehmer eines Ausbildungsprogramms unter der Aufsicht einer sog. Deanery, an die man sich wenden kann, wenn das Problem aus dem Ruder laeuft.
Zunaechst aber rede ich mit meiner Mentorin (einfach um die Vorgehensweise abzuklaeren) und dann werden ich ihm einige Themen auftischen. Vermutlich wird meine Mentorin auch mit dabeisein, wenn ich drum bitte - und ich werde sie bitten.
Das Problem ist, wenn du als Auslaender einfach nicht so recht die Tricks und Kniffe im "Gewerbe" kennst, dass man leichter zur Zielscheibe von gewissen Leuten wird.

@John Silver:
Eier habe ich zwar keine, aber es waere nicht das Erste Mal, dass ich einem Vorgesetzten auf eine sehr deutsche, deutliche Art die Meinung sage :-meinung

//stefan
21.01.2009, 19:08
@John Silver:
Eier habe ich zwar keine, aber es waere nicht das Erste Mal, dass ich einem Vorgesetzten auf eine sehr deutsche, deutliche Art die Meinung sage :-meinung

Der Berühmte Effenberg´sche Finger? :-D

John Silver
21.01.2009, 19:15
"Eier" sind nicht wörtlich zu verstehen :-))

Wenn es Dich tröstet, kann ich Dir versichern, daß in Deutschland viele Leute genauso hinterf*tzig sind, und viele Vorgesetzte genauso schei**e drauf.