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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Von der Klinik in die Praxis



icespeedskatingfan
18.02.2009, 11:38
Hallo,
möchte hier ein Forum für diejenigen eröffnen, die den Schritt von der Klinik in die Praxis wagen möchten, als WBA oder endgültig. Allem Gejammere zahlreicher Niedergelassener und KV-Ausstiegsdiskussionen zum Trotz ist für mich ne nette Landarztpraxis mit selbstbestimmten Arbeitszeiten nach Jahren der Klinikausbeutung immer noch die beste Alternative für ein familienvereinbares Leben. :-meinung

Evil
18.02.2009, 13:46
@ ice: ich find Deine Idee gut!
Erzähl mir mal was Positives, ich möcht mich nämlich auch mal niederlassen ;-)

Hellequin
18.02.2009, 15:13
*Threadgesäubert*

Espressa
18.02.2009, 17:48
Sicher schön sind die immer wieder kommenden "Stammpatienten", die man so über die Jahre betreut. In der Klinik erfolgt ja zumeist nur Akutbehandlung oder OP. Empfand ich als Patient auch sehr schön, immer beim gleichen Arzt zu sein.

Als potentiell negativ empfinde ich die mangelnde Möglichkeit zur Beratung - viele niedergelassene Ärzte scheuen eine Überweisung, auch wenn sie allein nicht ganz sicher sind; und zum schnell mal dem Kollegen zeigen ist dann halt auch keiner da.
Auch kommen häufige Abwesenheiten wg. Urlaub etc. ungut an...

Bester Kompromiss ist meiner Meinung nach immer noch eine Gemeinschaftspraxis.

icespeedskatingfan
18.02.2009, 19:02
Mein Mann und ich (Innere un. Allgemeinmed) haben uns vor einigen Jahren niedergelassen und die Praxis langsam aber sicher Scheinzahlmäßig vergrößert. Als vor vier Jahren eine junge Kollegin ihre Initiativbewerbung zur WBA bei uns abgab fanden wir das einer tolle Idee wieder im Team zu arbeiten- inzwischen hat sie ihren Facharzt und konnte als dritte Ärztin in die Praxis einsteigen. Zur Zeit überlegen wir, ob wir unser Ärzte-Team auf vier Kollegen vergrößern.
Als Landärzte betreuen wir vom älteren Schulkindalter bis zur Bahre das ganze bunte Spektrum von der Rüsselpest über Wundversorgung oder Koordinierung wohnortnahe Chemo bis zur Palliativmedizin - und mir macht es einfach Spaß. Selbstverständlich gibt es auch Tage, an denen ich es gerne Hirn vom Himmel regnen lassen würde ( wiso soll ich keine Cola trinken - ich hab doch Diabetes und kein Zucker! :-)) aber das selbstbestimmte Arbeiten ( eigener dringender Termin?- Sprechstundenzeiten kurzfristig verschieben !) ist einfach viel befriedigender als diese unglaublichen Reibungsverluste in der Klinik zwischen Hirarchien, Abteilungen etc. Nicht zuletzt können wir Klinik und Familie miteinander verbinden: im Juni wird unser 6. Praxisbaby geboren. :- :-angel
Also für mich wars der Schritt aus der Klinikhölle zum Dauerurlaub.. (naja, das ist jetzt was übertrieben)
so long, ice

hennessy
19.02.2009, 06:53
Der Gedankenaustausch mit den Kollegen geht mir hier in meiner Praxis auch etwas ab. Gerade bei komplizierten Fällen würde ich mir eine bessere (auch interdisziplinäre) Zusammenarbeit wünschen.

Ansonsten genieße ich es manchmal extrem, kein Klinikknecht zu sein, sondern der Herr im eigenen Haus zu sein. Klingt zwar blöd, ist aber so. Nachteil dieser Geschichte (und das muss auch mal ganz klar gesagt werden) ist die Tatsache, dass in letzter Konsequenz immer ich derjenige bin, der seinen Kopf hinhalten muss. Die Verantwortung für alles, was in der Praxis geschieht oder auch nicht, liegt allein in meinen Händen.

Ohne ein Team, auf das ich mich verlassen kann, ginge es nicht. Deshalb "Danke" an meine Mädels, dir mir immer öfter den Rücken freihalten müssen, weil z.B. irgendwelche Callcenter-Mitarbeiter 100 Mal am Tag ausdrücklich mich selbst sprechen wollen usw..

Andere Geschichte sind die Patienten selbst: Ich liebe es ungemein, den direkten Draht zu den Patienten zu haben und auch mal als Seelentröster oder als "Verbündeter" in Herzensangelegenheiten zu fungieren. Ich liebe es auch, meine Patienten möglichst lange zu begleiten und nicht wie in der Klinik nur einen kleinen Teil von ihnen zu sehen. Es ist für mich als Behandler eine absolute Genugtuung, zu sehen, wie z.B. aus Kindern Jugendliche und Erwachsene werden, die immer noch gerne zu mir kommen und später ihre eigene Familie mitbringen.
Oder, wenn ich mal im Dorf beim Einkaufen bin, viele nette "Hallo" ´s, viele nette Androhungen "jetzt muss ich bald wieder zu Ihnen kommen" usw. Es zeigt mir, dass mein Behandlungskonzept anscheinend ankommt, das feed-back der Patienten ist für uns ein äußerst wichtiges Kriterium für unsere eigene Bewertung. Da brauch ich keinen QM-Beauftragten, der 10-seitige Fragebögen entwirft, die meine Patienten eh nicht ausfüllen würden. Blöd wäre es allerdings, wenn es nicht so wäre. Denn das Dorf verzeiht nichts. Einmal bei den Dorfbewohnern durchgefallen, hast Du echt zu tun, um wieder hoch zu kommen. Mein Vorgänger hier ist daran zerbrochen.

Der Erfolg bzw. Misserfolg einer Landpraxis hängt langfristig zu einem beträchtlichen Teil nicht nur am ärztlichen Geschick, sondern an der Persönlichkeit des Behandlers und des Teams.

Quintessenz: Für mich selbst gäbe es keine Alternative, wer mit dem Landleben jedoch nicht zurecht kommt, sollte die Finger davon lassen.

Relaxometrie
19.02.2009, 18:10
Einmal bei den Dorfbewohnern durchgefallen, hast Du echt zu tun, um wieder hoch zu kommen. Mein Vorgänger hier ist daran zerbrochen.

Was hat Dein Vorgänger denn falsch gemacht?

hennessy
20.02.2009, 09:21
Was hat Dein Vorgänger denn falsch gemacht?
Du hast pn.

icespeedskatingfan
20.02.2009, 10:18
Du hast pn.
Hä? Gehts auch ausführlicher oder ist einfach nur der PC abgestürzt (zu viel Altweiber gefeiert) :-))

Logo
20.02.2009, 10:20
Hä? Gehts auch ausführlicher oder ist einfach nur der PC abgestürzt (zu viel Altweiber gefeiert) :-))

PN = Private Nachricht :-)

WackenDoc
20.02.2009, 11:00
Ich bin im öffentlichen Dienst als angehender Allgemeinmediziner tätig. Und ich finde es gibt nix besseres. Es ist abwechslungsreich- von Fußpilz bis Myokardinfarkt ist alles dabei- und wenn ich nicht mehr weiter weiss kann ich meine Patienten immer noch zum Facharzt überweisen.
Mich hat das im Krankenhaus schon gestört, als Anfänger im 1. WBJ schon der "Experte" sein zu müssen. Kann mir doch keiner erzählen,dass ein Oberarzt der Psychiatrie und Neurologie so viel weniger Ahnung von Innere hat, als ein Anfänger frisch von der Uni.
Ich finde auch,dass das Verhältnis zu den Patienten viel entspannter ist als im Krankenhaus. Hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, dass ich die Therapie machen kann, die ich für richitg halte- ohne wesentliche Einschränkungen.

Die Arbeitsbedingungen sind auch viel besser als im Krankenhaus, hier hab ich keine 12-14-Stunden-Arbeitstage. Dadurch dass das Assitenzpersonal uns direkt untersteht und keine Pflegedienstleitung dazwischen hängt, ist auf beiden Seiten viel mehr Respekt und nicht so ein Rumgezicke, wie ich es im Krankenhaus kennengelernt habe.

Mein Chef ist echt gut drauf- wenn ich mal ne halbe Stunde länger da bin, schmeisst er mich schon regelrecht raus :-top

Ich kann mir allerding nicht vorstellen mich niederzulassen; da wär mir das finzanzielle Risiko und die Einschränkungen durch die Krankenkassen zu groß.

icespeedskatingfan
20.02.2009, 12:04
PN = Private Nachricht :-)
Schade, Geschichten die das leben schreibt lese ich am liebsten.

Kann was dazu beisteuern:
Unser Vorgänger musste tragischerweise mit 48 wegen eines Apoplexes seine Praxis aufgeben, - was 1) am exzessiven Nikotinkonsum 2) am nicht eingestellten Hypertonuns (krank werden immer nur die anderen!) 3) am unglaublichen Streß lag, der dadurch zustande kam, das er sich von zahlreichen Patienten hat ausnutzen lassen. Kopfschmerzen abends um 10 - na klar, unser Doc kam vorbei.
Wir haben trotz Dorf ca. 50 seiner Stammkunden mehr oder weniger rausschmeißen müssen, sonst hätten die auch mit uns den Molly gemacht - dafür sind seitdem hunderte neue anpassungsfähige Patienten in die Praxis gepilgert die NICHT nach unserer privaten Telefonnummer fragen.

hennessy
21.02.2009, 11:36
Schade, Geschichten die das leben schreibt lese ich am liebsten.....
ich auch. Aber wenn sie dem Datenschutz unterliegen, sollte man sie nicht veröffentlichen.

LasseReinböng
21.02.2009, 13:53
An die Niedergelassenen hier - wieviele Patienten seht ihr denn so im Schnitt am Tag ?

Eine Praxistätigkeit als Dauerurlaub zu bezeichnen, das erscheint mir doch recht ungewöhnlich, mag aber vereinzelt zutreffen. Ich habe auch mal so eine Praxis während einer Famulatur bei einem Internisten kennengelernt...länger als 6h hat der nicht gearbeitet, finanziell liefs anscheinend sehr gut, Zeit für die Patienten war auch da.

Die Regel scheint das aber nicht zu sein...mein Hausarzt wird nach 3min nervös und schaut auf die Uhr, orgelt sich buchstäblich zu Tode in seinem Laden.

icespeedskatingfan
23.02.2009, 10:25
[QUOTE=LasseReinböng]An die Niedergelassenen hier - wieviele Patienten seht ihr denn so im Schnitt am Tag ?

Wir haben in unserer Gemeinschaftspraxis die Faustregel: 6 Pat/Stunde an leeren und 7Pat./Stunde an vollen Tagen - zwischendurch muss man ja auch mal Telefonate etc. erledigen können. Je nach Schicht (dadurch haben wir zu dritt die Frequentierung der Praxis etwas entzerrt) arbeiten wir einschließlich Verwaltungsarbeit und Hausbesuchen zwischen fünf und acht Stunden pro Tag - bei Grippewelle kann es schon mal etwas länger werden, ist aber meist auf 2 - 3 Wochen pro Jahr begrenzt.
Wochenendedienste/Nachdienste etc. haben wir zur Zeit an Vertreter verkauft.
Also mal ganz ehrlich: Auch wenn wir gut organisiert und so Zeitökonomisch wie möglich arbeiten: verglichen mit dem Hühnerstall Klinik mit den ganzen unnötigen Reibungsverslusten ist das hier sehr erholsam.
Sollte ich jemals anfangen über mein schreckliches Niedergelassenendasein zu jammern, werde ich als "Therapie" einen WE-Dienst im Krankenhaus machen... ich glaube dann bin ich von jeder Jammerei ganz schnell wieder kuriert! :-)