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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Warum haben manifeste Diabetiker keine Glucosurie mehr?



CYP21B
09.02.2009, 16:15
Warum haben manifeste Diabetiker keine Glucosurie mehr? Das soll mein Physioprüfer laut Altprotokol gefragt haben.

Aber entweder stehe ich gerade auf dem Schlauch oder keine Ahnung. Glucosurie gibt es meines Wissens dann, wenn die Glucosekonzentration die 180mg/dl, bzw. 10mmol/l überschreitet und damit wiederum die Nierenschwelle überschritten wird.

Nur wieso soll dass irgendwann nicht mehr der Fall sein? Solange es keine Therapie gibt bleibt der Blutzucker doch oben und somit bleibt es doch auch bei der Glucosurie?

Würde mich sehr freuen, wenn mir jemand helfen könnte :)

tonexxx
09.02.2009, 17:00
Klingt für mich nach einer Fangfrage, die du dir korrekt beantwortet hast. Schon die Übersetzung von "Diabetes mellitus" genügt dazu eigentlich...

CYP21B
09.02.2009, 17:09
Danke für die Antwort.

Beruhigt mich dann schon, wenn ich nicht völlig daneben lag :-stud

Toast
09.02.2009, 18:11
Wenn im Laufe des Diabetes eine Nephropathie eingetreten ist steigt auch die Nierenschwelle an.
Deswegen kann es also schon sein, dass bei erhöhten Blut-Glucosewerten (sofern sie nicht massiv erhöht sind) keine Glucosurie mehr vorliegt.

Flemingulus
09.02.2009, 18:12
Die Frage ist von einer gewissen praktischen Ignoranz gekennzeichnet, aber keine Fangfrage.

Selbstverständlich bleibt ein großer Teil der (schlecht eingestellten) Diabetiker auch im Laufe des Krankheitsprogresses glucosurisch bis er schließlich anurisch geworden ist. Die Frage zu stellen "Warum haben manifeste Diabetiker keine Glucosurie mehr?" ist also schlicht Unsinn. (abgesehen davon ist der Nachweis Glucose im Urin - sei es gustatorisch, sei es per Teststreifchen - ein reichlich vorgestriges Instrument zur Diabetes-Überwachung, -Diagnostik usw.)

Andererseits steckt schon ein wahrer Kern in der Frage drin:

Es gibt drei Gründe, warum im Urin nennenswert Glucose auftauchen kann: viel Glucose im Blut (bei Diabetes oder direkt nach einer KH-reichen Mahlzeit), viel Glucose im Primärfiltrat, weil die Glomerulummembran durchlässiger ist oder weil einfach viel Primärharn abgepresst wird (bei Schwangerschaft, Hyperthyreose, Phäochromozytom) oder weil wenig Glucose aus dem Tubulus-System reabsorbiert wird (bei Tubuluopathie, bei SEHR fortgeschrittener Nierenschädigung, bei (harmloser) angeborener Störung der Glucosetransporter in den Tubuli).

Und die Parameter Glucosemenge im Blut, Glucosefiltration in den Primärharn und Reabsorption im Tubulussystem kann man jetzt natürlich schön mit einander permutieren. Also: ein Diabetiker mit glomerulärer Schädigung aber noch gut funktionierenden Tubuli kann jetzt durchaus trotz BZ-Werten > 200 mg/dL noch einen blanden Teststreifenbefund haben, weil trotz hohem Angebot im Blut einfach zu wenig Glucose durch die angeknacksten Glomeruli filtriert wird, um die Rück-absorptionsfähigkeit der Tubuli zu überforden. Aus dem Grund steigt z. B. auch im Alter die Nierenschwelle für eine Glucosurie.

Also praktisches Fazit: Nicht jeder ältere Patient ohne Zucker im Urin hat KEINEN Diabetes, nicht jede Schwangere mit Zucker im Urin hat Diabetes und überhaupt ist jeder Glucose-Nachweis im Urin mal eher nicht so wirklich wegweisend für irgendwas (aber dafür schön billig... auch wenn mans mit Teststreifchen macht).

EDIT: mein Vorredner zeichnet sich ohne Frage durch eine geringfügig höhere Prägnanz aus... :-D Mir ging es aber im Zuge einer gewissen Weitscheifigkeit meiner Ausführlichkeiten auch darum, dieses Thema ERSCHÖPFEND zu behandeln. :-)) :-angel

Feuerblick
09.02.2009, 18:18
Mir ging es aber im Zuge einer gewissen Weitscheifigkeit meiner Ausführlichkeiten auch darum, dieses Thema ERSCHÖPFEND zu behandeln. :-)) :-angelNa super, nun bin ich ERSCHÖPFT! :-nix

//stefan
09.02.2009, 18:30
Und ich froh, das solche Dinge auch für einen Nichtstudenten nachvollziehbar gemacht werden.

Applaus @ Flemingulus ! :-party

CYP21B
09.02.2009, 18:39
Das mit dem Anstieg der Nierenschwelle wusste ich nicht. Aber ist ja eigentlich auch noch mit Vorklinikwissen erklärbar, wenn man die Physiologie der Niere im Hinterkopf hat.

Dankeschön für die ausführlichen Antworten. Hat mir sehr geholfen :-)

Flemingulus
09.02.2009, 18:48
Man könnte natürlich auch hergehen und dem Patienten mit seiner fraglich glucosurischen Probe einen oralen Glucosetoleranztest angedeihen lassen. Das ist dann ein diagnostischer Doppelschlag plus Eigenurin-Therapie. Sehr innovativ. :-)

EDIT: Oh... dankeschön für die Blumen! :-blush

Keenacat
09.02.2009, 19:17
Das ist dann ein diagnostischer Doppelschlag plus Eigenurin-Therapie. Sehr innovativ. :-)

mäh... :-oopss jedes mal wenn irgendwer das erwähnt, muss ich daran denken, dass leute das tatsächlich machen im zeitalter von urea-cremes... (ganz zu schweigen davon, dass einige das wohl auch oral oder gar i.m. applizieren...)