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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Petition: Palliativmedizin als Bestandteil des Medizinstudiums



Gersig
26.03.2009, 13:35
Ich habe gerade auf der Homepage des Deutschen Bundestages eine Petition gefunden, die ich sehr interessant und unterstützungswürdig finde.

Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass das Fachgebiet der Palliativmedizin verpflichtender Bestandteil des Medizinstudiums und der Abschlussprüfung wird.

Der Hauptpetent hat vollkommen recht, dass Palliativmedizin im Medizinstudium aufgrund fehlender gesetzlicher Regelung viel zu kurz kommt. Aus diesem Grunde kann ich jedem nur empfehlen, diese Petition zu unterstützen (https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=2995 ).

icespeedskatingfan
26.03.2009, 16:37
Bist Du sicher das ganz dringend das Medizinstudium noch ein bisschen mehr mit Prüfungsstoff vollgemüllt werden muss?
Das wir uns nicht falsch verstehen: Palliativmedizin ist ein sehr wichtiger Bereich, nehme selber an der Palliativ-Vereinbarung der KV Nordrhein teil und bin diesbezüglich weitergebildet - aber das gehört meiner Ansicht nach in die entsprechenden Facharztausbildungen hinein und nicht ins Medizinstudium. Allein die Schmerztherapie beim onkologischen Palliativpatienten ist so differenziert, das man der Ausbildung im Medizinstudium nicht gerecht wird. Und nicht zuletzt sollte man bereits "Paxiserfahrung" bei der Begleitung Sterbender haben die man in die Weiterbildung mit einfließen lassen kann.
Ich finde die jetzige Regelung der Fachkunde und Zusatzbezeichnung sehr sinnvoll und halte eine weitere Theorieüberlastung des Studiums für kontraproduktiv.:-meinung

Muriel
26.03.2009, 16:41
An sich fände ich es nicht verkehrt, zumindest ein wenig mit diesem Thema im Studium vertraut gemacht zu werden. Allerdings, wenn man mal ehrlich ist, würde das doch nur wieder eines von den Fächern werden, die man als unnötigen Ballast betrachten würde, die von den "wichtigen" Sachen ablenken und ein Praktikum, eine Vorlesung oder sonst was würde nur sehr ungern und damit auch nicht gewinnbringend besucht werden.

Evil
26.03.2009, 17:21
Bist Du sicher das ganz dringend das Medizinstudium noch ein bisschen mehr mit Prüfungsstoff vollgemüllt werden muss?
Da hast Du recht, dafür sollte so ein Schwachsinn wie Gsundheitsökonomie rausfliegen.

Grundsätzlich ist aber Sterbebegleitung und das Sterbenlassen von Patienten ein stark vernachlässigtes Thema. Die Auswüchse unserer Medizinethik, auch nur ja jeden Patienten bis zum Letzten gegen den bösen Tod zu verteidigen, kann man auf vielen Intensiv- und onkologischen Stationen besichtigen, wo bis zum Schluß Maximaltherapie mit Chemo, Antibiose, parenteraler Ernährung und wasweißich gefahren wird, wo der Patient doch eigentlich nur in Würde und schmerzfrei gehen wollte...

icespeedskatingfan
26.03.2009, 17:34
bis zum Schluß Maximaltherapie mit Chemo, Antibiose, parenteraler Ernährung und wasweißich gefahren wird, wo der Patient doch eigentlich nur in Würde und schmerzfrei gehen wollte...

Wobei ich meine zu beobachten das ein Umdenken stattfindet. Inzwischen greifen Klinikkollegen auch schon mal zum Telefonhörer und besprechen mit dem (palliativ tätigen) Hausarzt, ob eine häusliche Versorgung eines Palliativpatienten gewährleistet werden kann. Kann meistens, auch dank guter Zusammenarbeit mit fortgebildeten Pflegediensten und Hospizen.

Nur das Studium ist m.E. schon so stoffüberlastet das man diesen Teil vielleicht mal da lässt, wo er hingehört: in die Weiterbildungszeit. Jedenfalls bringen 20 Fragen mehr im Staatsexamen keine Qualitätsverbesserung.

Gersig
26.03.2009, 17:36
Damit wir uns richtig verstehen, icespeedskatingfan: Es geht mir (und ich denke dem Petenten auch nicht) um ein weiters Fach, das MC-mäßig abgeprüft wird. Die Intention liegt eher darin, an das Wesen und die Notwendigkeit der Palliativmedizin heranzuführen. Im Rahmen meines Allgemeinmedizin-Blockpraktikums war ich mit meinem Hausarzt auf der Palliativstation und im Hospiz, und: Ich finde, das sind ganz wichtige Erfahrungen. Es geht nicht darum, Faktenwissen zu schaffen und das abzufragen, sondern herangehenden Ärzten zu zeigen, dass Medizin nicht immer heilt und man dem sterbenden Menschen ermöglichen soll, schmerzfrei, würdevoll, mit Lebensqualität und menschlich (!) mit seiner Krankheit leben und sterben zu können. Das kam in meinem Studium definitiv zu kurz :-meinung

@evil: Nichts gegen Gesundheitsökonomie :-D

icespeedskatingfan
26.03.2009, 18:02
Im Studium kam so einiges zu kurz - leider vieles was später relevant ist.:-nix Wobei es aus der Sicht des Studenten auch schwierig ist zu wichten, was man wirklich später braucht. Sozialmedizin - hat mich im Studium sowas von angeödet:-kotz mittlerweile bilde ich mir ein auf diesem Gebiet ziemlich fit zu sein, weil ich es täglich für die Beratung der Patienten brauche.
Ebenso sehe ich das mit Palliativmedizin - wenn Du von einem fähigen HA im Rahmen des Allgemeinmedizinpraktikums an die Materie herangeführt wirst bekommst Du einen Zugang zu dem Thema - nur weil es Bestandteil des GK ist aber nicht unbedingt.

Hellequin
26.03.2009, 18:07
Ich habe die Hälfte meines Innere-Tertials auf einer onkologischen Station mit angeschlossener Palliativ-Einheit verbracht und ich bin durchaus der Meinung das im ambulanten Bereich noch etliche Sachen verbesserbar sind. Es gab HÄ die in der Hinsicht supermotiviert waren und ihre Patienten gut versorgt haben. :-) Aber es gibt halt auch einen nicht geringen Anteil, der noch gewaltige Vorurteile der Palliativmedizin gegenüber hat und möglichst wenig damit zu tun haben will. Und solche Vorurteile lassen sich halt am besten möglichst frühzeitig im Studium abbauen. Und wie Gersig schon sagte geht es ja nicht darum, das ein gerade fertig gewordener Arzt einen Palliativpatienten mit allem Pipapo versorgen kann, sondern halt die nötige Sensibilisierung für den Bereich zu schaffen.

papiertiger
26.03.2009, 18:13
Wie ausführlich die Palliativmedizin im Medizinstudium tatsächlich zum Tragen kommt kann ich noch nicht beurteilen, stehe da ja noch ziemlich am Anfang. ;)
Aber meinen Eindruck möchte ich hier trotzdem kurz widergeben, gerade weil ich denke, dass sich da gerade durchaus etwas tut. Das mag zu gegebener Zeit bei den "älteren Semestern" noch nicht der Fall gewesen zu sein, aber mittlerweile scheint sich da durchaus eine gesteigerte Sensibilität für die Bedeutung des Themas auch in den Curricula niederzuschlagen.

Wir hatten jedenfalls im ersten Semester bereits die Möglichkeit, im Rahmen der Berufsfelderkundung ein Kinderhospiz zu besuchen. Palliativmedizin gibt es hier sowohl als vorklinisches als auch als klinisches Wahlfach.
Soweit zum freiwilligen Programm für die Interessierten. Im Kurs der Medizin-Soziologie taucht das Thema allerdings auch immer wieder auf - ebenso in der Medizinischen Psychologie.
Im klinischen Abschnitt ist es ganz ausdrücklich ein Teilbereich des Trimesterblockes Psychosoziale Medizin, und hat (zumindest auf dem Papier) einen mindestens ebensogroßen Stellenwert wie die Fächer Gesundheitsökonomie, Rehabilitative Medizin, Epidemologie usw.
Wie das praktisch umgesetzt ist kann ich natürlich noch nicht beurteilen - aber völlige Vernachlässigung eines Gebietes sieht meines Erachtens schon anders aus.

Hoppla-Daisy
26.03.2009, 19:17
Habe vor einigen Tagen noch gelesen, dass in Ba-Wü und Bayern zumindest die Palliativmedizin bereits seit längerer Zeit im Curriculum seien.

Ich bin froh, dass ich im Rahmen des Allgemeinmed-Blockpraktikums tatsächlich in dieses MVZ in Duisburg eingeteilt worden bin, dessen Schwerpunkte die Schmerztherapie und die Palliativmedizin sind. Hab ich mir extra als Wunschpraxis ausgesucht, weil ich dieses Thema auch als sehr stiefmütterlich behandelt erachte und dort viel lernen möchte.

icespeedskatingfan
27.03.2009, 07:36
Wenn es darum geht Studenten zum Thema Palliativmedizin zu sensibilisieren (und nicht mit noch mehr Prüfungsstoff zu quälen) kann ich den Antrag unterstützen.
Wobei meine Wunschliste der Sensibilisierung noch länger ist:
z.B. - häusliche Gewalt (Praktikum beim weißen Ring, oder Kinderschutzbund, oder Kripo, oder Frauenhaus, oder Traumaambulanz)
- oder noch viel stiefmütterlicher behandelt: Drogenabhängigkeit und Methadonsubstitution ( die Anzahl der substituierenden Ärzte ist dramatisch geschrumpft und die Bereitschaft sich damit auseinanderzusetzen geht bei den meisten Kollegen gegen Null) z.B. Praktikum bei der Drobs, oder Suchtklinik, oder einem koordinierenden Suchtmediziner etc.

Relaxometrie
27.03.2009, 20:37
oder noch viel stiefmütterlicher behandelt: Drogenabhängigkeit und Methadonsubstitution

Da ich ja mein erstes Psychiatriejahr in der Suchtabteilung verbracht habe, und davon 8 Monate auf der Opiatentzugstation war, kenne ich das Thema Substitution so einigermaßen. Substituierst Du in Deiner Praxis? Hast Du die Zusatzbezeichnung "Suchtmedizinische Grundversorgung"?

Zum Thema Palliativmedizin:
Bei uns wurde ein kurzer Seminarblock + eine einsemestrige Vorlesung angeboten. Das Thema war sehr interessant, die Veranstaltung aber sehr schlecht besucht. Da wird auch wieder meine Kritik an der "Doktorarbeit während des Studiums" laut. Denn für viele Kommilitonen war die Diss und die damit verbundene zeitliche Belastung der Hauptgrund dafür, freiwillige Veranstaltungen niemals zu besuchen.

Solara
28.03.2009, 20:26
Habe vor einigen Tagen noch gelesen, dass in Ba-Wü und Bayern zumindest die Palliativmedizin bereits seit längerer Zeit im Curriculum seien.



Richtig - an der LMU existiert ein 2-semestriger Block Palliativmedizin mit Abschlussklausur.

icespeedskatingfan
30.03.2009, 08:12
[QUOTE=Relaxometrie;760410] Substituierst Du in Deiner Praxis? Hast Du die Zusatzbezeichnung "Suchtmedizinische Grundversorgung"?
QUOTE]

Beides: Ja. Bin allerdings allein auf weiter Flur, - für die meisten Kollegen sind Drogenabhängige Aussätzige, die sie nicht behandeln möchten. (verstecken sich hinter dem Sätzchen: von Substitution habe ich gaaaar keine Ahnung)

Relaxometrie
31.03.2009, 21:14
Beides: Ja. Bin allerdings allein auf weiter Flur, - für die meisten Kollegen sind Drogenabhängige Aussätzige, die sie nicht behandeln möchten. (verstecken sich hinter dem Sätzchen: von Substitution habe ich gaaaar keine Ahnung)
Wie machst Du das am Wochenende? Gibt es jemanden, der dann Methadon/Polamidon/Subutex ausgibt? Ich hoffe, daß es "take-home" bei Dir nicht gibt.
Substituierst Du mit allen 3 genannten Stoffen?

icespeedskatingfan
01.04.2009, 11:38
Take-Home bei Pat. mit >6 Mon. Substitution und nachgewiesener Beigebrauchsfreiheit (derzeit nur 1 Pat, Wochen-Rp.)
ansonsten: NDP am WE.
Ich substituiere je nach Indikation mit Buprenorphin, Methadon-HCl und sehr selten mit Polamidon. Insgesamt verfolge ich ein sehr hochschwelliges Konzept mit enger Zusammenarbeit mit der Psychosozialen Betreuung seitens der Drobs .
Irgendwie kommen wir aber von der Palliativ-Medizin ab. Hier möchte ich einfach mal die spezialisierten Pflegedienste und Hospiz-Initativen loben; die sind so super das ein Patient inzwischen zu Hause wirklich besser versorgt und geborgener stirbt als im Krankenhaus.
Liebe Krankenhauskollegen: wenn nix mehr für den Patienten zu machen ist kann man ihn (bei funktionierendem Netzwerk, wohlgemerkt) ohne Gewissensbisse nach Hause entlassen.

Evil
01.04.2009, 13:10
wenn nix mehr für den Patienten zu machen ist kann man ihn (bei funktionierendem Netzwerk, wohlgemerkt) ohne Gewissensbisse nach Hause entlassen.
Jap. Bei uns nennt sich das "die Brücke".