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luckyblue
13.11.2002, 23:57
Kreativ sein heißt jugendlich denken und altersweise handeln. Oft wird Kreativität mit Intuität gleichgesetzt. In Goethes Faust heißt es: "So gib mir denn die Jugend wieder, da sich ein Strom gedrängter Lieder ununterbrochen neu gebar." Ich halte dies für einen Trugschluss. Zwar mag ein jugendliches Lebensgefühl vermöge Sprunghaftigkeit, Flexibilität und Phantastereien durchaus für intuitive und originelle Leistungen prädestinieren (und man berücksichtige, wann Grass, Th. Mann, Watson & Crick oder Einstein ihre Sternstunden hatten), aber Intuition ist erst der Anfang. Von einem Kuss wird man nicht schwanger, und die Lippenstiftbremsspuren vom Musenkuss im Antglitz des Poeten mögen zwar die Marketingabteilung seines Verlages freuen, befähigen ihn aber per se nicht zum Bestsellerautor, sind nicht mal Garanten für Kreativität. Kreativität verlangt eine ordnende Kraft, die der Intuition mit Abgeklärtheit in die Parade fährt und sie auf ihre Originalität und werkimmanente Wertigkeit abklopft. Das geht nicht ohne die Durststrecke mühsahmen Handwerks. Insofern altersweise handeln. "Genie ist große Geduld."

Habe nicht auf die Uhr gesehen. Hoffentlich länger als fünf Minuten ... :-))

Jens
17.11.2002, 00:25
Hallo luckyblue,

"altersweise und doch jugendlich" - in diesen Worten finde auch ich einiges von meiner Auffassung zur Kreativität wieder: das Jugendliche, das Spielerische, ja das Kindliche gehoeren dazu: sie schaffen mittels Intuition, Spontaneietät und Gelassenheit den Raum, den Nährboden, in dem sich Kreativität zunächst entfalten kann, sollte und im Sinne einer Ideenvielfalt vielleicht auch muss.

Die Kinder spielen, fragen und leben durchaus kreativ, da sie nicht altersweise handeln und nach einem Sinn fragen: sie haben Ideen, zum Beispiel die Legosteine so oder so zusammenzubauen, es schert sie wenig, ob ein altersweiser Erwachsener dies als kreative Leistung erachtet, denn sie haben ihren Spass daran. Kinder sind - zweifelsohne- sehr kreativ. Doch nicht alle kindliche Kreativität ist auch sinnvoll. Da gibt es eine zweite, initial nicht so sehr wichtige, aber nachfolgend mehr oder minder entscheidende Kraft: das Altersweise, das Ordende, das - wie du es so schoen ausdrueckst - der Intuition in die Parade fahrende.

Beide können nicht ohne einander: wäre da nicht das kindlich-spielerische, das auch Ungewöhnliches und dies sehr zahlreich wagt, wäre da nicht das Altersweise, das aus diesem Zahlreichen das Realistisch-neuartige herauskitzelt, gäbe es in meinen Augen kaum Kreativität:

sie bedingen einander und kommen im Sinne eines kreativen Fortschritts nicht ohne einander aus: das Kindliche und auch das Altersweise:

wer sich nicht kindlich-spielerisch auf zahlreiche Ideen einlässt, vermag nicht oder nur schwerlich altersweise aus diesem Zahlreichen das Neuartige, das Erfogsversprechende, das - wie ich es immer nenne "einen Unterschied Ausmachende" - herauszukristallieren.

Beides ist also - zeitlich aufeinanderfolgend - für mich notwendig: Kindsein, Spielen, Träumen, Intuitionen folgen, aber auch Realist sein, das Realisierbare erkennen, Einhalt gebieten.

Kreativ sein, Kindsein, Erwachsensein zugleich hat einen Reiz für mich.

Soviel zu meinen spontanen Gedanken. Und wir möchten ja dieses kreative Etwas zwischen Kindsein und Altersweisheit mehr oder minder auf das Schreiben anwenden, es geht hier um neuartige Schreibideen, die aus den Einzelnen unserer Gruppe erwachsen, nicht so sehr um geniale Erfindungen- Für Kurzgeschichten, Gedichte, Novellen und gar auch Romane sicherlich bedenkenswert, mal etwas neues zu wagen, zu prüfen und als Mittelweg zwischen Wagnis und Prüfung umzusetzen.

So long
Cu
Jens