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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Spezialisten - von Daniel Sommerlad



Jens
18.11.2002, 22:02
Hallo,
stellvertretend für Daniel stelle ich hier seine Kurzgeschichte "Spezialisten" vor. Daniel hatte mich darum gebeten, da er gerade für das 3. Staatsexamen lernt und am 21.11.2002 Prüfung hat :-top *daumendrück* :-top)

Viel Spass beim Lesen ! Wie gefällt euch die Geschichte?

<html> <table border="0" width="500" cellpadding="3"><tr><td align="center" style="background-color: #F0F0F0; border: 1 solid #C0C0C0"> <p align="justify"><font face="Arial" size="2"><b><u><br> „Spezialisten&quot; - von Daniel Sommerlad<br> </u></b>In weiter Ferne, auf einem Berg, so hoch wie kein anderer Berg, war einmal eine große, weltberühmte Universität mit vielen gebildeten Leuten, die so schlau waren, dass die Kunde von ihrer Klugheit in alle Himmelsrichtungen verbreitet worden war. Sie schrieben dicke Bücher und überließen das Schreiben von dünnen Büchern den zweit- und drittklügsten Menschen von anderswo, fanden jedoch auch in den dünnen Büchern stets dankenswerte Anerkennung. Denn die zweit- und drittklügsten Menschen kamen von überall durch die halbe Welt gereist und scheuten keine Mühe, um die Meinung der klügsten Spezialisten von der weltberühmten Universität zu hören.</font> <p align="justify"><font face="Arial" size="2"> Es gab dort Spezialisten für das Schnürsenkelzubinden, für das Schnürsenkelaufmachen und überhaupt für das gesamte Schnürsenkelwesen einschließlich aller Abarten von Schnürsenkeln zwischen vier und acht Ösen lang. Man hatte Experten für das Öffnen und Schließen von Holztüren, für die Kaltschmiedekunst, für saatlose Getreidezucht und für flache Bewässerungsgräben, die allesamt Meister ihres Faches waren und darin weltweiten Ruhm erlangt hatten.<br> Doch vor nicht allzu langer Zeit ging die Kunde wie ein Lauffeuer durch das Land, wurde die Nachricht verschifft und in alle vier Winde gestreut, dass der weltberühmten Universität die Berufung eines neuen Experten gelungen war, der alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen sollte.</font> <p align="justify"><font face="Arial" size="2"> Den Obersten der Oberen selbst war nicht gestattet worden, auch nur spärliche Informationen über das genaue Fachgebiet des neuen Professors zu erhalten, und somit begann zwischen den klügsten Vertretern ihrer Zunft ein erbittertes Wetteifern über die Frage, ob der neue Kollege nun in diesem oder in jenem Tätigkeitsbereich anzusiedeln sei.</font> <p align="justify"><font face="Arial" size="2"> "Es steht zweifelsfrei fest", murmelte der Professor für glasfreien Fensterbau in seinen Bart, "es steht zweifelsfrei fest, dass mein Forschungsgebiet das wichtigste Fach an dieser Hochschule ist, und daher werde ich einen Kollegen für glasfreien Türenbau bekommen."</font> <p align="justify"><font face="Arial" size="2"> "Aber Herr Kollege", entgegnete der Professor für Trockenbotanik, "wie Sie wissen, gibt es außer Ihnen keinen weiteren Spezialisten im Fach der glasfreien Baukunst. In der Trockenbotanik hingegen, also in der Trockenbotanik ..."<br> So wetteiferte man auf höchstem Niveau um die Gunst des unbekannten Neuankömmlings, dessen Ankunft im Zuge eines großen Volksfestes vorbereitet wurde. Als die Zeit bis zur Ankunft des neuen Experten nur noch im Stundenglas verrinnen mußte, hatte sich bereits eine Empfangsdelegation formiert, die in der ehrwürdigen Basilika der Universität vor ausgesuchtem Publikum die Begrüßung des neuen Professors vollziehen würde. Der Herrscher des Fürstentums, wo die Universität stand, war eigens aus seinem Urlaub in Padua zurückgekehrt, als die otschaft der Berufungskommission nach ihm geschickt wurde.</font> <p align="justify"><font face="Arial" size="2"> Und kaum war das letzte Sandkorn im Stundenglas hinabgefallen, wurde die große Flügeltür der Kapelle unter einer Fanfare aufgestoßen und hinein ritt, auf einem prächtigen Roß mit seidenem Gewand verhüllt, der Neuankömmling.<br> Schnaubend kam das Pferd vor dem Fürsten und dem Hochschulpräsidenten zum Stehen, und hinab stieg der Klügste der Klugen, langerwartet.<br> "Ihr seid wahrlich der Klügste unter allen Klugen", sprach der Präsident mit Ehrfurcht, " und das Geheimnis Eurer Profession war bis zum Datum des heutigen Tages gehütet worden." Der Klügste nickte andeutungsweise.<br> "Nun, so bitte ich Euch, uns an dieser Stelle den Kern Eures Schaffens näher zu bringen!" bat der Präsident mit erwartungsfroh bebenden Lippen. Es war vollkommen still in dem ehrwürdigen Gemäuer.<br> </font> <p align="justify"><font face="Arial" size="2">Der Kluge trat hervor und zog zwei Gegenstände aus seinem Gewand. "In der Tat bin ich ein anerkannter und der einzig lebende Experte für das Eindrehen von Glühlampen" sagte der Kluge mit einer Stimme, die keinen Zweifel an der Wahrheit seiner Aussage aufkommen ließ. Ein Raunen ging durch die Menge, und die jahrhundertealten Holzbänke der Basilika knarrten und ächzten unter dem Gewicht der sich hektisch in alle Richtungen drehenden, wild tuschelnden Menge. "Ich habe, um der mithin unerträglichen Fragerei der Ignoranten entgegenzutreten, ein Muster zum Beweis meiner Kunst hierher gebracht" sagte der Klügste unter den Klugen mit erhobenem Zeigefinger in Richtung der staunenden Gelehrten, die schlagartig verstummten.</font> <p align="justify"><font face="Arial" size="2"> "Unter Ausnutzung der Diadochokinese werde ich diese mitgeführte Glühlampe in die eigens vorgefertigte Fassung drehen" sagte der Gelehrte. Und er drehte, mit quietschendem Geräusch, das in der Basilika mannigfachen Widerhall erzeugte, die Lampe in die Fassung.<br> Kaum war der letzte Laut verstummt, ertönte ein Applaus, wie ihn die Gelehrtenschaft, der Fürst und das Volk nur aus den Erzählungen der Alten kannten. Pfiffe der Begeisterung, Jubelschreie, Ausstöße von Bewunderung, Überraschung und Ehrfurcht schlugen dem Experten für das Eindrehen von Glülampen entgegen.<br> Erst nach geraumer Zeit legte sich Applaus der tosenden Menge, just in dem Moment, als der Fürst, der über das Wirken seiner Universität sehr belesen war, den Finger hob und zu einer Frage ansetzte: "Ich bitte um Eure Verzeihung, der Ihr der Klügste unter den Gelehrten seid, aber erlaubt mir die einfachste aller Fragen, selbst wenn sie unter Eurer Würde zu sein scheint!"</font> <p align="justify"><font face="Arial" size="2"> Der Gelehrte nickte andeutungsweise.<br> "Nun denn, so frage ich Euch, welche Nutzen bringende Wirkung geht von Eurer Erfindung aus, wenn, wie ich aus zuverlässiger Quelle erfahren habe, der elektrische Strom noch lange nicht erfunden wird?"<br> Gespannte Stille legte sich über den Saal.<br> Der Präsident blickte mit schreckgeweiteten Augen zum Kanzler, welcher ängstlich in Richtung des Dekans vom Fachbereich für Theoretische Physik schielte. Der rofessor für Physik blickte betreten zu Boden, hatte er selber doch vor kurzem berechnet, dass die Elektrizität erst in zweiundsiebzig Jahren erfunden werden sollte, und zwar an einem Freitag.</font> <p align="justify"><font face="Arial" size="2"> Der Gelehrte machte eine lange Pause, räusperte sich und setzte mit der leisesten Stimme zur Feststellung an: "Wenn der erste Funke aus der galvanischen Zelle springen wird, sind wir schon in Besitz der Glühlampe!"<br> Der Rest ist Geschichte. Das Fürstentum erstrahlte in noch größerem Glanz als je zuvor, und der Professor für das Einschrauben von Glühlampen schrieb dicke Bücher, und die zweit- und drittklügsten Gelehrten von anderso dankten ihm in ihren dünnen Büchern.<br> Es soll erwähnt werden, dass die Universität seit der Berufung des Professors für das Einschrauben von Glühlampen fieberhaft auf der Suche nach einem neuen Experten war.</font> <p align="justify"><font face="Arial" size="2"> Es fehlte noch ein Professor für das Herausschrauben von Glühlampen.<br> <br> © 2000 by [email protected]</font> </td> </tr> </table></html>